Einleitung
Vaskuläre Läsionen sind häufig und treten z. B. in Form vorwiegend oberflächlicher
infantiler Hämangiome bei ca. 4 % aller Neugeborenen auf. Auch in der orthopädischen
Praxis sind Gefäßanomalien präsent: Skelettale vaskuläre Läsionen werden bei ca. 10
% aller Menschen beschrieben, und betreffen meist das Achsenskelett in Form von
venösen Malformationen (früher sogenanntes „Hämangiom“ des Knochens).
Das Spektrum gefäßassoziierter Veränderungen ist breit und reicht von gutartigen
umschriebenen indolenten Lokalbefunden bis zu generalisiertem Befall mit infauster
Prognose. Für eine adäquate Einordnung und erfolgreiche Therapie ist eine
einheitliche Klassifikation von entscheidender Bedeutung. Die Entdeckung neuer
molekularer Grundlagen hat in den letzten zwei Jahrzehnten wesentlich dazu
beigetragen, eine valide Klassifikation zu entwickeln.
Vaskuläre Läsionen können isoliert sporadisch oder seltener familiär, einem
bestimmten Erbgang folgend (ca. 2 %) auftreten. Die klinische Ausprägung ist
durchaus sehr variabel auch innerhalb einer Familie, sie kann symptomlos verlaufen,
mit einer Progredienz (kontinuierliche Größenzunahme) oder durch exogene Einflüsse
(z. B. Infektionen, hormonelle Dysbalancen, Thrombosierungen) mit sekundären
Symptomen und Komplikationen verbunden sein ([Eivazi
2014]). Eine Besonderheit stellen die syndromalen Entwicklungsstörungen
mit assoziierten vaskulären Veränderungen dar, wie das PTEN- Hamartom-Tumor-Syndrom
(autosomal dominanter Erbgang) oder das Proteus-Syndrom (somatische Mutation im AKT1
Gen, sporadische Genese, siehe unten). Der Zusammenhang mit den vaskulären
Malformationen ist noch nicht vollständig geklärt ([Duffy
2010]).
Klassifikation vaskulärer Läsionen
Klassifikation vaskulärer Läsionen
Historische beschreibende Klassifikationen werden seit 1996 von einer biologisch
orientierten Klassifikation der International Society for the Study of Vascular
Anomalies (ISSVA) abgelöst. In diesem Klassifikationssystem werden vaskuläre
Malformationen als strukturelle Anomalien von proliferativen vaskulären Tumoren
unterschieden (siehe [
Tab. 1
] sowie [Mulliken 2013]). Die ISSVA Systematik wird
allmählich auch in die WHO-Klassifikation integriert und lässt sich ebenfalls auf
vaskuläre Läsionen des Skeletts anwenden ([Bruder et al.
2009]).
Tab. 1
Vaskuläre Läsionen
|
Vaskuläre Tumoren
|
Vaskuläre Malformationen
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Gutartig
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Lokal Aggressiv
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Maligne
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Einfach
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Kombiniert
|
|
Gekürzte und modifizierte ISSVA Klassifikation für vaskuläre Läsionen
der International Society for the Study of Vascular
Anomalies * von den meisten Autoren heute als Malformation
angesehen + papilläres intralymphatisches Angioendotheliom
(Fanburg-Smith J et al. Am J Surg Pathol 23: 104; 1999) §
malignant endovascular papillary angioendothelioma (Dabska M, Cancer
24: 503; 1969)
fett = auch als Primärläsion im Knochen
beschrieben
fett kursiv = bisher nur Einzelfälle
primär im Knochen beschrieben
|
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Infantiles Hämangiom
|
Kaposiformes Hämangioendotheliom
|
Angiosarkom
|
Kapilläre Malformation (K)
|
KVM, KLM
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Kongenitales Hämangiom
|
Retiformes Hämangioendotheliom
|
Epitheloides Hämangioendotheliom
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Lymphatische Malformation (LM)
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LVM, KLVM
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Epitheloides Hämangiom
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Pseudomyogenes Hämangioendotheliom
|
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Venöse Malformation (VM)
|
