Schlüsselwörter
Quantitativer Ultraschall - Osteopenie - Frühgeborene - Neugeborene - Referenzwerte
- Osteoporose
Key words
Quantitative ultrasound - osteopenia - osteoporosis - preterm babies - newborn - reference
values
Einleitung
Die Osteoporose – gekennzeichnet durch geringe Knochenmasse und erhöhtes Frakturrisiko
– stellt ein weltweit bedeutendes gesundheitspolitisches Problem dar. Da 80% der Mineralsalzeinlagerung
in den fetalen Knochen während des letzten Trimesters der Schwangerschaft erfolgen,
ist es nicht verwunderlich, dass 39% der Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von
unter 1500 g eine Osteopenie aufweisen [1]. Nach der Geburt erfolgt beim Reifgeborenen physiologisch infolge veränderter hormoneller
und nutritiver Versorgung sowie geringer mechanischer Stimulation innerhalb der ersten
6 Lebensmonate ein Abfall der physikalischen Knochendichte, vorrangig im Bereich der
langen Röhrenknochen bei gleichzeitiger Zunahme von Kortikalisdicke und Mineralgehalt.
Von dieser physiologischen Veränderung abgegrenzt werden muss die pathologische Osteopenie
des Früh-/Neugeborenen, für die es neben der Unreife verschiedene andere Faktoren
(z. B. unzureichende Versorgung mit Mineralsalzen, verminderte Absorption, Darmpathologien,
renale Verluste, Pathologie des Vitamin-D-Metabolismus) geben kann [2]. Um das Ausmaß einer Osteopenie bei Frühgeborenen zu ermitteln, werden im klinischen
Alltag die Serumwerte für Kalzium, Phosphat und Alkalische Phosphatase und die Urinwerte
für Kalzium und Phosphat genutzt. Diese Laborchemie reflektiert zwar den Knochenmineralumsatz,
korreliert aber nicht mit der tatsächlichen Knochendichte oder mechanischen Elastizität
und Stabilität des Knochens [3].
Die Osteoporosediagnostik und Verlaufsbeurteilung wird nach Empfehlung des Dachverbands
Osteologie mittels Zwei-Spektren-Röntgenabsorptiometrie (Dual energy X-ray absorptiometry,
DXA) durchgeführt, mit der die Knochenmineraldichte (bone mineral density=BMD) abgeschätzt
werden kann [4]. Nachteile sind neben der Strahlenexposition (mit ca. 1 µSv sehr gering) und dem
hohen apparativen Aufwand v. a. der Charakter als planare Messmethode, mit der die
Masse pro Fläche (g/cm²) und nicht die Dichte (g/cm³) ermittelt wird. Bei Neugeborenen
konnte zwischen der DXA-BMD und dem Geburtsgewicht sowie dem Gestationsalter ein Zusammenhang
nachgewiesen werden. Frühgeborene weisen niedrigere Werte auf. Sie zeigen im Verlauf
ein Aufholen der BMD-Werte [5]. Die quantitative Computertomografie (QCT) erfasst die tatsächliche Knochendichte
(g/cm³), allerdings ist die Strahlenexposition bei Ermittlung der Daten im Bereich
der Wirbelsäule deutlich höher (70–400 µSv). Im Kindesalter hat sich die periphere
QCT (pQCT) im Bereich des ultradistalen Radius durchgesetzt. Für Früh- und Neugeborene
gibt es bisher wenige Daten für die pQCT an Radius und Tibia [6]. Bei männlichen Frühgeborenen konnte im Vergleich zu Reifgeborenen noch in einem
Alter von 7 Jahren eine verminderte kortikale Fläche und Dicke im Bereich der Tibia
aufgezeigt werden [7]. Die pQCT hat eine hohe Präzision, die bei Kindern mit einem Variationskoeffizienten
von 0,8–2,5% angegeben wird [8]. Nachteil der pQCT ist neben der Strahlenexposition (ca. 1–5 µSv) die mangelnde
Verfügbarkeit und der hohe apparative Aufwand, der einen Einsatz bspw. in der Neonatologie
deutlich einschränkt. Ein wesentlicher Vorteil quantitativer Ultraschallmethoden (QUS)
ist neben den geringen Kosten die Möglichkeit, diese auch am Patientenbett bzw. im
Inkubator durchzuführen. Nachteile sind neben dem personellen Aufwand und der reduzierten
Standardisierung der Messmethoden noch fehlende bzw. unzureichende regionale Referenzwertstudien.
