Aktuelle Dermatologie 2018; 44(11): 478-479
DOI: 10.1055/a-0677-0042
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neurodermitis: Habit Reversal Training auch bei Kindern effektiv

Norén P. et al.
The positive effects of habit reversal treatment of scratching in children with atopic dermatitis: a randomized controlled study.

Br J Dermatol 2018;
178: 665-673
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Publication Date:
07 November 2018 (online)

 

    Patienten mit atopischer Dermatitis (Neurodermitis) gewöhnen sich wegen ihrer Hautsymptome häufig an, sich regelmäßig zu kratzen. Dies verstärkt die Läsionen noch, ist jedoch schwierig zu unterdrücken. Bei Erwachsenen kann das Habit Reversal Training in Kombination mit einem topischen Steroid das Kratzen effektiv reduzieren und so das Hautbild verbessern, wie 2 Studien zeigen. Ob sich die Methode auch für Kinder eignet, prüften schwedische Ärzte.


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    Das Bedürfnis, sich zu kratzen, entsteht bei atopischer Dermatitis zunächst aus dem Juckreiz, der sich kurzfristig durch das Kratzen lindern lässt. Im Verlauf jedoch entwickelt sich das Kratzen bei vielen Patienten zu einer unwillkürlichen, automatisierten oder gar zwanghaften Gewohnheit. Durch diese mechanische Irritation wird die Haut noch zusätzlich zu den durch die Atopie bedingten Veränderungen geschädigt. Mögliche Folge ist eine Infektion. Selbst gesunde Haut weist nach andauerndem Kratzen nach einiger Zeit histologische Veränderungen auf, die denen der chronischen atopischen Dermatitis gleichen.

    Um Verhalten wie Nägelkauen, Trichotillomanie oder Skin Picking zu kontrollieren, entwickelten Azrin und Nunn 1973 das sog. Habit Reversal Training (HRT). Nach vielversprechenden Ergebnissen bei Erwachsenen mit atopischer Dermatitis rekrutierten schwedische Ärzte nun über 2 Jahre 39 Kinder im Alter von 5 bis 13 Jahren und deren Eltern für eine einfach verblindete, randomisierte Studie mit dem Ziel, das HRT auch bei Kindern zu testen. Die Kinder litten seit der sehr frühen Kindheit, mindestens seit 2 Jahren, an den für atopische Dermatitis typischen Hautzeichen und Juckreiz, manche auch zusätzlich an Heuschnupfen oder Asthma. Ausgeschlossen wurden u. a. Kinder mit einer Hautinfektion, mit zu leicht oder zu schwer ausgeprägter Krankheit (SCORAD [Scoring Atopic Dermatitis] von < 20 oder > 66), nichtweißer Hautfarbe oder einer zusätzlich vorliegenden Nahrungsmittelallergie.

    In Woche 1 erhielten alle Probanden Informationen über die Bedeutung des Kratzens für den Verlauf der Atopie. Die Eltern sollten täglich eine halbe Stunde lang die Kratzepisoden des Kindes protokollieren, Auslöser/Umstände notieren und die Stärke des Juckreizes abschätzen. Zudem sollten sie den Children Dermatology Life Quality Index (CDLQI) kurz vor jedem der 4 Klinikbesuche ausfüllen. Die Autoren modifizierten das HRT etwas, sodass die Eltern ihre Kinder anleiten konnten: So wurden die Eltern von 18 der Teilnehmer von einer entsprechend angelernten Pflegekraft instruiert, die Kinder, sobald diese kratzten, dazu anzuhalten etwa 30 Sekunden lang die Faust zu ballen und dann mit einem Finger auf die juckende Hautstelle zu drücken ohne zu kratzen. Dieses neue Verhalten sollten die Eltern mit ihren Kindern mehrmals täglich üben und lobend verstärken. Die Kontrollgruppe erhielt diese Informationen nicht. Allen Patienten wurde täglich ein topisches Steroid verordnet sowie die entsprechende Basispflege.

    Zu Studienbeginn lag der von einem unabhängigen Dermatologen erhobene SCORAD mit 39,7 ± 10,4 in der Interventionsgruppe genauso hoch wie in der Kontrollgruppe (37,7 ± 10,0). Nach 3 Wochen Intervention hatte sich der durchschnittliche SCORAD in der Interventionsgruppe mit – 31,9 (± 9,5) im Vergleich zu den Kontrollen (– 23,8 ± 10,1) deutlich verbessert (p = 0,027). 8 Wochen später war dieser Unterschied weiterhin signifikant messbar (– 31,7 ± 10,4 vs. – 19,7 ± 9,4; p = 0,0038). Die Werte des CDLQL als sekundärer Endpunkt zeigten zwischen den beiden Gruppen zu Studienbeginn keinen Unterschied; bei Besuch 3 und 4 hatten sich die Scores in beiden Gruppen gleich deutlich verbessert.

    Fazit

    Durch ein 3-wöchiges Habit Reversal Training, das die Eltern mit ihren Kindern zuhause durchführten, in Kombination mit einem Steroid, ließ sich die Symptomatik bei atopischer Dermatitis deutlicher und anhaltend bessern als nur mit dem Steroid. Das Training sei einfach zu vermitteln, so die Autoren. Ob diese Methode auch bei schwerer Neurodermitis oder sehr kleinen Kindern praktikabel ist und über einen längeren Zeitraum wirkt, müssten weitere Studien klären.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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