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‘Tufted’ Hämangiom
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PILA+, Dabska§ Tumor
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Arteriovenöse Malformation (AVM)
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KLAVM
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Spindelzell-Hämangiom*
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Composit Hämangioendotheliom
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Arteriovenöse Fistel
|
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Pyogenes Granulom
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Kaposi Sarkom
|
|
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|
Vaskuläre Malformationen
Das Konzept vaskulärer Malformationen geht von strukturellen Fehlern in der
embryonalen Morphogenese während der 4.–10. Schwangerschaftswoche aus. Vaskuläre
Malformationen manifestieren sich eher bei jüngeren Patienten und sind meist
oberflächlich lokalisiert. Die Einteilung der Gefäßmalformationen richtet sich nach
den Gefäßkomponenten. Dementsprechend lassen sich kapilläre von lymphatischen,
venösen und arteriovenösen Malformationen unterscheiden. Gemischte Malformationen
mit mehreren Komponenten kommen vor. Der morphologische Wandaufbau sollte mit dem
radiologisch respektive Doppler-sonographisch erkennbaren Flow-Verhalten korreliert
werden. Während die meisten vaskulären Malformationen sporadisch auftreten, gibt es
jedoch einige typisch familiär gehäuft vorkommende Formen. Sie können isoliert oder
kombiniert auftreten und erst im Laufe des Lebens manifest werden ([Stiegler 2014]).
Venöse Malformationen des Skeletts sind am häufigsten kraniofazial lokalisiert,
gefolgt von Wirbelkörpern, Extremitäten und Becken. Radiologisch gehen sie kranial
mit einer Expansion und typischen reaktiven Knochenneubildung einher ([
Abb. 1a
]), während im Wirbelkörper bei
erhaltener Knochenkontur grobe strähnige Sklerosezonen eine Osteolyse begleiten. Die
Makroskopie zeigt irregulär angeordnete, dünnwandige, blutgefüllte und daher
dunkelrot bis braun imponierende Gefäßräume ([
Abb.
1b
]). Eine lobuläre Architektur ist nicht zu sehen. Histologisch
werden diese Gefäßräume durch unregelmäßig konfigurierte glattmuskuläre Gefäßwände
begrenzt, überkleidet von flachem Endothel ohne wesentliche Proliferationszeichen
([
Abb. 1c
]). Es können ausgedehnte
Thrombosen und reaktive endotheliale Hyperplasien („Masson“) entstehen, die aber
keine nukleären Atypien aufweisen und sich so von Angiosarkomen unterscheiden
lassen.
Abb. 1 Venöse Malformation der Kalotte. Dünnwandige, irreguläre venöse
vaskuläre Räume (Erythrozyten-gefüllt) durchsetzen Spongiosa, Kortikalis und
führen zu einer charakteristischen periostalen Knochenneubildung. Die
vaskulären Räume zeigen keine lobuläre Architektur.
Ossäre lymphatische Malformationen betreffen meist das kraniale Skelett und die
Extremitäten. Radiologisch sind sie durch konfluierende Osteolysen mit zarter
Randsklerose charakterisiert ([
Abb. 2a
]).
Makroskopisch finden sich von heller Flüssigkeit gefüllte Räume. Histologisch
erkennt man sehr dünnwandige, anastomosierende Kanäle, ausgekleidet durch meist
flache, teils etwas vorgewölbte Endothelien mit unauffälligen Kernen ([
Abb. 2b
]). Diese lymphothelial
differenzierten Endothelien lassen sich seit einiger Zeit immunhistochemisch durch
die Expression des onkofetalen Antigens D2–40 (Podoplanin) von hämangiovaskulären
Endothelien unterscheiden. Die Gefäßwand zeigt in der Regel kaum eine glattmuskuläre
Ausstattung ([
Abb. 2c
]).
Abb. 2 Lymphatische Malformation des Femurs.
Konventionell-radiologisch konfluierende Osteolysen der distalen
Femurmetaphyse mit geringer Randsklerose. Histologisch äußerst dünnwandige
vaskuläre Kanäle, ausgekleidet von sehr flachem, blandem Endothel mit
Expression von D2–40/ Podoplanin. Das Endothel der zentral gelegenen, mit
Erythrozyten gefüllten dünnwandigen Vene ist negativ.
Von besonderer Bedeutung sind multifokale oder sogar generalisierte, teils sehr
ausgedehnte lymphatische Malformationen, die meist in Wirbelsäule, Thorax oder
Schultergürtel beobachtet werden. Kommt es zu aberranter Aktivierung von
Osteoklasten, erfolgt eine massive Osteolyse, wie sie unter dem Namen „Massive
Osteolysis“ von Gorham und Stout beschrieben wurde ([Gorham & Stout 1955]) und auch als „Vanishing Bone“ Disease
bezeichnet wird. Histologisch konfluieren die lymphatischen Räume und zeigen im
Zentrum der involvierten Region lediglich Reste kompakten kollagenen Bindegewebes
ohne Knochentrabekel. Vor kurzem konnte die Osteoklastenaktivierung im Mausmodell
der Bildung von Makrophagen Kolonie-Stimulierendem Faktor M-CSF zugeschrieben werden
([Wang et al. 2017]).
Vaskuläre Tumoren
Die ISSVA Klassifikation unterscheidet gutartige von lokal aggressiven und bösartigen
vaskulären Tumoren.
Der häufigste gutartige vaskuläre Tumor ist das infantile Hämangiom, das sich durch
drei Wachstumsphasen auszeichnet. Es tritt typischerweise im Bereich der Haut der
Kopf-Halsregion auf und manifestiert sich nur ausnahmsweise viszeral. Das ossäre
Skelett wird selten sekundär mitbeteiligt, primäre ossäre infantile Hämangiome sind
bisher nicht beschrieben. Histologisch ist der lobulär aufgebaute Tumor
charakterisiert durch eine kräftige endotheliale immunhistochemische Expression des
GLUT1 Glukosetransporters.
Spindelzellhämangiom und kongenitales Hämangiom sind bisher nicht primär intraossär
beschrieben worden.
Skelettal tritt hingegen das epitheloide Hämangiom auf, vor allem im Bereich der
unteren Extremität und der Kopf-Hals Region. Radiologisch finden sich solitäre oder
multifokale exzentrische geographische Osteolysen mit minimaler Randsklerose,
kortikaler Erosion und Expansion. Der Tumor kann sich in die angrenzenden Weichteile
ausbreiten. Makroskopisch sieht man eine meist umschriebene, solide braun-rote
Raumforderung. Die Histologie zeigt eine lobuläre Architektur, teils mit soliden
Anteilen. Das Gefäßlumen wird ausgekleidet von zytoplasmareichen,
kopfsteinpflasterartigen Endothelien mit einzelnen intrazytoplasmatischen Vakuolen
ohne wesentliche Kernpolymorphie ([
Abb. 3a und
Abb. 3b
]).
Abb. 3 Epitheloides Hämangiom und Epitheloides Hämangioendotheliom.
Das Epitheloide Hämangiom (A-B) zeigt histologisch eine erhaltene lobuläre
Architektur mit Ausbildung intakter Gefäßstrukturen, während beim
Epitheloiden Hämangioendotheliom (C-D) der lobuläre Aufbau verloren geht.
Die Tumorzellen des epitheloiden Hämangioendotheliomes liegen in einer
charakteristischen, teils myxoiden, teils kollagenisierten interstitiellen
Matrix und bilden zytoplasmatische Vakuolen aus.
Unter die intermediären, lokal aggressiven Tumoren wird das kaposiforme
Hämangioendotheliom eingeordnet, das typischerweise im Weichteilgewebe vorkommt und
im Bereich des Skeletts sehr selten ist ([Bruder
2009]). Radiologisch findet sich eine irreguläre Osteolyse und eine
(definitionsgemäß) kleinherdige periossäre Ausdehnung. Die Histologie zeigt
konfluierende Noduli von Spindelzellen mit schlitzförmigen Pseudolumina und
Erythrozytenextravasaten. Fokal sind auch plumpere, rundliche Zellen mit größeren
Kernen und klarem Zytoplasma enthalten. Immunhistochemisch wird fokal der
lymphotheliale Marker D2–40 exprimiert. Interessanterweise finden sich
Mikrothromben, Hämosiderin und hyaline Globuli. Kaposiforme Hämangioendotheliome
(wie auch das verwandte, überwiegend im Kindesalter und in den Weichteilen
vorkommende „Tufted Haemangioma“) gehen häufig mit einer Kasabach-Merritt
Verbrauchskoagulopathie einher.
Ein weiterer Vertreter lokal aggressiver Gefäßtumoren ist das pseudomyogene (früher
auch: epithelioid-sarcoma like) Hämangioendotheliom, das (häufiger) in den
Weichteilen und (seltener) im Knochen vorkommen kann und oft multifokal auftritt
([Inyang 2016]). Es bildet keine Gefäßlumina
und zeigt oft große, rundliche bis spindelige Tumorzellen mit breitem, eosinophilem
Zytoplasma ([
Abb. 4a und Abb. 4c
]).
Immunhistochemisch reagieren die Tumorzellen positiv für Gefäßmarker (CD31, ERG,
Fli1) mit Ausnahme von CD34, das konstant negativ ist, sowie Zytokeratinen (DD:
Karzinommetastase oder epitheloide Sarkome). Molekularpathologisch zeichnen sich
diese Tumoren durch eine FOSB-Translokation aus, welche zu einer Überexpression des
Proteins FOSB führt, das immunhistochemisch als Surrogatmarker nachgewiesen werden
kann ([
Abb. 4b und Abb. 4d
]).
Abb. 4 Pseudomyogenes Hämangioendotheliom. Ausgedehnt
hämorrhagisch-nekrotische Tumormasse mit kleinen Herden teils
spindelzelliger (a), teils epithelioid (c) imponierender,
zytoplasmareicher Tumorzellaggregate mit kräftiger nukleärer Expression von
FOSB (b und d).
Zu den malignen ossären vaskulären Tumoren wird das epitheloide Hämangioendotheliom
gerechnet, das sich im Gegensatz zum epitheloiden Hämangiom radiologisch durch eine
teils permeative Osteolyse und histologisch durch einen Verlust der lobulären
Architektur mit charakteristischer interstitieller, teils prominent myxoider Matrix
auszeichnet ([
Abb. 3c und Abb. 3d
]).
Die Zellkerne sind mäßig pleomorph und zeigen prominente Nukleolen, sowie einzelne
typische Mitosefiguren. Seit 2001 ist bei einem Teil der epitheloiden
Hämangioendotheliome eine rekurrente, diagnostisch nutzbare Translokation bekannt,
der ein CAMTA1 Rearrangement zugeordnet werden konnte ([Mendlick 2001], [Patel 2015]).
Angiosarkome können monostotisch oder multifokal auftreten und betreffen vorwiegend
die langen Röhrenknochen. Radiologisch sind sie durch unregelmäßig begrenzte
Osteolysen ohne Randsklerose charakterisiert ([
Abb.
5a
]). Histologisch zeigen sie ein vielfältiges Bild. Eine
Vasoformation fehlt, anastomosierende kanalartige Strukturen, die von plumpen
Tumorzellen ausgekleidet sind, werden jedoch oft gebildet und können den Verdacht
in
Richtung eines Gefäßtumors lenken. Außerdem bilden die Tumorzellen solide Aggregate
und Rasen mit infiltrativem Wachstumsmuster und ausgedehnter Weichteilkomponente.
Zytoplasmatische Vakuolen sind selten. Es findet sich eine ausgeprägte
Kernpolymorphie und Hyperchromasie mit zahlreichen auch atypischen Mitosefiguren
([
Abb. 5b
]). Das Zytoplasma kann eine
epitheloide oder spindelige Konfiguration annehmen. Da eine Zytokeratinexpression
vorkommt ([
Abb. 5b
]
Inset), ist die Verwechslung mit Karzinommetastasen möglich, wenn nicht
zusätzlich endothel-typische Antikörper wie ERG, CD31 oder Faktor VIII eingesetzt
werden. Auf der molekularen Ebene werden bei Angiosarkomen Mutationen im KDR Gen
beschrieben sowie MYC Amplifikationen bei Strahlen-Assoziation ([Mulliken 2013]).
Abb. 5 Angiosarkom der Fibula. Ausgedehnte Osteolysen mit Destruktion
der Kortikalis und Weichteilinfiltration, histologisch ungeordnete Rasen
maligner Zellen ohne erkennbare Ausbildung von Gefäßstrukturen.
Immunhistochemisch können die Tumorzellen mit epithelialen Markern
(Zytokeratin- Inset) reagieren: DD Karzinommetastase.
Pathomorphologische und Genetische Diagnostik
Pathomorphologische und Genetische Diagnostik
Das pathomorphologische diagnostische Instrumentarium konnte in den letzten Jahren
um
ein Spektrum von immunhistochemisch anwendbaren Antikörpern erweitert werden (siehe
[
Tab. 2
]). Ein „Angio-Panel“ von CD31,
D2–40, SMA, GLUT1, MIB1 und WT1 hat sich über die Jahre in unserer Institution als
nützlich erwiesen. WT1 wird unserer Erfahrung nach vor allem in den Membranen und
im
Zytoplasma der Endothelien von gegenwärtig als vaskulären Tumoren aufgefassten
Läsionen wie z. B. einem epitheloidem Hämangiom exprimiert, wohingegen Endothelien
z. B. von venösen und lymphatischen Malformationen negativ bleiben.
Tab. 2
Immunhistochemisches Angio-Panel zur Routinediagnostik bei vaskulären
Läsionen (Auszug).
|
Antikörper
|
Expressionsmuster
|
Diagnostische Bedeutung
|
|
CD31
|
Membranär
|
Vaskuläre und lymphatische Endothelien bei allen vaskulären
Malformationen und Tumoren
|
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D2–40
|
Membranär
|
Lymphatische Endothelien/ Lymphothel
|
|
SMA
|
Zytoplasmatisch
|
Glatte Muskulatur, perivaskuläre Zellen: Darstellung der (fast immer)
alterierten Wandarchitektur, z. B. bei kapillären Hämangiomen und
venösen Malformationen
|
|
GLUT1
|
Membranär und zytoplasmatisch
|
Expression bei infantilen Hämangiomen. Bei anderen vaskulären
Läsionen äußerst selten (z. B. ein Teil der Angiosarkome)
|
|
WT1
|
Membranär und zytoplasmatisch
|
Expression in Endothelien von Tumoren, sowie in normalen Kapillaren
und normalen arteriellen Endothelien. In den Endothelien z. B. von
venösen Malformationen negativ.
|
|
MIB1
|
Nukleär
|
Sehr geringe Expression/ Proliferationsrate (< 1 %) in Endothelien
von vaskulären Malformationen (ohne reaktive Veränderungen). Höhere
Expression/ Proliferationsrate (ca. 10–30 %) in Hämangiomen.
|
|
CAMTA1
|
Nukleär
|
Korrelat einer CAMTA1 Fusion beim Epitheloiden
Hämangioendotheliom.
|
|
FOSB
|
Nukleär
|
Korrelat einer FOSB Fusion beim Pseudomyogenen
Hämangioendotheliom
|
Aktuell ergänzen Antikörper wie CAMTA1 und FOSB das Panel und lassen die nukleäre
Überexpression dieser Proteine als Korrelat einer Translokation am histologischen
Schnitt nachweisen (vergleiche [
Abb.
4
]).
Für eine Vielzahl dieser vaskulären Läsionen sind durch die modernen molekularen
Methoden (NGS, Exomanalysen ect. und Familienuntersuchungen) kausale Gene ([
Tab. 3
]) bekannt und stehen in der
genetischen Routinediagnostik zur Verfügung. Neben der Diagnosestützung, Nachweis
einer hereditären Disposition, Möglichkeiten diagnostischer und prädiktiver
Testungen in den Familien sowie pränataler Diagnostik gewinnt die Detektion von
pathogenen Sequenzveränderungen auch im therapeutischen Ansatz immer größere
Bedeutung, z. B. Vermeidung wachstumsfördernder Medikamente beim Proteus-Syndrom
([Biesecker 2018]).
Tab. 3
Genveränderungen vaskulärer Läsionen.
|
Vaskuläre Läsion
|
Assoziierte Genveränderungen
|
|
Kapillare Malformation
|
GNAQ, RASA1, ENG, ACVR1
|
|
Lymphatische Malformationen
|
FLT4/VEGRFR3, VEGFC, GJCl2, FOXC2, SOX18, GATA2, CCBE1, KIF11,
PTEN14
|
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Venöse Malformationen
|
TIE2 somatic, TIE2, Glomulin KRIT1, Malcavermin, PDCD10
|
|
Arteriovenöse Malformationen
|
ENG, ACVRL1, SMADA4, RASA1
|
|
Syndromassoziierte venöse Malformationen
|
RASA1, GNAQ, PIK3CA, PTEN, STAMBP, AKT1,
|
Von besonderer Relevanz ist die Differenzierung in somatische und Keimbahnspezifische
Sequenzveränderungen. Keimbahnmutationen sind mit einer hereditären familiären
Disposition verbunden. Ihr Nachweis sollte eine weitere genetische Diagnostik bei
weiteren Familienangehörigen nach sich ziehen. Somatische Genveränderungen z. B. das
CAMTA1-Rearrangement beim epitheloiden Hämangioendotheliom, entstehen postzygotisch
in den aberranten Zellen und sind im histopathologischen Kontext in der
Differentialdiagnostik der Läsion von großer Bedeutung. Sie werden nicht vererbt.
Ein Hinweis auf eine Keimbahnveränderung ergibt sich dann, wenn im untersuchten
Tumorgewebe bei einer autosomal dominanten Disposition biallelische Veränderungen
(beide Genkopien zeigen Mutationen) gefunden werden. Es ist dann von einer
heterozygoten Keimbahnveränderung und einer zusätzlichen somatischen Mutation
auszugehen, welche einer nachfolgenden humangenetischen Analyse bedürfen z. B.
mittels einer Blutprobe des Patienten. Aber auch Mosaike auf molekularer Ebene sind
bekannt, deren Nachweis nur bei klinisch begründetem Verdacht zur Diagnosesicherung
sinnvoll ist, z. B. Proteus – Syndrom (OMIM 176920) mit AKT1- Mutationen
(postzygotisches Mosaik).
Die klinische Variabilität von Keimbahnmutationen ergibt sich aus der Penetranz (=
ob
ein bestimmtes Merkmal vorhanden ist) und variablen Expressivität (= in welchem
Ausmaß dieses Merkmal vorhanden ist) der Gene sowie dem Einfluss assoziierter
Veränderungen ([
Abb. 6
]).
Abb. 6 Genetische Architektur. Relevante Einflüsse bezüglich Penetranz
und Expressivität auf die genetische Architektur somatischer Mutationen und
Keimbahnmutationen.
Genetisch bedingte komplexe vaskuläre Anomalien mit assoziierten Veränderungen
stellen eine besondere Gruppe der vaskulären Läsionen dar. Diese Erkrankungen können
mit anderen benignen oder malignen Tumoren z. B. Adenomen der Nebenschilddrüse,
Skelett- und Augenveränderungen assoziiert sein. Bei diesen Anomalien sind neben dem
Nachweis von Mutationen in der konstitutiven DNA auch somatische Mosaike
beschrieben. Zur Diagnose führt die spezifische Kombination der klinischen
Symptomatik und die Familienanamnese.
Zusammenfassung
Vaskuläre Läsionen stellen auch im Skelett ein komplexes Spektrum dar.
Fortschreitende molekulare Erkenntnisse haben gegenwärtig eine binäre Klassifikation
ermöglicht, in der strukturelle Malformationen proliferativen Tumoren
gegenübergestellt werden. Die Patienten sollten sowohl diagnostisch als auch
therapeutisch in spezialisierten interdisziplinären Zentren betreut werden. Bei
Hinweisen auf eine mögliche hereditäre Disposition (klinische Symptomatik,
gewebsspezifische histopathologische und molekular-pathologische Befunde oder die
Familiengeschichte) sollte immer die Möglichkeit einer genetischen Abklärung im
Rahmen einer humangenetischen Beratung erwogen werden.