Schlüsselwörter
APG - Luft-Plethysmographie - venöse Obstruktion - Stenting der V. iliaca
Einleitung
Als Behandlung einer angeborenen Obstruktion der Iliakalvenen, wie dem May-Turner
Syndrom, oder der postthrombotischen Okklusion erfährt das Einlegen eines Stents
einen großen Zuspruch bei Phlebologen, Gefäßchirurgen, Angiologen und
interventionellen Radiologen. Es wird als leicht durchzuführender Eingriff mit wenig
Nebenwirkungen dargestellt und verspricht schnelle Linderung von
Stauungsbeschwerden. Es wurde sogar als Therapieoption für Patienten mit großlumigen
Krampfadern angeboten [1] und mit dieser Option
sogar in Werbebroschüren von einigen Praxen, auch in Deutschland, dem Patienten
angeboten. Allerdings konnte kein Zusammenhang zwischen großlumigen Varizen und
einer Iliakalvenen-Obstruktion bei Patienten ohne Thrombose-Vorgeschichte
nachgewiesen werden [2]. Bedenkt man, wie intensiv
auf der ganzen Welt über die Stenting-Verfahren diskutiert wird (nicht nur in
Publikationen und auf Kongressen, sondern auch in internationalen ärztlichen
Whats-App Gruppen und Mail Austauschgruppen), überrascht es, dass wir keine
standardisierten Verfahren haben, um die Qualität der Indikation zum Einsetzen eines
Stents sowie das Ergebnis nach erfolgtem Eingriff zu prüfen. Abgesehen von dem
technischen Sofortergebnis der „Offenheit“ des Gefäßes nach Stenteinlage, gibt es
sonst wenige Kriterien um das Ergebnis auszuwerten. Immerhin handelt es sich um das
Einbringen eines Fermdkörpers, der lebenslang bleibt. Dies hat außerdem zur Folge,
dass man vorübergehend oder dauerhaft Medikamente zur Gerinnungshemmung einnehmen
muss. Daher wäre es wichtig, diese rasante Entwicklung in der Phlebologie neu zu
überdenken.
Allgemeine Überlegungen zur Obstruktion tiefer Beinvenen
Allgemeine Überlegungen zur Obstruktion tiefer Beinvenen
Ein Verschluss oder die Verengung der tiefen Beinvenen, besonders deren proximaler
Segmente, wie die V. femoralis communis oder die V. iliaca, sei es durch Thrombose,
Stenose, Fehlbildung oder Kompression von außen, behindert den venösen Abstrom aus
dem Bein. Das kann je nach Ausprägung des Abfluss-Hindernisses eine schwere venöse
Insuffizienz und eine Verschlechterung der Lebensqualität zur Folge haben. Die
Schwierigkeit besteht darin, zu entscheiden, ob die Lumenreduktion der Grund für die
venösen Beschwerden ist, da eine Einengung von mehr als 50 % des Lumens der linken
V. iliaca bei 25 % der durchaus auch asymptomatischen Bevölkerung zu finden ist
[3]. Diese Häufigkeit erlaubt auch die Annahme,
dass es sich bei der mit diagnostischen Mitteln darstellbaren Einengung um eine
physiologische Situation ohne zwingende klinische Konsequenz handelt.
Die Evaluation der iliakalen Stenose mittels Duplex erfordert gute Kenntnisse und
kann durch anatomische Gegebenheiten wie Übergewicht oder zusätzliche Kompression
durch den Schallkopf selbst beeinflusst sein.
Der intravasale Ultraschall (IVUS) als primäres Diagnostikum einzusetzen ist nicht
optimal, da es sich um ein invasives, teures Verfahren handelt, das nicht als
Screening Methode geeignet ist.
