Francis NA.
et al.
Oral steroids for resolution of otitis media with effusion in children (OSTRICH):
a double-blinded, placebo-controlled randomised trial.
Lancet 2018;
DOI:
10.1016/S0140-6736(18)31490-9
Antibiotika, topische intranasale Steroide, Antihistaminika, Mukolytika – die verschiedenen
Ansätze zur Behandlung einer Otitis media mit Paukenerguss im Kleinkindalter sind
sehr vielfältig, haben sich aber in vielen Studien als ineffektiv erwiesen. Da der
begleitende Hörverlust die sprachliche Entwicklung der betroffenen Patienten gefährden
kann, bleibt bis heute der Bedarf an wirksamen Behandlungsansätzen.
In der Pädiatrie ist die Diagnose einer Mittelohrentzündung mit Paukenerguss häufig:
Der begleitende Hörverlust kann dabei die Sprachentwicklung negativ beeinflussen.
Francis et al. untersuchten daher, ob eine Kortisonstoßtherapie den Heilungsprozess
beschleunigen könnte. Symbolbild; Bildnachweis: Adobe Stock/Kirill Gorlov
Weil zudem die chirurgische Anlage eines Paukenröhrchen von den Kindern als unangenehm
empfunden werden kann und mit relativ hohen Behandlungskosten einhergeht, scheint
eine Stoßtherapie mit dem Kortikosteroid Prednisolon eine kostengünstige und leicht
durchzuführende Alternative zu sein. Aufgrund einer eher schwachen Studienlage zum
Thema haben Francis und Kollegen nun mit der Oral Steroids for Resolution of Otitis
Media with Effusion in Children (OSTRICH) eine doppelblinde und Placebo-kontrollierte,
randomisierte Studie durchgeführt.
Die Untersuchung fand dabei zwischen März 2014 und April 2016 statt und schloss 20
ausgewiesene Zentren aus England und Wales mit ein. Geeignete Patienten erfüllten
die folgenden Einschlusskriterien:
-
Alter zwischen 2 und 8 Jahren
-
Otitis media mit Paukenerguss für min. 3 Monate
-
nachgewiesener symptomatischer Hörverlust beider Ohren
Zu den wichtigsten Ausschlusskriterien zählten die Forscher angeborene genetische
Erkrankungen oder schwere Komorbiditäten. Nach Rekrutierung und Randomisierung teilten
die Forscher jeden Patienten einer von zwei Studiengruppen zu:
-
Interventionsgruppe (IG): Prednisolon 20 mg (bei Kindern im Alter von 2 – 5 Jahren)
oder 30 mg (bei Kindern im Alter von 6 – 8 Jahren) 1-mal tgl. für 7 Tage
-
Kontrollgruppe (KG): Placebo 1-mal tgl. für 7 Tage
Als primären klinischen Endpunkt definierten die Studienautoren ein akzeptables Hörvermögen
5 Wochen nach Randomisierung. Zu den sekundären Endpunkten zählten unter anderem die
Erholung des Hörvermögens nach 6 und nach 12 Monaten, das Ergebnis der Tympanometrie
und otoskopischer Untersuchungen, der funktionelle Gesundheitsstatus sowie die gesundheitsbezogene
Lebensqualität. Darüber hinaus betrachteten die Forscher die kurzzeitige und längerfristige
Kosteneffektivität.
Hohe Spontanheilungsrate
Von 1018 geeigneten Kindern konnten 389 (38 %) randomisiert werden. 380 Kinder nahmen
schließlich bis zum Schluss an der Studie teil, 193 von ihnen in der Interventionsgruppe
und 187 in der Kontrollgruppe. Die kleinen Patienten waren durchschnittlich 5,3 (IG)
bzw. 5,8 (KG) Jahre alt, 57 bzw. 55 % von ihnen männlich.
73 Kinder (40 %) der Interventionsgruppe und 59 (33 %) der Kontrollgruppe erreichten
den primären klinischen Endpunkt und zeigten 5 Wochen nach Randomisierung eine deutliche
Erholung des zunächst eingeschränkten Hörvermögens. Dieser Unterschied war dabei statistisch
nicht signifikant, die spontane Heilungsrate wurde von den Forschern als sehr hoch
eingestuft.
Auch für die sekundären klinischen Endpunkte konnten die Forscher keine deutlichen
und robusten Gruppenunterschiede feststellen. Art und Anzahl von registrierten Nebenwirkungen
waren für beide Studiengruppen vergleichbar. Im Gegensatz zur Behandlung mit Placebo
schnitt eine Therapie mit Prednisolon hinsichtlich Kosteneffektivität etwas schlechter
ab.
Bei Kindern im Alter zwischen 4 und 11 Jahren mit Otitis media und Paukenerguss für
mindestens drei Monate konnte eine Stoßtherapie mit Prednisolon die Erholung des Hörvermögens
nicht wesentlich beschleunigen. Aufgrund der sehr hohen Spontanheilungsrate halten
die Autorinnen/Autoren das sogenannte „Watchful Waiting“ für eine sinnvolle, nebenwirkungsarme
und auch kosteneffektive Behandlungsstrategie.
Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover