Hintergrund
Gleichgewichtstraining ([
Abb. 1
]) wird vor
allem in der Sturzprävention sowie in der Prävention und Rehabilitation von
Sprunggelenksverletzungen eingesetzt. Dabei wird in der Regel davon ausgegangen,
dass Gleichgewicht eine übergeordnete Fähigkeit ist und das Training einer oder
mehrerer Gleichgewichtsaufgaben somit das Gleichgewicht im Allgemeinen verbessert,
das heißt, dass sich das Training auch auf Gleichgewichtsaufgaben und Situationen
positiv auswirkt, die nicht trainiert wurden. Diese Auffassung ist in der Literatur
sehr verbreitet und spiegelt sich auch darin wider, dass unspezifische
Gleichgewichtstests, wie etwa der Einbeinstand mit offenen oder geschlossenen Augen,
zur Beurteilung der Gleichgewichtsfähigkeit oder zur Messung von Trainingseffekten
eines Gleichgewichtstrainings herangezogen werden. Auch werden in Überblicksartikeln
alle möglichen Arten von Gleichgewichtstraining zusammengefasst, obwohl sie aus
unterschiedlichsten Übungen bestehen, unter anderem Ein- oder Beidbeinstand auf
verschiedenartigen instabilen Unterstützungsflächen. Als Übungsgeräte dienen zum
Beispiel Therapiekreisel, Kippbretter, Weichmatten, Schwingplattformen oder
neuerdings auch Slacklines. Zusätzliche Variationsmöglichkeiten ergeben sich aus den
Belastungsnormativa Übungsdauer, Pausendauer, Wiederholungszahl und Serienanzahl,
aber auch aus Standortwahl, Feedbackbeschränkung und Zusatzaufgaben [1].
Abb. 1 Gleichgewichtstraining findet oft mit Kleingeräten wie
Balance-Trainern statt. (Quelle: WavebreakmediaMicro/stock.adobecom
(Symbolbild))
Dieser verbreiteten Auffassung von Gleichgewicht als allgemeiner Fähigkeit steht die
Sichtweise von Gleichgewicht als Ansammlung von Fertigkeiten gegenüber, also
einzelnen Fertigkeiten, die erfordern, den Körper im Gleichgewicht zu halten, die
jedoch separat gelernt und trainiert werden müssen. In dem Fall würde das Training
einer Gleichgewichtsaufgabe nur diese verbessern und nicht auch andere, untrainierte
Gleichgewichtsaufgaben. Außerdem sollte man dann auch spezifische, auf das Training
zugeschnittene Gleichgewichtstests verwenden um den Trainingsfortschritt sinnvoll
messen zu können.
Studie zur Aufgabenspezifität von Gleichgewichtstraining
Studie zur Aufgabenspezifität von Gleichgewichtstraining
Um nun die Frage zu beantworten, ob Gleichgewicht eher eine allgemeine Fähigkeit ist
und sich das Training einer Gleichgewichtsaufgabe auf untrainierte Aufgaben auswirkt
oder ob Gleichgewicht eher eine Ansammlung separater Fertigkeiten ist und das
Training nur Auswirkungen auf die trainierten Aufgaben hat, konzipierten wir
folgende Studie [2]: Die Teilnehmer wurden in eine
von drei Gruppen eingeteilt, zwei Trainingsgruppen und eine Kontrollgruppe. Die eine
Trainingsgruppe trainierte zwei Wochen lang eine Gleichgewichtsaufgabe mit einem
bestimmten Trainingsgerät (Einbeinstand auf einem Kippbrett in mediolateraler
Richtung, die andere Trainingsgruppe eine ähnliche Aufgabe mit einem anderen
Trainingsgerät (Einbeinstand auf einer Schwingplattform, dem Posturomed, ausgelenkt
in mediolateraler Richtung). Diese Kontrollgruppe absolvierte kein Training.
