Dialyse aktuell 2019; 23(04): 166-171
DOI: 10.1055/a-0891-6738
Schwerpunkt | Dialyse
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse

Assistierte Dialyse im häuslichen Umfeld: ein GAP in der deutschen Heimdialyselandschaft
Kerstin-Brigitte Iseke
1   NADia Steuerungsteam, Berlin
,
Ursula Oleimeulen
1   NADia Steuerungsteam, Berlin
,
Marius Greuèl
1   NADia Steuerungsteam, Berlin
,
Jörg Rockenbach
2   Vorstand des Heim Dialyse Patienten e. V. (HDP)
,
Benno Kitsche
1   NADia Steuerungsteam, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Kerstin-Brigitte Iseke
NADia Steuerungsteam
NADia Zentrale Berlin
Kurfürstendamm 126/127
10711 Berlin

Publication History

Publication Date:
21 May 2019 (online)

 

ZUSAMMENFASSUNG

Trotz der Vielfalt der in Deutschland angebotenen Dialyseformen klafft noch immer eine Versorgungslücke für hilfebedürftige dialysepflichtige Patienten, die sich für ein Heimdialyseverfahren entschieden haben. Versorgungsformen der assistierten Dialyse wie assistierte Peritonealdialyse (aPD) und assistierte Heimhämodialyse (aHHD) sind bislang nicht als anerkannte Therapiemöglichkeiten im Richtlinienkatalog der häuslichen Krankenpflege vorgesehen. Daher werden die Kostenerstattungen für die Leistungserbringer bislang nur durch Einzelfallentscheidungen bewilligt. Um diese Lücke zu schließen, gründete sich 2017 das Netzwerk NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse, eine Initiative von Ärzten, Pflegekräften, Patienten, Mitarbeitern von Pflegediensten, Pflegeeinrichtungen und Gesundheitsunternehmen. Ziel von NADia ist es, bundesweite Strukturen zur Umsetzung der assistierten Dialyse zu etablieren.


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Versorgungsstrukturen für alte und/oder hilfebedürftige Menschen in Deutschland

Alte und hilfebedürftige Menschen, die eine Pflegeversorgung benötigen und wünschen, können in Deutschland auf ein umfangreiches Angebot an professioneller Unterstützung zurückgreifen. Neben der Versorgung in der Herkunftshäuslichkeit durch ambulante Pflegedienste eröffnen sich weitere Möglichkeiten zur Unterbringung in betreuten Wohnformen wie z. B. Senioren-Wohngemeinschaften. Menschen mit intensivbetreuungspflichtigen Erkrankungen können ebenfalls in eigens dafür vorgesehenen und qualifizierten Wohnformen ambulant oder stationär betreut werden. All diese Strukturen eignen sich nach einer entsprechenden Zusatzausbildung des examinierten Pflegepersonals auch zur Versorgung mit assistierter Dialyse. Bislang gestaltet sich die Umsetzung der assistierten Dialyse in Deutschland jedoch noch schwierig. Es fehlen standardisierte Ausbildungen, Verordnungsmöglichkeiten im Rahmen der Regelleistung und eine geregelte Vergütung für die Leistungserbringer in der Pflege.


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Welche Ziele hat NADia?

Oberstes Ziel von NADia ist die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Versorgung von Patienten mit chronischem Nierenversagen, die trotz eingeschränkter Selbsthilfefähigkeit eine häusliche Dialyseform gewählt haben. Basierend auf dem Projektmodell „Assistierte Dialyse Berlin“, welches seit 2013 existiert, hat sich das Steuerungsteam von NADia zum Ziel gesetzt, Voraussetzungen für die bundesweite Vernetzung von nephrologischer Behandlung und ambulanter Pflege zu schaffen ([ Abb. 1 ]).

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Abb. 1 Der Netzwerkgedanke bei NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse. Quelle: NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse

Durch innersektorale, ressourcenübergreifende Kooperationen sollen Versorgungsdefizite überwunden und die Leistung der assistierten Dialyse durch Pflegeanbieter in die Regelversorgung der häuslichen Krankenpflege übernommen werden. Die bislang aufwendigen Einzelfallverhandlungen und oftmals ungeregelten Genehmigungsverfahren können dadurch ersetzt und die Versorgungsleistungen schneller umgesetzt werden. Das Schließen dieser Versorgungslücke in Deutschland ermöglicht es, die Therapiewünsche von Patienten und Angehörigen im häuslichen Umfeld umzusetzen („patient-focused care“).