Sämtliche bildgebenden Verfahren können ohnehin die hämodynamischen Konsequenzen der
Läsion nicht adäquat auswerten, da sie entweder nicht die Kollateralen erfasst
(IVUS) oder dies nur unter technisch hohem Aufwand, wenn überhaupt erreichbar ist
(Ultraschall). Die Schnittbild-Verfahren (MRT, CT) stellen Kollateralvenen,
besonders wenn sie sich korkenzieherartig anordnen auch nicht immer nachvollziehbar
dar und bei Phlebographien ist die Kontrastmittelanfärbung in Beckenvenen limitiert
[4].
Außerdem ist es sehr selten, einen Patienten mit isolierter Beckenvenenläsion zu
finden, es sei denn, diese verursacht keine Klinik – allerdings müsste man sie ja
in
diesem Fall auch nicht behandeln… Bei symptomatischen Läsionen der Beckenvenen
finden wir in der Regel auch Refluxe – in den oberflächlichen Venen bei Varikose
oder den tiefen Venen bei Postthrombotischen Syndrom sowie oft auch eine Reduktion
des Venenwand-Tonus in den Reservoir-Venen der Waden nach Thrombose und
eingeschränkter Muskelpumpfunktion. Und dann stellt sich die Frage, ob die Korrektur
der nicht-obstruktiven Komponenten des komplexen Erkrankungsbildes nicht weniger
invasiv wäre als die Behandlung der Obstruktion [4]. Dies bedeutet die Verbesserung der Muskelpumpe mit Kompressionsstrümpfen
[5] sowie Trainings-Programmen und
Physiotherapie für die Aktivierung der Muskelpumpe. Die Behandlung der Varikose –
allerdings erst nach Sicherstellung, dass die Stammvenen nicht der Drainage der
tiefen Beinvenen als Bypass dienen. Dies kann man durch Analyse der Flusskurve oder
mit der Net-Flow-Messung im Duplex durchführen [6].
Ein weiteres Verfahren, um den Gewinn einer Behandlung der V. saphena magna
vorherzusagen, ist die Luft-Plethysmographie (Air Plethysmography, APG) unter
Kompression der Stammvene (s. u.).
Allgemeine Informationen zur Luft Plethysmographie (APG)
Allgemeine Informationen zur Luft Plethysmographie (APG)
Die Luft-Plethysmographie kann durch Assistenzpersonal durchgeführt werden. Sie ist
nicht invasiv und nicht schmerzhaft. Sie misst Volumenveränderungen der Wade. Dazu
legt man um die Wade eine Luftmanschette, die an einen Druckabnehmer gekoppelt ist.
Somit werden die absoluten Volumenänderungen in ml registriert und auf einer
Zeitachse dargestellt, sodass die Änderungsrate des Volumens in ml/s errechnet
werden kann. Um die Drainage der Venen des Beins zu testen, wird das Bein schnell
angehoben. Dadurch entleert sich das Blut über die Venen des Beins und die
Beckenvenen zur V. cava hin. Die Wade verringert in der Folge ihr Volumen. Um die
Klappenkompetenz zu testen wird der Patient aufgesetzt oder hingestellt mit
hängendem Bein. Dabei wird die Zeit bis zur Wiederauffüllung des ursprünglichen
Volumens gemessen. Die absolute Änderung in ml, sowie die Rate der Änderung mit ml/s
wird errechnet. Die Drainagegeschwindigkeit korreliert umgekehrt mit dem Grad der
Obstruktion und die Wiederauffüllgeschwindigkeit mit dem Grad der
Klappen-Inkompetenz. Eine schnelle Entleerung bei nicht-obstruktiv veränderten
Beinen verursacht eine Kurve mit der Form eines Wasserfalls [2]. Bereits Trendelenburg hat dies beschrieben. Die
erste Veröffentlichung mit Luft-Plethysmographie-Änderungen des Beinvolumens auf
einem Kipptisch stammt von J.C. Allan, aus dem Jahr 1964 [7].
Schließlich erlaubt die Plethysmographie das Errechnen des so genannten „Working
Volume“ – des Volumens, um das das Bein sich entleert und füllt, jedoch nicht des
gesamten venösen Volumens.
Die Lageänderung von Liegend mit erhobenem Bein zu Sitzend mit hängendem Bein oder
Stehend kann in einem normalen Untersuchungsraum erfolgen ([
Abb. 1
]) oder unter Zuhilfenahme eines
händisch betriebenen Kipptisches ([
Abb.
2
]). Kipptische mit Motorantrieb sind nicht sinnvoll, da diese für die
Lageänderung mehr als 15 Sekunden benötigen. Das ist viel zu lang – die Entleerung
eines gesunden Beins geschieht in wenigen Sekunden.
Abb. 1 Durchführung der Luft-Plethysmographie im Erkundungsraum.
a Liegender Patient mit der Manschette um die Wade mit
angehobenem Bein, vom Untersucher (CL) getragen. b Patient im Stehen
mit festen Händen an den Händen, um Bewegungen zu vermeiden.
Abb. 2 Luft-Plethysmographie auf einem handbetätigten Kipptisch
durchführen. a Trendelenburg bei – 45°. b Stehende
Position.
Auf einem Bildschirm wird die Kurve der Beinfüllung registriert (s. [
Abb. 3
]). Bei kompletter Entleerung und
kompletter Füllung wird ein Plateau erreicht. Als Kardinalpunkte werden auf der
Kurve die Plateau-Linie bei Füllung und bei Entleerung gewählt, sowie der Moment,
in
dem das Bein gehoben wird und der Moment, an dem das Bein wieder gesenkt wird,
daraus errechnet das System das Arbeitsvolumen (working Venous Volume wVV), den
venösen Füllungsindex (Venous Filling Index VFI) und den venösen Drainage Index
(Venous Draining Index VDI).
Abb. 3 APG-Kurven mit Entleerung des Beines nach dem Bewegen des
Patienten vom Stehen in die Trendelenburg und Nachfüllen der Kurve nach dem
Bewegen des Patienten vom Trendelenburg zum Stehen. a Normalkurve mit
schneller Entleerung (kein Hindernis) und langsamer Wiederbefüllung (keine
Ventilinkompetenz). b Pathologische Kurve mit schneller Entleerung
(keine Behinderung) und schnellem Nachfüllen (große Klappeninkompetenz).
c Pathologische Kurve mit langsamer Entleerung (Verstopfung), die
sich bei stehendem Bein von 70° in Rückenlage bewegt. * mit erhöhten 70°
Beinen.
Standing to supine = Von stehend zu Kopftieflage, Supine to
standing: Von Kopftieflage zu Stehend, Emtying curve: Drainage-Curve,
Refilling-Curve = Wiederauffüllungs-Kurve, Venous Working Volume = Venöses
Arbeitsvolumen. Native = ohne Manschette, Obstruction = Druckmanschette auf
40 mm Hg.
Da die Kurven in einer langen Plateau-Phase enden, ist es schwer, den exakten Moment
der kompletten Füllung zu definieren. Daher wird das Volumen festgelegt, bei dem das
Plateau erreicht wurde und davon 90 % berechnet. Auf der Kurve wird die Zeit
abgelesen, zu der 90 % des Volumens erreicht wurde. Und somit wird der Index in mL/s
errechnet aus der Zeit, die nötig ist, um 90 % des venösen Arbeitsvolumens zu füllen
oder zu leeren.
Eine eindeutig pathologische Drainage liegt bei einem venösen Drainage Index (VDI)
von unter 10,8 ml/s vor, eindeutig pathologische Füllungswerte bei einem venösen
Füllungsindex (VFI) von über 2,9 ml/s ([
Tab.
1
] und [
Abb. 4
]) [8].
