Pneumologie 2019; 73(08): 465-469
DOI: 10.1055/a-0859-4643
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die nächtliche Atemfrequenz bei COPD-Patienten unterschiedlicher GOLD-Schweregrade mit/ohne Nikotinkonsum: Berechnet mittels Atemgeräuschanalyse

The Nocturnal Respiratory Rate in COPD Patients of Varying GOLD Severity with/without Nicotine Consumption: Calculation by Means of Breath Sound Analysis
F. Schudt
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
V. Gross
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
K. Sohrabi
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
P. Fischer
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
S. Hofmann
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
C. Noeh
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
O. Hildebrandt
2   Klinik für Innere Medizin, SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Philipps-Universität, Marburg
,
U. Koehler
2   Klinik für Innere Medizin, SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Philipps-Universität, Marburg
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Florian Schudt
Fachbereich Gesundheit
Technische Hochschule Mittelhessen
Wiesenstraße 14
35390 Gießen

Publication History

eingereicht 13 October 2018

akzeptiert nach Revision 14 February 2019

Publication Date:
20 March 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Die Atemfrequenz ist ein wichtiger Risikomarker, mit dessen Hilfe kritisch kranke und gefährdete Patienten im klinischen Alltag frühzeitig erkannt werden können. Ziel dieser Pilotstudie an 31 Patienten der COPD-Schweregrade II – IV war es, die mittlere nächtliche Atemfrequenz anhand von Atemgeräuschaufnahmen zu bestimmen und die Abhängigkeit der Atemfrequenz von COPD-Schweregrad und Raucherstatus zu untersuchen. Die mittlere Atemfrequenz (AF) des Gesamtkollektivs betrug 19/min. Bei den COPD-GOLD-Schweregraden konnten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der mittleren Atemfrequenz ermittelt werden. Unter Berücksichtigung des Nikotinkonsums zeigte sich bei den aktiven Rauchern eine signifikant höhere mittlere AF von 20,84 ± 4,45/min im Vergleich zu den Nichtrauchern mit 17,41 ± 3,14/min (p < 0,05). Zudem gehörten aktive Raucher in der Studie signifikant häufiger zur Gruppe der Patienten mit nächtlichem Wheezing (60 % vs. 23,8 %). Dies könnte dafür sprechen, dass Raucher eine erhöhte Atemarbeit mit erhöhter Atemfrequenz zur Kompensation des Sauerstoffmangels bei bronchialer Obstruktion leisten müssen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass mit der akustischen Aufzeichnung der Atemgeräusche eine verlässliche Darstellung und Berechnung der Atemfrequenz möglich ist.


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Abstract

Respiratory rate is an important risk marker and enables early detection of critically ill and vulnerable patients in clinical routine. The aim of this pilot study with 31 patients (COPD severity levels II – IV) was to determine the mean nocturnal respiratory rate based on breath sound recordings and to investigate the dependence of respiratory rate on COPD severity level and smoker status. The mean respiratory rate of the total collective was 19/min. For the COPD-GOLD severity levels, no significant differences in mean respiratory rate could be observed. When nicotine consumption is taken into account, active smokers showed a significantly higher mean respiratory rate of 20.84 ± 4.45/min compared to non-smokers with 17.41 ± 3.14/min (p < 0.05). In addition, active smokers in the study were significantly more frequent among patients with night-time wheezing (60 % vs. 23.8 %). This might suggest that smokers need to perform increased breathing work with increased breathing rate to compensate for oxygen deficiency in bronchial obstruction. The results of the present study show that with the acoustic recording of breath sounds, a reliable representation and calculation of the breath frequency is possible.


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Einleitung

Die Atemfrequenz ist das pulmonale Vitalzeichen. Der Normbereich für die Atemfrequenz für Erwachsene liegt zwischen 12 und 20/min. Faktoren wie Alter, Körpertemperatur und vegetatives Nervensystem nehmen Einfluss auf die Atemfrequenz [1]. Untersuchungen verschiedener ethnischer Bevölkerungsgruppen zeigten darüber hinaus auch einen genetischen Einfluss auf die Atemfrequenz [2]. Definierte Referenzbereiche unter Berücksichtigung dieser Faktoren gibt es bislang nicht. Die Atemfrequenz ist ein wichtiger Risikomarker, mit dessen Hilfe kritisch kranke und gefährdete Patienten im klinischen Alltag frühzeitig erkannt werden können [1] [3] [4]. Methodisch kann die Atemfrequenz über eine Registrierung der Impedanzänderung des Brustkorbs bei der In- und Exspiration (Impedanzplethysmografie) oder aber über eine akustische Langzeitregistrierung und Analyse des Atemgeräuschzyklus erfolgen [5] [6] [7]. Ziel dieser Pilotstudie ist es, die mittlere nächtliche Atemfrequenz anhand von Atemgeräuschaufnahmen zu berechnen und die Abhängigkeit der Atemfrequenz von COPD-Schweregrad und Raucherstatus zu untersuchen.


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Methode

Patienten

Das Gesamtkollektiv setzt sich aus 31 Patienten mit stabiler COPD unterschiedlichen Schweregrades GOLD II – IV zusammen. Bez. der Datenerhebung und -analyse sei auf den Artikel von Krönig et al. verwiesen, bei der nächtliche Atem- und Atemnebengeräusche von 48 Patienten mit stabiler COPD GOLD II – IV aufgezeichnet und unter dem Aspekt der Objektivierung von Husten und Wheezing analysiert wurden [8]. Für die originäre Studie liegt ein Ethikvotum (Ethikvotum Az. 143/15, Ethikkommission Fachbereich Medizin) vor.


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Messmethode

Bei allen Patienten erfolgte eine Lungenfunktionsprüfung mit Blutgasanalytik. Die Atemfrequenzbestimmung erfolgte mittels einer nächtlichen Langzeitregistrierung der Atem- und Atemnebengeräusche über eine Dauer von etwa 10 h (22.00 – 08.00 Uhr). Die Daten wurden mithilfe des Monitors LEOSound der Firma Löwenstein Medical GmbH & Co.KG (Bad Ems) aufgezeichnet. Bei diesem Geräuschrekorder handelt es sich um ein zertifiziertes Medizinprodukt der Risikoklasse I. Zwei schallgekoppelte Oberflächenmikrofone, welche die Atemgeräusche aufzeichnen, werden auf dem Rücken des Patienten auf Höhe der basalen Lungenanteile befestigt. Das dritte Mikrofon, welches das tracheale Atemgeräusch erfasst, wird seitlich an der Trachea fixiert.

Die Atemfrequenz wurde anhand des Spektrums des trachealen Atemgeräuschsignals durch 2 Experten mittels einer audiovisuellen Feinanalyse bestimmt. Die Feinanalyse der Atemfrequenz erfolgte für 3 Nachtstunden, wobei jeweils eine Stunde zufällig aus dem ersten, zweiten und dritten Nachtdrittel entnommen wurde, um die Atemfrequenz während möglichst unterschiedlicher Schlafphasen zu untersuchen. Mithilfe eines speziellen Bewertungsprogramms wurde die Anzahl der Atemzüge innerhalb von 30-Sekunden-Segmenten (Epochen genannt) visuell bestimmt und im Programm hinterlegt. Die Unterteilung in 30-Sekunden-Epochen wird vom LungenSound-Rekorder vorgegeben und orientiert sich an den in der Schlafmedizin üblichen Auswertungsprogrammen. Für jeden Patienten wurde die mittlere Atemfrequenz für die Messperiode berechnet (siehe [Abb. 1] und [Abb. 2]). Die Untersuchungen zum Wheezing erfolgten in vorangegangenen Studien ebenfalls mithilfe des Monitors LEOSound [8]. Aufgrund des identischen Patientenkollektivs werden die Ergebnisse in dieser Studie mitaufgeführt und betrachtet.

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Abb. 1 30-Sekunden-Abschnitt einer visuellen Darstellung des Atemgeräusches bei Normalatmung.
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Abb. 2 Übersicht der Atemfrequenz über die gesamte Aufzeichnungszeit, hier 22.00 – 08.00 Uhr.

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Ergebnisse

Kollektiv

Das mittlere Alter des Gesamtkollektivs beträgt 66 Jahre bei einem mittleren BMI von 26 kg/m2. 54 % der Patienten sind männlich, 10 Patienten zum Zeitpunkt der Untersuchung aktive Raucher. Die mittlere Atemfrequenz (AF) des Gesamtkollektivs beträgt 19/min. 11 Patienten weisen ein klinisch relevantes Wheezing mit mindestens einer Wheezingepisode > 5 Minuten auf. [Tab. 1] zeigt die anthropometrischen Daten der Patienten sowie die Ergebnisse von Lungenfunktion und akustischer Langzeitregistrierung für das Gesamtkollektiv und die Untergruppen mit den COPD-Schweregraden GOLD II – IV.

Tab. 1

Anthropometrische Daten und Ergebnisse der Untersuchungen für das Gesamtkollektiv sowie die unterschiedlichen COPD-Schweregrade II – IV.

Gesamtkollektiv

COPD-Grad

II

III

IV

(n = 31)

n = 10

n = 11

n = 10

Kollektivbeschreibung

MW ± SD

MW ± SD

MW ± SD

MW ± SD

Alter [Jahre]

66,13 ± 7,44

65,80 ± 7,58

67,55 ± 4,76

64,90 ± 9,87

Gewicht [kg]

74,56 ± 17,81

74,75 ± 17,38

79,91 ± 19,58

68,50 ± 15,91

Größe [m]

 1,69 ± 0,10

 1,67 ± 0,10

 1,72 ± 0,10

 1,69 ± 0,09

BMI [kg/m2]

25,94 ± 5,91

26,94 ± 6,80

26,91 ± 5,84

23,87 ± 5,05

Geschlecht männlich [%]

54,00 %

50,00 %

54,54 %

60,00 %

Aktive Raucher [%]

32,25 %

50,00 %

18,18 %

30,00 %

Lungenfunktion und Blutgase

FEV1 [% Sollwert]

44,61 ± 15,17

60,80 ± 7,27

43,82 ± 8,32

29,30 ± 9,24

FEV1/VC [%]

68,13 ± 17,99

81,70 ± 12,74

66,55 ± 10,77

56,30 ± 20,59

pO2

65,55 ± 5,98

69,34 ± 4,04

64,28 ± 4,34

63,04 ± 7,44

pCO2

38,82 ± 5,13

36,92 ± 6,18

39,97 ± 5,20

39,56 ± 3,65

HCO3

25,71 ± 2,87

24,59 ± 3,39

26,63 ± 3,12

25,90 ± 1,74

BE

 1,64 ± 2,26

 0,83 ± 2,72

 2,43 ± 2,37

 1,66 ± 1,40

pH-Wert

 7,44 ± 0,02

 7,44 ± 0,03

 7,44 ± 0,02

 7,43 ± 0,02

O2-Sättigung [%]

93,52 ± 1,49

94,52 ± 0,84

93,21 ± 1,02

92,83 ± 1,91

Nächtliche Respiration

Atemfrequenz [n/min]

18,52 ± 4,02

17,06 ± 3,38

18,47 ± 3,98

20,03 ± 4,48

Klinisch rel. Wheezing [%]

35,50 %

50,00 %

36,36 %

20,00 %

Der Test auf Gruppenunterschiede der unterschiedlichen COPD-GOLD-Schweregrade zeigte keine Signifikanz hinsichtlich der mittleren Atemfrequenz. Des Weiteren wurde das Kollektiv nach dem aktiven Raucherstatus differenziert und ein Test auf Gruppenunterschiede durchgeführt. Die aktiven Raucher hatten eine signifikant höhere mittlere AF (20,84 ± 4,45/min vs. 17,41 ± 3,14/min, p < 0,05), wie in [Abb. 3] dargestellt. Aktive Raucher gehören zudem signifikant häufiger zur Gruppe der Patienten mit nächtlichem Wheezing (60 % vs. 23,8 %). [Tab. 2] zeigt die anthropometrischen Daten und die Ergebnisse der Lungenfunktion für das Gesamtkollektiv und differenziert nach dem Raucherstatus.

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Abb. 3 Die Atemfrequenz in Abhängigkeit vom Nikotinkonsum.
Tab. 2

Gegenüberstellung der beiden Kollektive aktive/nicht aktive Raucher (10 vs. 21 Patienten). Die Atemfrequenz ist bei Rauchern signifikant höher, zudem weisen die Raucher nachts häufiger Wheezing auf.

aktive Raucher

Ja

Nein

(n = 10)

(n = 21)

Signifikanzniveau

Kollektivbeschreibung

MW ± SD

MW ± SD

Alter [Jahre]

63,90 ± 7,76466

67,19 ± 6,843

Gewicht [kg]

69,45 ± 17,3788

77,00 ± 17,05

Größe [m]

 1,65 ± 0,08355

 1,72 ± 0,094

BMI [kg/m2]

25,70 ± 6,90577

26,05 ± 5,218

Geschlecht männlich [%]

40,00 %

61,90 %

COPD II [%]

50,00 %

23,80 %

COPD III [%]

20,00 %

42,90 %

COPD IV [%]

30,00 %

33,30 %

Lungenfunktion und Blutgase

FEV1 [% Sollwert]

49,60 ± 12,9167

42,24 ± 15,23

FEV1/VC [%]

80,20 ± 15,8795

62,38 ± 15,48

pO2

64,87 ± 5,6317

65,90 ± 5,973

pCO2

39,90 ± 4,54291

38,28 ± 5,19

HCO3

26,60 ± 2,02237

25,26 ± 3,054

BE

 2,41 ± 1,51555

 1,26 ± 2,406

pH-Wert

 7,44 ± 0,02619

 7,44 ± 0,021

O2-Sättigung [%]

93,23 ± 1,72166

93,67 ± 1,29

Nächtliche Respiration

Atemfrequenz [n/min]

20,84 ± 4,45

17,41 ± 3,14

p < 0,05

Klinisch rel. Wheezing [%]

60,00 %

23,80 %

p < 0,05


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#

Diskussion

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass mit der akustischen Aufzeichnung der Atemgeräusche eine verlässliche Darstellung und Berechnung der Atemfrequenz möglich ist. Die gemittelte nächtliche Atemfrequenz unterscheidet sich zwischen den verschiedenen COPD-Stadien nicht signifikant, wenngleich eine Tendenz zu höheren Werten in Abhängigkeit des COPD-Schweregrades zu verzeichnen ist. Die Atemfrequenz bei COPD-Patienten mit versus ohne persistierendem Nikotinkonsum ist mit 21 bzw. 17 Atemzügen/min bei Rauchern signifikant höher.

Die Respiration und die Blutgashomöostase werden u. a. über die Atemfrequenz und das Atemzugvolumen geregelt. Idealerweise kann der Sauerstoffbedarf den unterschiedlichsten Stoffwechselbedingungen angepasst werden. So wird ein akuter Abfall des Sauerstoffpartialdrucks durch eine Erhöhung von Atemfrequenz und Atemzugvolumen kompensiert [8]. Eine pathologisch erhöhte oder erniedrigte Atemfrequenz stellt einen Prädiktor für schwergradige klinische kardiopulmonale und metabolische Ereignisse dar. Die prognostische Bedeutung der Atemfrequenz wurde in verschiedenen nationalen und internationalen Studien bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie, Lungenembolie, akutem Asthma bronchiale, Herzinsuffizienz, Sepsis und nach Lebertransplantation nachgewiesen [4] [10] [11]. Es gibt keine festen, altersadaptierten Vorgaben, in welchem Bereich die Atemfrequenz als physiologisch angesehen wird und ab welchen Werten von einem pathologischen Zustand gesprochen wird. Bei Erwachsenen liegt die physiologische Atemfrequenz zwischen 12 und 20 Atemzügen pro Minute. Gibson et al. definieren Atemzüge von mehr als 20 pro Minute als erhöhte Atemfrequenz und Atemzüge von weniger als 10 pro Minute als erniedrigte Atemfrequenz [12].

Methodisch kann die Atemfrequenz über eine Registrierung der Impedanzänderung des Brustkorbs bei der In- und Exspiration (Impedanzplethysmografie) oder aber über eine akustische Registrierung und Analyse des Atemgeräuschzyklus erfolgen. Mithilfe moderner Computertechnik sind mittlerweile kontinuierliche Atemgeräuschaufzeichnungen in hoher Qualität möglich geworden. Atemgeräusche und Atemnebengeräusche können mit akustischen Biosensoren über längere Zeiträume aufgezeichnet, automatisch bewertet und vom Untersucher audiovisuell überprüft werden [13].

In unserer Pilotstudie zeigt sich kein signifikanter Unterschied der gemittelten nächtlichen Atemfrequenz in Abhängigkeit des Schweregrades der COPD, eine Tendenz ist jedoch eindeutig erkennbar, sodass sich in einem größeren Patientenkollektiv vermutlich eine Signifikanz zeigen könnte. Die Aufteilung des Gesamtkollektivs in Patienten mit/ohne Nikotinkonsum zeigt einen interessanten Befund dahingehend, dass COPD-Patienten mit persistierendem Nikotinkonsum eine höhere Atemfrequenz und mehr nächtliches Wheezing aufweisen als COPD-Patienten, die nicht rauchen. Dies könnte dafür sprechen, dass bei Rauchern eine erhöhte Atemarbeit mit erhöhter Atemfrequenz zur Kompensation des Sauerstoffmangels bei bronchialer Obstruktion geleistet werden muss. Während Gesunde bei normaler Atmung nur einen minimalen Anteil der maximalen Atemmuskelkraft benötigen, müssen Patienten mit schwergradiger COPD zur Kompensation der Atmungsanstrengung ein Vielfaches der maximalen Inspirationskraft aufbringen [14]. Diese starke Überbeanspruchung der Atemmuskulatur führt gerade bei Lungenerkrankten zu einer raschen Erschöpfung. Um einer weiteren Atemmuskelerschöpfung vorzubeugen, erfolgt als Konsequenz eine Reduzierung der Inspirationsdrücke, einhergehend mit der Verminderung des Inspirationsvolumens durch das Atemzentrum. Um die verminderte Sauerstoffzufuhr zu kompensieren, erhöht sich zunächst die Atemfrequenz, welche bei fortschreitender Erschöpfung jedoch wieder abfällt [1]. Bei Patienten mit vorbestehender Lungen- und Muskelerkrankung oder einer Wirbelsäulendeformation kann es so schnell zu einer Überbeanspruchung bzw. Ermüdung der Atemmuskulatur als Folge eines erhöhten muskulären Energieverbrauchs kommen. Ein Krankheitsbild der COPD bildet den Phänotyp „Pink Puffer“ aus. Dies sind abgemagerte (kachektische) Patienten, die sich durch eine ausgeprägte Dyspnoe, ein Lungenemphysem mit typischem Fassthorax sowie eine deutlich erhöhte Atemarbeit kennzeichnen. Diese Patienten steigern ihre Ventilation enorm, um die Atemwegsobstruktion zu kompensieren.

Die Analyse der Atemfrequenz bei Patientenkollektiven mit respiratorischer Erkrankung unterschiedlicher Ätiologie und Ausprägung ist klinisch von großer Bedeutung. Dazu ist es notwendig, dass größere und klinisch vergleichbare Patientengruppen gebildet werden. In der hier vorliegenden Pilotstudie wurde die jeweilige Therapieart des COPD-Patienten nicht berücksichtigt. In weiteren Untersuchungen sollte untersucht werden, ob die Art der Therapie Einfluss auf die Atemfrequenz hat. Interessant ist sicherlich auch die Frage, ob persistierender Nikotinkonsum bei COPD-Patienten, wie in dieser Pilotstudie darstellbar, wirklich zu einer erhöhten Atemfrequenz und -arbeit im Schlaf führt. Die akustische Aufzeichnung der Atemgeräusche stellt eine sinnvolle Option zur Berechnung der Atemfrequenz dar. Dieses Verfahren ermöglicht zudem eine Aufnahme über einen längeren Zeitraum, sodass hierüber Veränderungen über den Tagesverlauf hinsichtlich der zirkadianen Rhythmik potenziell beobachtet und untersucht werden können. Erste eigene Vorarbeiten zur akustischen Bestimmung des Atemflusses zeigen langfristig ebenfalls Potenzial zur Bestimmung des Atemvolumens und somit zur Messung des Atemzeitvolumens. Aktuell sind hierfür jedoch individuelle Kalibrierungen notwendig.


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Interessenkonflikt

U. Koehler gibt an, Vortragshonorare und Studienunterstützungen von Löwenstein Medical, GSK, Sanofi und Boehringer Ingelheim, Novartis, Pohl-Boskamp erhalten zu haben.
F. Schudt, V. Gross, K. Sohrabi, P. Fischer, S. Hofmann, C. Noeh und O. Hildebrandt geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Koehler U, Hildebrandt O, Magnet FS. et al. Die Atemfrequenz – ein vernachlässigter Vitalparameter. Dtsch Med Wochenschr 2017; 142: 130-134
  • 2 Moore LG. Measuring high-altitude adaptation. J Appl Physiol 2017; 123: 1371-1385
  • 3 Hogan J. Why don’t nurses monitor the respiratory rates of patients?. Br J Nurs 2006; 15: 489-492
  • 4 Kenzaka T, Okayama M, Kuroki S. et al. Importance of vital signs to the early diagnosis and severity of sepsis. Association between vital signs and sequential organ failure assessment score in patients with sepsis. Intern Med 2012; 51: 871-876
  • 5 Voscopoulos C, Brayanov J, Ladd D. et al. Evaluation of a novel noninvasive respiration monitor providing continuous measurement of minute ventilation in ambulatory subjects in a variety of clinical scenarios. Anesth Analg 2013; 117: 91-100
  • 6 Schudt F, Gross V, Weissflog A. et al. Estimation of respiratory flow by means of normal lung sound. Stud Health Technol Inform 2014; 198: 232-237
  • 7 Atkins JH, Mandel JE. Performance of Masimo rainbow acoustic monitoring for tracking changing respiratory rates under laryngeal mask airway general anesthesia for surgical procedures in the operating room. A prospective observational study. Anesth Analg 2014; 119: 1307-1314
  • 8 Krönig J, Hildebrandt O, Weissflog A. et al. Long-term Recording of Night-Time Respiratory Symptoms in Patients with Stable COPD II – IV. COPD 2017; 14: 498-503
  • 9 Bösch D, Steffel J, Lüscher T. Lunge und Atemwege. Berlin, Heidelberg: Springer; 2014
  • 10 Strauß R, Ewig S, Richter K. et al. The prognostic significance of respiratory rate in patients with pneumonia. A retrospective analysis of data from 705,928 hospitalized patients in Germany from 2010 – 2012. Dtsch Ärztebl Int 2014; 111: 503-508 i-v
  • 11 Abisheganaden J, Ding YY, Chong WF. et al. Predicting mortality among older adults hospitalized for community-acquired pneumonia: an enhanced confusion, urea, respiratory rate and blood pressure score compared with pneumonia severity index. Respirology 2012; 17: 969-975
  • 12 Gibson V, Waters D. Respiratory care. Boca Raton: CRC Press; 2016
  • 13 Koehler U, Brandenburg U, Weissflog A. et al. LEOSound – Ein innovatives Verfahren zum akustischen Langzeit-Monitoring von asthmatischen Symptomen (Wheezing und Husten) bei Kindern und Erwachsenen. Pneumologie 2014; 68: 277-281
  • 14 Guerin C, Milic-Emili J, Fournier G. Effect of PEEP on work of breathing in mechanically ventilated COPD patients. Intensive Care Med 2000; 26: 1207-1214

Korrespondenzadresse

Florian Schudt
Fachbereich Gesundheit
Technische Hochschule Mittelhessen
Wiesenstraße 14
35390 Gießen

  • Literatur

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Abb. 1 30-Sekunden-Abschnitt einer visuellen Darstellung des Atemgeräusches bei Normalatmung.
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Abb. 2 Übersicht der Atemfrequenz über die gesamte Aufzeichnungszeit, hier 22.00 – 08.00 Uhr.
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Abb. 3 Die Atemfrequenz in Abhängigkeit vom Nikotinkonsum.