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Was macht NADia?

NADia organisiert bundesweite Strukturen und unterstützt regionale Aktivitäten zur Umsetzung der assistierten Dialyse für Patienten mit einem Heimdialyseverfahren, die ihre Behandlung nicht oder nicht mehr selbstständig durchführen können. NADia sieht sich als Vermittler zur Etablierung der übergreifenden Kommunikation zwischen Patienten, Leistungserbringern und Kostenträgern.

NADia unterstützt beim Aufbau von regionalen Netzwerken oder bei der Umsetzung zur Durchführung der assistierten Dialyse sowohl bei der Organisation als auch bei den Verhandlungen für die derzeitig noch gültigen Einzelfallentscheidungen mit den Krankenkassen. Im nächsten Schritt soll eine Vergütungsregelung mit den Krankenkassen herbeigeführt werden. NADia erarbeitet Ausbildungsstandards zur Qualifizierung der Pflegekräfte von Pflegeanbietern und stellt somit die professionelle Assistenz in der Häuslichkeit der Patienten sicher.

Um eine möglichst große Transparenz zwischen allen NADia Kooperationspartnern zu schaffen, hat das NADia Steuerungsteam unter www.netzwerk-nadia.de eine Homepage erstellt. Diese enthält u. a.:

  • allgemeine Informationen zur assistierten Dialyse

  • konkrete Anleitungen und Ausbildungsmaterial zur Durchführung von Schulungen für das auszubildende Assistenzpersonal der Pflegeanbieter

  • Musterformulare wie z. B. Kostenvoranschlag und Kostenbeispiele für die Krankenkassen

  • Workflows zur Organisation und Umsetzung der assistierten Dialyse

  • Referenzliste der kooperierenden Pflegeanbieter

  • Kontaktdaten der Ansprechpartner des Steuerungsteams

  • Forum zum Austausch von Informationen und zur Kommunikation


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Modellprojekt Berlin

Das Modellprojekt Berlin zeigte bereits, dass sowohl die assistierte Peritonealdialyse als auch die assistierte Heimhämodialyse für dialysepflichtige Patienten beim Verlust ihrer Autonomie oder Teilautonomie sinnvolle Alternativen zur Zentrumsdialyse darstellen. Die Umsetzung beider Möglichkeiten wurde nach entsprechender Qualifikation des Personals erfolgreich durchgeführt. Die Patienten konnten, soweit es ihnen möglich war, ihren Tagesrhythmus selbst bestimmen sowie organisieren und damit einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität erzielen. Auch andere Regionen in Deutschland berichten über ähnlich erfolgreiche Kooperationen zwischen Patienten, Pflegeanbietern und Dialyseteams.

AUS DER SICHT DER PATIENTEN – JÖRG ROCKENBACH, VORSITZENDER HEIM DIALYSE PATIENTEN E. V.

Der Heim Dialyse Patienten e. V. unterstützt das „NADia Projekt“, weil wir mit unseren Erfahrungen, die notwendige Nierenersatztherapie selbstbestimmt und eigenverantwortlich in den eigenen 4 Wänden durchzuführen, wissen, wie viel Lebensqualität dadurch erhalten bleiben kann. Es ist wohl unbestritten, dass Mittel, die in die Betreuung des Patienten im gewohnten Umfeld investiert werden, ein erhebliches Plus an Lebensqualität mit sich bringen. Die Realität zeigt jedoch, dass die Mittel in den personal- sowie kostenintensiven und für den Patienten unangenehmen Transport zur Behandlung investiert werden. Wir sind davon überzeugt, dass durch die Ziele, die „NADia“ verfolgt, die Lebensqualität der Patienten bei ähnlicher finanzieller Belastung der Kostenträger erheblich gesteigert werden kann.

AUS DER SICHT DER PFLEGEANBIETER – URSULA OLEIMEULEN, STEUERUNGSTEAM NADIA

Als Pflegeanbieter für ambulante Wohnformen, außerklinische Intensivpflege, Tourenpflege und stationäre Einrichtungen sind wir bestrebt, unsere Bewohner und Klienten nach ihren individuellen Bedürfnissen zu versorgen. Immer wieder werden dialysepflichtige Patienten mit großem Aufwand in Dialysezentren transportiert. Patienten, die darüber hinaus auch noch beatmet werden, müssen von einer Fachkraft für Intensivpflege zur Dialyse begleitet und über mehrere Stunden dort betreut werden. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in die Lebenssituation des Patienten dar. Der erhöhte Zeitaufwand für das Pflegepersonal wird in der heutigen Situation des Pflegekräftemangels ein immer größeres Problem. Die Aufwendungen für Transportkosten sind erheblich. Geregelte Strukturen für assistierte Dialyse sind wünschenswert und dringend erforderlich. Patienten, Pflegeanbieter und Kostenträger profitieren gleichermaßen von der Möglichkeit der assistierten Dialyse in der Häuslichkeit des Patienten.

Die Ausbildung zur „Assistenzkraft Peritonealdialyse“ ([ Tab. 1 ]) in der Behandlungspflege bietet examinierten Pflegekräften die Möglichkeit zur Erlangung einer Zusatzqualifikation und für die Pflegeanbieter die Chance auf ein Alleinstellungsmerkmal. Für die Krankenkassen bedeutet dies eine Einsparung an Fahrtkosten, insbesondere bei beatmeten Patienten. Für eine erfolgreiche Durchführung der assistierten Dialyse ist die enge Absprache mit dem Dialyseteam notwendig. Die Durchführungsverantwortung bleibt beim betreuenden Nephrologen.

Tab. 1

Ausbildungsschema „Assistenzkraft Peritonealdialyse“.

Standort/Umsetzung durch

Inhalt

Methode/Instrumente

Zeitumfang

Selbstlernphase

– Grundlagen Hygiene

– Einführung in die Peritonealdialyse

E-Learning/Lernerfolgskontrolle

ca. 1,5 UE

Schulungs- oder Dialysezentrum

Modul 1 – Theorie (4 UE):

– Grundlagen-Update

– klinische Aspekte

– Komplikationen

– Hygieneupdate

– Präsenzvorträge

– Lernerfolgskontrolle

4 UE

Dialysezentrum

Modul 2 – Praxis (2-mal 4 Zeitstunden):

– Einführung und Handling der PD-Systeme

– Training verordnetes Verfahren

– Dokumentation

– Cycleraufbau/-bedienung

– Alarmbehandlung

– Notfallleitfaden

– Umsetzung ärztlicher Maßnahmen

– interne Kommunikation

praktische Unterweisung/Praxisbegleitbogen

2-mal 4 Zeitstunden

Selbstlernphase/Dialysezentrum

Update/Rezertifizierung:

– Handling

– Hygiene

– Komplikationsmanagement

– Fallbesprechung

– Erfahrungsaustausch

– E-Learning

– Workshop/Evaluation

ca. 1,5 UE nach 52 Wochen

UE = Unterrichtseinheit (45 min)


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Schulung und Zertifizierung des Assistenzpersonals

Die Besonderheit des Konzeptes der assistierten Dialyse bildet die Einbindung einer wohnortgebundenen Assistenz in die Versorgung der Dialysepatienten. Die Erbringung der Assistenzleistung setzt die Qualifikation von Pflegepersonal mit abgeschlossener Ausbildung in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege nach einem zertifizierten Curriculum voraus. Der Lehrplan umfasst insgesamt 4 Lernteile. Diese bestehen aus einer Kombination von E-Learning, Präsenz- und Praxisschulung ([ Tab. 1 ]). Der erfolgreiche Abschluss einer theoretischen und praktischen Prüfung qualifiziert für den Einsatz als „Assistenzkraft Peritonealdialyse“. Eine Rezertifizierung erfolgt alle 12 Monate. Die Mindestanforderung für die Qualifikation der verantwortlichen Lehrkräfte ist die abgeschlossene Ausbildung als Fachkrankenpfleger/innen in der Nephrologie mit mindestens 2-jähriger Heimdialyseerfahrung.

AUS DER SICHT DES GESUNDHEITSÖKONOMEN – DR. MARIUS GREUÈL, STEUERUNGSTEAM NADIA

Innovative Versorgungsleistungen haben es im bundesdeutschen Gesundheitssystem zuweilen schwer, in die Regelversorgung zu gelangen. Aus gesundheitsökonomischer Sicht erscheint es anhand der internationalen Erfahrungen und auf Basis der aktuellen Studienergebnisse [[1], [2]] zielführend, durch vereinfachte verfahrens- und genehmigungsrechtliche Bedingungen die Zunahme der Peritonealdialyseverfahren von derzeit 6 % auf ca. 20 % [[3]] im Versorgungsanteil sicherzustellen. Entsprechende Kostenvergleichsrechnungen der assistierten PD auf der Basis von gesundheitsökonomischen Bewertungen lassen ein signifikantes Einsparpotenzial von 10 000–13 000 Euro pro Jahr und Fall im Vergleich zur Zentrumsdialyse insbesondere aufgrund einer Reduzierung kostenintensiver Transporte bei besserer Prozessqualität erkennen [[4], [5], [6], [7]].

