Pneumologie 2018; 72(11): 753-754
DOI: 10.1055/a-0686-4972
Pneumo-Fokus
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Unterschiede im Management der multiresistenten Tuberkulose in Europa

Günther Gl. et al.
Clinical Management of Multidrug-Resistant Tuberculosis in 16 European Countries.

Am J Respir Crit Care Med 2018;
198: 379-386
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Publication Date:
08 November 2018 (online)

 

Die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) ist über ganz Europa hinweg ein drängendes Problem. Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet, dass die Therapie der MDR-TB in Europa nur in maximal jedem zweiten Fall erfolgreich ist und die Heilungsrate noch geringer liegt. Ein ganz so negatives Bild bot sich den Forschern der Studiengruppe des europäischen Tuberkulose-Netzwerks TBNET in ihrer Untersuchung in 16 europäischen Ländern nicht.


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Die Gruppe führte eine prospektive Kohortenstudie zum Management der MDR-TB und den Behandlungserfolgen in Europa durch. Dabei stratifizierten sie die Kohorte nach der Inzidenz der MDR-TB im jeweiligen Land (hoch: ≥ 100/100.000; intermediär: ≥ 20 bis < 100/100.000; niedrig: < 20/100.000). Die Ergebnisse verglichen sie mit denen der WHO und verwendeten dabei auch eine alternative, vereinfachte Definition der Heilung des TBNET, die keine vollständig verabreichte Therapie verlangt, sondern sich an der anhaltend negativen Kultur und der Rezidivfreiheit über ein Jahr nach Therapieende orientiert.

Ergebnisse

An der Studie nahmen zwischen 2010 und 2014 in 16 europäischen Ländern 380 Patienten mit MDR-TB teil. Bei Patienten in Ländern mit hoher MDR-TB-Inzidenz wurde aufgrund fehlender Verfügbarkeit einiger Zweitliniensubstanzen wesentlich häufiger ein Standardbehandlungsregime eingesetzt als in Ländern mit niedriger Inzidenz (83,2 % vs. 9,9 %) und der Therapiebeginn in diesen Ländern erfolgte später (median 111 vs. 28 Tage). Die Patienten der Hochinzidenzländer entwickelten in der Folge mehr zusätzliche Resistenzen (23 % vs. 5,8 %) und ihre Mortalität war höher als in Niedriginzidenzländern (9,4 % vs. 1,9 %). Nur für jeden fünften Patient (20,1 %), der Pyrazinamid erhielt, lag ein Empfindlichkeitsnachweis für diese Substanz vor.

Wurden die WHO-Definitionen zum Behandlungserfolg zugrunde gelegt, ergab sich eine höhere Heilungsrate in den Hoch- als in den Niedriginzidenzländern (38,7 vs. 9,7 %) – ein wenig plausibles Ergebnis. Die vereinfachte TBNET-Definition ergab dagegen über ein Jahr hinweg eine vergleichbare Rezidivfreiheit in allen Inzidenzländern mit 58,3 % in den Niedrig-, 55,8 % in den Intermediär- und 57,1 % in den Hochfrequenzländern. Die Rate des Therapieversagens lag allerdings in den Hochinzidenzländern mit 24,1 % am höchsten, in den Niedriginzidenzländern betrug die Rate 14,6 %.

Fazit

Die konventionelle Standardtherapie führt zu mehr Therapieversagern und häufiger zum Erwerb zusätzlicher Resistenzen als die individualisierte Therapie, betonen die Autoren. Das unterschiedliche Management der MDR-TB reflektiert die Ungleichheiten in den Gesundheitssystemen der Länder. Die Heilungsraten sind aber in dieser Studie dennoch höher als von der WHO postuliert – auch in Hochinzidenzländern. Die WHO-Definitionen zum Therapieerfolg sollten nach Meinung der Autoren überarbeitet werden.

Friederike Klein, München


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