Pneumologie 2019; 73(08): 482-485
DOI: 10.1055/a-0889-1559
Historisches Kaleidoskop
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antoni van Leeuwenhoek (1632 – 1723) und die Lungenheilkunde

Genialer Entdecker des MikrokosmosAntoni van Leeuwenhoek and the Pulmonary MedicineA Brilliant Discoverer of the Microcosm
N. Koehler
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
A. Weissflog
2   Thora Tech GmbH, Clinical Research, Anwenderzentrum für Medizintechnik, Gießen
,
U. Koehler
3   Klinik Innere Medizin, SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Marburg
,
K. Sohrabi
1   Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Niklas Koehler
Fachbereich Gesundheit
Technische Hochschule Mittelhessen
Wiesenstraße 14
35390 Gießen

Publication History

eingereicht 07 March 2019

akzeptiert nach Revision 28 March 2019

Publication Date:
22 May 2019 (online)

 

Der diagnostische Weg der Medizin hat sich über Jahrhunderte hinweg von der Makro- zur Mikrostruktur des Lebens entwickelt. Die Sichtbarmachung und Entschlüsselung von Mikro- und Nanostrukturen von Organismen und deren Zellen ist in den letzten Jahrzehnten in atemberaubender Geschwindigkeit vorangeschritten. Wie lange aber ist es her, dass ein Mensch erstmals mit dem Auge nicht mehr erkennbare Mikroorganismen und Strukturen sichtbar machen konnte? Wer waren diejenigen, die die Entwicklung des Mikroskops maßgeblich beeinflusst haben? Für die Lungenheilkunde war die mikroskopische Entdeckung des Kapillarsystems durch Malpighi (1660) ein Meilenstein, zumal damit die Herz-Kreislauf-Theorie von Harvey vollendet wurde [1] [2] [3] [4]. Van Leeuwenhoek hat das Kapillarsystem mikroskopisch bestätigt und dabei erstmals Formveränderungen der roten Blutkörperchen während der Kapillarpassage wahrnehmen können [5]. Als Autodidakt der Mikroskopie hat er mit seinen Linsen „kleine Lebewesen“ erkannt, die zwei Jahrhunderte später als Infektionserreger identifiziert werden konnten [5] [6] [7]. Van Leeuwenhoek hat mit der Entdeckung der unsichtbaren Welt somit auch für die Lungenheilkunde und die Infektionslehre einen großen Beitrag geleistet.

Die mikroskopische Betrachtung vor und im 17. Jahrhundert

Der Mensch versucht seit der Antike Dinge sichtbar zu machen, die er mit bloßem Auge nicht erkennen kann [8] [9] [10]. Die Römer experimentierten mit verschiedenen Formen von Klarglas unterschiedlicher Dicke und Form. Sie entdeckten den Vergrößerungseffekt des Glases und nannten es Brenn- oder Vergrößerungsglas. Der Begriff „Linse“ stammt aus dem lateinischen „lens“, beschrieben nach der Form der Hülsenfrucht. Salvino D’Armate (ca. 1258 – 1312), ein Italiener, hat vermutlich die erste Brille in Form eines Vergrößerungselementes für ein Auge hergestellt. Der englische Franziskanermönch Roger Bacon (ca. 1214 – 1294) war der Erste, der 2 Linsen miteinander kombinierte.

