Pneumologie 2019; 73(07): 389-390
DOI: 10.1055/a-0872-6510
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Risiko einer Krebserkrankung durch Einnahme von NDMA-kontaminiertem Valsartan

Pottegård A. et al.
Use of N-nitrosodimethylamine (NDMA) contaminated valsartan products and risk of cancer: Danish nationwide cohort study.

BMJ 2018;
362: k3851
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Publication Date:
10 July 2019 (online)

 

    N-nitrosodimethylamin (NDMA) fällt als Nebenprodukt in zahlreichen industriellen Produktionen an. So z. B. in der Herstellung von Pestiziden, Gummireifen oder künstlichen Farbstoffen. Eine hohe karzinogene Wirksamkeit bei Tieren ist bekannt und gut untersucht. Die vorliegende Studie versuchte nun, das Risiko von Krebserkrankungen durch mit NDMA kontaminierte Valsartan-Produkte in der dänischen Bevölkerung näher zu bestimmen.


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    Die im Juli 2018 entdeckte Kontamination liegt dabei weit über den zulässigen Höchstwerten für NDMA und scheint in Zusammenhang zu stehen mit den in 2012 erfolgten Änderungen im Produktionsprozess eines chinesischen Pharmaunternehmens. Obwohl es keine Untersuchungen bei Menschen gibt, wird NDMA in vitro ähnlich metabolisiert wie z. B. bei Nagetieren. Die IARC (International Agency for Research on Cancer) klassifiziert daher NDMA als wahrscheinlich karzinogen für Menschen.

    Pottegård et al. griffen nun zurück auf landesweite dänische Gesundheitsregister und führten in einem beschleunigten Verfahren eine Kohortenstudie durch mit der Frage einer Assoziation zwischen der Einnahme potenziell mit NDMA kontaminierter Valsartan-Produkte und dem Risiko der Entwicklung einer Krebserkrankung. Ziel war ferner die Quantifizierung der möglichen Konsequenzen durch mit NDMA kontaminierte Medikamente und die darüber zur Verfügung gestellte zeitnahe Information öffentlicher Körperschaften.

    Eingeschlossen wurden 5150 Personen älter als 40 Jahre ohne Anamnese bzgl. Krebserkrankungen und mit Einnahme von Valsartan zum 01. 01. 2012 oder neu begonnener Therapie ab 01. 01. 2012 – 30. 06. 2017. Die Teilnehmenden wurden beobachtet ab einem Jahr nach Studieneintritt bis entweder zum Auftreten einer Krebserkrankung, Tod, Wegzug oder dem Ende der Studienperiode (30. 06. 2018).

    Die individuelle Exposition gegenüber NDMA (jemals exponiert und vorgegebene Kategorien kumulativer Valsartan-Exposition) wurde abgebildet gegen eine zeitabhängige Variable unter Verwendung einer zeitlichen Verzögerung von einem Jahr.

    Bewertet wurde die Assoziation zwischen NDMA-Exposition und einem primären kombinierten Endpunkt bestehend aus allen Tumorarten außer Nicht-Melanom-Hautkrebs mittels Cox-Regression. In zusätzlichen Analysen wurde das Risiko individueller Malignome berechnet. Bei insgesamt 128 verschiedenen Valsartan-Präparaten, welche zwischen 2012 und 2017 innerhalb der Studienpopulation verordnet worden waren, ließen sich 18 Produkte (= 18 % der verordneten Präparate) zurückführen auf Inhaltsstoffe der betroffenen chinesischen Manufaktur. Diese wurden als wahrscheinlich mit NDMA kontaminiert klassifiziert. Weitere 36 Produkte (26 % aller Verschreibungen) wurden als möglicherweise mit NDMA kontaminiert klassifiziert, nachdem sie Inhaltsstoffe sowohl der betreffenden als auch anderer Firmen enthielten. 74 Produkte (55 % aller Verschreibungen) wurden klassifiziert als wahrscheinlich nicht kontaminiert mit NDMA. Berücksichtigt wurde u. a. auch die Einnahme anderer potenziell karzinogener Stoffe oder Komorbiditäten mit erhöhtem Risiko der Entwicklung eines Tumorleidens.

    Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 4,6 Jahre. Insgesamt wurden 3625 Teilnehmende als nicht gegenüber NDMA exponiert klassifiziert (7344 Personenjahre). 3450 Teilnehmende (11 920 Personenjahre) wurden unter jemals NDMA exponiert registriert. 104 Personen der nicht gegenüber NDMA exponierten Gruppe und 198 der je gegenüber NDMA exponierten Gruppe entwickelten im Beobachtungszeitraum eine Krebserkrankung. Die adjustierte Hazard Ratio (HR) betrug 1,09 (95 % Konfidenzintervall [KI] 0,85 – 1,41) ohne Nachweis einer Dosis-Response-Beziehung (p = 0,70). Bzgl. einzelner Entitäten wurde ein erhöhtes Risiko beobachtet für kolorektale Karzinome (HR 1,46; 95 % KI 0,79 – 2,73) und für Gebärmutterkrebs (1,81, 0,55 – 5,90).

    Ein längeres Follow-up und mehr Daten in den Subgruppen werden benötigt, um das Risiko für Krebserkrankungen in diesem Zusammenhang weiter abschätzen zu können.

    Fazit

    Die Ergebnisse lassen, so Pottegård et al., keinen Rückschluss zu auf eine merkliche Zunahme von Krebserkrankungen im kurzzeitigen Verlauf bei Einnahme von mit NDMA kontaminiertem Valsartan. Eine Ungewissheit gegenüber bestimmten Tumorarten bleibt allerdings und Studien mit einem längeren Nachbeobachtungszeitraum werden benötigt. Erstellt wurde ein proof-of-concept einer zeitnahen Durchführung und Veröffentlichung der Studie auch für zukünftige Krisensituationen im öffentlichen Gesundheitswesen.

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    Risiko für Krebserkrankungen durch N-nitrosodimethylamin kontaminierte Valsartan-Produkte? Das untersuchten Pottegård et al. in einer Kohortenstudie in Dänemark. Symbolbild; Bildnachweis: Joachim/Adobe Stock

    Dr. med. Birgit Gappa, Kochel


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    Risiko für Krebserkrankungen durch N-nitrosodimethylamin kontaminierte Valsartan-Produkte? Das untersuchten Pottegård et al. in einer Kohortenstudie in Dänemark. Symbolbild; Bildnachweis: Joachim/Adobe Stock