Frauenheilkunde up2date 2020; 14(03): 259-272
DOI: 10.1055/a-0832-3993
Operative Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gynäkologische Operationen bei der älteren Patientin

Atanas Ignatov
,
Olaf Ortmann
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Atanas Ignatov
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Caritas Krankenhaus St. Josef
Universitätsklinik Regensburg
Landshuter Straße 65
93053 Regensburg

Publication History

Publication Date:
03 June 2020 (online)

 

Mit der zunehmenden Lebenserwartung steigt auch die Inzidenz für gynäkologische Behandlungen bei der älteren und geriatrischen Patientin. Doch vor allem operative Therapien stellen hier eine komplexe Herausforderung dar. Dies schildert der Beitrag eindrucksvoll anhand von zwei Fallbeispielen und erklärt zudem, welche Risikofaktoren und prophylaktischen Maßnahmen bei älteren Patientinnen perioperativ zu beachten sind.


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Einleitung

In der Patientengruppe der älteren Patientinnen ist eine gewisse Tendenz zur Untertherapie zu beobachten, d. h. es werden im Rahmen von gynäkologischen Operationen nicht immer alle Optionen ausgeschöpft. „Inadäquate“ Behandlungen werden in dieser Patientengruppe auch als Ursache für die schlechte Prognose diskutiert [1], [2], [3]. Ziel muss jedoch auch hier immer eine adäquate Behandlung sein. Diese umfasst unter anderem

  • Bevorzugen der minimalinvasiven Chirurgie,

  • adjuvante Therapie auch bei älteren Patientinnen,

  • Evaluieren des Allgemeinzustands und eventueller Komorbiditäten,

  • Beachten des psychischen Performancestatus und

  • Berücksichtigen der Wünsche von Patientin und/oder Angehörigen.


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Fallbeispiel einer Patientin mit Ovarialkarzinom

Fallbeispiel 1

Eine 82-jährige Frau stellt sich mit Unterbauchbeschwerden vor. Anamnestisch ist bei der Patientin ein Kolonkarzinom mit Erstdiagnose vor 2 Jahren und dem Tumorstadium pT3, pN1b (2/26), L1, V0, R0, G3 bekannt. Das Kolonkarzinom wurde operativ behandelt, die vorgeschlagene adjuvante Chemotherapie von der Patientin jedoch abgelehnt. Die Patientin erscheint in Begleitung von Sohn und Ehemann und wirkt leicht vergesslich und desorientiert.

Folgende Erkrankungen sind bei der Patientin bekannt: arterieller Hypertonus; nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2; Zustand nach vaginaler Hysterektomie (Uterus myomatosus) vor 25 Jahren; Zustand nach Thyreoidektomie vor 17 Jahren (Ursache nicht evaluierbar); Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose rechts vor 4 Monaten, Medikation von Apixaban.

Befunde der gynäkologischen Untersuchung: unauffällige Vulva; Vagina und Scheidenstumpf glatt; Adnexe rechts unauffällig, links mit praller Raumforderung von ca. 6 cm Durchmesser; die vaginale Sonografie zeigt einen zystischen Tumor im linken Unterbauch, glatt-berandet mit randständigen papillären Strukturen; unauffällige rechte Adnexe; die abdominale Sonografie zeigt: kein Aszites, Oberbauch und Mittelbauch unauffällig; bei V. a. ein frühes Ovarialkarzinom erfolgt die Ösophagogastroduodeno- und Koloskopie mit dem Ergebnis: unauffällig bis auf einzelne reizlose Divertikel; das CT Thorax/Abdomen zeigt eine zystische Raumforderung im Bereich der linken Adnexe mit Abklärungsbedarf.

Operationen und Verläufe

Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung sowie nach Umstellung der Thromboseprophylaxe auf niedermolekulares Heparin (NMH) führten wir im Rahmen einer explorativen Laparotomie eine ausgedehnte Darmadhäsiolyse und Ureterolyse links mit anschließender Adnexektomie links durch. Die Schnellschnittuntersuchung bestätigte die Verdachtsdiagnose eines Ovarialkarzinoms. Zur Komplettierung der Operation nahmen wir zusätzlich die Adnexektomie rechts und die Omentektomie vor. Für das Staging erfolgten Probeentnahmen vom Peritoneum.

Erster postoperativer Verlauf

Nach unauffälligem postoperativem Verlauf auf der Intensivstation wurde die Patientin am Folgetag auf die Normalstation verlegt. Am 2. postoperativen Tag hatte die Patientin einmalig Stuhlgang. Sie war komplett mobilisiert. Am 3. postoperativen Tag äußerte die Patientin bei der Frühvisite einen leichten Unterbauchschmerz und Übelkeit, sie fühlte sich abgeschlagen. Befunde:

  • weicher Bauch, keine Abwehrspannung,

  • blutig-tingierter Aszites in der Drainage, kein Anhalt für eine Nachblutung,

  • Kreislaufparameter stabil und unauffällig,

  • Laborparameter ebenso unauffällig, bis auf eine leichte Leukozytose (11 000/ml).

Zwei Stunden später meldete die Stationsschwester, die Patientin werde zunehmend somnolent. Der Blutdruck war 90/40 mmHg und der Puls lag bei 127/min. Der Bauch zeigte sich weiterhin weich, allerdings leicht gebläht. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt kaum ansprechbar.

Die CT-Untersuchung des Abdomens zeigte keinen Anhalt für eine intraabdominale Blutung, allerdings ergab sich der Verdacht auf eine Abszedierung im Mittelbauch links auf Nabelniveau. Die Laboruntersuchung ergab eine Leukozytose von 17 000/ml und einen CRP-Wert von 38 mg/dl (Normwert < 0,5 mg/dl). Die Patientin war weiterhin somnolent. Klinisch fehlte die Abwehrspannung, die Bauchdecke war weiterhin weich. Bei Verdacht auf eine Perforation war die Re-Laparotomie indiziert. Während der Intubation aspirierte die Patientin Mageninhalt. Umgehend konnte via Bronchoskopie das Aspirat abgesaugt werden. Bei der Laparotomie zeigte sich eine Ileumperforation mit 4-Quadranten-Peritonitis, sodass wir eine Ileumsegmentresektion mit Ileostoma-Anlage unter reichlicher Spülung des Situs durchführten. Weitere Perforationen ließen sich nicht erkennen.


