Vorbemerkung
Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 02.05.2018 geht eine
langjährige gerichtliche Auseinandersetzung um die Frage zu Ende, ob andere Fachärzte
als Radiologen zur Erbringung und Abrechnung von kernspintomographischen Leistungen
im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt sind. Das vorliegende Verfahren
war insofern von besonderer Pikanterie, als der Kläger, ein Facharzt für Innere Medizin
und Kardiologie, der Auffassung war, dass Kardiologen zur Durchführung kernspintomografischer
Untersuchungen des Herzens sogar besser qualifiziert seien als alle bzw. bestimmte
Ärzte für Radiologie.
Dieser Ansicht hat die AG Herz- und Gefäßdiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft
e. V. (DRG) bereits in einer Stellungnahme vom Juni 2011 inhaltlich und fachlich ausdrücklich
widersprochen (vgl. RöFo-Sonderdruck, Zum aktuellen Standort der Radiologie in der
Patientenversorgung, Stellungnahme der deutschen Röntgengesellschaft, Juni 2011).
Die vom BVerfG nun bestätigte Argumentation soll hier noch einmal zur Verdeutlichung
widergegeben werden:
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Die Ausbildung in kardialer Bildgebung (CT, MRT) ist integraler Bestandteil der radiologischen
Weiterbildung. In der Ausbildung zum Kardiologen dagegen ist die Vermittlung von Spezialwissen
auf dem Gebiet der MRT und CT des Herzens nicht enthalten.
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Die DRG verfügt schon seit mehr als 18 Jahren über eine strukturiertes Fortbildungsprogramm
und ein internes Qualifizierungs- und Qualitätssicherungssystem. Radiologen suchen
in der Herzbildgebung zweifelsfrei die Interaktion mit den Kardiologen; daraus darf
aber nicht abgeleitet werden, dass ein Kardiologe für die Fortbildung von Radiologen
besonders geeignet oder gar erforderlich ist. Genau das Gegenteil ist der Fall: ein
Kardiologe, der die Zusatzqualifikation „MRT des Herzens“ erwerben möchte, muss nach
der gültigen Rechtslage die Weiterbildung bei einem Radiologen nachweisen.
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Der klinische Erfolg der Methode beruht in erster Linie auf technischen Weiterentwicklungen.
Gerade kardiale MRT Untersuchungen stellen bereits bei der Durchführung eine besondere
Herausforderung dar, weil das Protokoll und Messparameter für viele Patienten individuell
angepasst werden müssen. Diese hohe technische Kompetenz in der MRT ist wesentlicher
Bestandteil der radiologischen Weiterbildung und ein Alleinstellungsmerkmal radiologischer
Fachärzte.
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Die generelle Einschätzung, dass klinisches Spezialwissen in Bezug auf das untersuchte
Organ, dass nur in den entsprechenden klinischen Weiterbildungen vermittelt wird,
für die Interpretation radiologischer Bilder zwingend erforderlich ist, ist falsch.
Vielmehr zeichnet sich die Kompetenz des Radiologen heute dadurch aus, dass sowohl
klinisches Fachwissen, als auch methodische Expertise für bildgebende diagnostische
verfahren in den diagnostischen Prozess einfließen und auf vielen Gebieten der Medizin
in hohem Maße zur schnellen und zielgenauen Diagnostik und Therapie der Patienten
beitragen.
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Bei jeder kardialen MRT werden andere Organe (Lunge, Mediastinum, Mamma, große Gefäße,
Skelett/Wirbelsäule, Oberbauch) miterfasst, die dann auch mit beurteilt werden müssen.
Die umfassende Ausbildung zur Beurteilung aller Strukturen ist integraler Bestandteil
der radiologischen Weiterbildung und ein weiteres Alleinstellungsmerkmal radiologischer
Fachärzte.
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Die Trennung zwischen bildgebender Diagnostik und klinischer Patientenversorgung macht
auch wirtschaftlich Sinn, da sie kostentreibende Selbstzuweisungen verhindert. In
der jüngst verfügbaren Übersicht des Europäischen Kardio-CT-Registers der ESC erreicht
die Selbstzuweisungsrate der Kardiologen 60 % und mehr.
Damit ist bereits weiterbildungsrechtlich und der fachlichen Ausbildung des Radiologen
widerlegt, dass Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie über
eine bessere Ausbildung und Erfahrung im Bereich der MRT-Diagnostik des Herzens verfügen.
In seiner viel beachteten Stellungnahme „Zur Situation der diagnostischen Radiologie
in der Bundesrepublik Deutschland (mit besonderer Berücksichtigung der MRT)“ in RöFo
170 (1999), M74, 80 hat der frühere Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, Herr
Prof. Günther Kauffmann auf diesen Umstand bereits hingewiesen und festgestellt, dass
nur eine enge Verflechtung von eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten
sowohl in der Computertomografie als auch in der Magnetresonanztomografie „eine fach-
und fallgerechte Indikationsstellung, eine optimale Durchführung und eine korrekte
differentialdiagnostische Befundung im Kontext anderer bildgebender Verfahren ermöglicht“.
An dieser zutreffenden Einschätzung kann nach der Entscheidung des BVerfG festgehalten
werden.
Einleitung
Im vergangenen Jahr lag dem BVerfG bereits zum dritten Mal die Frage der Verfassungsmäßigkeit
der Kernspintomographie-Vereinbarung[1] (KernspinV) zur Entscheidung vor, nach der die Erbringung und Abrechnung magnetresonanztomographischer
(MRT) Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) allein Radiologen[2] vorbehalten ist.
Zunächst 2001 hatte ein Orthopäde gegen die Versagung einer Genehmigung zur Erbringung
und Abrechnung von MRT-Leistungen im GKV-System erfolglos Verfassungsbeschwerde beim
BVerfG erhoben. Danach wandte sich 2007 ein Kardiologe – Direktor einer Klinik für
Innere Medizin/Kardiologie und seit vielen Jahren zur Erbringung vertragsärztlicher
Leistungen ermächtigt – wegen der Versagung einer solchen Genehmigung ebenfalls erfolglos
an das BVerfG. Nachdem er die Zusatzqualifikation „MRT – fachgebunden –“ erworben
hatte, versuchte es der Kardiologe erneut: Er klagte sich durch die Instanzen der
Sozialgerichtsbarkeit und erhob 2014 abermals Verfassungsbeschwerde bei dem BVerfG.
Dieses stellte in einem Nichtannahmebeschluss erneut fest, dass eine Beschränkung
der Erbringung von MRT-Leistungen im GKV-System auf Radiologen (und Nuklearmediziner)
nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstößt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom
02.05.2018, Az.: 1 BvR 3042/14).
Hintergrund der Entscheidung
Hintergrund der Entscheidung
Der Beschwerdeführer, ein Kardiologe, der nach eigener Aussage maßgeblich an der Entwicklung
der Technik von MRT-Untersuchungen des Herzens beteiligt war, führte bereits seit
Jahren entsprechende Untersuchungen bei privatversicherten Patienten durch. Bereits
2001 beantragte er als ermächtigter Arzt eine Genehmigung zur Erbringung und Abrechnungen
von MRT-Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte. Die zuständige Kassenärztliche
Vereinigung (KV) versagte ihm jedoch die begehrte Genehmigung; die Qualifikationsanforderungen
des § 4 Abs. 1 der KernspinV lägen nicht vor, insbesondere weil der Kardiologe nicht
über die Gebietsbezeichnung „Diagnostische Radiologie“ verfügte. Der gegen diese Genehmigungsversagung
geführte Rechtsstreit blieb erfolglos, sodass sich der Kläger schließlich an das BVerfG
wandte, das 2010 über diesen Fall entschied (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom
08.07.2010, Az.: 2 BvR 520/07). Den Kern der Entscheidung bildete dabei die Frage,
ob der Kardiologe – trotz der nach seinen persönlichen Fähigkeiten vorliegenden Qualifikation
für die Erbringung von MRT-Untersuchungen des Herzens – durch die Versagung der Abrechnungsgenehmigung
durch die zuständige KV in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit
verletzt war.
Das BVerfG konnte jedoch keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht feststellen: Zwar werde
durch die Versagung der Genehmigung auf Grundlage des § 4 Abs. 1 KernspinV in die
Berufsfreiheit des Beschwerdeführers eingegriffen, so das BVerfG. Er sei allerdings
nicht in seinem Status als Arzt betroffen, da der Kardiologe nicht im Kernbereich
seines Fachgebiets eingeschränkt werde. Die Beschränkung der kardiologischen Tätigkeit
im GKV-System betreffe den Kardiologen nur in einem Teilausschnitt seiner ärztlichen
Tätigkeit, die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung bleibe
unberührt. Eine derartige Beschränkung der Berufsausübung sei weiterhin aus Gründen
des Gemeinwohls auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da die Konzentration aller
MRT-Leistungen bei speziell qualifizierten Ärzten der Qualität der Versorgung sowie der
Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung
diene. Zudem solle die Konzentration der MRT-Leistungen den Erhalt der diagnostisch
tätigen Ärzte als Berufsgruppe gewährleisten, sodass es auf die individuelle Qualifikation
des Kardiologen nicht ankäme. Damit knüpft das BVerfG unmittelbar an seine Ausführungen
aus dem Jahr 2004 an, als es über die Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses des Orthopäden
von der Erbringung von MRT-Leistungen auf Grundlage der KernspinV zu entscheiden hatte
(vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16.07.2004, Az.: 1 BvR 1127/01).
Zusatzweiterbildung „MRT – fachgebunden –“ berechtigt nicht zur Erbringung von MRT-Leistungen
im GKV-System
Zusatzweiterbildung „MRT – fachgebunden –“ berechtigt nicht zur Erbringung von MRT-Leistungen
im GKV-System
Im Jahr 2004 führte die für den klagenden Kardiologen zuständige Ärztekammer die Zusatzweiterbildung
„MRT – fachgebunden –“ für die Erlangung der fachlichen Kompetenz zur Durchführung
und Befundung gebietsbezogener MRT in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz ein. Die
Einführung dieser Zusatzweiterbildung ging auf den Beschluss des 106. Deutschen Ärztetages
zurück, der mittlerweile in allen Bundesländern umgesetzt wurde. Kurz nach dem Beschluss
des Deutschen Ärztetages wurde vor dem Hintergrund der ergangenen bundessozialgerichtlichen
Entscheidung zur Versagung von MRT-Abrechnungsgenehmigungen für Orthopäden (vgl. BSG,
Urteil vom 31.01.2001, Az.: B 6 KA 24/00 R) eine neue Regelung in Satz 4 des § 135
Abs. 2 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz eingeführt (vgl. BT-Drs. 15/1525,
S. 124). Nach § 135 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V können die Vertragspartner der Bundesmantelverträge
für Leistungen, die einer besonderen Fachkunde bedürfen, entsprechende Voraussetzungen
für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen in Qualitätssicherungsvereinbarungen
regeln. Anforderungen für die Leistungserbringung müssen sich allerdings nach dem
ärztlichen Weiterbildungsrecht richten, soweit das ärztliche Berufsrecht bundesweit
inhaltsgleiche Qualifikationsvoraussetzungen für bestimmte Leistungen vorsieht.
Von diesem Grundsatz macht § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V eine Ausnahme: Er gestattet den
Vertragspartnern der Bundesmantelverträge, zur Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit
der Leistungserbringung, abweichend von den Weiterbildungsordnungen des ärztlichen
Berufsrechts Regelungen zu treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer
Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres
Fachgebietes gehören.
Nachdem dem Kardiologen von der zuständigen Ärztekammer die Berechtigung erteilt wurde,
die Zusatzbezeichnung „MRT – fachgebunden –“ zu tragen, beantragte er im Jahre 2007
erneut die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von MRT-Untersuchungen des Herzens
bzw. des Thorax sowie die Abrechnungsgenehmigung für Leistungen der MR-Angiographie
bei der zuständigen KV. Die KV lehnte beide Anträge ab. Zur Begründung wurde angeführt,
dass der Kardiologe weder die von der KernspinV geforderte Gebietsbezeichnung „Diagnostische
Radiologie“, noch die von der Qualitätssicherungsvereinbarung zur MR-Angiographie[3] (MR-AngioV) geforderte Fachgebietsbezeichnung „Radiologie“ führen dürfe. Für die
Erteilung der Abrechnungsgenehmigung sei allein die Zugehörigkeit zum Fachgebiet Radiologie
und nicht die Zusatzbezeichnung maßgeblich. Die gegen die Versagung der Genehmigungen
gerichtete Klage vor dem Sozialgericht (SG) hatte zunächst Erfolg (vgl. SG Berlin,
Urteil vom 06.04.2011, Az.: S 71 KA 151/10). Das SG befand, dass wegen des in Art. 3
Abs. 1 GG verankerten Gleichheitsgrundsatzes ein Kardiologe mit der Zusatzqualifikation
„MRT – fachgebunden –“ hinsichtlich der Erbringung von MRT-Untersuchungen des Herzens
nicht anders behandelt werden dürfe, als ein Radiologe.
Auf die Berufung der beklagten KV hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des
SG Berlin wieder auf. Nachdem auch das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 02.04.2014
(Az.: B 6 KA 24/13 R) die Rechtsauffassung des LSG bestätigte, erhob der Kardiologe
gegen diese beiden Urteile sowie gegen Qualitätssicherungsvereinbarungen KernspinV
und MR-AngioV Verfassungsbeschwerde beim BVerfG. Darin rügte der Kardiologe insbesondere
die Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichheitsgrundsatzes. Weiterhin
trug er zur Begründung vor, dass die neu geschaffene Zusatzweiterbildung „MRT – fachgebunden
–“ ohne Anwendungsbereich bliebe, wenn fachgebundene MRT-Leistungen nicht auch durch
entsprechend fortgebildete Fachärzte durchgeführt und abgerechnet werden dürften.
Er sei zudem auf dem Teilgebiet der MRT-Untersuchungen des Herzens letztlich sogar
besser qualifiziert als Radiologen.
Das BVerfG verwarf hingegen auch diese Verfassungsbeschwerde als unbegründet, da es
keine Verletzung von Verfassungsrecht, insbesondere dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3
Abs. 1 GG, erkennen konnte.
Ausschluss anderer Fachgruppen zur „Sicherung der Wirtschaftlichkeit“ gerechtfertigt
Ausschluss anderer Fachgruppen zur „Sicherung der Wirtschaftlichkeit“ gerechtfertigt
Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch den staatlichen Normgeber liegt dann vor,
wenn eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl
zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen,
dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Das BVerfG äußerte jedoch
bereits Zweifel daran, ob die Gruppe der Kardiologen mit Zusatzweiterbildung „MRT
– fachgebunden –“ und die Gruppe der Radiologen überhaupt vergleichbar seien. Einer
abschließenden Entscheidung hinsichtlich der Frage der Vergleichsgruppenbildung bedurfte
es letztlich nach Auffassung des BVerfG nicht; selbst bei einer Vergleichbarkeit der
Gruppen sei eine Ungleichbehandlung von Radiologen und Kardiologen mit Zusatzweiterbildung
„MRT – fachgebunden –“ zur „Sicherung der Wirtschaftlichkeit“ des Systems der gesetzlichen
Krankenversicherung hinreichend gerechtfertigt.
Die Sicherung der Wirtschaftlichkeit im System der GKV war ein wesentlicher Gesichtspunkt
für die Einführung des § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V, der die Rechtsgrundlage für die
Konzentration von MRT-Leistungen auf Radiologen durch die Regelungen der KernspinV
und MR-AngioV darstellt. Dabei ging es dem Gesetzgeber insbesondere darum, die Trennung
von kostspieliger Gerätediagnostik und Therapie zu ermöglichen, um keinen Anreiz dafür
zu schaffen, dass sich Ärzte sog. Organfächer, z. B. Kardiologen, an sich selbst Patienten
zur Erbringung radiologischer Leistungen überweisen. Insofern ist es im Interesse
der Wirtschaftlichkeit sachgerecht, wenn die Normgeber an der strukturellen Trennung
von Organ- und Methodenfächern festhalten. Außerdem – so die Gesetzesbegründung –
bewirke eine Arbeitsteilung im Sinne eines Mehraugenprinzips, dass die Diagnostik
losgelöst von einem eventuellen wirtschaftlichen Interesse an einer daraufhin indizierten
Therapie erfolgt. Damit sei sowohl der optimalen Patientenversorgung als auch dem
sparsamen Einsatz der Leistungsressourcen gedient (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 124; vgl.
auch BSG, Urteil Urteil vom 02.04.2014, Az.: B 6 KA 24/13 R).
Der Sicherung der Wirtschaftlichkeit diene letztlich – so das BVerfG – auch die Sicherung
der Qualität, indem nicht nur ein bestimmtes Niveau der Versorgung, sondern auch der
sparsamen Einsatz von Ressourcen gewährleistet werde. Nach § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB
V, der die „Sicherung der Qualität“ zur Voraussetzung für den Erlass einschränkender
Regelungen macht, müsse die Konzentration von Leistungen auf eine bestimmte Fachärztegruppe
letztlich der Qualitätssteigerung dienen. Dies setze jedoch nicht voraus, dass die
im Einzelfall bestmögliche Qualität angestrebt oder erreicht werde, sodass es nicht
darauf ankomme, ob im Einzelfall – wie vorliegend durch den Beschwerdeführer behauptet
– eine noch bessere fachliche Qualifikation vorliegt. Vielmehr genüge es verfassungsrechtlichen
Maßstäben, dass Radiologen, zu deren Fachgebiet im Kern die streitgegenständlichen
MRT-Leistungen gehören, aufgrund ihrer Ausbildung hinreichende Gewähr für deren qualitative
Durchführung bieten.
