Pneumologie 2019; 73(08): 453-454
DOI: 10.1055/a-0869-2262
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Influenzaimpfstoff beeinflusst bakterielle Besiedlung des Nasopharynx

Rylance J. et al.
Two Randomized Trials of Effect of Live Attenuated Influenza Vaccine on Pneumococcal Colonization.

Am J Respir Crit Care Med 2019;
DOI: 10.1164/rccm.201811-2081LE.
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Publication History

Publication Date:
14 August 2019 (online)

 

Der Nasopharynx ist regelhaft mit Streptococcus pneumoniae besiedelt und dient somit als Reservoir für die Pathogenese von Atemwegsinfektionen. Influenzaviren greifen nach jüngsten Erkenntnissen in die Kolonisation ein und erhöhen das Risiko sekundärer Infektionen. Rylance und Team haben den Einfluss eines Nasensprays mit Influenzaimpfstoff auf die Dynamik der bakteriellen Besiedelung in zwei randomisierten Studien genauer untersucht.


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Die Autoren berichten über 2 randomisierte klinische Studien über den Zusammenhang zwischen der Verabreichung eines Influenza-Impfstoffes und der bakteriellen Besiedlung des Nasopharynx. Hintergrund war dabei die Wirkung eines Impfstoff-haltigen Nasensprays, das seit 2003 in den USA und seit 2013 in Großbritannien zugelassen ist und bei Kindern nach nasaler Applikation die Rate und Dichte der Kolonisation durch Streptococcus pneumoniae erhöht haben soll.

In ihren Studien variierten die Forscher nun die Reihenfolge der Exposition von Impfstoff-Nasenspray und Beimpfung mit Streptococcus pneumoniae. Geeignete Probanden sollten in beiden Untersuchungen die folgenden Kriterien erfüllen:

  • Gesund,

  • Nichtraucher,

  • Alter zwischen 18 und 50 Jahren,

  • Einverständnis zur Teilnahme.

In der 1. Studie erfolgte zunächst die Immunisierung mit dem Impfstoff-Nasenspray, 3 Tage später wurden die Probanden mit einem bestimmten Stamm von Pneumokokken geimpft. In der 2. Studie wählten die Autoren nun die umgekehrte Reihenfolge: Probanden wurden im Nasopharynx zunächst mit Pneumokokken beimpft, 3 Tage später erfolgte die Applikation des Impfstoff-Nasensprays zur Immunisierung. In jeder der beiden Studien differenzierten die Forscher zwischen einer Interventionsgruppe und einer Kontrollgruppe, die die gleiche Behandlung nur ohne Wirkstoff erhielt.

Als Bakterienstamm wählten sie Streptococcus pneumoniae Serotyp 6B strain BHN418. Der Nachweis einer positiven Kolonisation wurde zu festgelegten Zeitpunkten, am 2. und 29. Tag nach Intervention, mithilfe einer Bakterienkultur und zur Kontrolle mittels PCR nachgewiesen. Als primären klinischen Endpunkt wählten die Autoren in der Immunisierungs-Studie die Kolonisationsrate und in der Kolonisierungs-Studie die Fläche unter der Kurve der Dichte der bakteriellen Besiedlung zwischen dem 2. und dem 14. Tag nach Intervention.

Ergebnisse

Immunisierungs-Studie: 202 Teilnehmer erfüllten die Kriterien, 130 wurden geimpft, und die Daten von 117 gingen schließlich in die finale Auswertung mit ein. Die Interventionsgruppe umfasste dabei 55 und die Kontrollgruppe 62 Probanden. Sie waren durchschnittlich 20 Jahre alt mit einer Spannweite zwischen 18 und 48 Jahren, 58 % von ihnen weiblich.

Die Kolonisationsraten durch Pneumokokken waren für beide Gruppen vergleichbar, die Rate der Interventionsgruppe zeigte allerdings eine nicht signifikante positive Tendenz. Die mittlere Dauer bis zur nachweisbaren Kolonisation war ebenfalls vergleichbar. In der PCR-Analyse konnten die Forscher jedoch eine signifikant höhere Dichte der bakteriellen Besiedlung in der Interventionsgruppe nachweisen.

Kolonisations-Studie: 316 Teilnehmer erklärten sich mit der Teilnahme einverstanden, 206 wurden gescreent und 163 von ihnen nahmen schließlich an der Studie einschließlich finaler Analysen teil. 73 Probanden erhielten die Intervention, 90 nahmen in der Kontrollgruppe teil. Sie waren durchschnittlich 20 Jahre alt mit einer Spannweite zwischen 18 und 46 Jahren, 55 % von ihnen weiblich. Die Fläche unter der Kurve der Kolonisationsdichte war zu jedem Zeitpunkt in der Interventionsgruppe deutlich geringer, obgleich sich in der entsprechenden statistischen Berechnung keine Signifikanz ergab. In der konventionellen mikrobiologischen Kultur gab es keinen Unterschied hinsichtlich der Kolonisationsrate. In der PCR war die Rate der Interventionsgruppe allerdings signifikant geringer.

In keiner der beiden Studien kam es durch die Interventionen zu unerwünschten Nebenwirkungen. In ihrem Diskussionsteil bezeichnen die Forscher ihre Untersuchungen als die ersten Studien über den Einfluss einer Koinfektion mit abgeschwächtem Influenza-Lebendimpfstoff und bakteriellen Pathogenen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die PCR hinsichtlich Sensitivität der klassischen Bakterienkultur überlegen sei und dass die Reihenfolge der Infektion mit verschiedenen Pathogenen – hier mit dem Influenzavirus und mit Pneumokokken – über die Veränderung der bakteriellen Besiedlung des Nasopharynx das klinische Outcome einer Erkrankung beeinflussen würde.

Fazit

In diesen beiden kontrollierten randomisierten Studien mit erwachsenen gesunden Probanden hatte die Reihenfolge einer Koinfektion mit abgeschwächtem Lebendinfluenza-Impfstoff und Pneumokokken einen Einfluss auf die Kolonisationsrate der Pneumokokken und die Besiedelungsdichte. Die Autoren sehen daher in der Reihenfolge einen wichtigen Einflussfaktor auf das klinische Behandlungsergebnis einer Koinfektion.

Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover


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