Die bundesweiten Vergütungen für die assistierte PD unterscheiden sich erheblich je nach Krankenkasse bzw. Bundesland aufgrund der im Einzelfall unterschiedlichen Bewilligungsverfahren. Die Unterschiede betreffen sowohl die Höhe der Vergütung als auch den Modus des Kostensatzes als Tages-, Monats- oder Einsatzpauschale, teils mit und ohne Fahrkostenerstattung. Das derzeit bundesweit geltende Genehmigungsverfahren für die spezialisierten Pflegedienste auf Basis von Einzelfallentscheidungen gem. § 132 a SGB V (Versorgungsvertrag zur häuslichen Krankenpflege, [ Abb. 2 ]) erweist sich somit als nicht zufriedenstellend. Eine einheitliche Regelung der Vergütung bzw. eine Konvergenz der Kalkulationsmethodik erscheint vor dem Hintergrund erfolgversprechend, sollte das Verfahren Aufnahme in den Richtlinienkatalog finden.

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Abb. 2 Behandlungspfad für die assistierte Peritonealdialyse – bislang ungeregelte Vergütung nach SGB V (graue Felder). Quelle: NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse

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Ein Blick über den Tellerrand

In anderen Ländern wie z. B. Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Kanada und China findet man teilweise langjährig etablierte assistierte PD-Programme, die sich in ihrer Umsetzung jedoch nach Therapiemodalitäten und Assistenzkonzepten unterscheiden. Erstrebenswert für die deutsche Umsetzung ist das französische aPD-Modell. Es ist insofern besonders, weil die Patienten ihre PD-Modalität eigenständig wählen und sowohl von der Familie als auch von einer Pflegekraft versorgt werden können. Die Kostenträger übernehmen die Kosten für alle Versorgungsoptionen [[2], [7], [8], [9]].

AUS SICHT DER NEPHROLOGEN – DR. BENNO KITSCHE, STEUERUNGSTEAM NADIA

Die Teilhabe des Patienten ([ Abb. 3 ]) an der Therapieentscheidung („shared decision making“) [10] ist in Deutschland nicht besonders ausgeprägt [[3], [6]], das gilt auch für die Wahl des Dialyseverfahrens. Die Gruppe der Patienten, die eine Nierenersatztherapie benötigen, wird größer und älter [[11]]. Die Zahl der inzidenten Patienten mit terminalem Nierenversagen und eingeschränkter Selbsthilfefähigkeit nimmt zu [[12]]. Ebenso wie in der pädiatrischen Nephrologie, wo die Selbsthilfefähigkeit aufgrund des Alters eingeschränkt ist, gehört bei der Gruppe der älteren Patienten die assistierte Dialyse zu den Therapieoptionen.

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Abb. 3 Behandlungspfad für die assistierte PD – „shared decision making“. Quelle: NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse

So ist die assistierte Dialyse Therapie der Wahl für prävalente Dialysepatienten mit einem Heimdialyseverfahren, wenn diese teilweise oder ihre volle Selbsthilfefähigkeit verlieren [[12]]. Dialysepatienten mit erheblichen Mobilitätseinschränkungen, für die ein Transport eine besondere gesundheitliche Gefährdung darstellt bzw. aufwendige Maßnahmen getroffen werden müssen, um diese Gefahren abzuwenden, sollten ebenfalls mit assistierter Dialyse behandelt werden. Überdurchschnittlich hohe Kosten für lange oder aufwendige Transporte [[4]] wie z. B. bei besonderen Infektionsrisiken könnten durch die assistierte Dialyse verringert werden.


Die intermittierende Peritonealdialyse (IPD) ist zwar kein Heimdialyseverfahren, eignet sich aber gut als Bridging-Verfahren bei akuter Peritonealdialyse. Ziel sollte aber immer die häusliche Versorgung sein. Inzidente und prävalente Patienten die in der Versorgung mit IPD als Zentrumsdialyse behandelt werden, sollte ein kontinuierliches Verfahren etwa die CCPD („continuous cyclic peritoneal dialysis“) im häuslichen Umfeld mit aPD ermöglicht werden.


