Ku M-S.
Neonatal Phototherapy: A Novel Therapy to Prevent Allergic Skin Disease for At Least
5 Years.
Neonatology 2018;
114: 235-241
Ein weiterer Schwerpunkt der Studie lag auf der Sicherheit der Fototherapie (UV-freies
Licht mit einer Wellenlänge von 390 – 470 nm), wie es standardmäßig für den Neugeborenenikterus
verwendet wird. Die Studiendaten stammten aus der taiwanesischen Gesundheitsdatenbank,
die > 99 % aller medizinischen Befunde der gesamten Bevölkerung enthält. Von insgesamt
117 041 Neugeborenen aus den Jahrgängen 1997 – 2008 hatten 9747 einen neonatalen Ikterus
(8,3 %), 4744 erhielten eine Fototherapie (48,7 %). In der Kontrollgruppe ohne Ikterus
waren 107 294 Kinder. Die Wissenschaftler verglichen die Prävalenz der atopischen
Dermatitis (AD), der allergischen Rhinitis (AR) und des allergischen Asthmas (AS)
in Abhängigkeit von einer erfolgten Fototherapie. Dazu ermittelten sie die Häufigkeit
der entsprechenden Diagnosen, der ärztlichen Konsultationen und der Verordnungen von
topischen Medikamenten im 1. – 5. Lebensjahr. Die Daten wurden für „Confounders“ adjustiert,
die für Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis bekannt sind, u. a. sozioökonomischer
Status, angeborene Hauterkrankungen, Neugeboreneninfektionen, Geschlecht, Frühgeburtlichkeit,
Geburtsgewicht. Für die Frage der Anwendungssicherheit der Fototherapie wurde die
Häufigkeit möglicher Komplikationen (Malignome, benigne Hauttumoren, und Erkrankungen
von Haut und Haaren/Haarfollikeln) erfasst. Frühgeborene und besonders kleine Neugeborene
waren nicht öfter ikterisch als reif Geborene (9,7 % und 10,4 %). Die ikterische Gesamtgruppe
war signifikant häufiger von allen 3 Erkrankungen, AD, AR und AS, betroffen. Das entscheidende
Ergebnis der Studie betraf jedoch die AD-Prävalenzen in den Gruppen mit Ikterus: Diese
unterschieden sich signifikant bei einem
-
Ikterus mit Fototherapie (10,52 %) von einem
-
Ikterus ohne Fototherapie (12,33 %) (95 %-CI 1,015 – 1,299).
Signifikant waren die Unterschiede sowohl für die Gesamtgruppe mit Fototherapie als
auch für die Subgruppe der Jungen. Hingegen waren die Häufigkeiten von AR und AS in
den Gruppen nicht signifikant verschieden. Passend dazu fanden in den ersten 4 Lebensjahren
signifikant seltener Arztbesuche statt, wenn die Kinder mit einem Ikterus neonatorum
eine Fototherapie erhalten hatten. Verschreibungen topischer Pharmaka erfolgten ebenfalls
seltener. Die Fototherapie steigerte das Risiko für Malignome, Hauttumoren und andere
Hauterkrankungen nicht.
Die Autoren vermuten, dass durch die frühe Fototherapie das Immunsystem der Haut,
z. B. durch die verminderte Aktivierung dendritischer Hautzellen, bei einem Teil der
Kinder so verändert wird, dass bis zum 4. Lebensjahr eine AD nicht ausbricht. Dabei
beeinflusst die Fototherapie wahrscheinlich nicht das gesamte, sondern nur das dermale
Immunsystem, weshalb keine Schutzfunktion für AR und AS bestand. Da andererseits die
Behandlung der atopischen Dermatitis insbesondere bei Kleinkindern belastend, unbefriedigend
und teuer sei, könne sich die Fototherapie in den ersten Lebenstagen zu einer effektiven
und sicheren Präventionsstrategie entwickeln. Die Stärke der Studie ist die Vollständigkeit
der Gesundheitsdaten und die Größe der Kohorte. Ehe man jedoch überlegen kann, auch
bei nicht-ikterischen Neugeborenen aus stark belasteten AD-Familien eine präventive
Fototherapie im Neugeborenenalter durchzuführen, wird man noch weitere Beobachtungs-
und Interventionsstudien abwarten müssen, u. a. unter Berücksichtigung gemessener
Bilirubinspiegel, die für diese Studie nicht vorlagen, aber auch mit der Frage, wann,
wie lange und mit welcher Technik der Nicht-UV-Fototherapie solche Interventionen
am sinnvollsten sind.
Atopisches Säuglingsekzem an Handgelenken und Handrücken. Min-Sho Ku hat in einer
Studie beobachtet, dass ikterische Neugeborene, die eine Fototherapie erhielten, seltener
an einer atopischen Dermatitis erkrankten. (Quelle: Tilgen W, Pföhler C, Zaun H. Atopisches
Ekzem. In: Gortner L, Meyer S, Hrsg. Duale Reihe Pädiatrie. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme;
2018. doi:10.1055/b-005-145246)
Prof. Dr. Roland Hentschel, Freiburg