Schlüsselwörter
Laparoskopie - intraoperative Hypothermie - Humigard
®
- Pneumoperitoneum
Einleitung
Die intraoperative Hypothermie wird definiert als ein Absinken der Körperkerntemperatur
auf unter 36 °C. Ohne den Einsatz wärmeerhaltender Maßnahmen sinkt durch das Ausschalten
der körpereigenen Thermoregulation die Temperatur der allermeisten Patientinnen während
einer Operation um 1 – 2 °C [1]. Durch die Wirkung der Allgemeinanästhesie ist der Körper nicht mehr in der Lage,
durch Zittern oder Vasokonstriktion der Temperaturabsenkung entgegenzuwirken [1]. Hinzu kommen die häufig niedrige Raumtemperatur und das Auskühlen über die Wundflächen.
Die Hautinzisionen sind bei der Laparoskopie zwar deutlich kleiner also bei offenen
chirurgischen Eingriffen, doch kommt die gesamte innere abdominelle Körperoberfläche
mit dem eingeleiteten, kalten und trockenen Insufflationsgas (CO2) in Berührung. Der Temperaturabfall bei laparoskopischen Operationen unterscheidet
sich daher nicht wesentlich von offenen Operationen [2], [3]. Bereits milde Formen intraoperativer Hypothermie können zu einer deutlichen Erhöhung
der Morbidität und Mortalität führen. Die negativen Folgen von intraoperativer Hypothermie
sind gut untersucht und beinhalten unter anderem: Störung der Blutgerinnung mit erhöhtem Blutverlust und einer erhöhten Rate an Transfusionen,
myokardiale Dysfunktionen, Arrhythmien und Hypokaliämien. Es kommt zudem gehäuft zu
einer verzögerten Wundheilung und Wundinfektionen und dadurch bedingt zu einer verlängerten
Krankenhausverweildauer [4], [5], [6].
In der laparoskopischen Chirurgie wird üblicherweise zur Insufflation des Pneumoperitoneums
raumwarmes CO2 verwendet, das im Verhältnis zur Körpertemperatur relativ kalt und trocken ist. Dieser
Faktor wird bei der Entstehung intraoperativer Hypothermie häufig vernachlässigt.
Hinweise aus Studien, die mit Schweinen durchgeführt wurden, zeigen jedoch, dass durch
die Verwendung von angewärmtem und befeuchteten Infufflationsgas das Risiko einer
Hypothermie gesenkt werden kann [7], [8], [9], [10]. Die Fragestellung hat im Bereich der Gynäkologie besondere Relevanz, da vor allem
Frauen zu intraoperativer Hypothermie neigen [11].
Ziel der retrospektiv konzipierten Fallkontrollstudie war es, die Auswirkung von körperwarmem
und humidifiziertem CO2 auf den intraoperativen Temperaturverlauf zu untersuchen, um die mögliche Prävention
einer Hypothermie aufzuzeigen.
Material und Methoden
Die retrospektive, nicht randomisierte Fallkontrollstudie wurde in der Klinik für
Gynäkologie und Geburtsmedizin der Uniklinik RWTH Aachen durchgeführt. Die Zuweisung
zur Versuchs- oder Kontrollgruppe erfolgte anhand der unabhängigen Variable „Verwendung
von HumiGard®“. Der Versuchsgruppe waren dabei alle Patienten zugeordnet, bei deren Laparoskopie
HumiGard® verwendet worden war. Bei Patienten der Kontrollgruppe war dieses System nicht zum
Einsatz gekommen.
Patientinnenkollektiv
In die Studie wurden Patienten aufgenommen, die sich vor dem 01.05.2011 und ab dem
12.07.2013 einer operativen Laparoskopie unterzogen hatten, da für den dazwischen
liegenden Zeitraum die etwaige Anwendung von HumiGard® anhand der Dokumentation nicht nachzuvollziehen war.
Für die Kontrollgruppe wurden Patientinnen ausgewählt, die nach dem 04.01.2009, aber
vor der ersten Anwendung des HumiGard-Systems (01.05.2011) in der Uniklinik RWTH Aachen
operiert wurden.
Für die Versuchsgruppe wurden die Patientinnen ausgewählt, bei denen ab 12.07.2013
die Anwendung von HumiGard® dokumentiert war.
Weiteres Einschlusskriterium war die dokumentierte Anwendung des Warmluftgebläses
3M™ Bair Hugger™ Warming Unit (3M, Neuss, Deutschland), das zum standardisierten Wärmemanagement der
Uniklinik RWTH Aachen gehörte.
Ausschlusskriterien waren sekundäre Laparotomien, wiederholte Laparoskopien derselben
Patientin, eine geplante OP-Dauer unter 60 Minuten, mangelnde Dokumentation der intraoperativen
Temperatur, zusätzliche Wärmemaßnahmen in Form einer Wärmematte, von gewärmten Infusionen
oder einer Kombination beider Parameter.
In der Kontrollgruppe wurde das Pneumoperitoneum unter Verwendung von kaltem (Raumtemperatur)
und trockenem (bis 20% Luftfeuchte) CO2 aufgebaut und aufrechterhalten. In der Versuchsgruppe wurde warmes (35 ± 2 °C) und
befeuchtetes (98 ± 2% Luftfeuchte) CO2 verwendet. Diese Werte wurden mit dem HumiGard MR860 Surgical Humidifaction System® (Fisher & Paykel Healthcare Limited, Auckland, Neuseeland) erreicht.
Temperaturmessungen wurden intraoperativ alle 10 Minuten intraösophageal durchgeführt.
Als Starttemperatur wurde die erste Temperaturmessung nach der Hautinzision definiert.
Die Endtemperatur war die letzte Messung vor dem Ablassen des Pneumoperitoneums und
dem Wundverschluss.
110 Patientinnen konnten eingeschlossen werden, von denen 59 der Versuchsgruppe und
51 der Kontrollgruppe angehörten. Bei den Fällen der Kontrollgruppe wurden außer einem
Warmluftgebläse keine weiteren wärmenden Maßnahmen angewendet. Es lag zudem eine vollständige
Dokumentation der intraoperativen Temperatur vor. Aufgrund des statistischen Fallkontrollabgleichs
wurden später nur solche Fälle in der Analyse verwendet, für die im Patientinnenkollektiv
ein statistischer Zwilling gefunden werden konnte (n = 33 pro Gruppe) ([Abb. 1]).
Abb. 1 Ein- und Ausschlusskriterien. Für die 110 eingeschlossenen Fälle konnten 33 statistische
Zwillingspaare evaluiert werden, sodass 66 Patientinnen für die statistischen Analysen
herangezogen wurden.
Statistische Analyse
Um Störfaktoren bei der statistischen Analyse auszuschalten, wurde ein Gruppenabgleich
zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe durchgeführt. Beim Fallkontrollabgleich wiesen
lediglich die folgenden 2 der untersuchten Kriterien einen Spearman-Korrelationskoeffizienten
von > 0,15 mit der zentralen Zielvariablen „Start-End-Differenz der Temperatur“ auf
und wurden daher als Matching-Kriterien verwendet: „Operationsdauer“ und „Raucherstatus
(ja/nein)“. Das Matching erfolgte durch das Programm IBM® SPSS® Statistics 23.0.0. Der Toleranzbereich der Operationsdauer wurde auf 5 Minuten festgelegt,
in denen sich die beiden Fälle unterscheiden durften. Patienten, denen kein statistischer
Zwilling aus der jeweils anderen Gruppe zugewiesen werden konnte, wurden aus dem Datenkollektiv
ausgeschlossen. Damit wurde für die Steigerung der internen Validität eine Reduktion
der Fallzahl von 110 auf 66 in Kauf genommen.
Im Zuge der induktiven Analysen wurden die Temperaturdaten auf ihre statistische Signifikanz
hin untersucht. Durch den Fallkontrollabgleich entstanden 2 voneinander abhängige
Stichproben, sodass die Differenzen der Zielvariablen zwischen den jeweiligen Zwillingspaaren
auf eine Normalverteilung hin geprüft wurden. War diese gegeben, konnte ein parametrisches
Verfahren zur Anwendung kommen (verbundener T-Test). Bei nicht normalverteilten Differenzen
der Zielvariablen zwischen den Matching-Partnern wurde entsprechend der Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test
verwendet. Folgende Kenndaten wurden als Zielvariablen zwischen den beiden Gruppen
verglichen: Alter zum Operationszeitpunkt, Dauer der Anästhesie, Anzahl an Voroperationen,
ASA-Klassifikation, Diabetes (ja/nein), Hauptdiagnose, intraoperativ erhaltene Infusionen,
Operationstechnik der Hysterektomie, Raucher (ja/nein), tief infiltrierende Endometriose
(ja/nein) und die Vorbereitungszeit bis zur Operation.
