Suchttherapie 2019; 20(03): 150-157
DOI: 10.1055/a-0665-6200
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ist ambulante Suchthilfe auch dann wirksam und kosteneffektiv, wenn Klienten „Kontrolliertes Trinken“ oder andere Zielsetzungen präferieren?

Is Outpatient Addiction Care Effective and Cost-Effective even if Clients Prefer “Controlled Drinking” or Other Goals?
Martin Sieber
1   Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen, Zollikon, Schweiz
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 November 2018 (online)

Zusammenfassung

Ziel Die Studie befasst sich mit dem Rückgang des Alkoholkonsums und den Folgekosten nach Abschluss der ambulanten Behandlung bei Menschen mit einem Alkoholproblem, die unterschiedliche Konsumziele verfolgen: a) Abstinenz (A), b) Kontrolliertes Trinken (KT), c) andere Ziele (AZ).

Methodik 450 Klienten ambulanter Beratungsstellen wurden bei Behandlungsende sowie ein Teil davon im Follow-up befragt und entsprechend ihrem Konsumziel in 3 Gruppen aufgeteilt. Der „Problematische Alkoholkonsum“ sowie die Kosten für ambulante/stationäre Behandlungen und Arbeitsabsentismus wurden für die 12 Monate vor respektive 6 und 12 Monate nach Behandlungsende ermittelt. Die Analyse umfasst 116 Personen mit vollständigem Datensatz.

Ergebnisse Der Rückgang der Alkoholproblematik war bei allen 3 Gruppen signifikant (p<0,001) und bei 72,4% entstanden lediglich geringe Folgekosten (bis CHF 1000 pro Jahr). Entgegen den Erwartungen bestand bei den stationären Behandlungen kein signifikanter Rückgang und bei den Absentismustagen ein signifikanter Anstieg (p<0,01). Die Folgekosten sanken bei Gruppe A signifikant (p<0,01), bei Gruppe KT nahmen sie zu. Personen mit dem Ziel „Abstinenz“ hatten bessere Verlaufsindikatoren bezüglich Alkoholkonsum und Folgekosten als Personen mit dem Ziel „Kontrolliertes Trinken“.

Schlussfolgerungen Bei Personen mit anderen Zielsetzungen als der Abstinenz ist eine Modifikation der Behandlung zu überdenken. Da bei den Folgekosten infolge stationärer Behandlungen kein substantieller Rückgang bestand, sollte in neuen Studien ermittelt werden, wie sich die Kosten bei einer längeren Follow-up-Zeit entwickeln.

Abstract

Goal The study addresses the reduction in alcohol consumption and follow-up costs after outpatient treatment for people with an alcohol problem who have different consumption goals: a) abstinence (A), b) controlled drinking (CD), c) other goals (AZ).

Methods 450 clients of outpatient counselling centres were surveyed at the end of treatment and some of them were followed up and divided into 3 groups according to their consumption goals. The “problematic alcohol consumption” as well as the costs for outpatient/inpatient treatment and work absenteeism were determined for the 12 months before and 6 and 12 months after the end of treatment. The analysis comprises 116 persons with complete information.

Results The decrease in alcohol problems was significant in all three groups (p<0.001) and 72.4% had only low follow-up costs (up to CHF 1000 per year). Contrary to expectations, there was no significant decline in inpatient treatment and a significant increase in absenteeism days (p<0.01). The follow-up costs decreased for group A significantly (p<0.01) and increased for group CD. Persons aiming at “abstinence” had better progression indicators for alcohol consumption and follow-up costs than persons aiming at “controlled drinking”.

Conclusions For persons with objectives other than abstinence, a modification of treatment should be considered. As there was no substantial reduction in follow-up costs due to inpatient treatment, new studies were to determine how costs would develop over a longer follow-up period.

 
  • Literatur

  • 1 Lindenmeyer J. Kontrolliertes Trinken – Vier Schlussfolgerungen. Sucht 2001; 47: 262-264
  • 2 Olbrich R, Mann K. Kontrolliertes Trinken, ein kontroverses Konzept und seine empirische Basis. Sucht 2001; 47: 250-251
  • 3 Cox MW. Is Controlled Drinking a Viable Goal for Excessive Drinkers?. Sucht 2001; 47: 255-256
  • 4 Springer A. Bemerkungen zu Jörg Petrys „Trinkkontrolle“. Sucht 2001; 47: 259-261
  • 5 Petry J. Trinkkontrolle: Ideengeschichte und aktuelle Debatte. Sucht 2001; 47: 233-249
  • 6 Soyka M, Küfner H. Alkoholismus – Missbrauch und Abhängigkeit. 6. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2008
  • 7 Körkel J. Kontrolliertes Trinken bei Alkoholkonsumstörungen: Eine systematische Übersicht. Sucht 2015; 61: 147-174
  • 8 Schmidt B. Gesundheitsförderung zwischen Eigenverantwortung und Fremdbestimmung. SuchtMagazin 3/2016, 4–10
  • 9 Margraf J. Kosten und Nutzen der Psychotherapie. Heidelberg: Springer; 2009
  • 10 Sieber M. Kosten-Nutzen-Analyse ambulanter Behandlungen bei Alkoholabhängigkeit. SuchtMagazin 2017; 4: 45-49
  • 11 ISF Institut für Suchtforschung. Konzept für die ambulante Beratung und Behandlung von Alkohol- und anderen Suchtproblemen durch Fachstellen im Kanton Zürich. Im Auftrag der Fachstellenkonferenz der ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen für Alkoholprobleme im Kanton Zürich in Zusammenarbeit mit dem Kantonalen Sozialamt. Forschungsbericht Nr. 0205 Institut für Suchtforschung ISF, Zürich, Juni 2005
  • 12 Astudillo M, Maffli E. Ambulante Suchthilfe. Ergebnisse der KlientInnenbefragung 2015. Lausanne: Sucht Schweiz; 2017
  • 13 Sieber M, Rüttimann R, Schmid R. Ambulanter Behandlungserfolg bei Personen mit Alkoholproblemen. Abhängigkeiten 2011; 17: 24-37
  • 14 Sieber M. Rüttimann Schmid R. Behandlungserfolg nach 6 und 12 Monaten bei Personen mit Alkoholproblemen (ambulante Behandlung). Abhängigkeiten 2012; 1: 30-53
  • 15 Haug S. Wirksamkeit ambulanter Behandlung bei Alkoholproblemen. SuchtMagazin 2014; 5: 19-23
  • 16 Haug S. Wirksamkeit ambulanter Behandlung bei Alkoholproblemen. SuchtMagazin 2015; 6: 26-28
  • 17 Bush K, Kivlahan D, McDonell R. et al. The AUDIT alcohol consumption questions (AUDIT-C): an effective brief screening test for problem drinking. Arch Intern Med 1998; 158: 1789-1795