Abb. 2 Die Abbildung zeigt die beiden unterschiedlichen Aufgaben,
welche die Probanden bei der Studie von Giboin et al [2] zu absolvieren hatten: Einbeinstand auf
dem Kippbrett (a) und dem Schwingbrett (Posturomed, b). (Quelle: Thieme Gruppe)
Vor und nach der Trainingsphase wurden alle Teilnehmer mittels dieser beiden
Gleichgewichtsaufgaben getestet. Die Überlegung hinter diesem Studiendesign war wie
folgt: Falls das Training einer Gleichgewichtsaufgabe nur Verbesserungen in dieser
Aufgabe hervorruft, so sollte die Trainingsgruppe, die auf dem Kippbrett trainierte,
nur Verbesserungen auf dem Kippbrett zeigen, nicht aber auf dem Posturomed. Für die
Trainingsgruppe auf dem Posturomed gälte umgekehrt dasselbe.
In [
Abb. 3
] sieht man eindrücklich, dass
genau das eintrat: Die Trainingsgruppe, die auf dem Kippbrett trainierte, steigerte
sich in dieser Aufgabe deutlich, nicht jedoch in der von ihnen nicht trainierten
Posturomed-Aufgabe, zumindest nicht stärker als der Test-Retest-Effekt der auch in
der Kontrollgruppe sichtbar war. Dieser Test-Retest-Effekt beruht darauf, dass die
Teilnehmer in den Messungen nach der Trainingsphase bereits einige Wiederholungen
im
Rahmen der Messungen vor der Trainingsphase absolvierten, was schon einen initialen
Lerneffekt dieser wenigen Testwiederholungen zur Folge hat. Dieser
Test-Retest-Effekt ist auch der Grund, warum bei Studien vor allem im Bereich
Gleichgewichtstraining immer eine Kontrollgruppe erforderlich ist, um die
Trainingseffekte vernünftig abschätzen und von den Test-Retest-Verbesserungen
abgrenzen zu können. Umgekehrt steigerte sich die Trainingsgruppe, die auf dem
Posturomed trainierte, ebenfalls deutlich in dieser Aufgabe, jedoch nicht über den
Test-Retest-Effekt hinaus in der von ihnen nicht trainierten Kippbrett-Aufgabe.
Abb. 3 Ergebnisse der Aufgabenspezifitätsstudie (nach [2]): Man sieht deutlich, dass sich die
Trainingsgruppen nur in den trainierten Aufgaben stärker verbesserten als
die Kontrollgruppe. Die Trainingsgruppe, die auf dem Kippbrett in
mediolateraler Richtung trainierte (T-ML), verbesserte sich von vor dem
Training (grüne Balken) zu nach dem Training (blaue Balken) signifikant mehr
als die anderen Gruppen, nicht jedoch in der von ihr nicht trainierten
Posturomed-Aufgabe (P-ML). Für die Posturomed-Trainingsgruppe gilt umgekehrt
dasselbe. Die zu beobachtende Verbesserung der Kontrollgruppe und der
Trainingsgruppe in der nicht trainierten Aufgabe ist dem Test-Retest-Effekt
zuzuschreiben.
Gleichgewicht ist eher eine Ansammlung von Fertigkeiten als eine
generalisierte Fähigkeit.
Diese Studie liefert somit einen klaren Hinweis darauf, dass Gleichgewicht eher als
Ansammlung von Fertigkeiten zu konzipieren ist und sich Verbesserungen in
trainierten Aufgaben nicht ohne Weiteres auf untrainierte Aufgaben übertragen und
generalisieren lassen.
Literatur- und Metaanalyse zur Aufgabenspezifität von
Gleichgewichtstraining
Literatur- und Metaanalyse zur Aufgabenspezifität von
Gleichgewichtstraining
Da die Ergebnisse dieser Studie im Kontrast zur in der Literatur verbreiteten
Auffassung von Gleichgewicht als Fähigkeit und der Generalisierbarkeit von
Gleichgewichtstrainingseinheiten standen, wollten wir sichergehen, dass die
Ergebnisse keine zufälligen Ausreißer waren, sondern sich auch in anderen Studien
als der unseren wiederfinden. Aus diesem Grund führten wir eine Literaturanalyse
durch [3], bei der wir mehr als 3000
wissenschaftliche Artikel evaluierten. Die Einschlusskriterien waren wie folgt: Es
sollten randomisierte kontrollierte Studien mit Gesunden sein, die nur
Gleichgewichtstraining nutzten (und kein multimodales Training, das die Zuordnung
der Trainingseffekte unmöglich machen würde), und sowohl die trainierten
Gleichgewichtsaufgaben als auch mindestens eine untrainierte Gleichgewichtsaufgabe
vor und nach dem Training testeten. Nach Anwendung dieser Einschlusskriterien
blieben sechs Studien übrig, die diese erfüllten.
Wir verglichen in den eingeschlossenen Studien den Effekt des Gleichgewichtstrainings
auf die trainierten Aufgaben mit dem Effekt auf die untrainierten Aufgaben und
stellten fest, dass der Effekt des Trainings auf die trainierten Aufgaben wie zu
erwarten hoch war (Effektstärke von 0,79). Auf die untrainierten Aufgaben hatte das
Training jedoch keine oder sehr geringe Effekte (Effektstärken zwischen -0,07 und
0,18).
Dies bestätigte also die Ergebnisse unserer Studie und zeigt, dass nach
Gleichgewichtstraining zwar ein deutlicher Effekt auf die trainierten Aufgaben,
jedoch in der Regel kein nennenswerter Transfer auf untrainierte
Gleichgewichtsaufgaben zu erwarten ist. Dies scheint unabhängig von der Art des
Gleichgewichtstrainings zu gelten, da in den in die Literaturanalyse
eingeschlossenen Studien verschiedenste Gleichgewichtstrainingsvarianten genutzt
wurden, angefangen von Kippbrettern, Bosu-Bällen und Matten über
Gewichtsverlagerungsaufgaben und Zusatzaufgaben bis hin zu Slackline-Training.
Effekte von variablem Gleichgewichtstraining auf das Erlernen neuer
Gleichgewichtsaufgaben
Effekte von variablem Gleichgewichtstraining auf das Erlernen neuer
Gleichgewichtsaufgaben
Wenn nun das Training einer Gleichgewichtsaufgabe positive Effekte nur auf diese
Aufgabe hat, könnte man argumentieren, dass dies daran liegt, dass nur eine Aufgabe
trainiert wird statt vieler verschiedener Gleichgewichtsaufgaben – und dass bei
einem solchen variablen Training die Chancen viel höher sind, dass sich die
Trainingseffekte auch auf neue, nicht trainierte Situationen übertragen lassen.
Dieser Effekt ist im motorischen Lernen unter dem Namen „Learning to learn“ bekannt
[4]. Er beruht wahrscheinlich unter anderem auf
strukturellem Lernen, also auf dem Erlernen von Strukturen und Gemeinsamkeiten von
verschiedenen Aufgaben, die das Lernen von ähnlichen Aufgaben mit gemeinsamer
Grundstruktur erleichtern. Dieser Effekt wurde schon in mehreren Studien für
kognitive [5], [6], [7] oder visuomotorische Aufgaben [4], [8]
nachgewiesen. Wir wollten deshalb untersuchen, ob dieser Effekt auch beim Erlernen
von neuen Gleichgewichtsaufgaben genutzt werden kann, also ob das Üben verschiedener
Gleichgewichtsaufgaben das darauffolgende Erlernen einer neuen Gleichgewichtsaufgabe
erleichtert, entweder durch eine höhere Lerngeschwindigkeit oder einen Transfer,
also eine erhöhte Leistung in der neuen Aufgabe vom ersten Versuch an.
Die erste Studie, die wir in diesem Zusammenhang durchführten, beinhaltete eine
Einheit von 90 Wiederholungen mit drei verschiedenen Gleichgewichtsaufgaben
(Slackline, Bosu-Ball und Sensoboard), gefolgt von 90 Wiederholungen einer neuen
Aufgabe (Kippbrett) [9]. Es zeigte sich jedoch,
dass die Gruppe, die vorher drei verschiedene Gleichgewichtsaufgaben geübt hatte,
im
Vergleich zur Kontrollgruppe keinen Vorteil beim Erlernen der neuen Aufgabe hatte
([
Abb. 4
]). Auch bei einem späteren
Retentionstest war kein Effekt feststellbar.
Abb. 4 Lernkurven in der neuen Gleichgewichtsaufgabe (Kippbrett), für
die Trainingsgruppe in Blau und die Kontrollgruppe in Grün. Es ist kein
Unterschied zwischen den Gruppen erkennbar, weder in der Lernphase, noch in
der Retention (nach [9]).
Obwohl unser Studiendesign an das Design von Studien angelehnt war, die den „Learning
to learn“-Effekt für kognitive oder visuomotorische Aufgaben nachgewiesen hatten,
konnten wir diesen Effekt also nicht für Gleichgewichtsaufgaben nachweisen. Für den
Fall, dass Gleichgewichtsaufgaben im Vergleich zu kognitiven oder einfachen
visuomotorischen Aufgaben zu komplex sind, als dass sich innerhalb von einer
Übungseinheit Effekte einstellen würden, führten wir eine zweite Studie durch, in
der wir statt einer Übungseinheit ein sechswöchiges variables Gleichgewichtstraining
mit verschiedenen Gleichgewichtsaufgaben durchführten. Anschließend untersuchten wir
den Effekt auf zwei neue Gleichgewichtsaufgaben. Doch auch dieses deutlich längere,
variable Gleichgewichtstraining zeigte keine signifikanten Auswirkungen auf das
Erlernen der neuen Gleichgewichtsaufgaben.
Somit scheint weder das Training einer Gleichgewichtsaufgabe noch das Training
mehrerer verschiedener Gleichgewichtsaufgaben einen nennenswerten Einfluss auf neue,
nicht trainierte Gleichgewichtsaufgaben zu haben, was den Nutzen von
Gleichgewichtstraining für unbekannte Situationen, wie sie bei Stürzen und
Verletzungen oft vorkommen, stark infrage stellt.
Gründe für scheinbaren Transfer auf untrainierte Aufgaben
Gründe für scheinbaren Transfer auf untrainierte Aufgaben
Nach den sehr klaren Ergebnissen sowohl unserer Studien als auch der durchgeführten
Literaturanalyse stellte sich die Frage, wieso die Auffassung von der
Generalisierbarkeit von Gleichgewichtstrainingseffekten trotzdem so verbreitet ist
und woran es liegen könnte, dass sich in manchen Studien leichte Effekte in
untrainierten Aufgaben zeigen.
Im Gegensatz zu den von uns untersuchten gesunden, vorwiegend jungen Probanden ist
bei Älteren oder Patienten manchmal ein Trainingseffekt feststellbar, selbst wenn
gänzlich andere Aufgaben getestet werden als diejenigen, die trainiert wurden. Dies
kann etwa eine Verbesserung der Maximalkraft [10]
oder der Kraftentwicklungsrate [11] nach
Gleichgewichtstraining sein, so dass sich diese allgemeinen Verbesserungen der
körperlichen Leistungsfähigkeit, die bei Populationen mit entsprechenden Defiziten
in der körperlichen Leistungsfähigkeit besonders ausgeprägt sind, in jeglichen Tests
niederschlagen. Somit wäre möglicherweise eine Verbesserung in untrainierten
Gleichgewichtsaufgaben mit einer gesteigerten Kraft und Leistung der beteiligten
Beinmuskeln erklärbar. Dies wäre jedoch kein direkter Transfer, sondern ein
indirekter Effekt des Trainings auf die körperliche Leistungsfähigkeit.