Bei üblichen Schallfrequenzen von 0,2 bis 1,2 MHz werden Quer- und Längstransmissionsverfahren
unterschieden, bei denen sich die Ultraschallwellen vom Sender zum Empfänger ausbreiten.
Erhobene Werte sind die Abschwächung der Ultraschallwellen (Broadband ultrasound attenuation,
BUA in dB/MHz) und die Schallleitungsgeschwindigkeit (Speed of sound, SOS in m/s)
bei Durchdringung des Knochens (z. B. am Calcaneus) bzw. Ausbreitung in der Kortikalis
des Knochens (z. B. an Radius, Tibia, Phalangen)[9]. Die Messwerte sind von der Knochenmasse, der Knochen-Geometrie und der Knochenelastizität
abhängig und korrelieren mit physikalischer Knochendichte, Stabilität der trabekulären
Substanz und anderen stofflichen Eigenschaften wie der Elastizität des Knochens. Je
dichter bzw. vernetzter eine Struktur ist, umso schneller wird sie von Schallwellen
durchdrungen, desto höher ist die SOS. Der QUS stellt mittlerweile bei Erwachsenen
und auch im Kindesalter eine etablierte Methode in der Osteoporosediagnostik dar.
In den letzten Jahren gibt es auch eine Vielzahl von Studien zum QUS bei Früh- und
Neugeborenen, die fast immer eine Korrelation der QUS-Parameter mit dem Gestationsalter
zeigten [10]
[11].
Die vorliegende prospektiv monozentrische Studie bei kaukasischen Neugeborenen hatte
folgende Ziele. Für die Bestimmung der SOS sollten verschiedene Messorte (Humerus,
Radius, Tibia) evaluiert und die Präzision des verwendeten Sonometers bestimmt werden.
Regionale Referenzdaten für die SOS an der Tibia sollten erhoben und Einflussfaktoren
auf die SOS untersucht werden. Zudem wurde die praktische Anwendbarkeit der Methode
bei Früh- und Reifgeborenen in der Neonatologie beurteilt.
Probanden und Methodik
Die Studie wurde von der lokalen Ethikkommission genehmigt, das schriftliche Einverständnis
mindestens eines Elternteils wurde vor Untersuchungsbeginn eingeholt. Ausschlusskriterien
für die Studie waren: nicht-kaukasische Herkunft, Knochen- sowie Stoffwechselerkrankungen,
Neuromuskuläre Pathologie, renale und endokrine, syndromale und genetische Erkrankungen,
schwere ZNS-Pathologie, angeborene Infektionen sowie eine prä-/postnatale Behandlung
mit Glukokortikoiden und eine mütterliche Osteomalazie.
Es wurden 219 reife Neugeborene (107 weiblich, 112 männlich) und 14 Frühgeborene (6
weiblich, 8 männlich) in die Studie eingeschlossen. An neonatalen Daten wurden erfasst:
Geburtsdatum, errechneter/korrigierter Geburtstermin, Geschlecht, Gestationsalter,
Postnatales Alter, Geburts- und aktuelles Gewicht, Körperlänge, Kopf- und Brustumfang
bei Geburt, APGAR (1, 5, 10), NA-pH, NV-pH, Einling/Mehrling, Geburtsmodus, Medikation,
Krankheiten/Infektionen. Zur Abschätzung pränataler Risikofaktoren wurden maternal
erfasst: Geburtsdatum, Anzahl Schwangerschaften, Geburten, Tokolyse, Adipositas, Prä-/Eklampsie,
Diabetes mellitus/Gestationsdiabetes, Nikotinabusus, Medikation während der Schwangerschaft.
Für die Erhebung der Referenzdaten wurden Neugeborene mit folgenden Kriterien ausgeschlossen:
Hypo- bzw. Hypertrophie (Geburtsgewicht<10. bzw.>90. Perzentile) und mütterlicher
Gestationsdiabetes. Die Unterteilung in Früh- bzw. Reifgeborene erfolgte anhand des
Gestationsalters (vollendete 37. SSW). Das Gestationsalter lag zwischen 28+3 und 41+5
Schwangerschaftswochen (SSW; Mittelwert 39±1,8 SSW, Median 39 SSW). Das Geburtsgewicht
lag zwischen 590 bis 4930 g (Mittelwert 3363,5±557,4 g, Median 3360 g). Die Untersuchung
erfolgte innerhalb der ersten Lebenswoche bei den Reifgeborenen (Mittelwert 1,8±1,3
Tage, Median 2 Tage) und innerhalb der ersten 11 Lebenstage (Mittelwert 5,1±3,5 Tage,
Median 4 Tage) bei den Frühgeborenen und wurde immer von ein und derselben Person
durchgeführt.
Die Messungen wurden mit dem Sonometer Sunlight Omnisense 7000 P™ (Sunlight Med. Ltd.
Tel Aviv, Israel) unter Verwendung der für Neugeborene geeigneten kleinsten Ultraschallsonde
(CS cortex small) durchgeführt. Erhoben wurde die SOS in Längstransmission im kortikalen
Knochen. Die Messungen wurden entsprechend der Vorgaben des Herstellers an der Tibia,
aber auch am Humerus und am Radius in Schaftmitte durchgeführt ([Abb. 1a], b). Die Ankopplung erfolgte durch standardisiert angewärmtes, herkömmliches Ultraschallgel.
Die vom Sender des Sonometers abgegebene Ultraschallwelle breitet sich mit einer Frequenz
von 1,25 (0,5–2) MHz unter der Knochenoberfläche bis zum Empfänger aus. Die SOS wird
durch Leitung im umgebenden Weichteilgewebe, dem durchschnittlichen Abstand zwischen
Sender und Empfänger sowie dem Winkel zwischen Knochenoberfläche und Transducer beeinflusst.
Mithilfe der patentierten Omnipath™-Technologie im Sonometer werden die beeinflussenden
Effekte des Weichteilgewebes eliminiert.
Abb. 1 a Quantitativer Ultraschall (QUS) an der Tibia, b QUS am Humerus.
Nach Einschalten des Gerätes erfolgte vor Beginn der Untersuchung eine Qualitätsprüfung
mittels Phantom (Phantom Perspex, Se-Nr. 522) aus homogenem Hartpolymer, das die Ultraschallwellen
in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur in bekannter Geschwindigkeit leitet. Die
Langzeitpräzision in vitro wurde durch den Variationskoeffizienten dieser Messungen
über den gesamten Zeitraum ermittelt. Die Kurzzeitpräzision wurde bei 30 Neugeborenen
mit je 2 Untersuchungsabläufen überprüft. Im Zeitraum von 5–10 Min erfolgten hierzu
2 Messungen am gleichen Ort. Der Variationskoeffizient dieser Messungen wurde erfasst.
Die Probanden-Messungen erfolgten nach Vorgabe des Herstellers standardisiert an der
linken Tibia. Zunächst wurde die Strecke zwischen Ferse und Oberseite Patella mittels
Maßband ermittelt und halbiert. Der Meßort wurde auf der anterioren Seite der Tibia
quer zur Längsachse mit weißem Stift markiert und reichlich Ultraschallgel aufgetragen.
Mit dem zentralen Markierungspunkt wurde die CS-Sonde auf der Linie aufgesetzt und
nach medial und lateral abgefahren. Bei ordnungsgemäßer Messung ertönt ein akustisches
Signal. Zur Erhebung der SOS waren jeweils mindestens 3 bis maximal 5 Messzyklen erforderlich.
Zur genaueren Präzision und Vermeidung zufälliger Fehler erfolgten bei jedem Probanden
mindestens 2 Messungen, aus denen der Mittelwert gebildet wurde; bei Abweichungen>1%
(ca. 30 m/s) wurde eine dritte Messung ergänzt. Die Gesamtdauer der Untersuchung von
Markierung bis zu drei Messungen lag im Bereich von maximal 10 Min pro Proband.
Um Referenzdaten von verschiedenen Orten zu erheben, wurden exemplarisch Messungen
bei 10 Probanden am Humerus und am Radius durchgeführt. Bei keinem dieser Reifgeborenen
war es allerdings möglich, ein sonografisch ausreichend stabiles Signal zu erhalten.
Die Daten wurden im Programm Excel 97 (Microsoft Inc, Seattle, WA. USA) erfasst. Die
statistische Analyse erfolgte unter Anwendung der Korrelationsanalyse mit SPSS für
Windows (Version 20.0, SPSS Inc., Chicago, IL USA). Erhoben wurden Mittelwerte, Median,
Varianz, Standardabweichung sowie Minimum und Maximum. Bei der Normwertbestimmung
wurde das 95%-Konfidenzintervall dargestellt. Die Daten wurden auf Normalverteilung
geprüft. Zum Vergleich der Ergebnisse der QUS-Parameter zwischen den Gruppen wurde
der nichtparametrische Mann-Whitney-U-Test und t-Tests für gepaarte Stichproben durchgeführt.
P-Werte von<0,05 wurden als statistisch signifikant gewertet. Mittels einfaktorieller
ANOVA wurden Einflussfaktoren auf die SOS ermittelt. Die multivariate Analyse des
Zusammenhangs von SOS und Variablen erfolgte mittels linearer Regressionsanalyse.
Die Präzisionsbestimmung wurde über den Variationskoeffizienten errechnet (VK %=SD/MWx100).
Die in vivo Präzision erfolgte nach Empfehlung von Gluer et al. [12].
Ergebnisse
Der über die gesamte Studienzeit ermittelte Variationskoeffizient der täglichen Qualitätskontrolle
mittels Phantom betrug 0,26% (Mittelwert 2752 m/s, SD 7,29 m/s). Damit ergab sich
eine sehr gute in vitro Langzeitpräzision.
Die Kurzzeitpräzision in vivo lag bei den 30 untersuchten Neugeborenen mit Doppelmessungen
bei 0,39% (Mittelwert 3041 m/s, SD 11,9 m/s).
Nachdem die Probemessungen an Radius und Humerus bei jeweils 10 Probanden nicht zu
reproduzierbaren Ergebnissen führten bzw. nicht erfolgreich waren, wurde die Studie
nur an der linken Tibia durchgeführt. Bei insgesamt 232 Probanden waren die Messungen
erfolgreich ([Tab. 1]). Bei einem hypertrophen männlichen Probanden konnte trotz mehrfacher Versuche kein
ausreichendes Ultraschallsignal abgeleitet werden. Bei den Reifgeborenen fielen signifikante
Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Probanden auf. Männliche Reifgeborene
hatten ein signifikant höheres Geburtsgewicht (3497,5±465,3 g) als weibliche (3359,9±461,4 g;
p=0,03 und einen signifikant größeren Kopfumfang (34,9±1,5 vs. 34,2±1,5 cm; p=0,001),
während Gestationsalter, Geburtslänge und Brustumfang nicht signifikant verschieden
waren.
Tab. 1 Probandencharakteristik in Bezug zum Gestationsalter.
|
Reifgeborene ≥ 37 SSW
|
Frühgeborene < 37 SSW
|
Anzahl
|
219
|
14
|
Weiblich / Männlich
|
107 / 112
|
6 / 8
|
Einling / Zwilling
|
216 / 3
|
12 / 2
|
Gestationsalter in SSW
|
37+1–41+5
|
28+3–36+6
|
(MW±SD)
|
39,3±1,2
|
33,9±2,7
|
Geburtsgewicht in g
|
2410–4930
|
590–3400
|
(MW±SD)
|
3430,3±467,4
|
2319,3±794,3
|
Geburtslänge in cm
|
45–59
|
31–50
|
(MW±SD)
|
50,9±2,4
|
43,5±6,1
|
Kopfumfang in cm
|
31–39
|
23–37
|
(MW±SD)
|
34,6±1,5
|
31,4±4,8
|
Für die Referenzdatenbestimmung wurden insgesamt 178 Probanden (85 weiblich, 93 männlich)
ausgewertet ([Tab. 2]). Die erhobenen SOS-Mittelwerte zeigten bezogen auf das Gestationsalter und das
Geburtsgewicht eine signifikante Differenz der SOS-Werte (p 0,04).
Tab. 2 SOS Referenzwerte mit 95%-Referenzbereich bei eutrophen Neugeborenen.
Gestationsalter(SSW)
|
n
|
Geburtsgewicht(g)±SD
|
SOS-MW(m/s)±SD
|
95%Referenzbereichfür SOS-MW (m/s)
|
|
|
|
|
Untergrenze
|
Obergrenze
|
37+0–39+6
|
93
|
3271±307
|
3028±92
|
3009
|
3047
|
40+0–41+6
|
85
|
3581±301
|
3057±96
|
3036
|
3077
|
Gesamt
|
178
|
3419±341
|
3041±95
|
3027
|
3055
|
Mit zunehmendem Gestationsalter konnte von der 37. bis zur 41. SSW bei einem Korrelationskoeffizient
von 0,22 ein signifikanter Anstieg der SOS von 3012±87 bis 3069±102 m/s gezeigt werden
(p=0,003). Die Beziehung zwischen dem Geburtsgewicht von 2550 bis 4150 g und SOS in
der Referenzpopulation ergab keine signifikante Korrelation ([Abb. 2a] und b). In Abhängigkeit vom Geschlecht zeigten in der Referenzgruppe männliche Neugeborene
signifikant höhere Werte (p=0,012; [Tab. 3]).
Abb. 2 a SOS (Speed of Sound, Schallleitungsgeschwindigkeit im kortikalen Knochen) und Gestationsalter
b SOS und Geburtsgewicht.
Tab. 3 Geschlechtsbezogener Vergleich von SOS und somatischen Parametern als Referenzdaten
der Reifgeborenen.
ParameterMW±SD
|
Weiblich (n=85)
|
Männlich (n=93)
|
p-Wert
|
SOS (m/s)
|
3022,8±93,4
|
3058,3±93,3
|
0,012
|
Gestationsalter (SSW)
|
39,7±1,1
|
39,7±1,21
|
0,99
|
Geburtsgewicht (g)
|
3369,8±338,8
|
3464,2±338,1
|
0,06
|
Geburtslänge (cm)
|
50,6±2,0
|
50,9±2,1
|
0,24
|
Kopfumfang (cm)
|
34,4±1,4
|
34,8±1,4
|
0,04
|
Brustumfang (cm)
|
33,4±1,7
|
33,7±1,4
|
0,33
|
Bei hypotrophen Reifgeborenen (Geburtsgewicht<10. Perzentile, n=20) bewegten sich
die SOS bei 3047 bis 3088 m/s und lagen mit Ausnahme der 41. SSW stets oberhalb der
Messwerte normotropher Reifgeborener (n=178). Der Unterschied der gruppierten SOS-Mittelwerte
(3068±90 cm/s) zu eutrophen Neugeborenen (3039±99 cm/s) war nach dem Mann-Whitney-U-Test
signifikant (p<0,001). Bei hypertrophen Reifgeborenen (Geburtsgewicht>90. Perzentile,
n=19) wurden SOS-Mittelwerte von 2944 bis 3070 m/s ermittelt. Im Gruppenvergleich
lagen die SOS-Mittelwerte hypertropher (3016±83 ms/) unterhalb der von eutrophen Neugeborenen
(p 0,015)([Abb. 3]). Für die untersuchten 14 Frühgeborenen wurde eine SOS von 2991±118 cm/s ermittelt.
Unter Berücksichtigung der Daten für die eutrophen Neugeborenen ergab sich ein signifikanter
Unterschied der SOS an der Tibia (p<0,05). Auch im Direktvergleich der SOS-Mittelwerte
aller Früh- und aller Reifgeborenen war der Unterschied statistisch signifikant (p<0,05).
Kein statistisch signifikanter Einfluss auf die SOS konnte für die mütterlichen (Gestationsdiabetes,
Nikotinabusus, Adipositas, Medikation, Alter, Erkrankungen) und für die kindlichen
Faktoren (Geburtsmodus, Größenparameter, Einling/ Zwilling) bestätigt werden. In der
Regressionsanalyse wurden für die SOS an der Tibia das Gestationsalter und Geschlecht
als unabhängige Prognosefaktoren nachgewiesen.
Abb. 3 Beziehung von SOS (Speed of sound) und Gestationsalter (SSW – Schwangerschaftswochen)
in Abhängigkeit vom Gewicht des Neugeborenen.
Diskussion
Der quantitative Ultraschall (QUS) ist eine adäquate Methode zur Beurteilung der Knochenmineralisation
und Knochenstruktur des peripheren Skeletts. Einfluss auf die erhobenen Parameter
haben die mechanischen Eigenschaften des Knochens wie Mineraldichte, Kortikalisdicke
und Elastizität. Vorteilhaft sind fehlende ionisierende Strahlung, Mobilität mit teilweise
möglicher bettseitiger Diagnostik, kurze Untersuchungsdauer. Bevor eine Untersuchungsmethode
in der Routine verwendet wird, sind Präzision und Reproduzierbarkeit sowie Referenzdaten
notwendig. Im Kindesalter wird der QUS im klinischen Alltag aufgrund begrenzter methodischer
Reproduzierbarkeit, relativer Messungenauigkeiten und Varianz sowie mangelnder Validierung
der unterschiedlichen Geräte an verschiedenen Messorten noch nicht regelmäßig eingesetzt
[13]. Zumeist liegen nur unzureichend Referenzwertdaten vor, die aber Grundvoraussetzung
für Patientenstudien sind. Die vorliegende Studie stellt nach unserer Kenntnis die
größte regionale Referenz-Untersuchung an kaukasischen Neugeborenen dar und liefert
Aussagen zur Präzision unter Anwendung einer standardisierten Untersuchungstechnik.
Die ermittelte in vitro Langzeitpräzision des verwendeten Sonometers von 0,26% für
die Phantomuntersuchungen über den gesamten Untersuchungszeitraum von 22 Monaten liegt
im Bereich bisher dazu publizierter Daten, die von 0,10 bis 0,63% reichen [14]. Der Forderung nach Phantomen, die einen knochenähnlichen Aufbau zeigen und eine
Kreuzkalibrierung und somit Vergleichbarkeit verschiedener Gerätetypen ermöglichen,
wurde bislang nicht entsprochen [13]. Die Kurzzeitpräzision in vivo mit einem Variationskoeffizienten von 0,39% bei Neugeborenen
liegt im Bereich über das gesamte Kindesalter publizierter 0,2–0,4% von Zadik et al.
[15], aber deutlich besser als die Messungen von Fewtrell et al. bei Frühgeborenen mit
Werten von 1–2% [16] und von Liao et al. bei Früh- und Neugeborenen mit Werten von 1,23–1,87% [17]. Die Untersucherabhängigkeit der in vivo Präzision wurde aktuell nicht untersucht.
Nach Pereira-da-Silva et al. liegt sie bei 1,2% [18].
Die Bedeutung lokaler Referenzwertstudien ist bekannt, so erhoben Liao et al. an einem
großen asiatischen Kollektiv von 267 Neugeborenen deutlich niedrigere SOS-Werte als
bei kaukasischen Kindern publiziert wurden [19]. Das bislang größte publizierte asiatische Kollektiv erfasst 667 Kinder (370 weiblich,
297 männlich), davon 338 vor der 37. SSW und 329 nach vollendeter 37. SSW geboren
[20]. Bei den Reifgeborenen wurden – wie in der vorliegenden Studie – signifikant höhere
SOS an der Tibia gemessen als bei den Frühgeborenen (2971,7±106,3 m/s vs. 2932,9±112,4 m/s),
als Einflussfaktoren bei Reifgeborenen konnten das Gestationsalter und das Geburtsgewicht
ermittelt werden. Zuccotti et al. [21] beobachteten in ihrer Studie keinen signifikanten Zusammenhang zwischen SOS und
dem Gestationsalter, dem Gewicht, der Körperlänge und dem Kopfumfang. Sie führen das
darauf zurück, dass sie nur Reifgeborene untersucht haben, während in den anderen
Studien auch Frühgeborene einbezogen wurden. In ihrer Longitudinalstudie bis zum vollendeten
12. Lebensmonat stellten sie nach einer initialen Abnahme der SOS (nicht signifikant)
in den ersten 4 Monaten einen deutlichen Anstieg der SOS an der Tibia bis zum ersten
Geburtstag fest. Bei der klinischen Beurteilung und Wertung von QUS-Parametern in
der Neugeborenen- und Säuglingszeit ist ein Bezug zum jeweiligen Alter des Kindes
sehr wichtig.
In der aktuellen Referenzpopulation wurde bei eutrophen kaukasischen Reifgeborenen
eine Geschlechtsabhängigkeit mit signifikant höherer SOS für die männliche Gruppe
(3058±93 vs. 3023 ±93 m/s) ermittelt. Die Studie von Zuccotti et al. mit 62 männlichen
und 54 weiblichen Neugeborenen zeigte Werte von 3042 bzw. 2964 m/s, allerdings ohne
statistische Signifikanz [21]. Teitelbaum et al. [22] beschreiben einen SOS-Mittelwert von 3012 m/s über alle untersuchte Reifgeborene,
Mc Devitt et al. [10] von 3079 m/s, Yiallourides et al. [23] von 3100 m/s und Schushan-Eisen et al. [24] 3120 m/s].
Der Zusammenhang zwischen Geburtsgewicht und SOS der Tibia nahm in der untersuchten
Gruppe mit zunehmendem Reifegrad ab. Wurden nur die eutrophen Früh-/Neugeborenen bis
zu maximal 3800 g (n=165) betrachtet, so bestand eine signifikante positive Korrelation
(p=0,009). Unter Berücksichtigung des gesamten Kollektivs, zeigt sich keine signifikante
Korrelation. Diese Ergebnisse stimmen mit Zuccotti et al. überein [21]. Die von Chen et al. [25] beobachtete negative Korrelation (hohes Geburtsgewicht – geringere SOS) könnte darauf
zurückzuführen sein, dass hypertrophe Feten infolge von Platzmangel und verminderter
Bewegungsfreiheit eine niedrigere Knochenstabilität (Mineralisation, Dichte, Elastizität)
aufweisen. Auch Littner et al. zeigten bei hypertrophen Neugeborenen von Müttern mit
Gestationsdiabetes signifikant niedrigere SOS-Werte [26], während die bei uns beobachtet höheren SOS-Werte von hypotrophen Neugeborenen im
Vergleich zu eutrophen von Koo et al. bestätigt werden [27]. Auch wenn bei dem in unserer Studie eingesetzten Sonometer seitens des Geräteherstellers
durch Anwendung der Omnipath™ Technologie ein Weichteileffekt negiert wird, sollte
dieser Effekt zumindest kritisch hinterfragt werden.
Der Versuch, bei Früh- und Reifgeborenen unter Beibehaltung des Sonometers und CS-Schallkopfes
verschiedene Messorte zur Erhebung quantitativer Ultraschallparameter der größeren
kortikalen Röhrenknochen mittels Längstransmission zu etablieren, war – wie in der
Literatur bestätigt – leider auch in unserer Studie nicht erfolgreich [28]. Wir führen das auf die erschwerte Durchführung der Messungen an Radius und Humerus
mit mangelnder Fixierbarkeit, auf die reduzierte Auflagefläche für den Schallkopf
und den stark variierenden Weichteilmantel zurück. Unter Verwendung der Quertransmission
wurden bei Früh- und Reifgeborenen v. a. im Bereich von Radius, Metacarpalia und Phalangen
mit anderen Sonometern umfangreich Daten zur Knochenmineralisation – auch im longitudinalen
Verlauf – publiziert [11]
[29]
[30]. Allerdings weisen die Ergebnisse der Quertransmission im Bereich der Phalangen
ehemals Frühgeborener in Bezug zum Goldstandard der Osteodensitometrie, der Dual Energy
X-Ray Absorptiometry (DXA) nur eine geringe Korrelation auf [30].
Limitation der vorliegenden Referenzwertstudie ist der fehlende Vergleich zur Goldstandard-Technik
DXA. Aus strahlenhygienischen Gründen ist eine Erhebung von Referenzdaten für Methoden
mit ionisierender Strahlung (DXA, pQCT) ethisch nicht vertretbar. Das Problem des
Vergleichs mit anderen Studien sind die unterschiedliche Standardisierung der Methoden
sowie die verschiedenen Messorte (trabekulär versus kortikaler Knochen). Limitiert
sind die Daten in ihrer Aussagekraft bei den Frühgeborenen in der geringen Gruppengröße
sowie darin, dass der mögliche positive Effekt einer Physiotherapie nicht erfasst
wurde.
Zusammenfassend konnte in dieser deutschen Referenzwertstudie ein signifikanter Zusammenhang
zwischen Geburtsalter und Schallgeschwindigkeit (SOS) erhoben werden. Männliche Neugeborene
wiesen signifikant höhere Werte auf. Die untersuchten Frühgeborenen zeigten signifikant
niedrigere SOS-Werte.
Kernaussagen
Die standardisierte Untersuchung mittels Omnisense 7000 P unter Verwendung der kleinen
CS-Sonde zeichnet sich durch hohe in vitro und in vivo Präzision aus. Als Messort
für die SOS-Erfassung ist bei Früh- und Reifgeborenen nur die Tibia geeignet und gut
praktikabel in der Neonatologie anwendbar. Bei dem regionalen kaukasischen Referenzkollektiv
konnten QUS-Daten für Neugeborene erhoben werden, die für nachfolgende Studien bei
Frühgeborenen und zur Beurteilung der Osteopenie genutzt werden können, wobei Geschlecht
und Trophik zu beachten sind. Zwischen SOS und Gestationsalter besteht ein signifikanter
positiver Zusammenhang. Bezogen auf das Geschlecht besteht ein Zusammenhang zur SOS
mit höheren Werten bei männlichen Probanden.