Eine hinreichende Qualität von MRT-Leistungen führe grundsätzlich auch zu geringeren
finanziellen Belastungen der Krankenkassen, da die Gefahr unzureichender, zu wiederholender
oder die Behandlung in eine falsche Richtung lenkender Untersuchungen sinke. Umgekehrt
führe eine gesicherte Wirtschaftlichkeit grundsätzlich auch dazu, dass MRT-Leistungen
hinreichend häufig und kostendeckend durchgeführt werden und dementsprechend die Qualität
der Leistungserbringung gewährleistet sei. Gegen eine Differenzierung nach Facharztgruppen,
wie es § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V, KernSpinV und MR-AngioV vorsehen, bestünden, angesichts
des in der BVerfG-Rechtsprechung wiederholt betonten Stellenwertes der Facharztausbildung
für die Berufsausübung, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
„Sicherung der Qualität“ durch das Mehraugenprinzip
„Sicherung der Qualität“ durch das Mehraugenprinzip
Der Ausschluss der sogenannten Organfächer von der Erbringung von MRT-Leistungen ist
nach Ansicht des BVerfG aber auch verhältnismäßig, da auf anderem Wege die Qualitätssicherung
durch das Mehraugenprinzip nicht gewährleistet werden könne. Selbst durch eine Erweiterung
des Überweisungsvorbehalts auf Fachärzte der Organfächer würden wirtschaftliche Fehlanreize
nicht ebenso wirksam vermieden und nicht ausgeschlossen werden können, dass die Diagnostik
unabhängig von der Therapie erfolgt. Denn eine Umgehung sei immer noch dadurch möglich,
dass Fachärzte der Organfächer sich Patienten wechselseitig zur Diagnostik überweisen,
was bei der allein Radiologen vorbehaltenen Durchführung von MRT-Leistungen nicht
zu befürchten sei.
Keine Teil-Untersuchungs- und Abrechnungsteilbefugnis im GKV-Regelungskonzept vorgesehen
Keine Teil-Untersuchungs- und Abrechnungsteilbefugnis im GKV-Regelungskonzept vorgesehen
Darüber hinaus gehe die Beschränkung der Behandlungsbefugnis auf Radiologen einher
mit der Abrechnungsbefugnis. Die Qualitätssicherungsvereinbarungen sähen keine nach
Organen differenzierte Untersuchungs- und Abrechnungsteilbefugnis vor, sondern gingen
von einer Gesamtbefugnis aufgrund der Weiterbildungsinhalte der Fachgebiete aus. Die
dafür erforderlichen umfassenden Kenntnisse würden nach dem Ausbildungsrecht jedoch
allein Radiologen aufweisen. Die generelle Einbeziehung von Fachärzten, die über die
Zusatzweiterbildung „MRT – fachgebunden –“ verfügen, wäre daher zu weitgehend. Wegen
der Vielzahl der Fachärzte wäre auch nicht nur eine untergeordnete Gruppe betroffen.
Fazit
Mit seinem dritten Beschluss zur Beschränkung von MRT-Leistungen im GKV-System hat
das BVerfG klargestellt, dass diese auch nach der Einführung der Zusatzqualifikation
„MRT – fachgebunden –“ in den Weiterbildungsordnungen der Länder verfassungsrechtlich
gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber und die Vertragspartner der Bundesmantelverträge
als untergesetzlicher Normgeber bleiben damit befugt, die Erbringung bestimmter Leistungen
im GKV-System zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit abweichend vom ärztlichen Weiterbildungsrecht
zu regeln, solange ein Arzt nicht im Kernbereich seines Fachgebiets eingeschränkt
wird. Dass dieser Aspekt im vertragsärztlichen Bereich über das Berufsrecht hinausgehende
Beschränkungen erlaubt, hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 01.02.2011 zur geringfügigen
fachgebietsfremden Tätigkeit bereits betont (Az.: 1 BvR 2383/10). In seinen Ausführungen
legt das BVerfG wiederholt dar, dass sich die Sicherung der Qualität und die Sicherung
der Wirtschaftlichkeit auch gegenseitig bedingen können und orientiert sich dabei
an der Regelung des § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V, der die Konzentration von medizinisch-technischen
Leistungen auf bestimmte Fachgruppen nur zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit und
Qualität zulässt. Letztlich formuliert es dabei (gewollt oder ungewollt) für das GKV-System
ein Verständnis von Qualität, die sich wiederum an ihrem Effekt auf die Wirtschaftlichkeit
messen lassen muss.
Das Fachgebiet der Radiologie hat damit nochmals die Bestätigung erhalten, dass die
Erbringung von MRT-Leistungen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf andere
Facharztgruppen ausgeweitet werden muss.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Sophia K. Meinecke
Rechtsanwältin
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