Abb. 2 Temperaturverlauf von Kontroll- und Versuchsgruppe. Gezeigt sind die Temperaturkurven
anhand der 3 Zeitpunkte Start, Mitte und Ende der Operation. Die Messung erfolgte
intraösophageal.
Ergebnisse
Demografische Übersicht
Insgesamt wurden 66 Patientinnen in die Analysen integriert. Aufgrund des Fallkontrollabgleichs
waren diese gleichmäßig auf beide Kollektive verteilt, sodass sich in den Gruppen
eine Fallzahl von je 33 ergab. Bei den 66 Patientinnen der Studie handelte es sich
ausschließlich um Frauen. Das mittlere Alter belief sich auf 43,6 Jahre (± 11,9 Jahre)
mit einer Altersspanne von 20 bis 81 Jahren. Der Median betrug 42 Jahre.
Operationen
Bei etwa der Hälfte aller Eingriffe handelte es sich um Hysterektomien (34/66). Während
die laparoskopische suprazervikale Hysterektomie (LASH) in 7 Fällen durchgeführt wurde,
kam die totale laparoskopische Hysterektomie (TLH) 27 Mal zur Anwendung. Die Zeit
zwischen Operationsbeginn und -ende betrug im Durchschnitt 124,1 Minuten (± 48,9 Minuten),
wobei die kürzeste Laparoskopie 42 und die längste 240 Minuten dauerte. Der Median
lag bei 118,5 Minuten.
Kenndaten der Patientinnen
Für die in [Tab. 1] aufgeführten Kenndaten der Patientinnen ergab sich kein signifikanter Unterschied
zwischen den beiden Gruppen. Die Vergleichbarkeit der Versuchs- und der Kontroll-Gruppe
bezüglich der in [Tab. 2] aufgeführten Variablen war somit gegeben.
Tab. 1 Gegenüberstellung grundlegender Kenngrößen der untersuchten Gruppen. Gruppe H: Versuchsgruppe,
Gruppe 0: Kontrollgruppe
|
Variable
|
Gruppe 0
|
Gruppe H
|
p-Wert
|
|
1 verbundener T-Test (normalverteilte Daten)
2 Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test (keine normalverteilten Daten)
|
|
Alter zum Operationszeitpunkt (Jahre)
|
45
|
42
|
0,3131
|
|
Body-Mass-Index (kg/m2)
|
28
|
25
|
0,0791
|
|
Raucher (ja/nein)
|
5
|
5
|
|
|
Diabetes (ja/nein)
|
3
|
1
|
|
|
Anzahl der Voroperationen
|
4
|
4
|
0,7151
|
|
ASA-Klassifikation (1 – 5)
|
|
|
9
|
18
|
|
|
|
19
|
12
|
|
|
|
5
|
3
|
|
|
kategoriale Hauptdiagnosen
|
|
|
11
|
12
|
|
|
|
7
|
8
|
|
|
|
7
|
4
|
|
|
|
5
|
0
|
|
|
|
3
|
9
|
|
|
tief infiltrierende Endometriose (ja/nein)
|
2
|
3 [32]
|
|
|
Vorbereitungszeit auf die Operation (min)
|
78
|
74
|
0,4761
|
|
Anästhesiedauer (min)
|
178
|
175
|
0,5421
|
|
Schnitt-Naht-Zeit (min)
|
124
|
124
|
0,8672
|
|
kristalloide Lösungen
|
1,36
|
1,61
|
0,2541
|
|
kolloide Lösungen
|
0,12
|
0,06
|
0,4231
|
Tab. 2 Start-, Mittel- und Endtemperatur. Die Messungen wurden intraösophageal durchgeführt.
Angaben in °C.
|
Starttemperatur
|
Mitteltemperatur
|
Endtemperatur
|
|
Kontrollgruppe
|
36,10 (± 0,46)
|
36,07 (± 0,42)
|
36,01 (± 0,40)
|
|
Versuchsgruppe
|
35,94 (± 0,46)
|
35,98 (± 0,49)
|
36,04 (± 0,49)
|
Temperaturanalyse
Beim Vergleich des Temperaturverlaufs in den beiden Gruppen zeigte sich, dass der
Mittelwert in der Kontrollgruppe stetig sank, während dieser in der Versuchsgruppe
anstieg ([Abb. 2]). Zur Bestätigung der gegenläufigen Temperaturverläufe wurde eine Signifikanztestung
durchgeführt ([Tab. 3]). Dabei wurden sowohl die Start-End- als auch in einzelnen Abschnitten die Start-Mittel-
und die Mittel-End-Differenz mithilfe des verbundenen T-Tests untersucht. Die Start-End-Differenz
erwies sich in der Versuchsgruppe mit 0,09 °C als signifikant größer als in der Kontrollgruppe
mit − 0,09 °C (p = 0,011). Von der Start- zur Mitteltemperatur konnte keine Signifikanz
nachgewiesen werden (p = 0,122). Im zweiten untersuchten Zeitraum lag der Wert der
Mittel-End-Differenz in der Versuchsgruppe um mehr als 0,11 °C hoch signifikant über
dem der Kontrollgruppe (p = 0,003).
Tab. 3 Signifikanztestung der Temperaturdifferenzen zu den 3 Zeitpunkten Start-, Mittel-
und Endtemperatur. Getestet wurden die Start-End-, Start-Mittel- und Mittel-End-Differenzen
mittels verbundenem T-Test. Statistische Signifikanz wurde bei p < 0,05 angenommen.
|
Kontrollgruppe
|
Versuchsgruppe
|
T
|
df
|
p-Wert
|
|
df: degrees of freedom
|
|
Start-End-Differenz
|
− 0,09
|
0,09
|
2,70
|
32
|
0,011
|
|
Start-Mittel-Differenz
|
− 0,03
|
0,04
|
1,59
|
32
|
0,122
|
|
Mittel-End-Differenz
|
− 0,06
|
0,05
|
3,21
|
32
|
0,003
|
In beiden Gruppen wurde der Anteil der intraoperativen Hypothermien zu Beginn und
Ende der Operation untersucht. Bei der Versuchsgruppe nahm der Anteil hypothermer
Patientinnen von mehr als 54,22 auf 36,36% deutlich ab. Im Gegensatz dazu stieg in
der Kontrollgruppe der Anteil hypothermer Patienten von 36,36 auf 42,42% an ([Tab. 4]).
Tab. 4 Anteil hypothermer Patienten zu den 3 Zeitpunkten der Messung (Start-, Mittel- und
Endtemperatur). Angaben in Prozent.
|
Hypothermie (in %)
|
Gruppe 0
|
Gruppe H
|
|
Anteil der Starttemperaturen
|
36,36
|
54,55
|
|
Anteil der Mitteltemperaturen
|
39,39
|
42,42
|
|
Anteil der Endtemperaturen
|
42,42
|
36,36
|
Diskussion
Dem Temperaturabfall bei laparoskopischen Operationen liegen 3 Ursachen zugrunde:
Der Einfluss der Allgemeinanästhesie, von Umgebungsfaktoren und der Insufflation trockenen
Gases bei Raumtemperatur. Die Allgemeinanästhesie macht den Hauptanteil aus, indem
sie die körpereigene Thermoregulation unterbindet und die metabolische Wärmeproduktion
um etwa 30% herabsetzt. Hinzu kommt eine häufig niedrige Raumtemperatur im Operationssaal.
Das Humigard®-System fokussiert auf die drittgenannte Ursache: den Temperaturverlust durch Insufflation
kalten, trockenen Gases. Dieses wird sekundär in der Bauchhöhle erwärmt und befeuchtet,
bis es der Temperatur und Feuchtigkeit des Abdomens entspricht und somit ein Gleichgewicht
erreicht ist. Wärme und auch Wassergehalt des Peritoneums werden intraoperativ kontinuierlich
gemindert. Dieser Energieverlust kann zur Entwicklung einer Hypothermie beitragen
[7]. Da die peritoneale Fläche in etwa der äußeren Körperoberfläche entspricht, wird
die Wichtigkeit eines intraabdominellen wärmeprotektiven Ansatzes deutlich.
Laut Sessler (2016) kann die Körperkerntemperatur die sichersten Angaben über den
Wärmestatus eines Patienten machen. Für ihre genaue Bestimmung eignen sich die folgenden
4 Messstellen: der Nasopharynx, der distale Ösophagus, das Trommelfell mittels Kontaktthermometer
sowie die Pulmonalarterie. Die Werte unserer Analysen basieren auf Messungen im Nasopharynx
und können demzufolge valide Aussagen zur Körperkerntemperatur treffen [1].
In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz von Humigard® ein Absinken der Körpertemperatur verhindert werden kann. Die Temperaturverlaufskurven
verliefen gegenläufig zu denen der Kontrollgruppe. In der letzteren kam es gerade
in der 2. Operationshälfte zu einem Abfall der Körpertemperatur. Das HumiGard®-System, welches das einzige seiner Art auf dem europäischen Markt ist, konnte die
Rate an Hypothermien stetig reduzieren. Im Gegensatz dazu stieg in der Kontrollgruppe
die Rate an Hypothermien im Verlauf der Operation stetig an. Der hohe präoperative
prozentuale Anteil an Hypothermie von ca. 55% in der HumiGard-Gruppe ist bemerkenswert.
Mögliche Gründe stellen eine lange Zeitspanne zwischen Einschleusung und tatsächlichem
Operationsbeginn sowie ein inadäquat ausgeführtes oder unterlassenes Prewarming dar.
Allerdings differieren die Mittelwerte der Vorbereitungszeit bis zur Operation nur
minimal zwischen den beiden Gruppen, weshalb das Prewarming als Erklärung naheliegender
erscheint. Durch eventuelle Unterschiede im präoperativen Vorgehen zur Zeit der historischen
Kontrollen kann der geringere prozentuale Anteil an Hypothermie dieser Gruppe zu Beginn
der Operationen begründet sein. Effektives Prewarming resultiert in einer um 0,4 °C
höheren intraoperativen Körpertemperatur im Vergleich zu Kontrollen [1]. Das HumiGard-System konnte die Hypothermie jedoch im Gegensatz zur Kontrollgruppe
mit alleinigem Warmluftgebläse im Verlauf stetig reduzieren.
In tierexperimentellen Studien, bei denen in erster Linie die ausschließliche Erwärmung
untersucht wurde, konnten keine signifikanten Effekte zur Vermeidung von Hypothermie
festgestellt werden. In diesen tierexperimentellen Studien wurde aber kein aufwendiges
Wärmemanagement (z. B. Warmluftgebläse) verwendet. Die Schnitt-Naht-Zeit lag bei diesen
Studien im Mittel bei über 120 Minuten [9], [12], [13].
Die positiven Effekte des konditionierten Gases auf den humanen Temperaturhaushalt
wurden schon in der Veröffentlichung zu erwärmtem und befeuchtetem Kohlendioxid von
Ott et al. 1998 proklamiert. Von dieser Arbeitsgruppe wurde das Insuflow®-System verwendet, das dem Humigard®-System vergleichbar ist und das in den Vereinigten Staaten zugelassen ist. Diese
prospektiv-randomisierte multizentrische Studie zeigte unter zusätzlichem Wärmemanagement
für beide Gruppen einen signifikanten Temperaturunterschied zugunsten von Insuflow®, welches die intraoperative Hypothermierate senken konnte [14]. Eine weitere kürzlich publizierte randomisierte Studie konnte bei der zusätzlichen
Anwendung eines Warmluftgebläses und von warmen Infusionen keinen signifikanten Temperaturunterschied
durch die Verwendung von HumiGard® zeigen. Allerdings lässt sich diese Studie nicht zum Vergleich heranziehen, da es
sich um sehr kurze Operationszeiten (durchschnittlich 15 Minuten Insufflationszeit)
handelte [15].
Demgegenüber konnten wir die wesentlichen Temperaturunterschiede erst in der 2. Operationshälfte
beobachten. In unserer Studie betrug die geplante Mindestdauer aller Eingriffe 60
Minuten.
Studien am Menschen, die bariatrische Patienten bei laparoskopischen Operationen zur
Verkleinerung des Magens einschlossen, konnten keinen positiven Effekt auf den intraoperativen
Temperaturerhalt zeigen [16], [17]. Hier ist allerdings zu beachten, dass übergewichtige Patientinnen aufgrund der
isolierenden Wirkung des Fettgewebes generell seltener zu intraoperativen Hypothermien
neigen [18].
