Egal wie sehr wir uns bemühen, wie gut wir kommunizieren und führen, Konflikte wird
es immer mal wieder geben. Das ist auch völlig in Ordnung, treffen in einem Team doch
die unterschiedlichsten Charaktere aufeinander, die sich in ihrer Freizeit vielleicht
nie begegnet wären. Klar, als Chef wählen wir die Mitarbeiter aus, die im Idealfall
gut zu uns, zum Team und zur geforderten Aufgabe passen. Reibung lässt sich aber nicht
immer vermeiden und erzeugt eben nicht nur Wärme, sondern manchmal auch ein fieses
knirschendes Geräusch.
Als führender Teamleiter oder Praxisinhaber ist es unsere Aufgabe, auf gesunde, faire
und konstruktive Weise diese Misstöne wieder in einen harmonischen Gleichklang zu
bringen. Viele Praxisinhaber berichten mir, dass es genau diese Kritikgespräche sind,
die sie fürchten oder die ihnen Bauchschmerzen verursachen.
Hingucken statt den Kopf in den Sand stecken
Keiner will sich gern unbeliebt machen, und oft wird mit der Methode „Wenn ich das
Problem nicht sehe, existiert es nicht“ versucht, diese Klippen der gesunden Führung
zu umschiffen oder zu vermeiden. Das kann ich verstehen. Sich den unangenehmen Aufgaben
zu stellen ist wohl so ziemlich das Schwierigste, dem wir uns bei der Entwicklung
der Führungspersönlichkeit stellen dürfen.
Für alle, denen das Thema Stress macht: Der Begriff „Kritik“ hat die gleichen griechischen
Wurzeln, die auch dem Wort „Würdigung“ zugrunde liegen. Jemanden zu würdigen heißt,
ihn zu sehen, wahrzunehmen und anzuerkennen. Aus dieser Haltung heraus können sie
sich dem Thema Kritik sicher leichter nähern. Schreiben Sie mir gern Ihre Erfahrungen!
Da ist die neue Mitarbeiterin, die sich unangemessen privat äußert, ein Kollege, der
öfter nach Schweiß müffelt, oder die Bürokraft, die Dienst nach Vorschrift erledigt,
jedoch jegliches Engagement vermissen lässt. Sicherlich müssen wir nicht bei der kleinsten
Gelegenheit das große Geschütz des Mitarbeitergesprächs auffahren. Grundsätzlichere
Themen lassen sich aufs Jahresgespräch verschieben, anderes kann man auf dem „kleinen
Dienstweg“ zwischendurch ansprechen. Aber wenn die anderen Mitarbeiter zu tuscheln
beginnen oder Sie selbst intern grummeln, ist der Zeitpunkt gekommen, sich des Themas
anzunehmen.
Damit Sie zukünftig ein solches Kritikgespräch leichter und effizienter führen können,
habe ich ein paar wichtige Tipps für Sie.
Der richtige Zeitpunkt
Ein unangenehmes Gespräch auf die lange Bank zu schieben ist zwar nachvollziehbar,
verschlimmert das Problem jedoch nur unnötig.
Vielleicht kennen Sie das Phänomen mit dem eigenen Fokus. Haben Sie ihn – bewusst
oder unbewusst – auf ein bestimmtes Thema wie etwa auf den Müffelgeruch des Kollegen
gerichtet, wird Ihr Gehirn alles dafür tun, dass Sie dies auch deutlich wahrnehmen.
Verschieben Sie die Klärung solcher Konflikte, kann dies dazu führen, dass Sie auf
der Kreidetafel in Ihrem Hinterkopf ständig notieren, „was XY nun schon wieder gemacht
hat“. So wird es mit jedem Tag unangenehmer, das Thema anzupacken. Außerdem werden
Sie selbst womöglich wütend, ärgerlich und frustriert, sodass Sie nicht mehr gut und
fair agieren können.
Wenn Sie zu aufgebracht sind, um sich klar und fair zu verhalten, führen Sie sich
erst einmal selbst wieder in einen ressourcenreichen Zustand. Wer emotional beleidigend,
wütend oder ängstlich ist, verliert jedwede Führungskompetenz und verhindert die Chancen
auf konstruktive Veränderungen. Damit werden nur innere Kündigungen der Mitarbeiter
beschleunigt. Der Mitarbeiter hingegen weiß unter Umständen gar nichts von Ihrem Ärger
und kann sein Verhalten nicht verändern.
Auch arbeitsrechtlich ist es entscheidend, gravierendes Fehlverhalten nicht zu ignorieren.
Wenn der Arbeitgeber innerhalb von 14 Tagen nach Kenntnisnahme des Fehlverhaltens
nicht auf eine adäquate Weise reagiert hat, etwa mit Kritikgespräch oder Abmahnung,
kann es schwierig sein, dies im Nachhinein rechtlich sauber zu begründen. Ein Arbeitsgericht
kann dann davon ausgehen, dass es ja so schlimm nicht gewesen sein könne.
In einem Fall von gravierendem Fehlverhalten kontaktieren Sie unbedingt frühzeitig
einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, um selbst keinen Fehler zu begehen.
Das richtige Setting
Wählen Sie den Zeitpunkt des Gesprächs sorgfältig. Es ist ungünstig, wenn Sie beide
unter Zeitdruck stehen oder es gerade im Laden brennt. Das macht nicht nur den Mitarbeiter
hektisch, sondern auch Sie. Die Situation wird doppelt schwierig, wenn beim Versuch,
ein heikles Thema zu klären, auch noch schlechte Rahmenbedingungen hinzukommen.
Der Begriff „Kritik“ hat die gleichen griechischen Wurzeln wie das Wort „Würdigung“.
Meistens ist es richtig, das Gespräch unter vier Augen zu führen. Auch bei Konflikten
zwischen zwei Mitarbeitern ist das erste Gespräch jeder einzelnen Partei zuerst mit
Ihnen allein.
Je nachdem, welche Wirkung Sie erzielen wollen, können Sie die Sitzposition anpassen.
Ein freundliches Veränderungsgespräch führen Sie lieber über Eck sitzend als konfrontativ
hinter Ihrem Schreibtisch. Kaffee, Tee oder ein Wasser bieten etwas Entspannung und
die Möglichkeit, seine Hände bei zu großer Nervosität zu beschäftigen. Taschentücher
in erreichbarer Nähe sind immer sinnvoll. Besser, diese nicht zu benötigen, als mit
möglichen tränenreichen Affekten konfrontiert zu sein und dann den Raum verlassen
zu müssen.
Eine gute Vorbereitung bringt Klarheit
Vor einem solchen Mitarbeitergespräch sollten Sie sich über ein paar Dinge klarwerden
und diese auch notieren: Um was genau geht es Ihnen? Was haben Sie konkret beobachtet
und was ist daran für Sie nicht in Ordnung?
Vermeiden Sie Generalisierungen wie „immer“, „alle“ etc. Das ist selten wahr und bringt
Sie nur in den Machtkampf. Natürlich muss ein Mensch, dem ein „Immer“ vorgeworfen
wird, entgegnen: „Stimmt gar nicht!“ Das ist nicht zielführend. Sortieren Sie Ihre
Wahrnehmung und konkretisieren Sie das Fehlverhalten.
Was ist das Ziel des Gesprächs? Definieren Sie, was mit dem Gespräch erreicht werden
soll und welche Schritte Sie bis wann erwarten. Wenn Sie dies als schriftliche Gesprächsvorbereitung
an Bord haben, hilft es Ihnen, sich zu sortieren, beim Thema zu bleiben und nichts
Wichtiges zu vergessen. Und es zeigt, dass Ihnen das Gespräch und der Mitarbeiter
wichtig sind, Sie sich Gedanken gemacht haben und nicht einfach spontan agieren. Sie
können Ihre Vorlage auch dazu nutzen, während des Gesprächs die Struktur zu behalten
und wichtige Vereinbarungen darauf zu protokollieren.
Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht sollten Sie daran denken, dieses Protokoll zu datieren
und zum Abschluss dem Mitarbeiter zum Lesen zu geben. Für ihn ist es wichtig, sich
zu vergewissern, dass dort nichts steht, was Sie nicht besprochen und vereinbart haben.
Das schafft Transparenz und Klarheit für das weitere Vorgehen und die Erfüllung der
Vereinbarungen. Anschließend sollten Sie beide das Protokoll unterschreiben. Es dient
dann als Nachweis, dass das Gespräch stattgefunden hat.
Fair bleiben
Lassen Sie den Mitarbeiter in einem Konfliktgespräch nicht zappeln. Es ist unangemessen
für eine gute Führungskraft, sich der Unsicherheit des Gegenübers nicht bewusst zu
sein und nicht Ruhe und Klarheit in die Situation zu bringen. Lassen Sie Ihren Mitarbeiter
die Situation aufnehmen und hören Sie ihm zu. Womöglich gibt es für ein bestimmtes
Verhalten gute Gründe, zum Beispiel ein Missverständnis in der Aufgabenverteilung.
Vielleicht muss er im Augenblick Medikamente einnehmen, die ein vermehrtes Schwitzen
bewirken. Nur wenn Sie ihm zuhören, können Sie gemeinsam eine gute Lösung für alle
Beteiligten finden.
Zeigen Sie, dass Sie Ihr Gegenüber trotz des Fehlverhaltens schätzen und um eine schnelle
und faire Lösung bemüht sind.
Packen Sie ein kritisches Thema an, bevor es zu spät ist und Sie nicht mehr fair agieren
können.
Klartext sprechen
Verklausulierte Andeutungen werden den Mitarbeiter vermutlich nicht dazu bringen,
sein Verhalten in Ihrem Sinne zu ändern, genauso wenig wie Seufzen, Augenbrauen zusammenziehen
oder spitze Bemerkungen. Dem müffelnden Mitarbeiter ein Deo zu schenken ist beleidigend,
und unter Umständen hat derjenige ja gar kein Bewusstsein für seinen Mief, freut sich
höflich und benutzt es nie.
Deutlich sinnvoller ist es, auch unangenehme Themen so zu benennen, wie sie nun mal
sind, ohne dabei beleidigend zu sein. Anstatt dem Gegenüber „Du stinkst!“ vorzuwerfen,
ist es durchaus in Ordnung, höflich auf den Geruch hinzuweisen und um regelmäßiges
Duschen und Deo-Gebrauch zu bitten. Aber sagen Sie dies bitte unter vier Augen.
Konkrete Vereinbarungen treffen
Treffen Sie genaue Vereinbarungen, was sich wie bis wann geändert haben soll. Unter
Umständen braucht es dazu Zwischenschritte, zum Beispiel das Einholen von fehlenden
Informationen. Vereinbaren Sie auch diese Zwischenziele und legen Sie fest, wer was
und bis wann zu erledigen hat. Manches lässt sich mit einem einzigen Gespräch endgültig
klären. Es kann jedoch auch sein, dass mehrere Zwischenschritte nötig sind, bis zum
Beispiel die Bürokraft den ganzen Umfang der Tätigkeiten zuverlässig erfüllt. Da ist
es sinnvoll, schon beim ersten Gespräch einen Termin zu vereinbaren, bei dem Sie sich
der verbleibenden Themen annehmen wollen.
Sie dürfen sich auch mal unbeliebt machen
Wenn Sie das Konfliktgespräch so geplant, strukturiert durchgeführt und dokumentiert
haben, sind Sie auch bei eventuellen arbeitsrechtlichen Schritten auf der sicheren
Seite. Für Ihre Mitarbeiter ist dann ersichtlich, dass Sie eine gewissenhafte Führungskraft
sind, die verlässlich und fair mit Konflikten umgehen kann und bemüht ist, gute Lösungen
zu finden.
Trotz allem Wunsch nach einem tollen Team ist es eben manchmal auch notwendig, sich
aus Liebe zum eigenen Unternehmen und zum restlichen Team kurzfristig unbeliebt zu
machen. Dies ist jedoch – wenn wir fair, strukturiert und mit klaren Vereinbarungen
arbeiten – nur vorübergehend, zeigen wir doch so ganz genau, dass wir uns und unsere
Führungsaufgabe im Griff haben.