Hebamme 2018; 31(05): 358-364
DOI: 10.1055/a-0729-5408
Beruf
Junges Forum
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Attraktivität von Geburtshäusern als Arbeitsplatz

Ramona Krupp
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Publication Date:
31 October 2018 (online)

 

Geburtshäusern und Hebammenpraxen mangelt es an Nachwuchskräften. Junge Hebammen zu gewinnen, gestaltet sich zunehmend als Herausforderung. Wie attraktiv ist das Geburtshaus als Arbeitsplatz? Und wie lassen sich Berufseinsteigerinnen für diese Arbeit begeistern? Diesen Fragen geht die vorliegende Studie nach. In Kooperation mit dem Geburtshaus Bonn entwickelte die Autorin eine standardisierte Umfrage, um die Zufriedenheit der Geburtshaus-Hebammen mit ihrem Arbeitsplatz zu untersuchen, potenzielle Einflussfaktoren zu ermitteln und Handlungsempfehlungen für die Zukunft abzuleiten.


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Hintergrund

Nach wie vor erfreut sich die außerklinische Geburtshilfe mit ca. 11.000 Geburten pro Jahr hoher Beliebtheit [5]. Im Gegensatz dazu gibt es immer weniger Hebammen, die außerklinische Geburtshilfe anbieten. Vor allem die finanzielle Belastung durch gestiegene Haftpflichtprämien, eine hohe Arbeitsbelastung und die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden als Gründe hierfür genannt [10] [6] [16]. Die Folge: 2016 mussten bereits 337 außerklinisch geplante Geburten wegen fehlenden Kapazitäten abgelehnt werden [17]. Studien in klinischen Settings sprechen dafür, dass die Strukturen und Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit der Hebammen nehmen [8] [7]. Das Geburtshaus als Arbeitsplatz wurde diesbezüglich noch nicht untersucht. Ungeklärt ist auch, ob Hebammen unterschiedlicher Generationszugehörigkeiten verschiedene Ansprüche an die Arbeit und unterschiedliche Vorstellungen von einem attraktiven Arbeitsplatz haben.

METHODIK

Design

  • Quantitatives Forschungsdesign

  • Querschnittsuntersuchung

  • Internet-gestützter Fragebogen

Stichprobe

  • Rekrutierung von Teilnehmerinnen über Kontakte des Geburtshauses Bonn bzw. des Netzwerkes der Geburtshäuser (97 GH)

  • Finale Stichprobe: 105 Teilnehmerinnen aus 38 GH, davon:

    • Hebammen: n = 82

    • Geschäftsführung bzw. organisatorische Leitung: n = 23

  • Rücklaufquote: ca. 60 % (105 / 176 Teilnehmerinnen)

Themenbereiche des Fragebogens (befragte Personengruppe)

  • Strukturen und Organisationformen der Geburtshäuser (Geschäftsführung bzw. organisatorische Leitung des GH)

  • Soziodemographische Merkmale der Hebammen (Hebammen)

  • Allgemein Arbeitszufriedenheit (alle Teilnehmerinnen)

  • Zufriedenheit / Unzufriedenheit mit unterschiedlichen Teilbereichen der Arbeitsbedingungen (Hebammen)

  • „Top 5“ (Un-)Zufriedenheitsfaktoren (alle Teilnehmerinnen)

Auswertung

  • Ordinalskalierte, nicht normalverteilte Daten

  • Deskriptive Statistik: Grundauszählung der Daten unter Berechnung der absoluten und relativen Häufigkeiten sowie der Quartile

  • Analytische Statistik: Spaltenanteile-Tests (Z-Tests) mittels Kreuztabellen (signifikante Unterschiede in den Spaltenanteilen); Mann-Whitney-U-Test bzw. Kruskal-Wallis-Test (signifikante Unterschiede in den zentralen Tendenzen bzw. den mittleren Rängen von zwei oder mehr unabhängigen Stichproben); Berechnung der Effektstärken mittels Spearman-Korrelationskoeffizient (schwach: r = 0,1; mittel: r = 0,3; stark: r = 0,5); α = 0,05; KI = 95 %

Ethische Kriterien

  • Freiwillige Teilnahme

  • Anonyme Befragung

  • Anonyme Auswertung


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Ergebnisse

Strukturen: 22 Einrichtungen wurden hinsichtlich ihrer Strukturen und Organisationsformen untersucht. Die Geburtshäuser unterscheiden sich strukturell im Wesentlichen durch ihr Unternehmensalter, ihre Rechtsform und ihre Größe. Typische Muster im Hinblick auf die Ausgestaltung ihrer Arbeitssysteme und den Umfang ihrer Leistungen ergaben sich dabei nicht – die Geburtshäuser entscheiden individuell, welche Organisationsformen und Angebote für ihre Klientinnen und Mitarbeiterinnen sinnvoll sind.

Arbeitssysteme: In 45,5 % der Geburtshäuser arbeiten die Hebammen nach einem festen Dienstplan, in 40,9 % wird eine personengebundene Betreuung verfolgt. In den anderen Einrichtungen besteht die Wahl zwischen beiden Modellen. In der Regel arbeiten die Hebammen in Teams, wobei die Teamgrößen stark variieren [Abb. 1]. Die Leistungsabrechnung erfolgt in 54,5 % der Geburtshäuser über die einzelne Hebamme. 45,5 % setzen eine Pool-Abrechnung ein. Neben den originären Hebammentätigkeiten müssen die Hebammen auch Verwaltungstätigkeiten (Dokumentation, Einkauf von Heil- und Hilfsmitteln etc.) erledigen. Für darüber hinaus anfallende, „klassische“ Bürotätigkeiten (Telefondienst etc.) gibt es in 81,8 % zusätzliches Personal.

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Abb. 1 Modell der Zusammenarbeit in den Geburtshäusern (n = 22)

Leistungen: Die Leistungsspektren der Geburtshäuser sind vielfältig und umfassen neben Schwangerenvorsorge, Geburtsvorbereitung und Geburtshilfe auch diverse Kurse und Informationsveranstaltungen. Neben der Zusammenarbeit mit anderen Versorgungseinrichtungen (Geburtshilfliche Kliniken, Labore etc.) haben knapp 70 % Kooperationspartner, die ebenfalls im Geburtshaus tätig sind (z. B. Heilpraktiker, Osteopathen und Psychologen). Werbemaßnahmen, die auf das Geburtshaus als Arbeitsplatz aufmerksam machen sollen, bieten nahezu alle Einrichtungen an (90,9 %). Dies trifft ebenso auf Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu (95,5 %).

Soziodemographische Angaben: Um die Arbeitszufriedenheit der Hebammen in Abhängigkeit ihrer Generationszugehörigkeit zu untersuchen, wurden drei Altersklassen gebildet: Generation Y (< 35 Jahre), Generation X (35-50 Jahre) und Babyboomer-Generation (> 50 Jahre) [Abb. 2]. Die [Abb. 3.1] und [Abb. 3.2] zeigen die durchschnittliche Wochenarbeitszeit und den durchschnittlichen Jahresgewinn der Hebammen. 59,5 % der Hebammen arbeiten bis zu 45 Stunden pro Woche – was der durchschnittlichen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers entspricht [14]. 40,5 % arbeiten mehr als 45 Stunden pro Woche und machen damit regelmäßig Überstunden (n = 79). Der durchschnittliche Jahresgewinn der Hebammen fällt sehr unterschiedlich aus und ist abhängig davon, welche Tätigkeiten sie in den Geburtshäusern leisten und abrechnen können. 89,4 % rechnen mit einem Jahresgewinn von bis zu 50.000 Euro, nur 10,6 % mit mehr (n = 66).

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Abb. 2 Verteilung der Hebammen nach Generationszugehörigkeit (n = 82)
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Abb. 3.1 und 3.2 Durchschnittliche Wochenarbeitszeit (n = 79) und durchschnittlicher Jahresgewinn (n = 66) der Hebammen

Allgemeine Arbeitszufriedenheit und Einflussfaktoren

Die allgemeine Arbeitszufriedenheit der im Geburtshaus tätigen Hebammen und Führungskräfte (n = 104) ist hoch. Sie liegt auf einer Skala von 1 bis 100 im Mittel bei 85,5 %. Mehr als zwei Drittel gaben eine Zufriedenheit zwischen 81 und 100 % an [Abb. 4]. 95,2 % der Teilnehmerinnen (n = 105) können sich vorstellen, erneut das Geburtshaus als Arbeitsplatz auszuwählen. Nichtsdestotrotz sehen 46,7 % einen Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Strukturen und Arbeitsabläufe. Dabei nehmen insbesondere die folgenden Faktoren einen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit der Hebammen (n = 82).

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Abb. 4 Allgemeine Arbeitszufriedenheit der Teilnehmerinnen (n = 104)

Überwiegend positiv bewertete Faktoren

Die Arbeitsinhalte und Handlungsspielräume, durch die sich ein Geburtshaus auszeichnet, bewerten 96,3 % der Hebammen positiv. Zufrieden sind die Hebammen besonders mit der Anerkennung, die ihnen durch ihre Klientinnen entgegengebracht wird und mit dem Gefühl, eine sinnvolle Arbeit bzw. einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Unter die Faktoren, die wesentlich zur Arbeitszufriedenheit beitragen, wählten ca. 60 % der Befragten die Möglichkeit, die Berufsphilosophie im Geburtshaus vollständig ausleben zu können sowie das eigenverantwortliche, autonome Arbeiten (n = 105; [Abb. 5.1]).

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Abb. 5.1 und 5.2 Top 5 der (Un-)Zufriedenheitsfaktoren der Teilnehmerinnen (n = 105)

93,9 % der Hebammen sind zufrieden mit der Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und der Unterstützung, die ihnen dabei widerfährt. In den Geburtshäusern herrscht insgesamt ein sehr gutes Arbeitsklima – auch im Hinblick auf das Verhältnis zu anderen, im Geburtshaus tätigen Personen (97,6 % sind zufrieden damit).

91,5 % der Hebammen sind zufrieden mit den Entwicklungsmöglichkeiten, die ihnen ihr Arbeitsplatz bietet. Besonders die vielfältigen Leistungsangebote im Geburtshaus und die damit verbundenen Möglichkeiten, abwechslungsreiche Aufgaben zu übernehmen und die in Fort- und Weiterbildungskursen erlernten Fähigkeiten einzubringen, werden positiv bewertet.

Hebammen, die in einem Geburtshaus mit mehreren Kooperationspartnern arbeiten und sich häufig mit anderen Berufsgruppen austauschen können, sind tendenziell zufriedener als solche, denen diese Möglichkeit ganz oder weitestgehend verwehrt bleibt (Mittlerer Rang: 24,10 bei ≤ 1 Kooperationspartner vs. 29,79 bei ≥ 2 Kooperationspartnern).


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Überwiegend negativ bewertete Faktoren

13,4 bzw. 11 % der Hebammen sind unzufrieden mit den Arbeitszeiten bzw. mit dem Arbeitsumfang an ihrem Arbeitsplatz. Es zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Summe der Wochenarbeitszeit und der Zufriedenheit mit der Arbeitszeit (r = 0,36). Zwar schätzen 89 % die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit flexibel gestalten zu können und 87,8 % haben das Gefühl, für die Betreuung ihrer Klientinnen genug Zeit zu haben. Dennoch klagen mehr als ein Drittel der Befragten (n = 105) über eine zu hohe Arbeitsbelastung (45,7 %) sowie (zu) wenig bzw. fehlende feste Freizeiten (34,3 bzw. 22,9 %; [Abb. 5.2]). Durch das Erledigen von Verwaltungstätigkeiten fühlen sich 61 % der Hebammen (stark) belastet. 48,8 % finden, dass für die Anzahl an betreuten Klientinnen zu wenige Hebammen vorhanden sind.

15,9 % der Hebammen sind unzufrieden mit den Arbeitserträgen, die ihnen ihr Arbeitsplatz bietet. Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und der Zufriedenheit mit dem Einkommen (r = 0,46). Die Form der Leistungsabrechnung (individuelle vs. Pool-Abrechnung) nimmt dabei weder Einfluss auf die Höhe noch auf die Zufriedenheit. Von 44,8 % der Befragten wurde ein zu geringes Einkommen unter die Faktoren gewählt, die besonders zur Arbeitsunzufriedenheit beitragen (n = 105; [Abb. 5.2]). 56,1 % der Hebammen fühlen sich für ihre erbrachte Leistung gemäß Vergütungsvereinbarung nicht angemessen entlohnt. Während die Chancen auf dem Arbeitsmarkt von 81,7 % positiv bewertet werden, ist die Arbeitsplatzunsicherheit aufgrund der wirtschaftlichen Lage vieler Geburtshäuser für 15,2 % der Befragten (n = 105) ein wesentlicher Unzufriedenheitsfaktor.


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Einfluss der Arbeitsplatzorganisation

87,8 % der Hebammen sind zufrieden mit der Organisation an ihrem Arbeitsplatz. Besonders das Leitbild des Geburtshauses sowie dessen Umsetzung durch die Unternehmenspolitik werden positiv bewertet. Die Hebammen arbeiten tendenziell lieber alleine oder zu zweit als in „Großteams“ von mehr als zwei Hebammen (Mittlerer Rang: 22,90 vs. 21,57 vs. 16,69). Sie sind unzufriedener mit der Aufgabenabstimmung und fühlen sich durch ihre Arbeit stärker belastet, wenn sie in „Großteams“ tätig sind. Hinsichtlich der Arbeitsgestaltung (Dienstplan vs. personengebundene Betreuung) ruft kein Modell mehr Zufriedenheit hervor als ein anderes. Dies gilt ebenfalls für die Form der Leistungsabrechnung.

15,9 % der Hebammen sind unzufrieden mit der Freizeit- bzw. Urlaubsgestaltung. Dementsprechend sind sie tendenziell zufriedener, je mehr Möglichkeiten das Geburtshaus bietet, um Beruf und Familie zu vereinbaren (Mittlerer Rang: 21,70 bei ≤ 1 Maßnahme vs. 27,79 bei ≥ 2 Maßnahmen). 19,5 % der Befragten sind unzufrieden mit ihren derzeitigen Optionen. Ferner sind die Hebammen tendenziell zufriedener, je mehr auf das Geburtshaus als Arbeitsplatz aufmerksam gemacht wird (Mittlerer Rang: 22,73 bei ≤ 2 Maßnahmen vs. 29,98 bei ≥ 3 Maßnahmen).

Die Führung am Arbeitsplatz bewerten 98,3 % der Hebammen positiv bzw. neutral. Besonders mit der eigenständigen Planung und Durchführung der Arbeit sind sie zufrieden. Die Häufigkeit, mit der die (Team-)Leitung Rückmeldung zu der eigenen Leistung gibt, ist 10,3 % der Hebammen zu gering.


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Arbeitszufriedenheit der Generation Y

Hinsichtlich der allgemeinen Arbeitszufriedenheit der Hebammen und ihren Vorstellungen von Faktoren, die besonders zur (Un-)Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz beitragen, ergaben sich zwischen den drei untersuchten Generationen keine wesentlichen Unterschiede. Dennoch zeigen sich Merkmale, die zumindest tendenziell für die Generation Y an Bedeutung zu- bzw. abnehmen:

  • Höhere Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, im Geburtshaus umfangreiche Tätigkeitsgebiete zu übernehmen, Initiative zu zeigen und eigenverantwortlich zu arbeiten sowie durch die Arbeit zu wachsen und sich persönlich weiterzuentwickeln.

  • Niedrigere Zufriedenheit mit der Menge an angebotenen Fort- und Weiterbildungskursen sowie der finanziellen Unterstützung durch das Geburtshaus, um Kurse zu besuchen.

  • Höhere Zufriedenheit mit den Arbeitserträgen: Vermutung, dass sich Arbeitserträge zunehmend nicht mehr nur rein finanziell, sondern auch über Arbeitsinhalte und Entwicklungsmöglichkeiten definieren.

  • Höhere Bedeutung der Arbeitszeiten und des Arbeitsumfangs für die Arbeitszufriedenheit der Hebammen: Vermutung, dass die Arbeitszentralität an Bedeutung abnimmt und immer mehr Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance gelegt wird.

  • Niedrigere Zufriedenheit mit der Häufigkeit, mit der die (Team-)Leitung Feedback gibt: 11,5 bzw. 13,6 % der Hebammen aus Generation Y bzw. Generation X sind unzufrieden.


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Handlungsempfehlungen für Geburtshäuser

Die Ergebnisse der Untersuchung stehen in Einklang mit Studien aus dem klinischen und dem außerklinischen Bereich [2] [7] [8] [9] [10] [13] [15] [18]. Auf dieser Grundlage wurden Handlungsempfehlungen entwickelt, um zu zeigen, über welche Maßnahmen die Arbeitszufriedenheit der Hebammen verbessert und das Geburtshaus als Arbeitsplatz attraktiver gestaltet werden könnte.

Arbeits- und Freizeitgestaltung: Die Summe der Wochenarbeitszeit ist ein signifikanter Einflussfaktor auf die Arbeitszufriedenheit. Dies konnte sowohl in der Klinik [2] als auch im Rahmen der Untersuchung festgestellt werden. Eine Studie zu den Einflussfaktoren auf die Arbeitszufriedenheit von Hebammen in Hebammenpraxen ergab, dass die (Länge der) Rufbereitschaft und irreguläre Arbeits- sowie Freizeiten Eigenschaften sind, die Hebammen an ihrem Arbeitsplatz verbessern möchten [18]. Dass die Dauerrufbereitschaft auch für Geburtshaus-Hebammen ein wesentliches Belastungsproblem darstellt, belegen diverse Statements [9]. Über verschiedene Systeme der Rufbereitschaft lassen sich in regelmäßigen Abständen feste Freizeiten für die Hebammen einräumen. Dabei sollte eine 12-Stunden-Bereitschaft nicht überschritten werden (siehe [Abb. 6]). Ferner können Diensthandys für klare Kontaktgrenzen sorgen.

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Abb. 6 System der Rufbereitschaft bei 4 Hebammen pro Team (12 h pro Dienst)

Teamarbeit: Die Arbeit in Teams bietet gegenüber der alleinigen Betreuung den Vorteil einer kontinuierlichen Versorgung der Klientinnen bei gleichzeitiger Entlastung der Hebammen von der Dauerrufbereitschaft. Auch private Termine und Urlaub sind so besser planbar [1] [3]. Allerdings wird die (Zusammen-)Arbeit umso schwieriger bewertet, je mehr Hebammen ein Team umfasst. Darüber hinaus kann eine Kontinuität in Großteams (Literatur:  ≥ 7 Hebammen pro Team) nicht gewährleistet werden [15]. Eine Teamgröße von 2-4 Hebammen erscheint daher sinnvoll. Gibt es 1-2 „Hauptverantwortliche“ pro Klientin, kann eine noch stärkere Bindung aufgebaut werden [11].

Work-Life-Balance: Hebammen klagen über eine unausgeglichene Work-Life-Balance [15] [7]. Auch die befragten Geburtshaus-Hebammen sind unzufrieden mit dem Modell der Freizeitgestaltung – zu wenig und fehlende feste Freizeiten sind Hauptkritikpunkte an den Arbeitsbedingungen. Damit die Hebammen auch während der Arbeit einen (Freizeit-)Ausgleich finden, könnten Geburtshäuser folgendes anbieten:

  • Nutzung von Kursräumen für zeitlich flexible Sport- und Entspannungsübungen

  • Kurse für Hebammen, z. B. zur Stressbewältigung oder zum Management des Alltags [2]

Familienfreundlicher Arbeitsplatz: Die Zufriedenheit der Hebammen fiel umso höher aus, je mehr Maßnahmen das Geburtshaus anbietet, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Dies steht im Einklang mit einer Studie, nach der Hebammen mit eigenen Kindern Stellen mit Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bevorzugen [13]. Geburtshäuser sollten daher über familienfreundliche Arbeitsplätze nachdenken: Besteht die Möglichkeit, dass Hebammen ihre Kinder mit ins Geburtshaus bringen? Besteht sogar die Option, dass die Kinder dort betreut werden? Außerdem sollten flexible Arbeitszeiten (Teilzeit, Gleitzeit etc.) und Homeoffice-Möglichkeiten geschaffen werden.

Angebot und Nachfrage: Im klinischen und im außerklinischen Bereich besteht ein Mangel an Hebammen. Die daraus resultierende Arbeitsüberlastung stellt einen wesentlichen Grund für die Arbeitsunzufriedenheit dar [8] [18]. Auch diese Studie bestätigt, dass sich die Hebammen mehr Zeit für die Betreuung weniger Klientinnen wünschen und ein Interesse daran haben, dass mehr auf das Geburtshaus als Arbeitsplatz aufmerksam gemacht wird. Es bietet sich an, über soziale Netzwerke und Internetauftritte zu werben, um insbesondere Berufseinsteigerinnen der Generation Y erreichen. Ein „Tag der offenen Tür“ kann z. B. den besonderen Charakter eines Geburtshauses unterstreichen. Dabei sollten die Stärken des Geburtshauses hervorgehoben und so Anreize für den Einstieg geschaffen werden.

Ressourcennutzung: Über verschiedene Betreuungskonzepte können vorhandene Ressourcen effizienter genutzt werden. So könnte man – in Anlehnung an ein Modell aus den USA [12] – diverse Leistungen in Gruppen statt in Einzelsitzungen anbieten (z. B. Erste-Hilfe-Kurs). Außerdem könnte man Kennenlern-Abende für schwangere Frauen veranstalten und über „Patenschaften“ nachdenken. Auf diese Weise bilden die Frauen soziale Netzwerke um sich auszutauschen, gegenseitig zu unterstützen und so die Hebammen bestenfalls von (einfachen) Beratungsleistungen zu entlasten.

Verwaltungsaufwand: Tätigkeiten, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Betreuung der Klientinnen stehen, rufen Arbeitsunzufriedenheit hervor [18]. Auch die Geburtshaus-Hebammen fühlen sich durch anfallende Verwaltungstätigkeiten (stark) belastet. Daher sollte der Arbeitsaufwand für die Einzelne verringert werden – beispielsweise über den Einsatz von zusätzlichem Personal. Dies bietet sich insbesondere für den Einkauf von Heil- und Hilfsmitteln, die (Pool-)Abrechnung oder das Qualitätsmanagement an. Einige dieser Tätigkeiten können auch an externe Dienstleister abgegeben werden.

Generationenwandel: Derzeit arbeiten (mindestens) 3 Generationen von Hebammen in den Geburtshäusern. Daher wird es vermehrt notwendig werden, die verschiedenen Berufsvorstellungen zu erfassen und darauf aufbauend ein attraktives Arbeitsumfeld für alle Hebammen zu schaffen. Bei der Gestaltung der Organisationsabläufe sollten Kompromisse eingegangen und die unterschiedlichen Generationen von den individuell als Belastung empfundenen Tätigkeiten befreit werden [4]. So ist es ein gängiges Konzept „jüngere“ Hebammen mit kleinen Kindern von der Geburtshilfe (und der Rufbereitschaft) zu entbinden und sie dafür als Zuständigkeitsbeauftragte für die Verwaltungstätigkeiten einzusetzen. Um solche Konzepte entwickeln zu können, ist die Partizipation der Hebammen (z. B. über Gruppensitzungen) unerlässlich.

FAZIT

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde die Arbeitszufriedenheit von Geburtshaus-Hebammen in Deutschland mittels eines standardisierten Verfahrens untersucht. Aufgrund der Übereinstimmung der Ergebnisse mit bereits veröffentlichten Publikationen kann angenommen werden, dass die Erkenntnisse – trotz des relativ geringen Stichprobenumfangs – Gültigkeit besitzen.

Das Geburtshaus ist ein attraktiver Arbeitsplatz für Hebammen. Originäre Hebammentätigkeiten füllen die Arbeit aus und die vielfältigen und umfangreichen Aufgabenbereiche erlauben es, sich sowohl fachlich als auch persönlich zu entwickeln. Die autonome Arbeit ermöglicht es, auf die Bedürfnisse der Klientinnen einzugehen und die Berufsphilosophie auszuleben. Bereits zum heutigen Zeitpunkt ergibt sich daraus eine hohe Arbeitszufriedenheit. Dennoch lassen sich Unzufriedenheiten in einigen Teilbereichen nicht ausschließen.

Vor dem Hintergrund der Betreuungsnachfrage in der außerklinischen Geburtshilfe wird es immer wichtiger werden, berufstätige Hebammen in den Geburtshäusern zu halten und Berufsanfängerinnen für diese Arbeit zu gewinnen. Durch die Optimierung der Arbeitsbedingungen können die Arbeitszufriedenheit erhöht und das Geburtshaus kann als Arbeitsplatz vielversprechend beworben werden.

Neben organisatorischen Faktoren (Arbeits- und Freizeitgestaltung etc.), denen Geburtshäuser individuell begegnen können, betrifft die Arbeitsunzufriedenheit auch systemübergreifende Faktoren (Vergütungssituation etc.), die auf berufspolitischer Ebene verbessert werden müssen. Nur so kann eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung schwangerer Frauen durch arbeitszufriedene Hebammen langfristig gesichert werden. Um beurteilen zu können, welche Maßnahmen hierfür zukünftig konkret notwendig sein werden, braucht es weitere Forschung auf diesem Gebiet.


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Autorinnen / Autoren

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Ramona Krupp ist Gesundheitsökonomin M.Sc. und untersuchte im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität zu Köln die Attraktivität von Geburtshäusern als Arbeitsplatz.


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Abb. 1 Modell der Zusammenarbeit in den Geburtshäusern (n = 22)
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Abb. 2 Verteilung der Hebammen nach Generationszugehörigkeit (n = 82)
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Abb. 3.1 und 3.2 Durchschnittliche Wochenarbeitszeit (n = 79) und durchschnittlicher Jahresgewinn (n = 66) der Hebammen
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Abb. 4 Allgemeine Arbeitszufriedenheit der Teilnehmerinnen (n = 104)
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Abb. 5.1 und 5.2 Top 5 der (Un-)Zufriedenheitsfaktoren der Teilnehmerinnen (n = 105)
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Abb. 6 System der Rufbereitschaft bei 4 Hebammen pro Team (12 h pro Dienst)