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Zweiter postoperativer Verlauf

Postoperativ wurde die Patientin unter antibiotischer Abschirmung (Piperazillin/Tazobactam) auf die Intensivstation verlegt. Sie war wach, etwas verwirrt und kardiopulmonal auf niedrigem Niveau stabil. In der Nacht nach der Operation entwickelte sie ein Delir mit starker Verwirrtheit. Zudem wurde eine Pneumonie diagnostiziert, sodass wir die antibiotische Therapie auf Linezolid und Anidulafungin umstellten.

Am 3. postoperativen Tag erfolgte aufgrund einer neu aufgetretenen Pupillendifferenz und bei verwaschener Sprache eine kraniale CT, die jedoch keine pathologischen Befunde erkennen ließ. Die Pupillendifferenz und die verwaschene Sprache waren im weiteren Verlauf komplett rückläufig, ebenso die intermittierenden Delirphasen. Erneut aspirierte die Patientin beim Schluckversuch und wurde daraufhin intubiert und bronchoskopiert, konnte aber noch am selben Tag extubiert werden. In den nächsten Tagen stabilisierte sich der Allgemeinzustand der Patientin langsam. Neun Tage später wurde die Patientin auf die Normalstation verlegt und 6 Tage danach, bei subjektivem Wohlbefinden, nach Hause entlassen.


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Diskussion

Risikofaktor Alter

Die Anzahl an chirurgischen Eingriffen nimmt proportional zur steigenden Lebenserwartung der Frauen zu. Erkrankungen, die im Alter gehäuft auftreten und eine operative Behandlung erfordern, stellen allerdings eine große Herausforderung für die betroffenen Frauen selbst dar und für die Behandler.

Merke

Die perioperative Morbidität und Mortalität sind bei älteren Frauen 2,9-fach bzw. 6,7-fach erhöht [4].

Das Alter der Patientin ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die perioperative Morbidität und Mortalität. Obwohl die meisten altersrelevanten Änderungen zwischen dem 65. und 70. Lebensjahr auftreten, ist der Begriff „alt“ sehr uneinheitlich definiert. Während des Entscheidungsprozesses einer operativen Therapie ist es empfehlenswert, neben dem physiologischen Alter der Patientin weitere Faktoren in Betracht zu ziehen, nämlich:

  • vorhandene Komorbiditäten,

  • kognitive Veränderungen,

  • körperliche und mentale Depression,

  • Polypharmazie,

  • Ernährungsstatus und

  • individuelle soziale Lage.

Infobox 1

Beispiele für altersbedingte Beeinträchtigungen

  • Das Ansprechen auf Katecholamine ist im Alter beeinträchtigt und kann in Kombination mit einer Überwässerung zu einem Lungenödem führen.

  • Die renale Funktion ist im Alter eingeschränkt, sodass aufgrund von Minderdurchblutung und Verlust von Nierenparenchym eine Reduktion der Kreatinin-Clearance möglich ist [4]. Eine reduzierte renale Funktion ist für die Auswahl der Anästhesie, Dosierung der Medikamente und Flüssigkeitssubstitution relevant.

  • Es wurde gezeigt, dass ältere Frauen ähnlich gut wie jüngere eine ausgedehnte Operation bei einem Ovarialkarzinom tolerieren können; dennoch besteht ein Risiko bei reduziertem Allgemeinzustand, schlechtem ASA-Status (> 3) oder Fernmetastasen bei der Primärdiagnose [5].

  • Im Alter treten häufig kardiovaskuläre Erkrankungen auf: > 50% der postoperativen Todesfälle und 11% der postoperativen Komplikationen sind als Resultat einer geschädigten kardialen Funktion unter normalen Stressbedingungen zu sehen [4].

Die physiologische „Gebrechlichkeit“ einer Patientin ist charakterisiert durch die Reduktion der Organreserven, der körperlichen Kraft, der Belastungsausdauer und der physiologischen Funktionen. Aus diesem Grund nehmen die Zahl und die Ausdehnung der gynäkologischen Operationen im Alter ab [1], [2]. Es gibt verschiedene Verfahren, welche die Gebrechlichkeit evaluieren, um präventiv perioperative Komplikationen minimieren zu können [4] (s. u.). Im Folgenden werden charakteristische Merkmale und typische perioperative Überlegungen bei der älteren gynäkologischen Patientin beschrieben.

Merke

Die Kunst ist es, nicht die Operation an sich erfolgreich und radikal durchzuführen, sondern die Rekonvaleszenz der Patientin nicht zu gefährden.


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Intra- und perioperative Komplikationen

Blutung

Intraoperative Blutungen bzw. Nachblutungen gehören zu den häufigsten Komplikationen einer Operation. Veränderungen im kardiovaskulären System und die Alterung der Gefäße können zu einer verstärkten Gefäßfragilität und damit zu Blutungen führen. Dazu trägt auch der im Alter steigende Blutdruck bei wie auch die häufige Einnahme von Antikoagulanzien [4]. Intraoperative Blut- und Flüssigkeitsverluste sind die Hauptfaktoren, die zu einer Hypovolämie und Hypotension führen können. Das ist insbesondere bei ausgedehnten Operationen (wie z. B. die Zytoreduktion eines Ovarialkarzinoms) der Fall. Auch die ausgedehnte Deperitonealisierung beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom führt u. U. zu einem massiven Flüssigkeitsverlust, der von der älteren bereits vorerkrankten Patientin schwerlich kompensierbar ist. Diese Fakten sollten bei der Planung der Operation und ihrer Ausdehnung immer berücksichtigt werden.


