Z Gastroenterol 2019; 57(03): 291-292
DOI: 10.1055/a-0853-6287
Historisches
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Friedrich Theodor Frerichs – Begründer der modernen Hepatologie – 200. Geburtstag

Harro Jenss
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Publication Date:
12 March 2019 (online)

In seinen „Beiträgen zur physiologischen und pathologischen Chemie der Galle“ plädierte der 26-jährige Friedrich Theodor Frerichs bereits 1845 für einen Paradigmenwechsel in der Medizin: „Es hat sich in neuerer Zeit in den medicinischen Wissenschaften ein reges Treiben und Gähren kund gethan, in welchem der unbefangene Beobachter, mag er die einzelnen Erscheinungen deuten wie er wolle, doch ein Ringen nach befriedigeren Grundlagen der Wissenschaft anerkennen muss, ein Bestreben, an die Stelle unklarer Begriffe sichere, auf die Resultate der anatomischen Untersuchung und exacter chemischer und physiologischer Experimente gestützte Sätze zu gewinnen“ [1]. Aus der bisher spekulativen Medizin sollte eine angewandte, praktische Wissenschaft werden, fundiert durch die experimentelle Methodik der Naturwissenschaften [2] [3] [4]. Nicht mehr allein die Phänomenologie der Krankheiten und deren Deskription standen im Zentrum medizinischer Forschung. Neben die Beobachtung am Krankenbett musste nach Frerichs Überzeugung die Analyse des Krankheitsprozesses mit den Methoden der Physik, der Chemie, der Histopathologie, der Physiologie und Biochemie sowie der experimentellen Pathologie treten. Durch seine Krankheitslehre sowie sein wissenschaftliches Denken und Arbeiten trug er wesentlich zur Neuorientierung der klinischen Medizin – repräsentiert durch die „Berliner Schule“ – bei. In diesem Kontext gilt Frerichs als „geistiger Urheber und Wegbereiter des Fachgebietes Gastroenterologie, Hepatologie und Stoffwechselpathologie, das Ismar Boas 1886 in Berlin begründete [5]. Frerichs selbst beschwor trotz der Würdigung der Erfolge durch die Arbeitsteilung und den Ausbau der Einzelfächer die Einheit der Inneren Medizin [6]. Er gehörte neben Ernst von Leyden 1882 zu den Mitbegründern der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, war deren erster Vorsitzender und Präsident der ersten drei Kongresse [7].

 
  • Literatur

  • 1 Frerichs FT. Beiträge zur physiologischen und pathologischen Chemie der Galle, mit besonderer Berücksichtigung der Leberkrankheiten. Hann Ann ges Heilk 1845; NF 5: 30-48 und 131–196, hier 30
  • 2 Naunyn B. Gedanken und Erinnerungen. München: J. F. Bergmann Verlag; 1925: 82-163, hier 125–126
  • 3 von Leyden E, Lohde-Boetticher C. (Hg) Lebenserinnerungen. Stuttgart/Leipzig: Deutsche Verlagsanstalt; 1910: 271
  • 4 Hansen W. Naturwissenschaft statt Naturphilosophie. Friedrich Theodor Frerichs und die Entstehung der Schulmedizin im 19. Jahrhundert. Dtsch med Wochenschr 2016; 141: 1871-1874
  • 5 Riecken EO. 70 Jahre Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. 39. Tagung, Berlin 1984. Z Gastroenterol 1985; 23: 1-5
  • 6 Frerichs FT. Eröffnungsrede, Erster Congress für Innere Medizin 1882. In: Lasch HG, Schlegel B. (Hg) Hundert Jahre Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin. Die Kongreß-Eröffnungsansprachen der Vorsitzenden 1882–1982. München: J. F. Bergmann Verlag; 1982: 3-7
  • 7 Gericke D, Classen M. Zur Gründung des „Congresses für Innere Medicin“. Eine Leyden’s Geschichte. In: Classen M. (Hg) Internisten und Innere Medizin im 20. Jahrhundert. München, Wien, Baltimore: Urban & Schwarzenberg; 1994: 1-12
  • 8 Frerichs FT. Klinik der Leberkrankheiten, 2 Bände. Erster Band, Braunschweig: Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1858; 2. verb. Aufl. des Ersten Bandes und Zweiter Band, Braunschweig 1861.
  • 9 Mani N. Die historischen Grundlagen der Leberforschung, II. Teil. Basler Veröffentlichungen zur Geschichte der Medizin und Biologie, Fasc. XXI. Basel, Stuttgart: Schwabe und Co; 1967: 371-390
  • 10 Mey KG. Friedrich Theodor Frerichs’ „Die Klinik der Leberkrankheiten“. Dissertation Bonn: 1978
  • 11 Gerhardt C. Eröffnungsansprache, Vierter Congress für Innere Medizin 1885. In: Lasch HG, Schlegel B. (Hg) Hundert Jahre Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin. Die Kongreß-Eröffnungsansprachen der Vorsitzenden 1882–1982. München: J. F. Bergmann Verlag; 1982: 23-27
  • 12 Ewald CA, von Friedrich FT. Allgemeine Deutsche Biografie (ADB) Band 21. Leipzig: Duncker & Humblot; 1885: 782-790
  • 13 Pagel JL. Biografisches Lexikon Hervorragender Ärzte des 19. Jahrhunderts. Berlin/Wien: Urban & Schwarzenberg; 1901. Reprint der Originalausgabe von 1901, Germering/München, Basel: S. Karger 1989, 543
  • 14 Kurz H. Friedrich Theodor Frerichs: sein Leben und seine Werke, Düsseldorfer Arbeiten zur Geschichte der Medizin Band 7. Düsseldorf: Verlag G.H. Nolte; 1938
  • 15 Berndt H. Zur 100. Wiederkehr des Todestages von Friedrich Theodor Frerichs. Ztschr ärztl Fortbild 1985; 79: 853-856
  • 16 Franken FH. Friedrich Theodor Frerichs (1819–1885). Leben und hepatologisches Werk. Freiburg: Falk Foundation; 1994
  • 17 Classen M, Franken FH, Gericke D. Friedrich Theodor Frerichs in Berlin. Dtsch med Wochenschr 1995; 120: 1334-1337
  • 18 Kohse H. Die Kliniker Griesinger und Frerichs während ihrer Kieler Zeit 1849–1852. Dissertation Kiel: 1969
  • 19 Wolf G. Friedrich Theodor Frerichs (1819–1885) and Bright’s disease. Am J Nephrol 2002; 22: 596-602