Pneumologie 2019; 73(07): 391-395
DOI: 10.1055/a-0942-3169
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Doktorandenpreis der Deutschen Lungenstiftung

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Publication Date:
10 July 2019 (online)

 

Im Rahmen des 60. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in München wurde am 15. März 2019 mit freundlicher Unterstützung des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG der mit insgesamt 6000 Euro dotierte Doktorandenpreis der Deutschen Lungenstiftung verliehen.


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Frau Dr. med. Robina Mick aus Ingolstadt wurde für die beste klinische Arbeit mit dem Titel „Spiroergometrie im Rahmen einer epidemiologischen Studie: Auswertung der dynamischen Fluss-Volumen-Kurven“ und Herr Dr. rer. nat. Hendrik Beckert aus Essen für die beste experimentelle Arbeit zum Thema „Die immunmodulatorische Wirkung des kanonischen und nicht-kanonischen Wnt-Signalwegs beim Asthma bronchiale" ausgezeichnet. Beide Preisträger stellen im Folgenden Ihre ausgezeichneten Arbeiten kurz vor.

Spiroergometrie im Rahmen einer epidemiologischen Studie: Auswertung der dynamischen Fluss-Volumen-Kurven

Die dynamischen Fluss-Volumen-Kurven als Teil der Spiroergometrie stellen ein etabliertes Verfahren zur Beurteilung der Atemmechanik unter Belastung dar [1]. Sie werden insbesondere genutzt um an verschiedenen Belastungszeitpunkten einen klinischen Einblick in die Pathophysiologie der Ventilation zu gewinnen und zusätzlich zu den Ruhe-Lungenfunktionsdaten grundlegende Mechanismen der Entstehung von „Dyspnoe“ zu analysieren [1 – 4]. Die standardmäßige Erfassung der dynamischen Fluss-Volumen-Kurven wurde bereits 2013 von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. als „ein wichtiger Bestandteil der Spiroergometrie“ empfohlen [5]. Yan et al. postulierten zudem 1997 die wiederholten IC-Manöver als eine einfache und zuverlässige Methode um den Anstieg des endexspiratorischen Lungenvolumens (EELV) bei zunehmender Belastung und damit eine dynamische Überblähung bei COPD-Patienten zu messen [6].

Als dynamische Überblähung wird ein reversibler Zustand vermehrten Luftgehalts der Lunge während und nach körperlicher Belastung bezeichnet. Sie manifestiert sich unter Anderem durch eine Erhöhung der Atemmittellage sowie durch die Zunahme der funktionellen Residualkapazität bezogen auf die Totalkapazität (FRC/TLC) und wird daher auch als relative bzw. funktionelle Überblähung oder engl. „airtrapping“ bezeichnet [7 – 11]. Die Folgen einer dynamischen Überblähung sind eine Abnahme der kardiopulmonalen Belastbarkeit (gemessen u. a. als Reduktion des Sauerstoff-Puls (O2/HR) und der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max)) sowie einer Zunahme der Dyspnoe [12 – 19]. Zudem stellt die dynamische Überblähung, gemessen als Abnahme der inspiratorischen Kapazität in Bezug auf die totale Lungenkapazität (ΔIC/TLC), einen zuverlässigen und unabhängigen Prädiktor für die Morbidität und Mortalität von COPD-Patienten dar [20]. Häufigkeiten der dynamischen Überblähung von bis zu 90 % bei COPD sowie von bis zu 60 % bei Patienten mit pulmonaler arterieller Hypertonie oder Asthma zeigen die Relevanz für den klinischen Alltag [11, 21 – 26].

In wie weit das Phänomen einer dynamischen Überblähung auch für andere Erkrankungen und Gesunde relevant ist, wurde bisher nicht ausreichend untersucht. Das Fehlen einer einheitlichen Definition sowie die ungenügenden Qualitätsstandards der Untersuchungsmethode reduzieren zudem die Vergleichbarkeit der bisherigen Studien.

Diese Dissertationsschrift verfolgte daher das Ziel auf der Grundlage der populationsbezogenen Daten der Study of Health in Pomerania (SHIP) die Häufigkeit einer dynamischen Überblähung zu ermitteln [27, 28]. Neben der qualitativen Bewertung methodischer Aspekte der IC-Manöver, sollten Unterschiede zwischen Probanden mit und ohne dynamischer Überblähung aufgezeigt und prädiktive Faktoren für das Auftreten einer dynamischen Überblähung analysiert werden.

Dazu wurden retrospektiv Daten von 6753 Probanden (3510 weiblich) aus 2 Kohorten (SHIP-2 und SHIP-TREND) hinsichtlich ihrer Auswertbarkeit und Qualität überprüft. Analysiert wurden die Ergebnisse anhand von 2148 Probanden (1052 weiblich) mit einem vollständigen kardiopulmonalen Untersuchungskomplex ohne gröbere Fehler, mindestens 3 IC-Manövern der Spiroergometrie und einer Variabilität des EELV von weniger als 200 ml. Aus dieser Gesamtgruppe wurde durch Ausschluss von aktiven Rauchern und Probanden mit kardiopulmonalen Vorerkrankungen und Vormedikation eine gesunde Studienpopulation extrahiert. Mit Hilfe einer detaillierten Qualitätsanalyse ergab sich aus der Gesamtpopulation zusätzlich eine Studienpopulation mit fehlerfreien dynamischen Fluss-Volumen-Kurven.

Bei einem mittleren Alter von 54 Jahren und einem mittleren BMI von 27 kg/m2 wiesen die untersuchten Studienpopulationen lungenfunktionelle Werte im Normbereich auf. Zudem war eine normale Belastbarkeit bei normwertiger peakVO2 und VO2@AT gegeben.

Eine dynamische Überblähung wurde mit Hilfe der IC-Manöver, welche im Rahmen der Spiroergometrie durchgeführt wurden, als Konstanz oder Anstieg des EELV unter Belastung definiert und trat mit einer Häufigkeit von 23 % auf.

Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen der Probanden mit und ohne dynamische Überblähung zeigten sich in allen drei Studienpopulationen hinsichtlich Alter (Jahren), BMI (kg/m2) und Größe (cm) sowie bezüglich der lungenfunktionellen Parameter FEV (l), PEF (l/s), MEF 75 (l/s), Rtot (kPa*s/l und %pred) und ITGV (l). Bezüglich der spiroergometrischen Parameter waren signifikante Unterschiede hinsichtlich der Spitzensauerstoffaufnahme (ml/min) und des maximalen Tidalvolumens (l und %pred) zu verzeichnen.

Als bester Prädiktor einer dynamischen Überblähung erwies sich der Atemwegswiderstand Rtot in %pred, gefolgt von Alter, Größe und Gewicht. Die allgemeine Annahme, dass der Raucherstatus, als ein wesentlicher Risikofaktor der COPD, einen Einfluss auf die Rate der Probanden mit einer dynamischen Überblähung hat, konnte in unserer Studie nicht bestätigt werden. Auch das Geschlecht hatte keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Entwicklung einer dynamischen Überblähung.

Die genannten Ergebnisse zeigen, dass die Mechanismen der Entstehung einer dynamischen Überblähung komplex sind und die Einflussfaktoren vielfältig. Die vorliegende Dissertationsschrift stellt die Bedeutung der dynamischen Fluss-Volumen-Kurven als ein wichtiges diagnostisches Verfahren zur Erfassung einer dynamischen Überblähung heraus. Sie ist zudem eine der ersten, welche die Häufigkeit einer dynamischen Überblähung in einem repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt sowie die prädiktive Potenz lungenfunktioneller und spiroergometrischer Parameter zur Feststellung einer dynamischen Überblähung untersuchte und legt damit die Basis für weiterführende Studien um die Bedeutung für den klinischen Alltag herauszuarbeiten.