Ein möglicher Grund für scheinbare Transfereffekte ist, dass viele Studien im
Kontext von Sturzprävention mit der relevanten Zielgruppe durchgeführt
werden, also mit älteren Teilnehmern oder Patienten mit
Gleichgewichtsdefiziten.
In der Tat gibt es einige Querschnittstudien, die einen Zusammenhang zwischen
verschiedenen Komponenten der körperlichen Leistungsfähigkeit und dem Abschneiden
in
Gleichgewichtstests nahelegen, etwa eine Studie von Hammami und Kollegen [12], die bei jugendlichen Fußballspielern einen
moderaten Zusammenhang zwischen der Leistung bei Sprüngen und zwei
Gleichgewichtstests (Stork und Y-Balance) beobachteten. Auch in der von uns
durchgeführten Studie zum „Learning to learn“-Effekt stellten wir bei gesunden
Erwachsenen einen Zusammenhang fest zwischen der maximalen Leistung der Beinstrecker
und der Lerngeschwindigkeit bei der neuen Gleichgewichtsaufgabe ([
Abb. 5
]).
Abb. 5 Teilt man die Teilnehmer auf in diejenigen mit
überdurchschnittlich hoher Leistung der Beinstrecker (rote Linie) und
diejenigen mit unterdurchschnittlich hoher Leistung (gelbe Linie), so ist
ein signifikanter Unterschied in der Lerngeschwindigkeit in der neuen
Gleichgewichtsaufgabe erkennbar, der auch in der Retention erhalten bleibt
(nach [9]).
Allerdings darf man nicht vergessen, dass die in Querschnittstudien beobachteten
Korrelationen oft keinen Kausalzusammenhang implizieren. Das heißt, es kann nicht
ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass beispielsweise nach einem
Krafttraining, das Kraft und Leistung der Beinmuskulatur erhöht, auch die Leistung
in Gleichgewichtstests besser ist. Hierzu sind Trainingsstudien notwendig, von denen
es momentan noch wenige in ausreichender Qualität gibt.
In einem Überblicksartikel von Orr und Kollegen [13]
wurden 29 Studien eingeschlossen, die die Effekte von progressivem Krafttraining auf
die Leistung in verschiedenen Gleichgewichtstests bei älteren Teilnehmern
unterschiedlichen Gesundheitszustandes untersuchten. Die Ergebnisse dieser
Literaturanalyse waren jedoch nicht eindeutig: Über alle analysierten Studien
gemittelt war in nur 22 % der Gleichgewichtstests nach dem Krafttraining eine
Verbesserung festzustellen. Die gemischten Resultate erklärten die Autoren damit,
dass es zwischen den Studien große Unterschiede im Hinblick auf Art und Dosis des
Krafttrainings, die trainierten Muskelgruppen, die Probandenkollektive und die Art
der Gleichgewichtstests gab. Somit gibt es bisher nur schwache Evidenz für die
Wirksamkeit von dieser Art des Krafttrainings bei Älteren auf die Leistung in
Gleichgewichtstests. Weitere Studien sollten sich mit der Frage beschäftigen, was
für ein Training für die bei Gleichgewicht und Sturzprävention wichtigsten Muskeln
die größten Effekte zeigt und welche Mechanismen hierbei eine Rolle spielen. Einige
Studien liefern jedoch schon Hinweise darauf, dass – wie auch in unserer
Querschnittstudie beobachtet – nicht unbedingt die Maximalkraft der Beinmuskulatur,
sondern vielmehr die Leistung, also das Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit, ein
wichtiger Faktor für die Leistung und Lerngeschwindigkeit von Gleichgewichtsaufgaben
ist. Beispielsweise konnten Orr und Kollegen [14]
in einer Studie mit mehr als 100 gesunden Senioren zeigen, dass explosives
Krafttraining mit geringem Widerstand die größten Effekte auf das Gleichgewicht
hatte und dass dieser Effekt bei den Teilnehmern am stärksten ausgeprägt war, die
vor dem Training eine niedrige Leistung auswiesen.
Fazit
Gleichgewicht scheint keine allgemeine Fähigkeit zu sein, sondern eine Ansammlung
von
Fertigkeiten. Mit anderen Worten: Das Training einer Gleichgewichtsaufgabe wirkt
sich auf die Leistung in dieser Aufgabe aus; es ist jedoch in der Regel kein
Transfer auf untrainierte Gleichgewichtsaufgaben zu erwarten, selbst wenn diese der
trainierten Aufgabe ähnlich sind. Auch das Training mehrerer verschiedener
Gleichgewichtsaufgaben und mit verschiedenen Geräten erleichtert das Erlernen einer
unbekannten Gleichgewichtsaufgabe nicht. Es scheint jedoch einen Zusammenhang zu
geben zwischen körperlichen Voraussetzungen wie etwa der Leistung der Beinstrecker
und der Lerngeschwindigkeit in unbekannten Gleichgewichtsaufgaben.
Als wichtigste Konsequenz für die Trainingspraxis ergibt sich, dass gut analysiert
werden sollte, welches die häufigsten Situationen sind, die zu Stürzen oder
Verletzungen führen, um diese dann so spezifisch wie möglich zu trainieren. Die
Wirksamkeit eines Gleichgewichtstrainings sollte mit Gleichgewichtstests überprüft
werden, die eine hohe funktionelle Relevanz haben und auf das jeweilige Ziel des
Trainings abgestimmt sind. Bei Defiziten in der körperlichen Leistungsfähigkeit kann
ein maßgeschneidertes Krafttraining zur Steigerung der Leistung der relevanten
Beinmuskeln zudem eine sinnvolle Ergänzung sein.
Gleichgewichtstraining wird vielfach in der Sturzprävention sowie in der
Prävention und Rehabilitation von Sprunggelenksverletzungen eingesetzt. Die
Ergebnisse neuerer Studien stellen jedoch infrage, ob reines
Gleichgewichtstraining tatsächlich dazu in der Lage ist, die Reaktion auf
unbekannte, untrainierte Situationen – also Verletzungs- und Sturzsituationen –
zu verbessern oder ob nur spezifisch diejenigen Gleichgewichtsaufgaben eine
Verbesserung zeigen, die auch trainiert wurden.
Aus den Studien ergibt sich, dass nach dem Training einer Gleichgewichtsaufgabe
eine signifikante Verbesserung nur in dieser Aufgabe zu erwarten ist, nicht
jedoch in untrainierten, unbekannten Gleichgewichtsaufgaben, selbst wenn diese
der trainierten Aufgabe ähnlich sind. Auch das Training mehrerer verschiedener
Gleichgewichtsaufgaben und mit verschiedenen Geräten erleichtert das Erlernen
einer unbekannten Gleichgewichtsaufgabe in der Regel nicht. Es scheint jedoch
einen Zusammenhang zu geben zwischen körperlichen Voraussetzungen wie etwa der
Leistung der Beinstrecker und der Lerngeschwindigkeit in unbekannten
Gleichgewichtsaufgaben.
Für die Trainingspraxis ergibt sich, dass dem Training des Gleichgewichts,
insbesondere im Hinblick auf die Prävention von Verletzungen und Stürzen, eine
genaue Analyse der Situationen vorausgehen sollte, welche ein erhöhtes Risiko
für Verletzungen und Stürze mit sich bringen. So kann ein spezifisches Training
geplant werden. Bei Defiziten in der körperlichen Leistungsfähigkeit kann ein
maßgeschneidertes Krafttraining zur Steigerung der Leistung der relevanten
Beinmuskeln zudem eine sinnvolle Ergänzung sein.