Pneumologie 2019; 73(02): 66-67
DOI: 10.1055/a-0810-4351
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nationale Tuberkulose-Programme in Europa

Collin SM. et al.
Tuberculosis in the European Union and European Economic Area: a survey of national tuberculosis programmes.

Eur Resp J 2018; in press.
DOI: 10.1183/13993003.01449-2018.
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Publication History

Publication Date:
13 February 2019 (online)

 

    Die Zahlen von Tuberkulose-Fällen in Europa und der Europäischen Union gehen zwar kontinuierlich zurück, aber es sind verstärkte Bemühungen erforderlich, um das WHO-Ziel der völligen Bekämpfung der Tuberkulose zu erreichen. Neben der allgemeinen Verbesserung von Diagnostik, Prävention und Therapie gilt es v. a. Hochrisikogruppen zu fokussieren. 2015 hatten 15 EU-Länder nationale Tbc-Programme vorzuweisen. Den aktuellen Stand beschreibt diese Studie.


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    Im Rahmen des von der EU-Kommission geförderten Projekt E-DETECT TB (Early Detection and Integrated Management of Tuberculosis in Europe) forderten die Autoren mit einem Online-Fragebogen Informationen bei den Hauptverantwortlichen der Tbc-Programme an. Die Fragen umfassten 11 Bereiche zu den Themen Verfügbarkeit und Implementation eines Tbc-Programms, der Leitung, der Ressourcen, Monitoring, zu speziellen Risikogruppen und deren Information und Versorgung sowie zu den aktuell wichtigsten Aktionen und Risikopersonen und den Hindernissen für die Umsetzung der Ziele.

    Von allen angefragten 31 Ländern kamen ausgefüllte Dokumente zurück. 55 % der Länder berichteten, über eine nationale Tbc-Strategie zu verfügen, die bei allen derzeit implementiert wurde. 5 Länder bereiteten einen solchen Plan vor. Knapp drei Viertel der Länder besaßen eine definierte organisatorische Struktur für die Arbeit an einem Tbc-Programm. In diesen Gremien waren bei der Mehrheit Repräsentanten aus Gesundheitsministerien vertreten, nur in wenigen saßen auch Personen aus Nichtregierungsorganisationen oder Vertreter von Patienten oder der Zivilgesellschaft. 6 Länder (19 %) verfügten über ein kalkuliertes finanzielles Budget, weitere 17 besaßen die Mittel für Teile des Programms. Alle Länder hatten ein Register aufgebaut, drei Viertel verfügten über ein System zum Monitoring und der Evaluation der Tbc-Kontrolle und Prävention.

    Auf die Frage nach den wichtigsten Aktionen im Bereich Tbc gaben die Länder die folgenden am häufigsten an:

    • besonders empfängliche Personengruppen zu erreichen (80 %),

    • Screening hinsichtlich aktiver Tbc in Hochrisikogruppen (63 %),

    • elektronische Register einzurichten (60 %),

    • Kontaktpersonen Infizierter zu identifizieren und in Bezug auf Infektionsausbrüche mehr zu forschen (60 %),

    • multiresistente Mycobakterium-tuberculosis-Fälle gezielt anzugehen (60 %).

    Unter den identifizierten Risikogruppen in Bezug auf eine latente oder aktive Infektion nannten die Befragten am häufigsten Asylsuchende, Gefängnisinsassen und Flüchtlinge. In diesen Gruppen fand bei etwa drei Vierteln ein Screening statt. Als Risikogruppen wurden zudem registrierte und nicht registrierte Migranten sowie Personen mit Drogenabusus genannt. Die Mehrheit der Länder hatte eine Strategie implementiert, Kontaktpersonen von Tbc-Infizierten zu testen. In etwa zwei Drittel der Länder gab es Impfprogramme und 80 % verfügten über ein System, multiresistente Erreger zu identifizieren.

    Als sehr drängendes ungelöstes Problem wurde die Diagnose von Tbc bei nicht registrierten Migranten von 46,7 % der Befragten am häufigsten genannt; dieses Problem wurde als etwas weniger schwierig auch in Bezug auf Obdachlose und registrierte Migranten berichtet. An wichtigsten Problemen bzw. Hindernissen nannten die Länder in Hinblick auf die Hochrisikogruppen ungenügendes Wissen über Tbc, eine niedrige Therapieadhärenz sowie niedrige Motivation, ärztliche Versorgung zu suchen. Auch eine zu geringe Versorgung durch entsprechend ausgebildete Pfleger und Ärzte sowie ungenügende finanzielle Unterstützung wurden als Probleme genannt.

    80 % der Länder mit einer vergleichsweise hohen Tbc-Inzidenz von ≥ 10/100 000 verfügten über einen nationalen Tbc-Plan; in den Staaten mit niedrigen Fallzahlen waren es 43 %.

    Fazit

    Im Kampf gegen Tbc fehlt es weiterhin an ausreichend Expertise und menschlichen Ressourcen, schreiben die Autoren. Wichtig sei die Zusammenarbeit zwischen Ländern mit niedriger Tbc-Inzidenz und den anderen Staaten. Die erhobenen Daten stellten eine repräsentative Basis für die weitere Entwicklung von Tbc-Programmen dar. Einschränkend erwähnen sie, dass die Antworten teilweise die persönlichen Ansichten der befragten Person reflektieren, auch wenn viele offenbar als Team geantwortet haben.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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