Als Erbauer des ersten Mikroskops (von griechisch micron = klein und scopein = betrachten) gelten die holländischen Brillenschleifer Hans Janssen und sein Sohn Zacharias, die bereits um ca. 1590 erste zusammengesetzte Mikroskope entwickelt haben sollen. Es wird berichtet, dass das Janssen’sche Mikroskop in geschlossenem Zustand eine Vergrößerung um einen Faktor 3 und voll ausgezogen um einen Faktor 10 erreichte. Im Jahre 1609 hat Galilei (1564 – 1642) in Padua ein Mikroskop aus einer konkaven und konvexen Linse, unter Verwendung eines holländischen Fernrohrs, zur Nahbetrachtung konzipiert. Fernrohr und Mikroskop eröffneten dem Betrachter eine neue, bislang unsichtbare Welt. Die beiden niederländischen Naturforscher Jan Swammerdam (1637 – 1680) und Antoni van Leeuwenhoek haben sich v. a. der mikroskopischen Methode intensiv zugewandt [8]. Jan Swammerdam, Arzt und Anatom, war einer der bedeutendsten Mikroskopiker des 17. Jahrhunderts. Er befasste sich insbesondere mit der Anatomie der Insekten sowie der Wirbeltiere. Sein Monumentalwerk „Bibel der Natur“ belegt eine geschickte Präparation, eine wahrhaft detaillierte mikroskopische Beobachtung sowie eine hervorragende bildliche Darstellung. Swammerdam ist sicherlich ein Meister der frühen Mikroskopie und ein Wegbereiter der systematischen Insektenkunde gewesen.

Der Engländer Robert Hooke (1635 – 1703) war ein brillanter multitalentierter Naturwissenschaftler, der unter anderem durch seine „Micrographia“, die er 1665 veröffentlicht hat, bekannt geworden ist [8] [11]. Er untersuchte Gebilde organischer und anorganischer Natur mit einem einfachen Verbundmikroskop. Die neue sichtbare Welt enthüllte Dinge, die zuvor keinem Auge zugängig waren. Hooke analysierte feingeschnittene Korkschichten und sah darin „Poren“ und „Zellen“, also Kanäle mit Querwänden, die kleinste Kämmerchen („cells“) bildeten. Dass er soeben die Pflanzenzelle entdeckt hatte, war Hooke dabei noch nicht bewusst. Er prägte aber den Terminus „Zelle“, den wir heute als Definition der kleinsten pflanzlichen und tierischen Lebenseinheit nutzen. In der „Micrographia“ (1665 veröffentlicht) hat Hooke eine Vielzahl von Insekten, Schwämmen und auch Vogelfedern mikroskopisch exakt beschrieben und bildlich dargestellt. Formulierungen im ersten Brief an die „Royal Society“ lassen darauf schließen, dass van Leeuwenhoek die „Micrographia“ von Robert Hooke gekannt hat.


#

Antoni van Leeuwenhoek (1632 – 1723)

Antoni von Leeuwenhoek wurde 1632 in Delft geboren und am 04. November 1632 als Thonis Philippszoon getauft. Erst später nannte er sich „van Leeuwenhoek“, nach dem Löwentor (Leeuwenpoort) in der Nähe seines Geburtshauses ([Abb. 1]). Der Vater, Korbmacher von Beruf, verstarb, als Antoni 6 Jahre alt war. Die Mutter, Tochter eines Bierbrauers, hatte jedoch genug Mittel, Antoni den Besuch eines Gymnasiums zu ermöglichen. 1648 begann Antoni eine Ausbildung als Buchhalter in Amsterdam, die er jedoch vorzeitig beendete [5]. Er arbeitete dann für einen schottischen Tuchhändler und begriff schnell, dass der Tuchhandel ein einträgliches Geschäft darstellte. An seinem damaligen Arbeitsplatz hat er vermutlich auch das erste „Mikroskop“, ein einfaches Vergrößerungsglas, gesehen, ein zu damaliger Zeit sehr nützliches Hilfsmittel der Tuchhändler. 1654 kehrte er nach Delft zurück, kaufte sich ein Haus und eröffnete selbst einen Tuchladen. Er arbeitete als Eichmeister, Vermessungsbeamter und Tuchhändler in seiner Vaterstadt. Als selbstständiger Tuchhändler, und finanziell unabhängig, hatte van Leeuwenhoek genügend Zeit, seiner neuen Leidenschaft, dem Mikroskopieren, nachzugehen. Ohne weiterführende formale Ausbildung, noch dazu des Lateins und des Englischen nicht kundig, war ihm als mikroskopischem Laien der Zugang zu wissenschaftlichen Kreisen verwehrt [5] [6].

Zoom Image
Abb. 1 Antoni van Leeuwenhoek (1632 – 1723), Natuurkundige te Delft Rijksmuseum.

1673 machte ein Delfter Mitglied der „Royal Society“ in London, Rainier de Graaf (1641 – 1673), die führenden Vertreter dieser Gesellschaft, darunter auch Robert Hooke, auf van Leeuwenhoek aufmerksam [5]. De Graff war es, der im April 1673 dem Sekretär der „Royal Society“ Henry Oldenburg von van Leeuwenhoek und seinen Mikroskopen erstmalig berichtet hatte. Er hatte sich 1666 in Delft als Anatom niedergelassen und mit van Leeuwenhoek im Jahre 1668 Bekanntschaft gemacht. De Graaf, dem van Leeuwenhoek vermutlich seine wissenschaftliche Karriere zu verdanken hat, starb leider schon am 17.08.1673, zwei Tage nachdem van Leeuwenhoek seinen ersten Brief an Henry Oldenburg übermittelt hatte.

Die zahlreichen Briefe, nahezu 180 müssen es gewesen sein, die van Leeuwenhoek an die Royal Society adressierte, wurden dort fortan ins Englische oder Lateinische übersetzt und erschienen in den „Philosophical Transactions of the Royal Society“ [5]. Nach anfänglicher Skepsis wurde van Leeuwenhoek mit seinen selbstangefertigten Linsen schnell in wissenschaftlichen Kreisen bekannt. Er hat mit bedeutenden Ärzten und Wissenschaftlern seiner Zeit kommuniziert und großes wissenschaftliches Ansehen gewonnen. 1680 wurde van Leeuwenhoek zum Mitglied der Royal Society in London ernannt. Er hat den Bau der einfachen – einlinsigen – Mikroskope perfektioniert und mithilfe seiner über 400 Mikroskope grundlegende Entdeckungen zur Mikroskopie gemacht [5] [7] [12]. Bedeutende Persönlichkeiten wie Zar Peter der Große, Gottfried Wilhelm Leibniz oder die britische Königin Anne besuchten ihn vor Ort [5]. Mit dem berühmten niederländischen Maler Jan Vermeer bestand eine enge Freundschaft. Man geht sogar davon aus, dass Leeuwenhoek Vermeer für zwei seiner Gemälde Modell gesessen hat [13].


#

Aufbau des van Leeuwenhoek’schen Mikroskops

Die Mikroskope von van Leeuwenhoek bestanden, im Vergleich zu denjenigen von Janssen, nur aus einer Linse. Die zweilinsigen Mikroskope von Janssen hatten eine vergleichsweise schlechte Qualität der Linsen, vermutlich aufgrund von Lufteinschlüssen, unbefriedigender Glasqualität oder einer nicht gleichmäßig geschliffenen Wölbung. Niemand konnte zu damaliger Zeit so kleine und exakte Kugellinsen herstellen wie van Leeuwenhoek. Es wird gemutmaßt, dass er beim Glasbrennen und bei der Linsenherstellung einen Stab aus Kalk-Natron-Glas in der Mitte erhitzt und beim Auseinanderziehen der Stabenden das Glas zu einem dünnen Haar gedreht hat. Wird ein solches Haar erneut erhitzt, so entsteht eine winzige Glaskugel, die eigentliche Linse. Die Linse hat er dann zwischen zwei Messingplatten befestigt. Die zu betrachtenden Objekte wurden mittels einer speziellen Schraubmechanik und einer Art Pinzette vor die Linse geklemmt. Die Messingplatte mit dem zu untersuchenden Objekt musste man sich dann vor das Auge halten. Die Mikroskope von van Leeuwenhoek konnten Vergrößerungen um das 270-Fache erreichen. Diese Vergrößerungsleistung übertraf die der mehrlinsigen Mikroskope von Janssen um ein Vielfaches. Aufgrund dieser Errungenschaft machte van Leeuwenhoek eine Vielzahl wissenschaftlicher Entdeckungen und beeinflusste maßgeblich die naturwissenschaftliche Entwicklung.