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Aspiration

Die Aspiration von gastroösophagealem Inhalt ist eine relativ seltene Komplikation während der Allgemeinanästhesie. Sie wird allerdings häufiger bei älteren Patienten beobachtet [6] und ist die Hauptursache für bronchopulmonale Komplikationen [7]. Mit der Aspiration bei älteren Patientinnen sind ursächlich verbunden

  • veränderte protektive Reflexe wie Husten, Exspiration und Laryngospasmus,

  • ein verminderter Tonus des gastroösophagealen Sphinkters [6], sowie

  • eine altersbedingt veränderte pulmonale Funktion (Reduktion der Vitalkapazität) und

  • Adipositas.

Merke

Die Kombination von fortgeschrittenem Alter und Adipositas erhöht das Aspirationsrisiko signifikant.

Die Patientin im Beispiel hatte präoperativ und auf der Intensivstation aspiriert, sicherlich begünstigt durch den beginnenden Ileus. Beim zweiten Aspirieren war der verminderte Allgemeintonus die Ursache. In beiden Situationen entsprachen die rechtzeitige Bronchoskopie mit Absaugung und die nachfolgende antibiotische Behandlung einer adäquaten Therapie.


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Adipositas

Mehr als ein Drittel der Menschen ≥ 65 Jahre haben einen zu hohen BMI [8]. Übergewicht ist mit einer vermehrten Rate an Komplikationen, verlängerter Hospitalisation und Wiederaufnahme verbunden [9]. Eine prä- und vor allem postoperative Kontrolle der renalen, kardialen und pulmonalen Funktionen bei adipösen Patientinnen ist von eminenter Bedeutung und unerlässlich.

Merke

Bei adipösen Patientinnen werden intraoperative Schwierigkeiten nicht durch das „äußere“, sondern durch das „innere“ Fett verursacht.

Im Alter kommt es zu einer Umverteilung der Fettmasse, hauptsächlich in das viszerale Kompartiment. Intraoperativ ist das vermehrte viszerale Fettgewebe mit erschwerter Operabilität verbunden, vor allem mit erschwertem Zugang in das kleine Becken. Die Präparation und die operative Sicht können durch das Fettgewebe massiv beeinträchtigt werden. Aus anästhesiologischer Sicht sind die Intubation und die perioperative Medikation bei adipösen Patientinnen zuweilen eine Herausforderung und verlangen entsprechende Expertise und Erfahrung.


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Venöse Thromboembolie

Ein rechtzeitiges Erkennen verschiedener Risikofaktoren für eine Thromboembolie kann bei der Planung und Durchführung einer Operation hilfreich sein. Die Prophylaxe einer Thromboembolie steht immer im Vordergrund. Wichtige Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse sind

  • das Alter per se,

  • ein thromboembolisches Ereignis in der Vorgeschichte und

  • Malignomerkrankungen.

Das Risiko steigt, wenn zusätzlich eine operative Therapie durchgeführt wird. In solchen Fällen ist eine ausreichend adäquate Thromboseprophylaxe indiziert. Dazu zeigte eine systematische Metaanalyse eindeutig: Frauen > 60 Jahre, bei denen eine gynäkologische Intervention geplant ist, profitieren lediglich von einer Kompressionsprophylaxe, nicht aber von einer medikamentösen Prophylaxe bei gleichzeitiger Reduktion des Blutungsrisikos [10].

Merke

Die pharmakologische Prophylaxe sollte Frauen mit Malignomen oder Thromboembolismus in der Vorgeschichte vorbehalten bleiben.

Bei unserer Patientin im Fallbeispiel waren mehrere Risikofaktoren zu identifizieren – unter anderem wurde sie bereits mit einer prophylaktischen Gabe von Apixaban aufgenommen. Um ihr Blutungsrisiko perioperativ zu minimieren, stellten wir die Prophylaxe auf NMH um und konnten so trotz der zahlreichen Risikofaktoren einem Thromboembolismus erfolgreich vorbeugen.


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Lagerung und Immobilisierung

Es gibt keine Daten, die eindeutig belegen, dass es bei älteren Patientinnen vermehrt zu Lagerungsschäden kommt. Allerdings sind hier die häufigen Arthritiden, Gelenkbeschwerden oder künstlichen Gelenke bei der Lagerung zu beachten, ebenso wie Nervenschäden bei älteren und adipösen oder auch bei abgemagerten Patientinnen. Um Kompressionskomplikationen oder Dekubitus zu vermeiden, sind häufig zusätzliche Lagerungstechniken und Hilfsmittel notwendig. Voroperationen an den Extremitäten sind bei der präoperativen Lagerung zu berücksichtigen.

Die peri- und postoperative Immobilisierung hat klinische Relevanz, denn Bettlägerigkeit von nur 2 Tagen reicht bereits aus, um die Funktionalität älterer Menschen signifikant zu reduzieren [4]. In der postoperativen Phase (v. a. in den ersten 14 Tagen) sind ältere Frauen relativ oft von einem Sturz betroffen [11]. Erforderlich sind dann Anpassungen im postoperativen Management – abgesehen von einer zusätzlichen Beanspruchung von Krankenhauspersonal. Präventive Maßnahmen wie eine frühe Mobilisierung oder „ständige“ Überwachung der körperlichen Aktivitäten in den ersten Tagen nach der Operation sollten zu den Standards in jeder Klinik zählen. Eine adäquate häusliche Versorgung ist vor der Entlassung zu klären.

Merke

Die frühzeitige postoperative Mobilisierung ist für eine normale Darmperistaltik essenziell, führt zu einer Verbesserung der Funktion des Kreislaufsystems und wirkt vorbeugend gegen Ödembildung und Lungenkomplikationen.


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Postoperatives Delir

Charakteristisch für eine transiente Hirnsymptomatik sind

  • akute Beeinträchtigung der kognitiven Funktion,

  • Konzentrationsstörungen,

  • Bewusstseinsveränderungen und

  • veränderter Schlaf-wach-Zustand [12].

Die psychomotorische Aktivität kann entweder reduziert oder erhöht sein. Etwa 30% der hospitalisierten älteren Menschen entwickeln ein Delir, und die Rate kann bis zu 60% nach einer Operation steigen. Die Entwicklung eines Delirs ist mit gesteigerter Morbidität und Mortalität verbunden und erfordert nicht selten erheblichen zusätzlichen Aufwand, inklusive einer nachstationären Betreuung. Zahlreiche Risikofaktoren wie

  • beeinträchtigte kognitive Funktion,

  • Alter,

  • Art der Chirurgie und Anästhesie,

  • Grunderkrankung und Nebendiagnosen etc.

wurden bereits als Risikofaktoren für ein Delir beschrieben [12]. Die genaue Evaluation dieser Veränderungen ist praktisch schwierig und am besten im Gespräch mit Angehörigen zu eruieren. Mittels einer adäquaten präoperativen Anamnese kann das Risiko für die Entwicklung eines Delirs eingeschätzt werden. Dies hat Bedeutung für eventuelle vorbeugende Maßnahmen.

Merke

Einer der wichtigsten Risikofaktoren für ein postoperatives Delir ist die bereits präoperativ beeinträchtigte kognitive Funktion [4], [12].

Bei der Patientin im Fallbeispiel waren anamnestisch eine beginnende Demenz und Desorientierung beschrieben, die sich nach der zweiten Operation drastisch verschlechterten. Die Delirepisoden waren intermittierend sehr ausgeprägt, und eine signifikante Verbesserung trat erst einige Wochen nach der Entlassung ein.


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Postoperative Schmerzen

Eine ausreichende Schmerztherapie ist mit einer verbesserten Wundheilung verbunden und soll stets angestrebt werden. Allerdings stellt das postoperative Schmerzmanagement hier eine weitere Herausforderung dar: Ältere Patientinnen haben häufig eine etwas erhöhte Schmerztoleranzgrenze, d. h. sie melden einen Schmerz oder Beschwerden erst im fortgeschrittenen Stadium [4]. Die Schmerztherapie, vor allem die multimodale Schmerztherapie, hat besondere Anforderungen bei älteren Frauen mit postoperativen Schmerzen. Der Einsatz von nicht steroidalen Antirheumatika soll vor allem bei Patientinnen mit beeinträchtigter Nierenfunktion restriktiv erfolgen.

Infobox 2

Opioide bei der älteren Patientin

  • Die Gabe von Opioiden kann eine bereits existierende Obstipation verschlechtern.

  • Vorteile der Opioide sind die relative Unabhängigkeit von Alter, renaler Funktion und Albuminkonzentration im Serum [4].

  • Die emetogene Wirkung von Opioiden ist aus verschiedenen Gründen bei älteren Patientinnen erhöht und muss deshalb beachtet werden.


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Atypische Symptomatik

Häufig ist die klinische Symptomatik zahlreicher Erkrankungen atypisch, was die klinische Untersuchung und ihre Interpretation erschweren kann. Zum Beispiel war bei unserer Patientin im Fallbeispiel die Abwehrspannung bei Peritonitis nicht vorhanden. Das wird durch den physiologisch bedingten Abbau der abdominalen Muskulatur erklärbar [13]. Bei abdominalen (v. a. epigastrischen) Schmerzen

  • ist eine EKG-Diagnostik bei jeder älteren Patientin notwendig: ein Drittel der Patientinnen > 65 Jahre, die einen Myokardinfarkt erleiden, zeigen nur abdominale Schmerzen [13]; zudem

  • können auch verschiedene pulmonale Pathologien vorliegen, die abgeklärt werden sollten.


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Maßnahmen zur Reduktion perioperativer Komplikationen

Beurteilung der Gebrechlichkeit

Nicht alle älteren Frauen sind auf gleiche Weise von verschiedenen Erkrankungen betroffen bzw. haben denselben Ausgangszustand, d. h. Allgemeinzustand. In der Literatur werden zahlreiche Scores benannt, die die Evaluation der Gebrechlichkeit (engl. frailty) erleichtern sollen, und es gibt mehrere Reviews dazu [14]. Einige Scores erfassen nur die körperlichen Aspekte der Gebrechlichkeit, andere beziehen die kognitiven, psychischen und sozialen Faktoren mit ein. Aus diesem Grund ist eine einheitliche Definition dringend notwendig.

Merke

Die Einschätzung der perioperativen Gebrechlichkeit ist hilfreich, um verschiedene Komplikationen zu vermeiden und die optimale Vorbereitung zu gewährleisten.

Die verfügbaren Daten legen nahe, dass die präoperative Gebrechlichkeit bei älteren Patienten signifikant mit postoperativen Komplikationen verbunden ist. Zwar ist die Aussagekraft vieler Studien begrenzt durch ein hohes Maß an Heterogenität (Beurteilung der Gebrechlichkeit, Art der Operation, primäre Endpunkte), doch scheint insgesamt die Frailty für das Risiko der postoperativen Morbidität und Mortalität verantwortlich zu sein. Ein Beispiel für ein präoperatives Assessment der Gebrechlichkeit von Patientinnen ist die Klassifikation der American Society of Anesthesiologists (ASA) ([Tab. 1]) [4]. Anhand dieser einfachen Klassifikation sollte man alle Patientinnen präoperativ evaluieren, um eventuelle Risiken für intra- und postoperative Komplikationen herauszufiltern.

Tab. 1 ASA-Klassifikation der Frailty [4].

Grad

Befunde

ASA I

Patientin ist völlig gesund, Nichtraucherin, kein (regelmäßiger) Alkoholkonsum.

ASA II

Patientin, die eine Krankheit ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen hat. Dazu zählen: aktuelle Raucherinnen, soziale Alkoholtrinkerinnen, Schwangere, Frauen mit einem BMI zwischen 30 und 40 kg/m2, gut kontrollierter Diabetes mellitus und/oder Hypertonus, leichte Lungenerkrankung.

ASA III

Patientin mit schweren systemischen Erkrankungen. Wichtige Beispiele sind: schlecht eingestellter Diabetes mellitus, Hypertonus, COPD, BMI > 40 kg/m2, aktive Hepatitis, Alkoholabhängigkeit oder -missbrauch, implantierter Schrittmacher, moderate Verringerung der Ejektionsfraktion, regelmäßige Dialyse, anamnestisch (> 3 Monate) Myokardinfarkt, zerebrovaskuläre Erkrankung, transitorisch ischämische Attacke, Stents.

ASA IV

Patientin hat mindestens eine schwere, lebensbedrohliche systemische Erkrankung.

ASA V

Patientin hat eine akute lebensbedrohliche Erkrankung; ohne Operation ist die Überlebenswahrscheinlichkeit sehr gering.

ASA VI

Patientin ist hirntot; eine Operation zur Organspende ist möglich.


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Prophylaxe der venösen Thromboembolie

Alle gynäkologisch onkologischen Patientinnen sollten vor einer chirurgischen Intervention, die länger als 30 Minuten dauert, eine Prophylaxe zur venösen Thromboembolie bekommen [15]. Diese umfasst eine mechanische und eine medikamentöse Komponente wie niedermolekulares oder fraktioniertes Heparin. Eine bereits präoperativ begonnene Prophylaxe reduziert signifikant die Rate an thromboembolischen Ereignissen [16]. Ältere Patientinnen, die eine chirurgische Intervention wegen einer malignen gynäkologischen Erkrankung erhalten, profitieren von einer auf 4 – 6 Wochen postoperativ erweiterten medikamentösen Prophylaxe.


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Prophylaxe perioperativer Infektionen

  • Antibiose

Eine antibiotische Prophylaxe ist mit einer signifikanten Reduktion der postoperativen Morbidität verbunden und wird grundsätzlich in der gynäkologischen Chirurgie empfohlen. Unter bestimmten Bedingungen (wie Darmchirurgie oder Chirurgie maligner Erkrankungen im kleinen Becken mit Scheideneröffnung) können auch Antibiotika mit antianaerober Wirkung zum Einsatz kommen. In der Regel wird die Applikation der Antibiotika 1 Stunde vor der Hautinzision als sinnvoll angesehen.

Merke

Zur antibiotischen Prophylaxe in der gynäkologisch onkologischen Chirurgie gelten Cephalosporine als Mittel der Wahl [15].

  • Drainage

Die Sinnhaftigkeit einer Drainage wird kontrovers diskutiert, denn bereits 2 Stunden nach Einlegen eines Drains ist eine bakterielle Kolonisierung nachweisbar. Um die Rate der perioperativen Infektionen zu reduzieren, wird eine schnelle Entfernung der Drainage bzw. sogar der Verzicht auf eine Drainage empfohlen [15].

  • Hypothermie

Das Vermeiden einer Hypothermie ist vor allem bei älteren Patientinnen obligat: Hypothermieprophylaxe durch perioperative Wärme ist mit einer signifikanten Reduktion der Infektionsrate verbunden [17].


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Prävention eines Ileus/Subileus

Die schnelle Wiederaufnahme der Darmfunktion ist vor allem bei älteren Patientinnen das Ziel jedes postoperativen Managements. Auch für die Entlassung nach Laparotomie aufgrund gynäkologischer Erkrankungen ist die funktionelle Darmperistaltik eine der wichtigsten Voraussetzungen.

Merke

Die Rate eines postoperativen Ileus nach offenen gynäkologischen Operationen liegt bei 30%; nach einer ausgedehnten Debulking-Operation bei Ovarialkarzinom mit Darmresektion beträgt sie ca. 40% [15].

Die Wiederaufnahme der Darmfunktion ist durch verschiedene Maßnahmen beeinflussbar, z. B.:

  • geringe Ausdehnung der Operation

Primäre Relevanz hat die minimalinvasive Chirurgie: sie ist mit einer signifikanten Senkung der Ileusrate verbunden, auch bei komplexen gynäkologischen Operationen. Aus diesem Grund soll der minimalinvasive Zugang der Zugangsweg der ersten Wahl sein, falls keine Kontraindikation vorliegt.

  • Reduktion von Opioiden

Eine multimodale Analgesie mit Reduktion der Einnahme von Opioiden hat eine drastische Reduktion von Darmverschlüssen zur Folge (siehe auch Infobox 2).

  • ausreichende Flüssigkeitsbilanzierung

Kaffeekonsum bewirkt die schnellere Wiederaufnahme der Darmfunktion und ist mit einer 20%igen Reduktion der Ileussymptomatik verbunden; sogar das Kauen von Kaugummis ist förderlich [15].

  • frühzeitige Ernährung

  • frühzeitige Mobilisierung

Merke

Eine schnelle Mobilisierung der älteren Patientin ist essenziell zur Prophylaxe eines Ileus/Subileus.


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Perioperative Ernährung

Die frühzeitige Ernährung ist eindeutig mit einer Reduktion von Darmverschlüssen verbunden und gehört somit zum Standard im postoperativen Management nach gynäkologischen Operationen. Sie führt zu einer Verbesserung der Wundheilung und Lungenfunktion, Reduktion der Darmanastomosen-Insuffizienz und zu einer verkürzten Hospitalisierung [15]. Die Mehrzahl der Studien über eine frühe Ernährung betrifft zwar die Darmchirurgie, doch sind auch einige rein gynäkologische Studien dazu verfügbar. Getestet wurden verschiedene Diäten und Zutaten, die perioperative Supplementierung der Ernährung und die Immunernährung. Einige Ergebnisse:

  • Eine Ergänzung mit Arginin kann über eine verstärkte Vasodilatation und Gewebeoxygenierung zu einer Reduktion der Infektionsrate und damit der Hospitalisierung führen.

  • Eine Immunernährung geht einher mit einer Reduktion der Infektionsrate und der Hospitalisierung.

  • Eine proteinreiche Diät ist mit einer früheren Entlassung verbunden und kann bei Patientinnen nach einer gynäkologischen onkologischen Operation erwogen werden.

Ein wichtiger Aspekt bei der operativen Vorbereitung der älteren Frau besteht in der Einschätzung ihres Ernährungszustands, um eine evtl. klinisch unerkannte Malnutrition zu erkennen. Methode der Wahl ist die Bestimmung von BMI und Serum-Albumin. Falls diese Werte nicht zur Klärung beitragen, ist die Einbeziehung von Ernährungsmedizinern obligat. Bei einem malnutritiven Zustand sind z. B. hochkalorische Getränke hilfreich, um den postoperativen Verlauf zu verbessern.

Infobox 3

Präoperative Darmvorbereitung

Eine Darmvorbereitung erfolgt unter der Annahme, dass postoperative Infektionen und die Anastomose-Insuffizienz reduziert werden könnten. Hierzu existieren jedoch keine validen Daten bei gynäkologischen Patientinnen. Die meisten Daten werden aus der Darmchirurgie extrapoliert und belegen: Es gibt keine Assoziation zwischen präoperativer Darmvorbereitung und verbesserter intraoperativer Visualisierung bzw. Darmbehandlung. Es ließ sich keine Reduktion von Mortalität, chirurgischen Infektionen, Anastomose-Insuffizienz und Rate an Re-Operationen erkennen. Hingegen wurde gezeigt, dass die orale antibiotische Prophylaxe mit einer Verbesserung der o. g. Parameter verbunden ist.

Fazit: Eine präoperative Darmvorbereitung bei laparoskopischen und laparotomischen gynäkologischen Eingriffen hat bis dato keinen nachgewiesenen Benefit und sollte nicht generell empfohlen werden. Sie führt weder zur Verbesserung des Outcomes noch der intraoperativen Visualisierung [15].


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Eigene Analysen zum Vorliegen von operativen Untertherapien in der gynäkologischen Onkologie

Vor Kurzem untersuchten wir die Therapie von älteren Patientinnen mit Endometrium- und Zervixkarzinom [1], [2] und verwendeten dazu die Daten aus dem Magdeburger Tumorregister.

Lymphadenektomie bei Endometriumkarzinom

In die Auswertung wurden 1736 Frauen mit Endometriumkarzinom einbezogen, die eine Primärdiagnose zwischen 2003 und 2011 hatten. Unser Interesse galt der Lymphadenektomie. Diese gehört zum operativen Staging der Erkrankung und wird systematisch pelvin und paraaortal durchgeführt – was mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden sein kann. Es wurden nur Fälle ausgewertet, bei denen eine Lymphadenektomie auch indiziert war. Wir stellten fest, dass in diesem Kollektiv die Rate an durchgeführten Lymphadenektomien mit steigendem Alter signifikant sinkt ([Abb. 1]). Der Eingriff erfolgte bei Patientinnen im Alter von

  • < 60 Jahren in 86,8% der Fälle,

  • von 60 – 70 Jahren in 79,8%,

  • von 70 – 80 Jahren in 65,4% und

  • > 80 Jahren in 45,8%.

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Abb. 1 Durchgeführte Lymphadenektomie bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom.

Darüber hinaus untersuchten wir den Grund, warum ältere Frauen im Vergleich zu jüngeren Frauen untertherapiert wurden. Dazu fassten wir die Patientinnen in Gruppen mit mittlerem und hohem Risiko zusammen. Bemerkenswerterweise wurde die Lymphadenektomie bei Frauen ab 70 Jahren in mehr als der Hälfte (51,3%) der Fälle eher nicht empfohlen ([Abb. 2]). Die Rate der Kontraindikationen (39,4%) aufgrund des Leistungsstatus und/oder einer Komorbidität stieg mit zunehmendem Alter an. Bei den > 70-Jährigen war die Ablehnung des Eingriffs ein sehr seltener Grund (13,3%) für das Nichtdurchführen der indizierten Maßnahme, im Gegensatz zu Frauen < 70 Jahren (31,5%). Bei der Gruppe < 70 Jahre waren Kontraindikationen der häufigste Grund (59,2%) dafür, dass die an sich indizierte Lymphadenektomie nicht vorgenommen wurde.

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Abb. 2 Ursachen für das Nichtdurchführen einer indizierten Lymphadenektomie bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom.

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Zervixkarzinom

Bei unseren Untersuchungen zur operativen Versorgung von Patientinnen mit Zervixkarzinom kamen wir zu ähnlichen Ergebnissen. Bei frühem operablem Zervixkarzinom ließ sich feststellen, dass Patientinnen > 60 Jahre signifikant häufiger keine Operation erhielten ([Abb. 3]). Die pelvine Lymphadenektomie, die als Staging-Prozedur gilt, wurde seltener bei > 60-jährigen Patientinnen durchgeführt ([Abb. 4]), allerdings ohne signifikanten Unterschied (p = 0,195).

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Abb. 3 Durchführung einer operativen Therapie bei Patientinnen mit frühem Zervixkarzinom.
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Abb. 4 Durchführung einer Lymphadenektomie bei Patientinnen mit frühen Zervixkarzinom.