Jedem Patienten, der eine Heimdialysetherapie wünscht, sollte diese entweder als Selbstbehandlung oder als assistiertes Verfahren bei Autonomieeinschränkung ermöglicht werden. Die Assistenz kann entweder durch Familienangehörige, wie meist in der pädiatrischen Nephrologie, oder durch einen zertifizierten Pflegedienst wie in Frankreich und Dänemark erfolgen [[7], [11]]. Wichtig ist, dass die Leistung in die Richtlinien der häuslichen Krankenpflege (HKP) aufgenommen und einheitlich bewertet wird. Die Verordnung durch die Nephrologen muss einfach und transparent erfolgen und nicht wie bisher als aufwendiger, langwieriger Einzelfallantrag mit unklarem Ausgang.


Die assistierte Dialyse gehört in das Therapieangebot wie alle anderen Modalitäten der Nierenersatztherapie. Patientenorientierung, Lebensqualität und vernünftiger Umgang mit den ökonomischen Ressourcen sind hier die Orientierungspunkte. Dem Nephrologen kommt in diesem Konzept die besondere Schlüsselrolle als Lotsen zu.


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Fazit

Nach ersten Erkenntnissen aus der Modellregion Berlin und insbesondere aus den benachbarten europäischen Ländern Frankreich und Dänemark scheinen die assistierten Heimdialyseverfahren eine gute und sinnvolle Lösung für dialysepflichtige Patienten mit Verlust von Autonomie oder Teilautonomie zu sein, die sich aufgrund ihrer Lebenssituation oder bedingt durch medizinische Faktoren für ein Heimdialyseverfahren entschieden haben.

Die jährliche Wachstumsrate der Anzahl der dialysepflichtigen Patienten in Deutschland liegt bei 2 %, der Anteil der älteren multimorbiden Patienten (> 75 Jahre) wächst überproportional stark mit 3–4 % [[7]]. Gegenwärtig ist jeder fünfte Patient an der Dialyse über 80 Jahre alt, Menschen über 75 Jahre bilden die stärkste Gruppe der Neuzugänge. Der Altersmedian der inzidenten Patienten hat von 1996–2016 um ca. 6 Jahre auf aktuell 71 Jahre zugenommen. Zunehmende Krankheitskomplexität mit hohem Aufwand für medizinische und pflegerische Leistungen gehen damit einher [[13], [14]]. Jedoch ist in den nächsten Jahren mit einem Rückgang der Zahlen des nephrologischen Fachpersonals, sowohl Ärzte als auch Pflegepersonal, von 8–10 % auszugehen [[3]].

Die Versorgung mit assistierter Dialyse, vorzugsweise mit assistierter Peritonealdialyse, ist eine der wenigen Lösungen, um diesen Trends entgegen zu wirken. Die von den Krankenkassen präferierte Alternative, Familienmitglieder als Assistenten stärker einzubinden, ist durchaus möglich. Allerdings sind diese Konzepte in der Vergangenheit, bedingt durch die sich schnell aufbauenden familiären Konfliktsituationen mit begleitenden Burn-out-Symptomen der pflegenden Familienangehörigen, bereits mehrfach gescheitert. Darüber hinaus erschweren moderne Lebensstrukturen und veränderte Alltagsbedingungen Versorgungsmöglichkeiten durch Angehörige.

Durch den interdisziplinären Ansatz des Netzwerks NADia werden therapeutische, pflegerische und gesundheitspolitische Expertisen gebündelt und ein nachhaltiges Konzept zur Verbesserung der Versorgung und der Lebensqualität von hilfebedürftigen, dialysepflichtigen Patienten entwickelt [[7]]. Dabei liegt das Augenmerk auf den demografischen Veränderungen unserer Gesellschaft und deren Auswirkungen sowohl auf die Patienten als auch auf das Personal der Versorgungseinheiten. Die Vernetzung von professioneller und familiärer Pflege wird im Rahmen der alternden Gesellschaft an Bedeutung zunehmen. Das Netzwerk Assistierte Dialyse (NADia) stellt sich mit seinem Konzept diesen Herausforderungen und sichert eine adäquate Versorgung im häuslichen Umfeld. Die angestrebte Übernahme der assistierten Dialyse in die Regelleistung der Krankenkassen ermöglicht die Realisierung dieses Konzeptes und führt gesundheitsökonomisch zu einem Einsparpotenzial.


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Kerstin-Brigitte Iseke

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Interessenkonflikt

KBI befindet sich im Angestelltenverhältnis bei der Fresenius Medical Care GmbH.