#

Der Entdecker „kleiner Tierchen“

Van Leeuwenhoek war ein Pionier, der von beständiger Neugier getrieben war. Er wollte sehen und entdecken. Die Liste mit van Leeuwenhoeks Entdeckungen ist schier unerschöpflich: Er war der Erste, der spezielle Abläufe der Insekten-Metamorphosen, Bakterien im Mund, die Hefe im Bier, das Leben in einem Wassertropfen, die Samenzellen und die Zirkulation von Blutkörperchen in den Kapillaren beobachtet und dokumentiert hat [5] [7] [12]. Alle Beobachtungen wurden in Hunderten von Briefen niedergeschrieben, interessanterweise hat van Leeuwenhoek nie ein Buch verfasst. Er schrieb ausschließlich in der niederländischen Sprache. Der Schreibstil entsprach dem, wie er mit Freunden zu sprechen pflegte. Er beschrieb eine Vielzahl mikroskopischer Strukturen, die bis dahin noch kein Auge gesehen hatte: Die Faserstruktur der Augenlinse, die Querstreifung der Muskulatur sowie Mikrostrukturen von Pflanzen. Mit großer Neugier, Beobachtungsgabe und technischem Geschick hat er die erstaunlichsten Entdeckungen gemacht. 1675 untersuchte er Teich- und Regenwasser sowie den menschlichen Speichel. Er entdeckte Bakterien und Protozoen und bezeichnete diese als Animalcula („kleine Tierchen“). In seinem Brief an die Royal Society beschreibt van Leeuwenhoek die wunderlichen kleinen Tierchen, die er 1674 in Teichwasser mit seinem Mikroskop sehen konnte (Zitat aus [5]):

„… Among these there were, besides, very many little animalcules, whereof some were roundish, while others, a bit bigger, consisted of an oval. On these last I saw two little legs near the head, and two little fins at the hindmost end of the body. Others were somewhat longer than an oval, and these were very slow a-moving, and few in number. These animalcules had divers colours, some being whitish and transparent; others with green and very glittering little scales … And the motion of these animalcules in the water was so swift, and so various, upwards, downwards, and round about, that ‘twas wonderful to see: and I judge that some of these little creatures were above a thousand times smaller than the smallest ones I have ever yet seen, upon the rind of cheese, in wheaten flour, mould, and the like.“

Eine der bedeutendsten Entdeckungen von van Leeuwenhoek war zweifellos diejenige der Spermatozoen [12]. Da diese sich bewegten, hielt er sie für Tiere und betitelte sie schließlich als „Samentierchen“. Damit war die Fortpflanzung von Mensch und Tier erstmals ein Thema wissenschaftlicher Forschung geworden.


#

Die Bestätigung des Kapillarsystems

Im Jahre 1668 konnte van Leeuwenhoek die Entdeckung des Kapillarsystems durch Malpighi (1628 – 1694) bestätigen [5]. Er beobachtete die Formveränderungen der Erythrozyten während der Passage durch die Kapillaren sowie die Durchlässigkeit der Kapillarwand für Serum. Van Leeuwenhoek untersuchte auch sein eigenes, durch eine feine Glaskanüle aufgesaugtes Blut unter dem Mikroskop. Er beobachtete im Blut runde, rote Kügelchen, die in der Blutflüssigkeit schwammen und dem Blut seine rote Farbe verliehen. Die runden Kügelchen, später Erythrozyten genannt, waren erstmalig von Jan Swammerdam (1658) beschrieben worden.


#

Was passierte mit den Mikroskopen nach van Leeuwenhoeks Tod?

Antoni van Leeuwenhoek ist 1723 im Alter von 90 Jahren in Delft gestorben. Er hat das Geheimnis zur Herstellung seiner wunderbaren Linsen mit ins Grab genommen [5]. Er hat auch keines seiner Mikroskope zu Lebzeiten verkauft. Eine eindeutige Erklärung für diesen Sachverhalt gibt es nicht. Man mutmaßt, dass die Mikroskope möglicherweise als „finanzielle Absicherung“ für seine Tochter gedacht waren. Maria war van Leeuwenhoeks einzig überlebendes Kind aus erster Ehe. Von seinen 5 Kindern, 3 Söhnen und 2 Töchtern, sind 4 sehr früh verstorben. Maria, die selbst nie geheiratet hat, hat ihrem Vater, auch nach dem Tode der zweiten Ehefrau, ein Leben lang treusorgend zur Seite gestanden. Es bleibt aber noch eine weitere Frage unbeantwortet: Warum hat van Leeuwenhoek keine Schriften über die Herstellung „seiner Linsen“ hinterlassen? Er hat vielen Besuchern aus aller Welt mikroskopische Befunde demonstriert, aber niemals Informationen zur Herstellung der Linsen mitgeteilt.

Nach dem Tod van Leeuwenhoeks, am 04. Oktober 1723, wurde ein Kästchen mit Linsen und zwei Begleitbriefen an die Royal Society in London übergeben. 22 Jahre vor seinem Tod hat van Leeuwenhoek in einem Schreiben an die Royal Society verfügt (Zitat aus [5]):

„This little Cabinet with the said magnifying-glasses, as I may yet have some use for it, I have committed to my only daughter, bidding her send it to You after my death, in acknowledgement of my gratitude for the honour I have enjoyed and received from Your Excellencies.“

Maria hat den Wunsch des Vaters erfüllt. So schreibt sie in ihrem Begleitbrief an die Royal Society (Zitat aus [5]):

„Most excellent Sirs
instantly upon the sad death of my beloved father Anthonij van Lewenhoek, I took care to have this my loss made known to you by our reverenced and most learned pastor, Peterus Griebius; adding thereto, that after thespace of six weeks would be sent to the noble and far famed Royal Society, at London, a little cabinet with magnifying-glasses, made of silver wrought out of the mineral by my dear departed father his very self; which same is now sent to Your Excellencies, even as my late father made it up, with six-and- twenty magnifying-glasses in their little cases: truly in itself a poor present to so celebrated a Royal Society, but meant to betoken my father’s deep respect for such a learned Society, whereof my most beloved and dear Father, of blessed memory had the honour to have been a fellow-member.“


#

Schicksal der verbliebenen Mikroskope

Ein bislang übersehenes Dokument des Delfter Archivs gibt nun genauer Auskunft zu der Frage, was mit den Mikroskopen nach dem Tode von Maria van Leeuwenhoek geschehen ist. Zuidervaart und Anderson stellen in ihrer 2016 veröffentlichten Publikation neue Informationen vor [14]. Nach dem Tode der van Leeuwenhoekʼschen Tochter wurde von einem Notar im Rahmen der Beschreibung des im Hause verbliebenen Inventars auch eine Liste mit wissenschaftlichen Instrumenten („rarities“) zusammengestellt. Diese Liste beinhaltet unter anderem auch Instrumente und Werkzeuge ihres Vaters. 1747 wurde in Delft eine Auktion durchgeführt, bei der Mikroskope und Linsen von van Leeuwenhoek zum Verkauf angeboten wurden. In Summe betrug die Anzahl der angebotenen Utensilien 531. Kopien des Auktionskatalogs wurden auch nach Paris, London, Berlin und Leipzig gesandt. Die Identifizierung der Käufer hat ergeben, dass diese nahezu ausschließlich Delfter Bürger waren. Etwa ein Drittel der Vergrößerungsgläser wurde jedoch über Delfter Auktionsteilnehmer an ausländische Bieter vermittelt. Heute existieren nur noch wenige Originale des van Leeuwenhoek‘schen Mikroskops.

Durch wen van Leeuwenhoeks Interesse an der Mikroskopie und der Entwicklung von Linsen geweckt wurde, kann nicht eindeutig belegt werden. Fakt ist, dass die Ära der einlinsigen Mikroskope mit dem Tode von van Leeuwenhoek nahezu beendet war. Mit der Anwendung des van Leeuwenhoek’schen Mikroskops hatten – interessanterweise! − nahezu alle Anwender Probleme. Keiner konnte mit ihnen das erkennen, was der große Meister gesehen und beschrieben hatte. Selbst ein erfahrener Mikroskopiker wie Robert Hooke beklagte die Schwierigkeit im Umgang mit der einlinsigen Apparatur. Viele Käufer, die ein Mikroskop bei der Auktion 1747 erworben hatten, waren von dem hochgelobten Vergrößerungsglas enttäuscht und haben es entsorgt [14].


#

Was lehrt uns die Geschichte?

Van Leeuwenhoek hat keine höhere schulische Bildung oder Universitätsausbildung genossen. Mit viel Geschick, Begeisterungsfähigkeit und großem Fleiß hat er sich zu einem großen Naturforscher entwickelt und mit seiner mikroskopierenden, systematisierenden Wissenschaft eine Vielzahl nachfolgender Wissenschaftler inspiriert. Man hat ihn zu Recht als „Vater der Mikrobiologie“ bezeichnet. Van Leeuwenhoek hat mit bedeutenden Ärzten und Wissenschaftlern seiner Zeit kommuniziert und enormes wissenschaftliches Ansehen gewonnen. Er hat mit dem „Erkennen der kleinen Tierchen“ auch einen elementaren Beitrag zur Diagnostik von Infektionserkrankungen geleistet. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Verdienste um die Entwicklung der Mikroskopie wurde er, auch ohne akademische Vorbildung sicherlich zu Recht, 1860 zum Mitglied der Royal Society in London ernannt.

Die Zitate im Artikel sind dem Buch Dobell, C. Antony van Leeuwenhoek and his “little animals”. N. V. Sweets & Zeitlinger; Keizersgracht 471, Amsterdam; 1932 entnommen.


#
#

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 West JB. Marcello Malpighi and the discovery of the pulmonary capillaries and alveoli. Am J Physiol Lung Cell Mol Physiol 2013; 304: 383-390
  • 2 Goerttler K. Zur Entdeckung des Kapillarstrombettes vor 300 Jahren durch Marcello Malpighi (1628 – 1694). Dtsch Med Wochenschr 1962; 87: 41-45
  • 3 Koehler U, Hildebrandt O, Redhardt F. et al. Was the discovery of the systemic ciculation exclusively due to William Harvey?. Dtsch Med Wochenschr 2012; 137: 2700-2705
  • 4 Pearce JMS. Malpighi and the discovery of capillaries. Eur Neurol 2007; 58: 253-255
  • 5 Dobell C. Antony van Leeuwenhoek and his “little animals”. Keizersgracht 471, Amsterdam: N. V. Sweets & Zeitlinger; 1932
  • 6 Anderson D. Still going strong: Leeuwenhoek at eighty. Antonie van Leeuwenhoek 2014; 106: 3-26
  • 7 Lane N. The unseen world: reflections on Leeuwenhoek (1677) “Concerning little animals”. Phil Trans R Soc B 2015; 370: 20140344
  • 8 Mani N. Mikroskopie im 17. Jahrhundert. Die Entdeckungen von Malpighi, Hooke, Swammerdam und Leeuwenhoek.. In: Schott H. Hrsg. Meilensteine der Medizin. Dortmund: Harenberg Verlag; 1996: 219-226
  • 9 Wollmann AJM, Nudd R, Hedlund EG. et al. From Animaculum to single molecules: 300 years of the light microscope. Open Biol 2015; 5: 150019
  • 10 Sigelen A. Vom Aderlaß zum Nanoskop. Eine Geschichte der Medizintechnik. Berlin: L & H Verlag; 2018
  • 11 Gest H. The remarkable vision of Robert Hooke (1635 – 1703). Perspectives in Biology and Medicine 2005; 48: 266-272
  • 12 Karamanou M, Poulakou-Rebelakou E, Ttetis M. et al. Anton van Leeuwenhoek (1632 – 1723): Father of micromorphology and discoverer of spermatozoa. Revista Argentina de Microbiologica 2010; 42: 311-314
  • 13 Klitzmann R. Antoni van Leeuwenhoek; FRS on Vermeer: a figment of imagination. The FASEB J 2017; 6: 591-594
  • 14 Zuidervaart HJ, Anderson D. Antony van Leeuwenhoek’s microscopes and other scientific instruments: new information from the Delft archives. Annals of Science 2016; 73: 257-288

Korrespondenzadresse

Niklas Koehler
Fachbereich Gesundheit
Technische Hochschule Mittelhessen
Wiesenstraße 14
35390 Gießen

  • Literatur

  • 1 West JB. Marcello Malpighi and the discovery of the pulmonary capillaries and alveoli. Am J Physiol Lung Cell Mol Physiol 2013; 304: 383-390
  • 2 Goerttler K. Zur Entdeckung des Kapillarstrombettes vor 300 Jahren durch Marcello Malpighi (1628 – 1694). Dtsch Med Wochenschr 1962; 87: 41-45
  • 3 Koehler U, Hildebrandt O, Redhardt F. et al. Was the discovery of the systemic ciculation exclusively due to William Harvey?. Dtsch Med Wochenschr 2012; 137: 2700-2705
  • 4 Pearce JMS. Malpighi and the discovery of capillaries. Eur Neurol 2007; 58: 253-255
  • 5 Dobell C. Antony van Leeuwenhoek and his “little animals”. Keizersgracht 471, Amsterdam: N. V. Sweets & Zeitlinger; 1932
  • 6 Anderson D. Still going strong: Leeuwenhoek at eighty. Antonie van Leeuwenhoek 2014; 106: 3-26
  • 7 Lane N. The unseen world: reflections on Leeuwenhoek (1677) “Concerning little animals”. Phil Trans R Soc B 2015; 370: 20140344
  • 8 Mani N. Mikroskopie im 17. Jahrhundert. Die Entdeckungen von Malpighi, Hooke, Swammerdam und Leeuwenhoek.. In: Schott H. Hrsg. Meilensteine der Medizin. Dortmund: Harenberg Verlag; 1996: 219-226
  • 9 Wollmann AJM, Nudd R, Hedlund EG. et al. From Animaculum to single molecules: 300 years of the light microscope. Open Biol 2015; 5: 150019
  • 10 Sigelen A. Vom Aderlaß zum Nanoskop. Eine Geschichte der Medizintechnik. Berlin: L & H Verlag; 2018
  • 11 Gest H. The remarkable vision of Robert Hooke (1635 – 1703). Perspectives in Biology and Medicine 2005; 48: 266-272
  • 12 Karamanou M, Poulakou-Rebelakou E, Ttetis M. et al. Anton van Leeuwenhoek (1632 – 1723): Father of micromorphology and discoverer of spermatozoa. Revista Argentina de Microbiologica 2010; 42: 311-314
  • 13 Klitzmann R. Antoni van Leeuwenhoek; FRS on Vermeer: a figment of imagination. The FASEB J 2017; 6: 591-594
  • 14 Zuidervaart HJ, Anderson D. Antony van Leeuwenhoek’s microscopes and other scientific instruments: new information from the Delft archives. Annals of Science 2016; 73: 257-288

Zoom Image
Abb. 1 Antoni van Leeuwenhoek (1632 – 1723), Natuurkundige te Delft Rijksmuseum.