Auch hier waren wir an der Ursache der Untertherapie interessiert und untersuchten diejenigen Patientinnen, bei denen eine Operation mit Lymphadenektomie eigentlich indiziert war ([Abb. 5]). Ergebnisse:

  • Die Rate der indizierten, aber nicht empfohlenen Therapien stieg mit zunehmendem Alter an. Die Lymphadenektomie wurde für Frauen ab 60 Jahren mit geringerer Wahrscheinlichkeit empfohlen.

  • Die Rate der Kontraindikationen (Leistungsstatus und/oder Komorbidität) stieg mit zunehmendem Alter ebenfalls an.

  • Die Ablehnung der Behandlung war in der Gruppe > 60 Jahre ein sehr seltener Grund (10,2%) für das Nichtdurchführen; im Gegensatz dazu lehnten 63,6% der Frauen < 60 Jahre die indizierte Therapie ab.

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Abb. 5 Ursachen für das Nichtdurchführen einer operativen Therapie bei Patientinnen mit frühen Zervixkarzinom.
Merke

Der häufigste Grund für die Untertherapie bei < 60-jährigen Patientinnen war die Ablehnung des Eingriffs.


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Quintessenz unserer Analyse

Eine Zusammenschau unserer Untersuchungen weist darauf hin, dass bei älteren Frauen eine indizierte Therapie häufig nicht empfohlen wird, selbst bei Vorliegen aggressiver Erkrankungen. Das führt in dieser Patientengruppe zu einer deutlichen Untertherapie, die es durch eine leitliniengerechte und trotzdem individuelle Therapie zu vermeiden gilt. Das chronologische Alter sollte eher eine untergeordnete Rolle bei der Therapieentscheidung spielen.


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Fallbeispiel einer Patientin mit Karzinosarkom des Uterus

Zur Veranschaulichung der bisherigen Ausführungen stellen wir einen weiteren Behandlungsfall vor. Auch hier kam es zu prä-, intra- und postoperativen Komplikationen, auf die wir zum Teil sehr schnell reagieren mussten.

Fallbeispiel 2

Eine 82-jährige Patientin stellt sich mit einer postmenopausalen Blutung vor, der ersten seit Jahren, sie sei besonders stark gewesen. Die Patientin hat keine Kinder, die Menopause trat mit 51 Jahren ein.


Allgemeine Anamnese: KHK, VHF, Diabetes mellitus, Hypertonus, Adipositas mit BMI 34 kg/m2. Medikation: Metformin, Rivaroxaban, Atorvastatin und Metoprolol. Zustand nach Cholezystektomie vor 7 Jahren.


Gynäkologische Untersuchung: adipöse Verhältnisse im Vulva- und Unterbauchbereich; leichte Intertrigo; Scheide reizlos, unauffällig; Portio klein, glatt ohne Auffälligkeiten; leichte unterperiodenstarke Blutung ex CK; palpatorisch ist der Uterus klein, anteflektiert und mobil; Adnexgebiete ohne palpatorische Besonderheiten; vaginale Sonografie ([Abb. 6]): normalgroßer Uterus mit einem hochaufgebauten Endometrium, unauffällige Adnexe.


Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung erfolgt die Hysteroskopie mit einer fraktionierten Abrasio. Intraoperativ zeigt sich ein hochaufgebautes Endometrium mit verstärkter Gefäßzeichnung ([Abb. 7]). Die histologische Aufarbeitung des Präparats ergibt die Diagnose Karzinosarkom des Uterus, G3. Nach Befundbesprechung mit der Patientin soll die endgültige Operation erfolgen: totale laparoskopische Hysterektomie mit beidseitiger Adnexektomie, Omentektomie, pelvine und paraaortale Lymphadenektomie.

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Abb. 6 Sonografische Darstellung des Endometriums.
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Abb. 7 Hysteroskopische Darstellung des Endometriums.

Prä- und intraoperativer Verlauf

Die Operation sollte am 5. Tag nach der Kürettage erfolgen. Allerdings entwickelte die Patientin eine massive Intertrigo im Unterbauchbereich, die über 7 Tage lokal mit Clotrimazol erfolgreich therapiert werden konnte. Die Staginguntersuchungen waren unauffällig. Kurz danach stellte sich die Patientin erneut vor, dieses Mal mit einer Schwellung im rechten Unterschenkel. Der Verdacht auf eine Thrombose wurde nicht bestätigt.

Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung wurde die geplante Operation gestartet. Bei der Intubation zeigte die Patientin eine Tachyarrhythmie. Nach Eingehen in die Bauchhöhle mit der Kamera bot sich ein unauffälliger Situs. Bei der Kopftieflagerung der Patientin kam es zu Beatmungsschwierigkeiten. Aus diesem Grund musste auf eine Laparotomie umgestiegen werden. Es erfolgte eine Längsschnitt-Laparotomie mit totaler Hysterektomie, beidseitiger Adnexektomie, infrakolischer Omentektomie sowie pelviner und paraaortaler Lymphadenektomie. Während der Lymphadenektomie kam es mehrfach zu einer Blutung. Wegen eines intraoperativen Hämoglobinabfalls von 10,2 auf 5,6 g/dl erfolgte die Transfusion von drei Blutkonserven. Der restliche intraoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Die Patientin wurde postoperativ auf die Intensivstation verlegt und am gleichen Tag extubiert.


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Postoperativer Verlauf

Tag 1 – 3

Am ersten postoperativen Tag konnte die Patientin bei subjektivem Wohlbefinden auf die gynäkologische Station verlegt werden. Wegen eines erneuten Hämoglobinabfalls erfolgte die Transfusion einer weiteren Blutkonserve. Die Mobilisierung verlief plangemäß. Am Morgen des 2. postoperativen Tags jedoch entwickelte die Patientin Fieber und Thoraxschmerz mit ausgeprägter Dyspnoe. Nach entsprechender Diagnostik konnten eine Lungenembolie und ein Herzinfarkt ausgeschlossen werden. Die Fieberschübe blieben auch am 3. postoperativen Tag noch bestehen. Die gynäkologische Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten. Das Abdomen war gebläht und aufgetrieben, druckdolent ohne Abwehrspannung. Einige Stunden später erbrach die Patientin massiv. Das Abdomen zeigte eine Abwehrspannung mit auskultatorisch gesteigerter Peristaltik und Stuhlverhalt.