Dr. med. Robina Mick, Ingolstadt

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Prof. Dr. C. Vogelmeier, Vorsitzender der Deutschen Lungenstiftung, mit den Preisträgern Dr. Robina Mick und Dr. rer. nat. Hendrik Beckert. Bildquelle: Mike Auerbach/DGP

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Danksagung

Anlässlich der Verleihung des Doktorandenpreis 2019 für beste klinische Arbeit möchte ich mich ganz herzlich bei der Deutschen Lungenstiftung e. V. sowie bei der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG bedanken. Ein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. med. Ralf Ewert der Universitätsmedizin in Greifswald für das in mich gesetzte Vertrauen und die fortwährende Unterstützung.

Literatur

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[21] Kosmas EN et al. Exercise-induced flow limitation, dynamic hyperinflation and exercise capacity in patients with bronchial asthma. Eur Respir J 2004; 24(3): 378 –3 84

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[23] O’Donnell DE et al. Decline of resting inspiratory capacity in COPD: the impact on breathing pattern, dyspnea, and ventilatory capacity during exercise. Chest 2012; 141(3): 753 – 762

[24] O’Donnell DE et al. Reliability of ventilatory parameters during cycle ergometry in multicentre trials in COPD. Eur Respir J 2009; 34: 866 –8 74

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[26] Richter MJ et al. Dynamische Hyperinflation bei der pulmonal arteriellen Hypertonie: “Hyperinflator” und “Non-Hyperinflator”. Pneumologie 2013; 67(05): 280 – 287

[27] Gläser S et al. Referenzwerte für die Spiroergometrie  –  Ergebnisse der Study of Health in Pomerania (SHIP). Pneumologie 2013; 67(01): 58 – 63

[28] Ewert R et al. Pneumologisch relevante Daten aus der “Study of Health in Pomerania” (SHIP) – eine Übersicht zu den Kohorten, Methoden und ersten Ergebnissen. Pneumologie 2017; 71(01): 17 – 35

Die immunmodulatorische Wirkung des kanonischen und nicht-kanonischen Wnt-Signalwegs beim Asthma bronchiale

Entzündungsreaktionen gegen harmlose exogene Substanzen sind ein zentraler Auslöser vieler allergischer Erkrankungen. Die Aufrechterhaltung bzw. schnelle Rückgewinnung einer gesunden immunologischen Homöostase ist daher ein zentrales Ziel der präklinischen Forschung zur Therapie allergischer Erkrankungen. Beim Asthma bronchiale reagiert das pulmonale Immunsystem gegen Stressoren wie Allergene, Zigarettenrauch, Infekte oder weitere Auslöser. Während gesunde Personen diese Stressoren tolerieren, reagiert das Immunsystem eines Asthmatikers darauf und löst Entzündungsreaktion aus, die zu akuten Krankheitssymptome und langfristig zu pathophysiologischen Veränderungen im Lungengewebe führen [1, 2]. Charakteristisch für die Erkrankung sind anfallartig auftretende Kurzatmigkeit, Atemnot, Brustenge, Husten und Auswurf. Diese Symptome treten häufig rezidivierend auf und werden von beschwerdefreien Episoden abgelöst [3]. Die Entzündungsreaktion aufzulösen oder die Aktivierung des Immunsystems zu verhindern könnte das Auftreten akuter Asthmaanfälle und die Chronifizierung der Erkrankung verhindern. Dieses Ziel verfolgt auch unser Projekt zur immunmodulatorischen Funktion der „Wnt-Signalwege“.

Die Wnt-Signalwege sind ein Teil des inter- und intrazellulären Kommunikationssystems des Körpers und finden sich in allen mehrzelligen Organismen. Bekannt sind die Wnt-Signalwege seit über 30 Jahren aufgrund ihrer Bedeutung in der Embryogenese, ihrer Rolle bei der Organentwicklung, der Regulation von Stammzellen und ihrer Beteiligung in onkologischen Erkrankungen [4]. Durch die Forschung der vergangenen Jahre hat das Wissen um die Signalwege einen weiteren Sprung gemacht und es wurde herausgefunden, dass die Signalwege in vielen weiteren Prozessen des Körpers eine Rolle spielen. Auch in die Pathogenese zahlreicher Erkrankungen sind die Wnt-Signalwege involviert und dort zum Teil positiv als auch negativ assoziiert [5, 6].

Die Wnt-Signalwege werden durch Wnt-Liganden induziert, die von verschiedenen Zellen im Körper gebildet werden können. Die Liganden wirken über kurze Distanzen, indem sie an Rezeptoren binden und damit eine intrazelluläre Signalkaskade auslösen. Insgesamt sind im Menschen 19 verschiedene Wnt-Liganden, 10 verschiedene Rezeptoren und mehrere Korezeptoren bekannt, die je nach Kombination verschiedene Signaltransduktionen auslösen können. Hierbei werden der β-Catenin-abhängige kanonische Signalweg und 2 β-Catenin-unabhängige nicht-kanonische Signalwege unterschieden [7, 8]. Studien der letzten Jahre zeigen, dass die Signalwege nicht nur bei der Embryogenese und strukturellen (Reparatur-)Prozessen eine Rolle spielen, sondern auch an der Regulation des Immunsystems beteiligt sind. Aus früheren Untersuchungen der Arbeitsgruppe und Publikationen unter anderem aus Modellen der chronischen Darmentzündung ist bekannt, dass die Wnt-Signalwege immunologische Reaktionen supprimieren können [9, 10]. Insbesondere scheinen die Wnt-Signalwege auf dendritische Zellen, Makrophagen und T-Zellen zu wirken, wobei die genauen Mechanismen bisher unbekannt sind [11]. Ausgehend von diesen Daten wurde die Hypothese entwickelt, dass sich die gezielte Manipulation der Wnt-Signalwege zur Behandlung von Asthma bronchiale eignen könnte.

Daraus leiteten sich die zentralen Fragestellungen dieser Dissertation ab: Sind Wnt-Liganden in der Lage, die allergenspezifische Aktivierung des Immunsystems zu hemmen? Besitzen die Wnt-Liganden therapeutisches Potenzial in komplexeren In-vivo-Modellen? Sind die Ergebnisse übertragbar von der Maus in den Menschen? Neben den zentralen Fragestellungen war es Ziel, die Wirkung des kanonischen Signalwegs mit den gänzlich unbekannten Wirkungen der nicht-kanonischen Signalwegen zu vergleichen.

In In-vitro-Experimenten wurde der Einfluss der Wnt-Signalwege auf die Aktivierung von dendritischen Zellen und deren Wechselwirkung mit T-Zellen untersucht. Die antigenspezifische Interaktion von dendritischen Zellen und T-Zellen stellt ein Schlüsselereignis zwischen angeborener Immunität und der Induktion der adaptiven Immunantwort dar, die über Toleranz und Sensibilisierung entscheidet [12]. Kommt es bei einem Patienten mit allergischem Asthma bronchiale zum Kontakt mit Allergenen, sind es dendritische Zellen in der Lunge, die die Allergene aufnehmen und zur Aktivierung der T-Zellen führen. In Zellkulturen mit diesen dendritischen Zellen und T-Zellen wurden rekombinante Wnt-Liganden eingesetzt, die spezifisch den kanonischen (Wnt1) und die beiden nicht-kanonischen (Wnt5A) Signalwege induzieren können. Hierbei konnte gezeigt werden, dass sowohl kanonisches Wnt1 als auch nicht-kanonisches Wnt5A in der Lage ist, immunmodulatorisch auf dendritische Zellen einzuwirken und deren Kapazität zu verringern, T-Helferzellen zu aktivieren. Beide Wnt-Liganden führten, gemessen an der allergenspezifischen Proliferation, Expression von Aktivierungsmarkern und Zytokinsekretion, zu einer Suppression der T-Zell-Antwort. Durch die Inhibition dieses Prozesses, konnte ein potenzieller Wirkmechanismus identifiziert werden.

Um die Eignung von Wnt-Liganden als Therapeutikum zu bestätigen, wurden Mäuse mit einer induzierten allergischen Atemwegsentzündung mit den Wnt-Liganden behandelt. Der therapeutische Effekt der Wnt-Signalwege wurde in 2 verschiedenen In-vivo-Modellen untersucht, bei denen Mäuse gegen Ovalbumin (Hühnereiweiß) oder dem human relevanten Allergen Hausstaubmilben-Protein sensibilisiert wurden. Durch eine inhalative Allergenprovokation entwickeln die Tiere in diesen Modellen eine Asthma-typische Erkrankung, die durch eine eosinophile Entzündung, bronchiale Hyperreagibilität und Becherzellemetaplasie gekennzeichnet ist. Um den therapeutischen Effekt von Wnt-Liganden zu untersuchen, wurden die Proteine während der Provokationsphase appliziert und deren Einfluss auf die Lungenfunktion, Entzündungsreaktion und Becherzellmetaplasie des Lungenepithels analysiert. Insbesondere die Gabe von kanonischem Wnt1 war in der Lage, in beiden Modellen alle Asthma-typischen Symptome zu reduzieren. Nicht-kanonisches Wnt5A konnte nur im schwächeren Ovalbumin-Modell die entstehende Entzündungsreaktion verringern. Die Detailanalysen der immunologischen Reaktion zeigten auch in vivo eine immunsupprimierende Wirkung auf dendritische Zellen und die T-Zell-Antwort. Die Beobachtungen in den Modellen zeigten auf eindrucksvoll Art und Weise, dass die Applikation von Wnt-Liganden die Entstehung einer allergischen Atemwegserkrankung verhindern kann und sich die Liganden als neu Therapie eignen [13}.

Abschließend wurde der Einfluss der Wnt-Signalwege auf menschliche Immunzellen in vitro evaluiert. Mit präliminären Untersuchungen zur Wirkung von Wnt auf humane dendritische Zellen und T-Zellen konnte gezeigt werden, dass vor allem Wnt1 die Aktivierung von T-Zellen durch dendritische Zellen inhibiert. Der in der Maus beobachtete potenzielle Wirkmechanismus scheint dadurch auch im Menschen relevant zu sein und macht eine Wnt-basierte Therapie zur gezielten Immunsuppression damit denkbar.

Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass die Wnt-Signalwege eine hohe anti-inflammatorische Wirkung haben, die auch in komplexen In-vivo-Modellen in der Lage sind, die Entzündung herunter zu regulieren. Dabei ist die Funktion der Wnt-Liganden vor allem aufgrund ihrer regulativen Eigenschaften auf die Interaktion von dendritischen Zellen und T-Zellen gekennzeichnet, was sowohl in murinen als auch humanen Untersuchungen gezeigt werden konnte. Die Manipulation vor allem des kanonischen Wnt-Signalweges könnte demnach ein interessantes therapeutisches Ziel zur Behandlung von Erkrankungen mit überschießenden adaptiven Immunantworten wie Asthma bronchiale darstellen. Zur vollständigen Aufklärung der Wirkmechanismen, der Validierung der Effekte im Menschen und dem Ausschließen von Nebeneffekten, die durch das große Wirkspektrum der Wnt-Liganden vermittelt werden könnten, sind noch weitere wissenschaftliche Studien nötig. Nach Abschluss der Dissertation wird diesen Fragen am neuen Standort an der Universitätsmedizin Essen nachgegangen und die Wirkung der Wnt-Signalwege in entzündlichen Lungenerkrankungen weiter erforscht.

Hendrik Beckert, Essen


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Danksagung

Ich freue mich sehr über den Preis und danke der Deutschen Lungenstiftung e. V., den Sponsoren von Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, bei deren Jahreskongress die Preisfeier stattfand, ganz herzlich. Es motiviert mich, den begonnenen Weg auch nach der Dissertation fortzusetzen und den unbekannten immunologischen Funktionen in Lungenerkrankungen nachzujagen.

Literatur

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Prof. Dr. C. Vogelmeier, Vorsitzender der Deutschen Lungenstiftung, mit den Preisträgern Dr. Robina Mick und Dr. rer. nat. Hendrik Beckert. Bildquelle: Mike Auerbach/DGP