UO befindet sich im Angestelltenverhältnis bei der Pflegewerk Berlin GmbH.

MG ist selbstständiger Gesundheitsökonom, u.a. in beratender Funktion für die Pflegewerk Berlin GmbH, und ist Dozent an der FOM.

JR und BK geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Giuliani A, Karopadi AN, Prieto-Velasco M. et al. Worldwide experiences with assisted peritoneal dialysis. Perit Dial Int 2017; 37: 503-508 doi:10.3747/pdi.2016.00214
  • 2 Guilloteau S, Lobbedez T, Guillouët S. et al. Impact of Assisted Peritoneal Dialysis Modality on Outcomes: A Cohort Study of the French Language Peritoneal Dialysis Registry. Am J Nephrol 2018; 48: 425-433 doi:10.1159/000494664
  • 3 Klein S, Lottmann K, Gierling P, Bleß HH. Status quo und Zukunft der Heimdialyse. 1. Aufl. Baden-Baden: Nomos; 2014
  • 4 Voss P. Gesundheitsmanagement und Medizinökonomie. Band 49. Hamburg: Dr. Kovac; 2018
  • 5 Oedingen C, Neumann D, Mau W, Girndt M, Krauth C. The Choice of Renal Replacement Therapie (CORETH): Vergleich von Kosten und gesundheitsbezogener Lebensqualität zwischen Hämodialyse und der Peritonealdialyse in Deutschland. dggö – Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie, Jahrestagung 2018
  • 6 Kitsche B. Assistierte Heimdialyse – Anwendung bei älteren Dialysepatienten. Dialyse aktuell 2018; 22: 165-169 doi:10.1055/a-0597-6259
  • 7 Raddatz A, Iseke KB, Oleimeulen U. et al. Assistierte Dialyse – eine Perspektive für Deutschland. Welt der Krankenversicherung 2017; 9: 210-216
  • 8 Brown E, Wilkie M. Assisted peritoneal dialysis as an alternative to in-center hemodialysis. Clin J Am Soc Nephrol 2016; 11: 1522-1524 doi:10.2215/CJN.07040716
  • 9 Aydede SK, Komenda P, Djurdjev O, Levin A. Chronic kidney desease and support provided by home care services: a systemic review. BMC Nephrol 2014; 15: 118 doi:10.1186/1471-2369-15-118
  • 10 Schulz L, Bindl D, Nagel E. Share Decision Making in der Dialyseversorgung – Ein Ansatz zur Stärkung der Heimdialyse in Deutschland?. dggö – Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie, Jahrestagung 2018
  • 11 Alscher MD. Assistierte Peritonealdialyse bei betagten Senioren – Eine realitätsnahe Alternative?. Der Nephrologe 2018; 13: 314-320 doi:https://doi.org/10.1007/s11560-018-0267-x
  • 12 Pommer W, Wagner S, Müller D, Thumfart J. Attitudes of nephrologists towards assisted home dialysis in Germany. Clin Kidney J 2017; 11: 1-6 doi:10.1093/ckj/sfx108
  • 13 Pommer W, Heckel-Gratz E, Kitsche B. et al. Heimdialyse in Deutschland: Wo stehen wir im Jahr 2015?. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2015; 44: 447-456
  • 14 Pommer W, Hoffmann U, Gruppe C. Geriatrisches Screening und Assessment bei älteren Patienten mit chronischen Nierenkrankheiten. Der Nephrologe 2016; 11: 345-349

Korrespondenzadresse

Kerstin-Brigitte Iseke
NADia Steuerungsteam
NADia Zentrale Berlin
Kurfürstendamm 126/127
10711 Berlin

  • Literatur

  • 1 Giuliani A, Karopadi AN, Prieto-Velasco M. et al. Worldwide experiences with assisted peritoneal dialysis. Perit Dial Int 2017; 37: 503-508 doi:10.3747/pdi.2016.00214
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  • 14 Pommer W, Hoffmann U, Gruppe C. Geriatrisches Screening und Assessment bei älteren Patienten mit chronischen Nierenkrankheiten. Der Nephrologe 2016; 11: 345-349

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Abb. 1 Der Netzwerkgedanke bei NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse. Quelle: NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse
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Abb. 2 Behandlungspfad für die assistierte Peritonealdialyse – bislang ungeregelte Vergütung nach SGB V (graue Felder). Quelle: NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse
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Abb. 3 Behandlungspfad für die assistierte PD – „shared decision making“. Quelle: NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse