Norén P.
et al.
The positive effects of habit reversal treatment of scratching in children with atopic
dermatitis: a randomized controlled study.
Br J Dermatol 2018;
178: 665-673
Das Bedürfnis, sich zu kratzen, entsteht bei atopischer Dermatitis zunächst aus dem
Juckreiz, der sich kurzfristig durch das Kratzen lindern lässt. Im Verlauf jedoch
entwickelt sich das Kratzen bei vielen Patienten zu einer unwillkürlichen, automatisierten
oder gar zwanghaften Gewohnheit. Durch diese mechanische Irritation wird die Haut
noch zusätzlich zu den durch die Atopie bedingten Veränderungen geschädigt. Mögliche
Folge ist eine Infektion. Selbst gesunde Haut weist nach andauerndem Kratzen nach
einiger Zeit histologische Veränderungen auf, die denen der chronischen atopischen
Dermatitis gleichen.
Um Verhalten wie Nägelkauen, Trichotillomanie oder Skin Picking zu kontrollieren,
entwickelten Azrin und Nunn 1973 das sog. Habit Reversal Training (HRT). Nach vielversprechenden
Ergebnissen bei Erwachsenen mit atopischer Dermatitis rekrutierten schwedische Ärzte
nun über 2 Jahre 39 Kinder im Alter von 5 bis 13 Jahren und deren Eltern für eine
einfach verblindete, randomisierte Studie mit dem Ziel, das HRT auch bei Kindern zu
testen. Die Kinder litten seit der sehr frühen Kindheit, mindestens seit 2 Jahren,
an den für atopische Dermatitis typischen Hautzeichen und Juckreiz, manche auch zusätzlich
an Heuschnupfen oder Asthma. Ausgeschlossen wurden u. a. Kinder mit einer Hautinfektion,
mit zu leicht oder zu schwer ausgeprägter Krankheit (SCORAD [Scoring Atopic Dermatitis]
von < 20 oder > 66), nichtweißer Hautfarbe oder einer zusätzlich vorliegenden Nahrungsmittelallergie.
In Woche 1 erhielten alle Probanden Informationen über die Bedeutung des Kratzens
für den Verlauf der Atopie. Die Eltern sollten täglich eine halbe Stunde lang die
Kratzepisoden des Kindes protokollieren, Auslöser/Umstände notieren und die Stärke
des Juckreizes abschätzen. Zudem sollten sie den Children Dermatology Life Quality
Index (CDLQI) kurz vor jedem der 4 Klinikbesuche ausfüllen. Die Autoren modifizierten
das HRT etwas, sodass die Eltern ihre Kinder anleiten konnten: So wurden die Eltern
von 18 der Teilnehmer von einer entsprechend angelernten Pflegekraft instruiert, die
Kinder, sobald diese kratzten, dazu anzuhalten etwa 30 Sekunden lang die Faust zu
ballen und dann mit einem Finger auf die juckende Hautstelle zu drücken ohne zu kratzen.
Dieses neue Verhalten sollten die Eltern mit ihren Kindern mehrmals täglich üben und
lobend verstärken. Die Kontrollgruppe erhielt diese Informationen nicht. Allen Patienten
wurde täglich ein topisches Steroid verordnet sowie die entsprechende Basispflege.
Zu Studienbeginn lag der von einem unabhängigen Dermatologen erhobene SCORAD mit 39,7 ± 10,4
in der Interventionsgruppe genauso hoch wie in der Kontrollgruppe (37,7 ± 10,0). Nach
3 Wochen Intervention hatte sich der durchschnittliche SCORAD in der Interventionsgruppe
mit – 31,9 (± 9,5) im Vergleich zu den Kontrollen (– 23,8 ± 10,1) deutlich verbessert
(p = 0,027). 8 Wochen später war dieser Unterschied weiterhin signifikant messbar
(– 31,7 ± 10,4 vs. – 19,7 ± 9,4; p = 0,0038). Die Werte des CDLQL als sekundärer Endpunkt
zeigten zwischen den beiden Gruppen zu Studienbeginn keinen Unterschied; bei Besuch
3 und 4 hatten sich die Scores in beiden Gruppen gleich deutlich verbessert.
Durch ein 3-wöchiges Habit Reversal Training, das die Eltern mit ihren Kindern zuhause
durchführten, in Kombination mit einem Steroid, ließ sich die Symptomatik bei atopischer
Dermatitis deutlicher und anhaltend bessern als nur mit dem Steroid. Das Training
sei einfach zu vermitteln, so die Autoren. Ob diese Methode auch bei schwerer Neurodermitis
oder sehr kleinen Kindern praktikabel ist und über einen längeren Zeitraum wirkt,
müssten weitere Studien klären.
Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen