Aktuelle Dermatologie 2019; 45(05): 207-208
DOI: 10.1055/a-0862-8377
Histologisches Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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D. Krahl
1   Institut für DermatoHistoPathologie, Dres. Krahl & Partner, Heidelberg
,
T. Waldmann
2   Hautarztpraxis Kaiserslautern
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Dieter Krahl
Institut für DermatoHistoPathologie, Dres. Krahl & Partner
Mönchhofstr. 52
69120 Heidelberg

Publication History

Publication Date:
16 May 2019 (online)

 

Anamnese und klinischer Befund

57-jähriger Patient mit seit Monaten bekannter, inhomogen pigmentierter, kleinpapulöser Plaque am Schulterblatt unten rechts ([Abb. 1]), Durchmesser 5 cm, subjektiv phasenweise Juckreiz und Brennen. Klinische Verdachtsdiagnose: Lichen ruber planus.

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Abb. 1 Klinischer Befund: Pigmentierte Plaque mit diskret papulöser Note am Schulterblatt rechts.

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Histologie ([Abb. 2])

Lichenifizierte Epidermis mit verstreuten Epithelzellapoptosen (blauer Pfeil). Subepidermal Fibrose und Melanophagen (grüner Pfeil).

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Abb. 2 Histologischer Befund: Rückenhaut mit geringer Akanthose und Orthohyperkeratose. Intraepidermal vorwiegend basal verstreute Epithelzellapoptosen (blauer Pfeil). Subepidermal vergröbertes Kollagen und Melanophagen (grüner Pfeil).
FRAGEN
  • Wie lautet Ihre Diagnose?

  • Welche Differenzialdiagnosen erwägen Sie?


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Diagnose

Notalgia paraesthetica.


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Differenzialdiagnosen

Melanozytärer Naevus, Typ Naevus spilus.
Dermale Melanozytose, sog. Naevus Ito.
Plaqueförmige Mastozytose.
Fixes Exanthem mit postinflammatorischer Hyperpigmentierung.
Lokalisierter Lichen ruber planus.


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Kommentar

„Notalgia“ bedeutet wörtlich „Rückenschmerz“, und auch der Begriff „paraesthetica“ stellt den neurologischen Zusammenhang her. Die pigmentierten Hautveränderungen sind Sekundärphänome einer lokalisierten Neuropathie [1], führen die Patienten aber häufig primär in dermatologische Behandlung.
Der klassisch einseitig am Schulterblatt bis paravertebral lokalisierte Hautbefund besteht aus unterschiedlich ausgedehnter, flächiger, bräunlicher Verfärbung mit unscharfer Randbegrenzung, die auch zusätzliche Vergröberung der Textur in Form von Lichenifikation oder Papeln aufweisen kann [2].
Histologisch finden sich variabel Hypergranulose, Hyperkeratose, Apoptosen epidermaler Keratinozyten und eine sekundäre Pigmentverschiebung in das subepidermale fibrosierte Bindegewebe infolge chronischem Scheuertrauma [2].
Pathogenetisch liegt der Notalgia paraesthetica (NP) eine chronische Irritation bzw. Kompression von afferenten Hinterwurzeln der Zervikal- oder Thorakalnerven zwischen C4 und Th4 (z. B. bei ihrem Durchtritt durch den M. multifidus spinae, z. B. infolge Nucleus pulposus-Prolaps) zugrunde.
Die subjektive Symptomatik entspricht einer sensorischen Neuropathie mit Kombination von Missempfindungen, Juckreiz und brennendem Schmerz. Das betroffene Hautareal liegt meist außerhalb einfacher manueller Zugänglichkeit, sodass die exogene Irritation eher auf einem indirekten Scheuereffekt als auf direktem Reibetrauma beruht. Meist sind Patienten in mittlerem bis höherem Lebensalter mit chronisch episodischem Verlauf betroffen. Eine erhöhte Koinzidenz wird mit dem brachioradialen Pruritus – einer der verwandten Neuropathien – beschrieben, zu denen auch Meralgia und Cheiralgia paraesthetica zählen [1]. Gelegentlich finden sich auch analoge neuropathische Symptome ohne Hauterscheinungen (also etwa im Sinne eines Pruritus sine materia), sodass eine Überprüfung segmentaler neurologischer Befunde auch in diesen Fällen empfohlen wird.
Differenzialdiagnostisch [2] kommen u. a. melanozytäre Naevi, eine primär intraepidermale Hyperpigmentierung bei Mastozytose und eine postinflammatorische Pigmentverschiebung in das subepitheliale Bindegewebe wie bei fixem Exanthem oder Lichen ruber planus in Betracht. Eine fleckförmige Pigmentänderung, i. d. R. als Hypopigmentierung in Assoziation mit neurologischer Symptomatik (meist Hypästhesie), kann ferner bei der tuberkuloiden Lepra gefunden werden.
Therapeutisch haben sich für Notalgia paraesthetica – abgesehen von möglichen neurochirurgischen Eingriffen – physikalische Therapieansätze (elektrische Nerven-, Muskelstimulation, Muskeltraining) äußeren Lokaltherapeutica (Capsaicin) als deutlich überlegen erwiesen [2]. Neue vielversprechende Ergebnisse werden von der Cryolipolyse (als Nebeneffekt der Fettzellapoptose) berichtet. Diese noninvasive Therapie führt zusätzlich zu einer dauerhaften Reduktion der Hautnervendichte, die im Rahmen der Notalgia paraesthetica als erhöht beschrieben wurde [3].


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Shumway NK, Cole E, Fernandez KH. Neurocutaneous disease: neurocutaneous dysesthesias. J Am Acad Dermatol 2016; 74: 215-228
  • 2 Howard M, Sahhar L, Andrews F, Bergman R, Gin D. Notalgia paresthetica: a review for dermatologists. Int J Dermatol 2018; 57: 388-392
  • 3 Cohen PR. Notalgia paresthetica: a novel approach to treatment with cryolipolysis. Cureus 2017; 9: e1719

Korrespondenzadresse

Dr. med. Dieter Krahl
Institut für DermatoHistoPathologie, Dres. Krahl & Partner
Mönchhofstr. 52
69120 Heidelberg

  • Literatur

  • 1 Shumway NK, Cole E, Fernandez KH. Neurocutaneous disease: neurocutaneous dysesthesias. J Am Acad Dermatol 2016; 74: 215-228
  • 2 Howard M, Sahhar L, Andrews F, Bergman R, Gin D. Notalgia paresthetica: a review for dermatologists. Int J Dermatol 2018; 57: 388-392
  • 3 Cohen PR. Notalgia paresthetica: a novel approach to treatment with cryolipolysis. Cureus 2017; 9: e1719

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Abb. 1 Klinischer Befund: Pigmentierte Plaque mit diskret papulöser Note am Schulterblatt rechts.
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Abb. 2 Histologischer Befund: Rückenhaut mit geringer Akanthose und Orthohyperkeratose. Intraepidermal vorwiegend basal verstreute Epithelzellapoptosen (blauer Pfeil). Subepidermal vergröbertes Kollagen und Melanophagen (grüner Pfeil).