Raghu G.
et al.
Use of a molecular classifier to identify usual interstitial pneumonia in conventional
transbronchial lung biopsy samples: a prospective validation study.
Lancet Respir Med 2019;
DOI:
10.1016/S2213-2600(19)30059-1
Für die Diagnose einer idiopathischen Lungenfibrose ist unter anderem der Nachweis
einer interstitiellen Pneumonie erforderlich. Dieser wird oft im Rahmen einer multidisziplinären
Diagnostik einschließlich high-resolution Computertomografie (hrCT) oder alternativ
mittels chirurgischer Lungenbiopsie festgestellt. Da dennoch nicht wenige histopathologische
Befunde unklar bleiben und eine chirurgische Intervention für den einzelnen Patienten
mit erheblichen Risiken einhergehen kann, werden aktuell Alternativen und ergänzende
Verfahren gesucht, um die Risiken zu senken und Kosten zu sparen.
Vor diesem Hintergrund haben Raghu und Kollegen nun auf Basis von Proben von transbronchialen
Lungenbiopsien, die im Vergleich zum chirurgischen Eingriff weniger invasiv sind,
über die Technik des maschinellen Lernens einen Algorithmus entwickelt, der die Genauigkeit
der interdisziplinären Diagnostik verbessern soll. Die Entwicklung des molekularen
Testverfahrens mit dem Namen „Envisia Genomic Classifier“ fand dabei im Rahmen der
sogenannten „Bronchial Sample Collection for Novel Genomic Test“ (BRAVE)-Studie statt.
Über 200 Erwachsene mit Verdacht auf idiopathische Lungenfibrose konnten an 29 Zentren
aus den Vereinigten Staaten und Europa rekrutiert werden. Die Forscher analysierten
in einem ersten Schritt die Ausprägung von über 190 Genen mithilfe von RNA-Sequencing
und stellten eine Verbindung zu den entsprechenden histopathologischen Proben und
hrCT-Befunden her. Im nächsten Schritt wurden dann die entstehenden Algorithmen an
einer neuen Patientengruppe validiert und schließlich an einer dritten Teilstichprobe
angewendet. Die ausgewählten Gene können dabei zwischen verschiedenen Pneumonieformen
differenzieren. Die Auswahl basierte auf bereits vorhandener Forschungsliteratur zum
Thema.
Gute Ergänzung klassischer Verfahren
237 Patienten nahmen an der Studie teil, bei 94 von ihnen wurde der neu entwickelte
und dann validierte molekulare Test angewendet. Bei diesen Patienten lag in 46 Fällen
ein diagnostischer histopathologischer Befund vor. Probanden der Teilstichprobe waren
durchschnittlich 63,9 Jahre alt, 51 % von ihnen weiblich. Die Biopsie wurde zu 35 %
durch einen chirurgischen Eingriff, zu 13 % durch transbronchiale Lungenbiopsie und
bei 52 % durch Kryobiopsie gewonnen.
Der molekulare Test identifizierte übliche interstitielle Pneumonien in transbronchialen
Lungenbiopsien mit 88 % Spezifität und 70 % Sensitivität. Unter 42 dieser 49 Patienten
mit möglicher oder inkonsistenter Lungenentzündung zeigte der Test einen positiven
prädiktiven Wert von 81 % für die zugrunde liegende und durch Biopsie nachgewiesene
interstitielle Lungenentzündung. Die klinische Nutzenanalyse ergab eine Übereinstimmung
von 86 % zwischen der klinischen Diagnose unter Verwendung der Resultate des molekularen
Testes und solchen unter Verwendung von histopathologischen Daten.
Die diagnostische Genauigkeit verbesserte sich durch den molekularen Klassifier im
Vergleich zu den Ergebnissen der Histologie in 18 Fällen mit Diagnose einer idiopathischen
Lungenfibrose. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse halten die Forscher ihren molekularen
Test einschließlich des entwickelten und validierten Algorithmus für ein gutes Hilfsmittel
im Rahmen der interdisziplinären Diagnostik von Patienten mit Verdacht auf idiopathische
Lungenfibrose.
In dieser prospektiven Validierungsstudie konnte ein molekularer Test von Proben einer
konventionellen Lungenbiopsie zusammen mit einem Algorithmus die Diagnostik bei Patienten
mit Verdacht auf eine idiopathische Lungenfibrose und teils unklaren Befunden in Bildgebung
und Histopathologie verbessern. Bei guten Werten für Spezifität und Sensitivität halten
die Autorinnen/Autoren ihr Verfahren für ein wertvolles Werkzeug im Rahmen eines interdisziplinären
diagnostischen Prozesses.
Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover