Stylianou M,
Kulinna PH,
Naiman T.
: “… because there’s nobody who can just sit that long”. In:
European Physical Education Review 2015;
22 (03) , 390-408 . DOI: 10.1177 / 1356336X15613968
Die Folgen langer Sitzzeiten von Kindern und Jugendlichen werden aktuell kontrovers
diskutiert. Während die Risikofaktoren sedentären Verhaltensweisens im Erwachsenenalter
empirisch nachgewiesen sind, fällt die Evidenz bei Heranwachsenden maßgeblich geringer
aus (van Ekris, Altenburg, Singh, Proper, Heymans & Chinapaw, 2016). Zwar lassen sich
Tendenzen erkennen, doch eindeutige Belege fehlen. Dennoch lohnen sich Interventionsmaßnahmen
zur Sitzunterbrechung und Bewegungsförderung, um langfristige Verhaltensmuster aufzubrechen
und Kinder und Jugendlichen zu sensibilisieren.
Stylianou, Kulinna und Naiman (2015) richten in der Interventionsstudie „… because
there’s nobody who can just sit that long“ ihren Blick auf die schulbezogenen Sitzzeiten,
die einen maßgeblichen Anteil kindlichen sedentären Verhaltens haben. Dabei nehmen
die Autoren die Umsetzung und Machbarkeit von „classroom based physical activity (CBPA“
(klassenraumbasierter körperlicher Akivität) ins Visier. Nur wenn Lehrkräfte überzeugt
sind, eine Notwendigkeit bewegungsaktivierender Maßnahmen sehen und diese akzeptieren,
werden sie diese auch umsetzten. Dies ist notwendig, da CBPA als bewegungsaktivierende
Unterbrechungen im Klassenzimmer beschrieben und hauptsächlich mit Bewegungsspielen
umgesetzt werden (Stylianou et al., 2015).
Im Interventionszeitraum werden neben wöchentlichen Workshops zur Thematik Informationsveranstaltungen,
gesonderte Hilfestellungen für Lehrkräfte sowie Materialien für den Unterricht bereitgestellt.
In der Auswertung konnten Daten von 13 Lehrkräften aus derselben Schule interpretiert
werden. Mithilfe von Selbstauskünften wurde die Integration, Umsetzung und der wahrgenommene
Nutzen dargestellt.
Die Ergebnisse zeigen auf, dass die Anzahl der CBPA während der Intervention von durchschnittlich
1 Maßnahme täglich auf 3 ansteigt und somit auf den ersten Blick der Informationsaustausch
und die Sensibilisierungsphasen Wirkung zeigen.
Besonderes Augenmerk liegt auf der Begründung der Integration von CBPA. Denn die Hauptaussage,
auf die sich die Studie stützt, besagt, dass Kinder die vorgeschriebenen Richtlinien
der WHO von 60 Minuten moderater bis intensiver körperlichen Aktivität (PA) nicht
erfüllen. Nach Aussagen der Autoren ist die Schule der Hauptstandort zur Förderung
der PA, in der das benötigte Personal bereits vorhanden ist und die Integration von
Bewegung weiter gefördert werden muss.
Kritisch merken Lehrkräfte den zusätzlichen Arbeitsaufwand an: Fehlende Unterrichtszeit,
konkurrierende curriculare Anforderung, Beurteilungs- und Bewertungsdruck, logistische
Probleme, fehlende altersgerechte Beispiele stellen Stolpersteine für die Integration
von CBPA dar. Außerdem scheint die Wiederaufnahme des Unterrichts nach der CBPA-Unterbrechung
für viele Lehrkräfte schwierig zu sein. Sie verbinden die Umsetzung mit Kontrollverlust
im Klassenzimmer.
In diesem Zusammenhang kritisieren Cothran, Kulinna und Garn (2010) eine fehlende
Beziehung zwischen Bewegung und Inhalt der akademischen Anforderung und weisen darauf
hin, dass inhaltsbezogene Sitzunterbrechungen die Akzeptanz schulischer Beteiligen
und eine nachhaltige Integration erhöhen können.
Hier stoßen Stylianou et al. (2015) an ihre Grenzen, denn nach eigenen Angaben gibt
es kaum Studien über die tatsächliche Nutzung von Angeboten und dessen Benefit. Vielmehr
werden sitzverändernde Maßnahmen rein auf quantitativer Ebene untersucht. Unterrichtliche
Effekte und Gelingensbedingungen für die Umsetzung bleiben außen vor. Auch wenn sich
Stylianou et al. (2015) auf stark subjektive Einschätzungen von (nur) 13 Lehrkräften
verlassen, wird deutlich, dass der Weg zur langfristigen Integration von Sitzunterbrechungen
und Bewegungsförderung in der Schule unter Berücksichtigung der schulischer Bedürfnisse
aller Beteiligen.