Tab. 1
Ergebnisse der Kipptabelle mit Luft-Plethysmographie in den 3
Studiengruppen (n = 11/Gruppe). Ausgedrückt als Median (Interquartilbereich)
[8].
|
Kontrolle
|
Obstruktion
|
p a
(Kontrolle vs. Behinderung)
|
Reflux
|
p value a
(Kontrolle vs. Reflux)
|
|
a Mann Whitney U-Test; b Füll- oder
Drainagezeit bis 90 % des wVV
|
|
Arbeitsvenösvolumen, wVV (mL)
|
138 (119–198)
|
117 (80–154)
|
< ,0005
|
202 (180–240)
|
,008
|
|
Venöse Drainagezeit, VDT90b (s)
|
4,9 (4,3–5,9)
|
9,7 (8,5–12,9)
|
< ,0005
|
5,2 (4,4–5,9)
|
,622
|
|
Venöse Füllzeit, VFT90b (s)
|
69,4 (33,5–135,3)
|
33,7 (14,4–39,5)
|
,014
|
21 (16,6–36,3)
|
,004
|
|
Venöser Drainageindex, VDI (mL/s)
|
17,4 (13,9–27,2)
|
7 (6–9)
|
< ,0005
|
28,1 (25,4–34,4)
|
< ,0005
|
|
Venöser Füllungsindex, VFI (mL/s)
|
1,8 (1–2,1)
|
3,4 (2,1–5,4)
|
,014
|
8,1 (4,2–10)
|
< ,0005
|
Abb. 4 Box-Diagramme zum Vergleich der Ergebnisse der APG auf dem Tilt
Table. Venenfüllindex (VFI) und Venenabflussindex (VDI) zwischen drei
Probandengruppen: Gesunde Kontrollen, Patienten mit Obstruktion der
Iliakalvene und Patienten mit großen saphenösen Venen des Refluxins. Die
horizontalen gestrichelten Linien repräsentieren 10,8 ml/s (untere Grenze)
und 2,9 ml/s (obere Grenze). Dies sind empfohlene Grenzwerte für Obstruktion
bzw. Rückfluss. (Daten aus [8])
Die Messung ist unabhängig von den Hautveränderungen, der Raumtemperatur, der
Muskelpump-Fähigkeit des Patienten, seine Fähigkeit, zu kooperieren – was alles die
PPG Werte beeinflussen kann [9]. Einschränkungen
gibt es allein bei Patienten mit Schwindelgefühl oder mit Schwierigkeiten bei der
Beweglichkeit, wenn kein Kipptisch verfügbar ist.
Validierungsstudien der Luft-Plethysmographie (APG)
Validierungsstudien der Luft-Plethysmographie (APG)
Es gab 3 Validierungsstudien für die APG. In der ersten Studie wurde das
Luft-Plethysmographie-Gerät an der Wade angeschlossen und am Oberschenkel eine
Manschette, wie man sie von der Verschluss-Plethysmographie her kennt. An gesunden
Probanden wurde eine standardisierte Okklusion am Oberschenkel verursacht und
darunter mittels APG die Drainage gemessen (VDI). Der Drainage-Index wird
signifikant gesenkt je höher der Druck der proximalen Manschette steigt, was die
Sensitivität des VDI auf proximale Obstruktion bestätigt ([
Abb. 3c
] rechts) [10].
In einer zweiten Studie wurde auf einem manuell betätigtem Kipptisch ([
Abb. 2
]) der Drainage Index bei gesunden
Probanden, Patienten mit ausgeprägter Varikose und ohne Vorgeschichte einer
Thrombose und Patienten mit bekannter Obstruktion der Iliakalvenen verglichen [8]. Der VDI war signifikant niedriger bei den
Patienten mit Obstruktion als bei den Kontrollprobanden oder auch bei den Patienten
mit Varikose mit einem Cut-off Wert von 10,8 mL/s ([
Abb. 4
]).
Die dritte Studie untersuchte die Änderungen des VDI in einer kleinen Gruppe mit
nicht-thrombotischen Iliakal-Venen Läsionen (NIVL) vor und nach einem Stenting. Der
Wert verbesserte sich durch den Eingriff signifikant [11].
Diagnostik der Obstruktion
Diagnostik der Obstruktion
Die Symptome der CVI sind sehr unspezifisch: Schweregefühl, Schmerz, Schwellung,
Juckreiz und Krämpfe. Sie treten nicht nur bei Patienten mit Verschluss der tiefen
Beinvenen auf, sondern auch bei Reflux in den oberflächlichen Beinvenen, sowie auch
in der gesunden Bevölkerung [12], [13]: Unabhängig von der Existenz einer venösen
Insuffizienz werden die meisten Menschen nach längerem Stehen Symptome entwickeln,
die mit einer chronischen venösen Insuffizienz kompatibel sind und sie werden von
Kompression profitieren, um diesen Symptomen zu begegnen [13]. Die Ursache der Symptome könnte daher nicht-venös sein, auch wenn
eine Obstruktion oder venöse Insuffizienz vorliegt. Darüber hinaus gibt es keine
gute Korrelation zwischen „venösen“ Symptomen und klinischen Zeichen der CVI.
Ungefähr 20 % der Patienten mit einem Ulcus cruris venosum haben keine sichtbaren
Varizen [14] und weitere 20 % haben keine Schmerzen
[15].
Zur Diagnostik und Evaluation bei PTS wurde der Villalta Score eingeführt und auch
oft verwendet. Als Instrument zum Messen der Klinik ist der Villalta Score jedoch
nicht zuverlässig [16]. Er ist nicht spezifisch, da
42 % der Patienten mit nicht thrombotischen venösen Erkrankungen im Villalta Score
Werte über dem Grenzwert für PTS zeigen, auch wenn sie niemals eine Thrombose hatten
noch ein Reflux in der tiefen Beinvene nachweisbar ist [17]. Außerdem werden einige spezifische Symptome, wie die venöse
Claudicatio bei Obstruktion, nicht abgefragt, ebenso wenig einige diagnostische
Zeichen wie Kollateralen auf der Bauchdecke [18].
Warum sollte die APG eingesetzt werden als Screening-Methode für venöse
Erkrankungen?
Warum sollte die APG eingesetzt werden als Screening-Methode für venöse
Erkrankungen?
Die Haupt-Aufgabe der Venen ist die Drainage des Bluts. Und diese Aufgabe ist
beeinträchtigt durch Obstruktion und Klappeninsuffizienz. APG misst beide sehr
genau, auf eine sehr einfache Art und Weise und ohne Artefakte. Die APG ist
verlässlich, unabhängig vom Stadium der Behandlung (prä- oder postoperativ),
unabhängig vom Untersucher und wiederholbar. Es handelt sich also um einen
objektiven Test der das Ausmaß der hämodynamischen Läsion – sei es Obstruktion oder
Klappeninsuffizienz – quantifiziert und der als Follow-up Verfahren eingesetzt
werden kann.
In vielen Ländern gibt es ein Gesundheitswesen, das sich unter anderem auf Kliniken
und Praxen mit Selbstverwaltung begründet. Diese Kliniken tragen teilweise oder ganz
ihr finanzielles Risiko wie jedes Unternehmen. In diesem Setting kann es geschehen,
dass Behandlungsentscheidungen nicht nur wegen des Wohlergehens von Patienten
getroffen werden. Daher ist es umso wichtiger über einfache und objektive
Messmethoden zu verfügen, die zur Indikationssicherung vor invasiven
Behandlungsoptionen eingesetzt werden können.
In Deutschland wurde zur Bestimmung eines akuten oder chronischen proximal gelegenen
venösen Verschlusses der venöse Abstrom mittels Venenverschlussplethysmographie
(VVP) im Liegen gemessen. Sie bestimmt die Änderungen der Kapillarfüllung an der
Wade mittels Photo-Plethysmographie oder die Volumenänderungen über Strain-Gauge
Systeme zunächst unter zunehmendem Verschluss der Gefäße am Oberschenkeln mit einer
pneumatisch bis auf 80 mmHg gefüllten Manschette, die dann plötzlich entleert wurde
(Entleerungszeit der Manschette unter 1 Sekunde). Die Geschwindigkeit, in der sich
das Volumen der Wade entleert wird indirekt über den Umfang oder die Kapillarfüllung
gemessen und wird in Volumen % angegeben. Leider wurde gezeigt, dass hiermit
proximale Abflusshindernisse nicht adäquat nachgewiesen werden konnten [19]. Neue Untersuchungen mittels APG und proximaler
pneumatischer Oberschenkelobstruktion haben bewiesen, dass das Tragen von
Oberschenkelstrümpfen den venösen Abfluss von 44 % auf 63 % steigert, trotz
gleichbleibender zentraler Obstruktion [5].
Auf der anderen Seite wurde bewiesen, dass der Venöse Drainageindex mittels APG eine
signifikante Änderung durch Stenting der zentralen Obstruktion erfährt [11] sowie auch bei experimenteller externer
proximalen Obstruktion (Druckmanschette) [10].
Die Manöver, die bei der APG angewendet werden, untersuchen die Auswirkung der
Schwerkraft auf Lageänderung des Beins. Die Messung ist unabhängig vom Untersucher,
sie hängt nicht z. B. von der Handgröße oder der Kraft der Hand wie bei der
manuellen Kompression der Wade im Ultraschall ab und auch von der Erfahrung des
Untersuchers. Anders als einzelne Kriterien, wie der Durchmesser der Stammvenen, der
nach der Operation nicht mehr darstellbar ist, wenn die Vene entfernt wurde, kann
durch APG trotzdem auch nach jeder Form von Behandlung objektiviert werden, wie
ausgeprägt die venöse Insuffizienz oder Obstruktion im Bein ist. Außerdem ist die
Messung unabhängig von der Muskelkraft des Patienten oder seiner Fähigkeit bei
Bewegungen oder Atmungen mit zu machen.
Selbstverständlich muss nach der Feststellung einer Abflussbehinderung oder einer
venösen Insuffizienz mittels APG als Screening Verfahren ein bildgebendes Verfahren
eingesetzt werden, um Anatomie, Lokalisation und Hämodynamik weiter zu definieren,
auch weil je nach Erscheinungsform unterschiedliche Behandlungsstrategien zur
Verfügung stehen – die dann wiederum anschießend mittels APG evaluiert werden
können.
APG gegen unangemessenes Stenting
APG gegen unangemessenes Stenting
Wenn der Patient heutzutage klinische Zeichen und Symptome zeigt, die zu einer
Obstruktion passen (definiert als über 50 %-ige Einengung des Durchmessers, was
immerhin bei 25 % der Bevölkerung auch ohne Symptome zu finden ist [20]) ist die Chance groß, dass er einen venösen
Stent erhält als eine moderne Therapieoption.
Abhängig vom Hintergrund des Zentrums oder der Spezialisierung des Therapeuten kann
dies zu einer Überindikation zum Stenting führen, da beides, Symptome und
Obstruktion in der allgemeinen Bevölkerung recht häufig ist. Aber: Einen Stent setzt
man für ein Leben. Und: Er bedingt zumindest vorübergehend orale Antikoagulation
oder Antiaggregation.
Waren die Symptome jedoch nicht durch die Obstruktion bedingt, wird der Patient keine
Verbesserung spüren. Das Ziel, APG vor einem Eingriff einzusetzen, ist es, zu
bestimmen, ob die Lumen-Einengung hämodynamisch signifikant ist. Finden wir keine
Veränderung des Abflusses im APG, besteht keine Indikation zur Platzierung eines
Stents.
Nach dem Einsetzen des Stents muss der venöse Drainageindex (VDI) sich normalisieren
oder verbessern – was natürlich voraussetzt, dass er davor pathologisch war.
Üblicherweise ist es aber so, dass der Arzt, der den Eingriff durchführt, nur den
technischen Erfolg mit einer Öffnung der Vene im Röntgen wahrnimmt, aber nicht die
Klinik nachverfolgt. Leider zeigen die Studien, dass der reine technische Erfolg
nicht unbedingt mit einer Verbesserung der Klinik korreliert [21]. Eine Verbesserung objektivierbarer Messgrößen,
wie des VDI, würde hier helfen.
Außerdem finden wir meist Patienten mit kombiniertem obstruktiven und refluxiven
Anteilen in ihrer Pathologie. In diesen Fällen muss zunächst überdacht werden,
welche Krankheit zuerst behandelt werden sollte. Das Einsetzen eines Stents einer
hämodynamisch relevanten Läsion kann die Symptome verringern, zumal möglicherweise
das venöse Volumen des Beins verringert wird – und damit auch das Volumen im
oberflächlichen Venensystem. Auf der anderen Seite könnte auch zunächst der
oberflächliche venöse Reflux behandelt werden, da dieser Eingriff weniger invasiv
ist. Wenn dadurch die Verbesserung der Klinik ausreichend ist, wäre eine Behandlung
der iliakalen Läsion nicht nötig – und möglicherweise war die Auswirkung der
Obstruktion dann auch nicht so ausgeprägt wie ursprünglich angenommen.
Außerdem gibt es Situationen mit einem Postthrombotischen Syndrom (PTS) in
Kombination mit einem Reflux in der V. saphena magna (VSM). Im Duplex-Ultraschall
kann herausgefunden werden, ob die VSM als Drainage für die tiefen Beinvenen dient
und somit einen Bypass zum tiefen Venensystem darstellt oder ob hier ein reiner
Reflux vorliegt. Im ersten Fall wird die VSM nicht behandelt werden. Eine weitere
Möglichkeit dies herauszufinden ist die Untersuchung des so genannten „net flow“ im
Duplex [6] oder die Durchführung einer APG (VDI und
VFI) ohne und mit Okklusion der VSM unter Duplex-Kontrolle, um den Einfluss des
Verschlusses der VSM auf die Drainage und die venöse Füllung zu messen.
Es gab die Idee, dass die iliakale Obstruktion die Ursache für besonders ausgeprägte
Krampfadern sein könnte, so zusagen als eine Dilatation in Folge einer proximalen
Obstruktion [1]. Allerdings vergisst dies Modell,
dass der Volumenüberschuss bei der Varikose dem Reflux und nicht der Obstruktion
geschuldet ist. Im APG konnte darüber hinaus das Gegenteil bewiesen werden ([
Abb. 4
] und [
Tab. 1
]): Die Drainage nach Anheben des Beins war bei
ausgeprägter Varikose sogar noch höher als bei Kontrollpatienten (und sowieso als
bei Patienten mit zentraler Obstruktion) mit einem höheren VDI, da das zu
drainierende Volumen höher war bei gleich schneller Drainage wie bei
Kontroll-Patienten [8].
Einen zusätzlichen Vorteil bietet die APG für all diese Überlegungen: Zwei objektive
Parameter zur Drainage und Wiederauffüllzeit als VDI und VFI werden in einem
Untersuchungsdurchlauf erhoben, bei dem der Patient nur einmal sein Bein anheben
muss (VDI) und sich dann hinstellen muss (VFI).
Schlussfolgerung
Die Luft-Plethysmographie (APG) ist ein objektives Untersuchungsinstrument für
verzögerte Drainage und inkompetente Venenklappen. Die venöse Insuffizienz wird über
den venösen Füllungs-Index (VFI) und die Abflussbehinderung über den venösen
Drainage-Index (VDI) beurteilt.
Der Test ist nicht invasiv, nicht beeinflusst durch die Fähigkeiten des Patienten
oder Untersuchers und ist davon unabhängig, ob eine Behandlung bereits durchgeführt
wurde. Er ist einfach durchzuführen und kann in den Alltag der Diagnostik
implementiert werden. Dies wäre besonders dann wichtig, wenn wir an einem
unabhängigen Follow-up interessiert sind und wenn wir sicher sein wollen, dass
tatsächlich eine hämodynamisch relevante Erkrankung vorliegt, bevor wir invasive
Therapieansätze wählen. APG sollte vor invasiven Untersuchungsmethoden und auf jeden
Fall vor der Einlage eines Stents durchgeführt werden.