Unter dieser Konstellation erfolgte die CT-Untersuchung des Abdomens. Bei Verdacht auf einen mechanischen Ileus und bei zunehmender Somnolenz der Patientin erfolgte eine Notfall-Laparotomie. Intraoperativ zeigte sich ein Kalibersprung des Ileums, 80 cm von der Bauhinʼschen Klappe entfernt; ein mechanischer Grund für diesen Sprung ließ sich nicht identifizieren. Der Darminhalt wurde abgesaugt, die Bauchhöhle ausgiebig gespült und die Bauchdecke schichtweise verschlossen. Nach zwei Tagen auf der Intensivstation wurde die Patientin erneut auf die normale gynäkologische Station verlegt.


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Tag 4 – 11

Am 4. postoperativen Tag entwickelte die Patientin erneut Fieber bis zu 39 °C. Auch nach Gabe von Antiphlogistika hatte sie weiterhin intermittierendes Fieber. Die Entzündungsparameter waren leicht erhöht (Leukozyten 12 000/µl, CRP 7 mg/dl bei Normwert 0,5 mg/dl). Die klinische Untersuchung gab keinen Anhalt für einen Ileus/Subileus, der Stuhlverhalt war inzwischen behoben. Im oberen Nahtbereich war eine kleine, ca. 2 cm große Nahtdehiszenz entstanden, die allerdings das Fieber nicht erklären konnte.

Es wurde eine weitere gynäkologische Untersuchung durchgeführt. Bei der vaginalen Einstellung zeigte sich eine gut verschlossene Scheide ohne Anhalt für eine Infektion. Es wurden Abstriche entnommen. Palpatorisch wurde am Scheidenstumpf eine derbe ca. 5 cm große Raumforderung festgestellt, sie war druckdolent und mäßig mobil, hier bestand der Verdacht auf ein Hämatom. Die Vaginalsonografie zeigte eine unscharf begrenzte echoarme inhomogene Raumforderung von 5,6 × 6,4 × 5,3 cm, die am Scheidenstumpf fixiert war. Es gab keinen Anhalt für Aszites im kleinen Becken. Die Nieren waren beidseits nicht gestaut.

Bei Verdacht auf ein infiziertes Hämatom wurde eine antibiotische Therapie mit Clindamycin begonnen. Nach 2 Tagen war die Patientin beschwerde- und fieberfrei. Die komplette Mobilisierung der Patientin dauerte bis zum 11. postoperativen Tag, an dem sie dann bei subjektivem Wohlbefinden in die Häuslichkeit entlassen wurde.


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Kernaussagen
  • Bei der Therapie der älteren Frau sollte man den Allgemeinzustand, die Komorbiditäten und den psychischen Performancestatus berücksichtigen.

  • Perioperative Morbidität und Mortalität sind bei älteren Frauen signifikant erhöht.

  • Zu den häufigsten perioperativen Komplikationen gehören intra- und postoperative Blutungsneigung, Flüssigkeitsverlust, Thromboembolie, Aspiration, verminderte postoperative Mobilisierung und postoperatives Delir.

  • Eine akkurate präoperative Evaluation und die angepasste perioperative Überwachung sind mit einer Reduktion der Komplikationen verbunden und sollten zum Standard gehören.

  • Perioperative Komplikationen sind durch Antibiotika, ausreichende Flüssigkeitsbilanzierung, reduzierten Einsatz von Opioiden und ausreichend lange Prophylaxe der venösen Thromboembolie zu vermeiden.

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Atanas Ignatov, Regensburg.


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Autorinnen/Autoren

Atanas Ignatov

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Prof. Dr. med., Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Studium der Humanmedizin an den Universitäten Sofia/Bulgarien und Hamburg. Weiterbildung an den Frauenkliniken der Universität Magdeburg. 2011 Habilitation. Seit 2014 geschäftsführender Oberarzt an der Frauenklinik der Universität Magdeburg. Seit 2018 leitender Oberarzt an der Frauenklinik der Universität Regensburg. Schwerpunkte: Hormonrezeptoren, Therapie von Mamma- und Genitalkarzinomen, gynäkologische Onkologie, minimalinvasive Gynäkologie.

Olaf Ortmann

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Prof. Dr., Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Ab 1998 leitender Oberarzt und stellv. Direktor an der Frauenklinik der Medizinischen Universität Lübeck. 1999 Ernennung zum apl. Professor. 2003 Übernahme des Ordinariats für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Universität Regensburg. Schwerpunkte: Mechanismen in Entstehung und Therapie von Mamma- und Genitalkarzinomen, Rezeptorforschung; gynäkologische Onkologie, Registerforschung.

Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein.
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Atanas Ignatov
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Caritas Krankenhaus St. Josef
Universitätsklinik Regensburg
Landshuter Straße 65
93053 Regensburg


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Abb. 1 Durchgeführte Lymphadenektomie bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom.
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Abb. 2 Ursachen für das Nichtdurchführen einer indizierten Lymphadenektomie bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom.
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Abb. 3 Durchführung einer operativen Therapie bei Patientinnen mit frühem Zervixkarzinom.
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Abb. 4 Durchführung einer Lymphadenektomie bei Patientinnen mit frühen Zervixkarzinom.
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Abb. 5 Ursachen für das Nichtdurchführen einer operativen Therapie bei Patientinnen mit frühen Zervixkarzinom.
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Abb. 6 Sonografische Darstellung des Endometriums.
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Abb. 7 Hysteroskopische Darstellung des Endometriums.