CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(02): 145-147
DOI: 10.1055/a-0824-7929
GebFra Science
Statement/Stellungnahme
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktualisierte Stellungnahme zur randomisierten Studie der minimalinvasiven versus abdominellen radikalen Hysterektomie bei frühem Zervixkarzinom (LACC) von der Kommission Uterus der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie (AGE) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)

Article in several languages: English | deutsch
Peter Hillemanns
1   Universitätsfrauenklinik, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
,
Sara Brucker
2   Universitätsfrauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Bernd Holthaus
3   Frauenklinik, Krankenhaus St. Elisabeth gGmbH, Damme, Germany
,
Rainer Kimmig
4   Universitätsfrauenklinik Essen, Essen, Germany
,
Björn Lampe
5   Frauenklinik, Diakonie Kaiserswerth, Düsseldorf, Germany
,
Ingo Runnebaum
6   Universitätsfrauenklinik Jena, Jena, Germany
,
Uwe Ulrich
7   Frauenklinik, Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin, Germany
,
Markus Wallwiener
8   Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Heidelberg, Germany
,
Tanja Fehm
9   Universitätsfrauenklinik Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
,
Clemens Tempfer
10   Universitätsfrauenklinik der Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Germany
,
for the AGO Uterus and the AGE of the DGGG › Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Peter Hillemanns
Universitätsfrauenklinik
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Germany   

Publication History

received 08 January 2019

accepted 09 January 2019

Publication Date:
18 February 2019 (online)

 

Zusammenfassung

In dieser Stellungnahme zur randomisierten Studie der minimalinvasiven versus abdominellen radikalen Hysterektomie bei frühem Zervixkarzinom (LACC) stellen die Kommission Uterus der AGO und die AGE der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) nach Vorlage der publizierten Daten fest, dass Patientinnen mit Zervixkarzinom FIGO IA1 (mit LVSI), IA2, IB1 vor Entscheidung über den geplanten Zugangsweg bei radikaler Hysterektomie über die Ergebnisse der LACC-Studie zu informieren sind.


#

Im New England Journal of Medicine haben Ramirez et al. die Ergebnisse der randomisierten Studie zum Vergleich der minimalinvasiven versus abdominellen radikalen Hysterektomie bei frühem Zervixkarzinom (Laparoscopic Approach to Cervical Cancer, LACC) publiziert [1]. Das primäre Studienziel dieser internationalen randomisierten Multicenterstudie der Phase III war es, die Hypothese zu untersuchen, dass die laparoskopische oder roboterassistierte radikale Hysterektomie einer abdominellen radikalen Hysterektomie nicht unterlegen ist, und zwar hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens (DFS) nach 4,5 Jahren. Sekundäre Studienziele waren die Rezidivrate und das Gesamtüberleben (OS).

Die Studie war als Nichtunterlegenheitsstudie des minimalinvasiven Arms im Vergleich zum abdominellen Standardarm mit einer Fallzahl von 740 Patientinnen mit 4,5 Jahren Nachbeobachtung und einem erwarteten krankheitsfreien Überleben von 90% im abdominellen Arm konzipiert, um mit 87% Trennschärfe (Power) die minimalinvasive Technik als nicht unterlegen im Vergleich zur offenen Chirurgie zu bezeichnen, auf Basis einer 7,2%-Nichtunterlegenheitsgrenze für die Differenz im krankheitsfreien Überleben. Eingeschlossen wurden Patientinnen mit primärem Plattenepithel-, Adeno- oder adenosquamösen Karzinom der Cervix uteri mit den FIGO-Stadien IA1 (mit LVSI), IA2 oder IB1 ohne Lymphknotenmetastasierung, die in PET/MRT/CT keinen Hinweis auf Metastasierung hatten und eine radikale Hysterektomie nach Piver-Klassifikation Typ II oder III erhielten. Die teilnehmenden Zentren mussten 10 dokumentierte Fälle mit laparoskopischer/roboterassistierter radikaler Hysterektomie und auch 2 nicht editierte Gesamt-Videoaufnahmen an das Studienkomitee einreichen. Jeder Operateur führte sowohl minimalinvasive als auch offene Operationen durch. Die adjuvanten Chemo-, Radio- oder Radiochemotherapien erfolgten gemäß lokaler Praxis.

Die Studie wurde im Juni 2008 eröffnet und vorzeitig im Juni 2017 durch das Data Safety & Monitoring Committee nach Rekrutierung von 631 der Patientinnen (85%) aufgrund der signifikanten Unterlegenheit des Laparoskopiearmes aus Sicherheitsgründen gestoppt.

Insgesamt wurden in weltweit 33 Zentren weniger als 20% der Patientinnen in nordamerikanischen Zentren rekrutiert, die übrigen Patientinnen in Zentren in Südamerika, Indien, China, Australien, Italien und Bulgarien. 312 Frauen wurden in den abdominellen Arm und 319 Frauen in den minimalinvasiven Arm randomisiert. Die Einschlusscharakteristika, die Rate an intraoperativen Komplikationen und die Rate an adjuvanten Therapien war in beiden Studienarmen vergleichbar, lediglich die Rate an Tumoren mit nur oberflächlicher Stromainfiltration war im minimalinvasiven Arm höher.

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,5 (0,0 – 6,3) Jahren lagen zum Analysezeitpunkt 59,7% der Überlebensdaten für 4,5 Jahre vor (84% Trennschärfe/Power): 27 Rezidive (davon 41% in Fornix/Becken) mit 19 Todesfällen in der minimalinvasiven Gruppe und 7 Rezidive (davon 43% im Fornix) mit 3 Todesfällen in der offenen Gruppe.

Die Rate an krankheitsfreiem Überleben nach 4,5 Jahren war 86% in der minimalinvasiven Gruppe und 96,5% in der abdominellen Gruppe (Differenz − 10,6%; 95%-KI − 16,4 bis − 4,7; p = 0,87 für Noninferiorität) – insofern liegt keine Nichtunterlegenheit vor. Die Ergebnisse waren konsistent mit den 45 roboterassistierten Fällen (Differenz − 10,6%; 95%-KI − 16,4 bis − 4,7). Auch in der Per-Protokoll-Auswertung waren die Unterschiede fast identisch.

Nach 3 Jahren war der Anteil von krankheitsfreien Patientinnen (DFS) mit 97,1 vs. 91,2% im abdominellen Standardarm signifikant höher (Hazard Ratio [HR] 3,7; 95%-KI 1,6 – 8,6). Das abdominelle Vorgehen war signifikant besser bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) mit 99 vs. 93,8% (HR 6,0; 95%-KI 1,8 – 20,3), der krankheitspezifischen Todesfälle (4,4 vs. 0,6%; HR 6,6; 95%-KI 1,5 – 29,0) und der lokoregionären Rezidive 94,3 vs. 98,3%; HR 4,3; 95%-KI 1,4 – 12,6). Die Ergebnisse zwischen roboterassistierter und laparoskopischer Chirurgie sind vergleichbar.

Die Rezidive waren bei Tumorgröße 2 – 4 cm rund 5-mal häufiger als bei Tumoren unter 2 cm. Die minimalinvasive Kohorte hatte jedoch bezogen auf die Rezidivrate in der Subgruppe „Tumorgröße unter 2 cm“ kein geringeres relatives Risiko als in der Subgruppe „Tumorgröße 2 – 4 cm“ – jeweils im Vergleich zur offenen Kohorte. Aber die Studie war nicht für eine weitere Analyse gepowert (z. B. Tumorgröße </> 2 cm, Invasionstiefe < 10 mm, fehlende lymphovaskuläre Invasion, nodal-negativ).

Neben dieser Studie wurde in der gleichen Ausgabe des NEJM auch eine retrospektive Auswertung von 2 nordamerikanischen Krebsregistern (NCDB, SEER) publiziert [2]. Frauen mit Zervixkarzinomen der FIGO-Stadien IA2 bis IB1, die offen operiert wurden, hatten ein signifikant besseres Überleben (4-Jahres-Mortalität 9,1 vs. 5,3%; HR 1,6; 95%-KI 1,2 – 2,2; p = 0,002). Die Einführung der minimalinvasiven radikalen Hysterektomie ab dem Jahr 2006 fiel mit einem kontinuierlichen und statistisch signifikanten Absinken der Überlebensraten zusammen (Zunahme der Mortalität um 0,8% pro Jahr), während in den Jahren davor eine kontinuierliche Verbesserung der Überlebensraten von Frauen mit Zervixkarzinomen der FIGO-Stadien 1A2 bis IB1 festzustellen war.

Die genaue Assoziation zwischen minimalinvasiver vs. offener Therapie und Mortalität in der Subgruppe mit einer Tumorgröße unter 2 cm, in der wenige Todesfälle auftraten, konnte nicht ausgewertet werden. Allerdings umfasste in der dazu gehörigen Grafik das 95%-Konfidenzintervall die Null (HR 1,5; 95%-KI 0,7 – 3,0), sodass keine Signifikanz auf Alpha-Niveau = 0,05 vorliegt – also kein Unterschied besteht. Die Unterschiede in der Subgruppe mit Tumoren über 2 cm waren signifikant.

In der Diskussion der LACC-Studie merken die Autoren an, dass die sehr guten Ergebnisse ihres offenen Arms mit nur 2,4% Rezidivrate nach 4,5 Jahren (DFS von 97,6% statt 90% der Studienhypothese) für die fehlende Nichtunterlegenheit der minimalinvasiven Chirurgie (bei 13% Rezidivrate, 87,1% DFS) verantwortlich gemacht werden könnte und versuchen, dieses Argument mit 3 retrospektiven Studien zu relativieren, bei denen das 5-J-DFS für den offenen Arm immerhin bei 93,3 bis 94,4% liegt [3], [4], [5]. Allerdings lagen in diesen Studien die minimalinvasiven Arme mit 90,5 bis 92,8% in ähnlicher Größenordnung. Dem Argument einer Lernkurve ab 2008 für die minimalinvasiven Eingriffe wird mit Hinweis auf die Professionalität der Studienoperateure mit dieser Technik entgegnet. Als potenzielle Gründe für die Unterlegenheit der minimalinvasiven Chirurgie wird auf die routinemäßige Verwendung des Uterusmanipulators mit möglicher Disseminierung der Tumorzellen in den Bauchraum bei der laparoskopischen Eröffnung der Vagina und dem möglichen negativen Effekt der CO2-Insufflation hingewiesen. Tatsächlich gibt es eine Studie, in der die vaginale Kolpotomie mit einem geringeren Risiko für ein Rezidiv assoziiert war als die intraabdominale Kolpotomie [6].

In der Zusammenfassung konstatieren die Autoren der LACC-Studie und der US-Krebsregister-Auswertung, dass die minimalinvasive radikale Hysterektomie mit einer höheren Rezidivrate und einem schlechterem Gesamtüberleben im Vergleich zur offenen radikalen Hysterektomie assoziiert ist. Bisherige Metaanalysen, die sich auf retrospektive Studien beziehen, zeigten keine signifikante Überlegenheit der offenen Chirurgie.

Die Ergebnisse werden zwar nicht als Ende der minimalinvasiven Therapie der Zervixkarzinoms interpretiert, stattdessen werden Studien zur Vermeidung des Uterusmanipulators und der Karzinomzellendisseminierung mittels eines adäquaten Scheidenverschlusses basierend auf einem standardisierten Vorgehen empfohlen.

Die Kommission Uterus der AGO und die AGE stellen fest, dass Patientinnen mit Zervixkarzinom FIGO IA1 (mit LVSI), IA2, IB1 vor Entscheidung über den geplanten Zugangsweg bei radikaler Hysterektomie über die Ergebnisse der LACC-Studie zu informieren sind.


#

Conflict of Interest/Interessenkonflikt

All authors perform radical hysterectomy by laparoscopic/robotic and/or open surgery./
Alle Autoren führen sowohl laparoskopische/roboterassisierte und/oder offene radikale Hysterektomien aus.

  • References/Literatur

  • 1 Ramirez PT, Frumovitz M, Pareja R. et al. Minimally Invasive versus Abdominal Radical Hysterectomy for Cervical Cancer. N Engl J Med 2018; DOI: 10.1056/NEJMoa1806395.
  • 2 Melamed A, Margul DJ, Chen L. et al. Survival after Minimally Invasive Radical Hysterectomy for Early-Stage Cervical Cancer. N Engl J Med 2018; DOI: 10.1056/NEJMoa1804923.
  • 3 Lee EJ, Kang H, Kim DH. A comparative study of laparoscopic radical hysterectomy with radical abdominal hysterectomy for early-stage cervical cancer: a long-term follow-up study. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2011; 156: 83-86
  • 4 Malzoni M, Tinelli R, Cosentino F. et al. Total laparoscopic radical hysterectomy versus abdominal radical hysterectomy with lymphadenectomy in patients with early cervical cancer: our experience. Ann Surg Oncol 2009; 16: 1316-1323
  • 5 Nam JH, Park JY, Kim DY. et al. Laparoscopic versus open radical hysterectomy in early-stage cervical cancer: long-term survival outcomes in a matched cohort study. Ann Oncol 2012; 23: 903-911
  • 6 Kong TW, Chang SJ, Piao X. et al. Patterns of recurrence and survival after abdominal versus laparoscopic/robotic radical hysterectomy in patients with early cervical cancer. J Obstet Gynaecol Res 2016; 42: 77-86

Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Peter Hillemanns
Universitätsfrauenklinik
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Germany   

  • References/Literatur

  • 1 Ramirez PT, Frumovitz M, Pareja R. et al. Minimally Invasive versus Abdominal Radical Hysterectomy for Cervical Cancer. N Engl J Med 2018; DOI: 10.1056/NEJMoa1806395.
  • 2 Melamed A, Margul DJ, Chen L. et al. Survival after Minimally Invasive Radical Hysterectomy for Early-Stage Cervical Cancer. N Engl J Med 2018; DOI: 10.1056/NEJMoa1804923.
  • 3 Lee EJ, Kang H, Kim DH. A comparative study of laparoscopic radical hysterectomy with radical abdominal hysterectomy for early-stage cervical cancer: a long-term follow-up study. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2011; 156: 83-86
  • 4 Malzoni M, Tinelli R, Cosentino F. et al. Total laparoscopic radical hysterectomy versus abdominal radical hysterectomy with lymphadenectomy in patients with early cervical cancer: our experience. Ann Surg Oncol 2009; 16: 1316-1323
  • 5 Nam JH, Park JY, Kim DY. et al. Laparoscopic versus open radical hysterectomy in early-stage cervical cancer: long-term survival outcomes in a matched cohort study. Ann Oncol 2012; 23: 903-911
  • 6 Kong TW, Chang SJ, Piao X. et al. Patterns of recurrence and survival after abdominal versus laparoscopic/robotic radical hysterectomy in patients with early cervical cancer. J Obstet Gynaecol Res 2016; 42: 77-86