Entsprechend unserer retrospektiven Fallkontrollstudie konnten in einer aktuellen
Cochrane-Analyse 2016 statistisch signifikant höhere Kerntemperaturwerte bei der Verwendung
von angewärmtem und befeuchtetem Insufflationsgas gezeigt werden. Da die Autoren die
Qualität der bisherigen klinischen Studien bemängeln, gilt es, die Ergebnisse künftig
im Rahmen weiterer Studien zu untersuchen [19].
Wenn es sich auch bei unserer Studie um eine retrospektive Analyse handelt, liegt
die Stärke vor allem bei dem genauen Matching der untersuchten Patientinnen, der OP-Dauer
und der angewendeten Wärmemethode. Es besteht also eine hohe interne Validität durch
die exzellente Vergleichbarkeit der beiden untersuchten Gruppen.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die externe Körperwärmung durch ein Warmluftgebläse
den initialen Abfall der Körpertemperatur um 1 – 2 °C, der durch die Allgemeinanästhesie
bedingt ist, gut abfangen kann. Weitere Möglichkeiten bestehen in der Anwendung von
Wärmedecken und auch der Anwendung von gewärmten Infusionen. Eine aufgeklebte Plastikfolie
wird häufiger in der offenen Chirurgie verwendet. Letztlich erreichen diese Maßnahmen
aber nicht die peritoneal ausgekleidete Körperhöhle. Gerade bei länger dauernden laparoskopischen
Operationen kann eine zusätzliche Anwärmung und Befeuchtung des Insufflationsgases
zu einer besseren Aufrechterhaltung der Körpertemperatur und Vermeidung von Hypothermie
in der 2. Operationshälfte führen und sollte daher zusätzlich verwendet werden. Zu
diesem Schluss kommen die Autoren eines kürzlich publizierten Reviews [20].
Zu der von uns untersuchten Fragestellung gibt es demnach widersprüchliche Publikationen
mit zum Teil gegensätzlichen Schlussfolgerungen. Die bisherigen Studien lassen sich
allerdings schlecht vergleichen, da die Patientenkollektive heterogen waren, die Anwendung
zusätzlicher Wärmemethoden unterschiedlich gehandhabt wurde, die Operationszeiten
sich mitunter deutlich unterschieden und auch die Temperaturmessungen auf unterschiedliche
Weise durchgeführt wurde.
Wenn auch der Fokus der vorliegenden Studie auf dem intraoperativen Temperaturverlauf
und dem etwaigen Auftreten von Hypothermien lag, sollte beachtet werden, dass mit
der Verwendung von angewärmtem und befeuchtetem Laparoskopiegas weitere günstige Effekte
verbunden sind: Die Reduktion postoperativer Wundinfekte, postoperativer Schmerzen
und des postoperativen Analgetikaverbrauchs sind vorbeschrieben. Dadurch bedingt lässt
sich die Verweildauer der Patientinnen im Krankenhaus reduzieren, was von großer gesundheitsökonomischer
Bedeutung ist [6], [10]. Durch die Vermeidung von Mesothelschäden durch Austrocknung des Peritoneums kann
die konsekutive Entzündungsreaktion mit Entstehung einer Fibrinmatrix, die als Grundlage
der Adhäsionsentstehung dient, verhindert werden [9].
Eine genaue Evaluation der genannten Effekte gerade auch aus gesundheitsöknomischer
Sicht ist aktuell noch Forschungsgegenstand und muss an größeren Patientinnenkollektiven
untersucht werden.
Schlussfolgerung
Insgesamt zeigt sich in der Literatur eine Tendenz, die Erwärmung und Befeuchtung
des Insufflationsgases positiv zu bewerten. Die vorliegende Studie liefert dafür unter
Ausschaltung von möglichst vielen Störfaktoren die wichtige Erkenntnis, dass die Wärmung
und Befeuchtung des Insufflationsgases CO2 einen wichtigen Beitrag zur intraoperativen Wärmeerhaltung bis hin zur Vermeidung
und Verminderung intraoperativer Hypothermien leisten kann. Die aufgrund der strengen
Ein- und Ausschlusskriterien dafür in Kauf genommene niedrige Fallzahl und der retrospektive
Ansatz sind Nachteile, die es in der prospektiv-randomisierten klinischen TePaLa-Studie
(Temperature and Pain in Laparoscopy, ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02781194)
und weiteren klinischen Studien zu relativieren gilt.