Pneumologie 2019; 73(07): 441-442
DOI: 10.1055/a-0942-5580
Mitteilungen des DZK
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungsseiten des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK)

Further Information
DZK e. V. – Geschäftsstelle
Walterhöferstraße 11
14165 Berlin

Publication History

Publication Date:
10 July 2019 (online)

 

Neue Veröffentlichungen zur Tuberkulose-Diagnostik

Die Diagnose der Tuberkulose basiert neben dem klinischen und radiologischen Verdacht auf dem direkten Erregernachweis. Bei Verdacht auf Tuberkulose ist geeignetes Material sowohl mikroskopisch, molekularbiologisch als auch kulturell auf M. tuberculosis zu untersuchen. Dazu gehört bei einem positiven Nachweis immer auch eine Resistenztestung [1] [2]. In Deutschland liegt der Anteil der Patienten mit einer Resistenz gegen eines der Standardmedikamente bei 11,9 %. Der Anteil einer multiresistenten Tuberkulose (MDR-Tb), also einer Resistenz gegen Rifampicin und Isoniazid, liegt bei 3,0 % [3].
Weltweit schätzt die WHO, dass allein im letzten Jahr 558 000 Patienten an einer Rifampicin-resistenten Tuberkulose erkrankten. Insbesondere der Nachweis von Resistenzen stellt eine große Herausforderung dar. Nur 25 % der MDR-TB-Patienten werden diagnostiziert und einer entsprechenden Therapie zugeführt [4]. Der Zugang zu einer phänotypischen Resistenztestung ist aufgrund fehlender personeller, finanzieller und technischer Ressourcen in vielen Ländern der Welt begrenzt [4]. Die Kenntnis des Resistenzprofils ist aber die notwendige Voraussetzung für eine wirksame Therapie.


#

Vorhersagbarkeit von Resistenzen gegen Medikamente der Standardtherapie mittels DNA-Sequenzierung

CryPTIC – das internationale Konsortium zur Vorhersagbarkeit von Resistenzen bei Tuberkulose (Comprehensive Resistance Prediction for Tuberculosis: an international Consortium) hat im Oktober 2018 dazu eine spannende Publikation im New England Journal of Medicine veröffentlicht [5].

Insgesamt wurden 10 209 M. tuberculosis-Isolate aus über 16 Ländern untersucht und ausgewertet. Für 78 % der Stämme lag eine phäntoypische Resistenztestung vor. Die Autoren untersuchten nun, ob sich die Ergebnisse der phänotypischen Resistenztestung mittels Gesamtgenomsequenzierung (engl.: WGS = Whole genome sequencing) vorhersagen ließen. Lag ein Wildtyp vor, eine phylogenetische Mutation oder eine bekannte Mutation ohne Einfluss auf das Resistenzverhalten, wurde das Isolat als sensibel gewertet. Die Übereinstimmung mit der phänotypischen Resistenztestung für das Fehlen einer Resistenz, also für einen sensiblen Tuberkulosestamm, lag bei 98,5 %.

Des Weiteren wurde untersucht, inwieweit sich Resistenzen gegen eines der Erstrang-Medikamente vorhersagen ließen. Auf Grundlage von 9 bekannten Resistenzgenen konnte eine Vorhersage der phänotypischen Resistenz von 91,3 % für Pyrazinamid, von 94,6 % für Ethambutol, von 97,1 % für Isoniazid und von 97,5 % für Rifampicin getroffen werden.

Die Autoren schlussfolgern, dass sich eine Resistenz gegen eines der Erstrang-Medikamente mittels WGS zuverlässig vorhersagen lässt. In einigen Ländern ist geplant, die phänotypische Testung der vier Erstrang-Medikamente in naher Zukunft durch die genotypische Resistenztestung zu ersetzen. Es besteht Hoffnung, dass durch das WGS weltweit ein besserer Zugang zur Resistenztestung von M. tuberculosis-Stämmen gewährleistet werden kann, um eine wirksame Therapie anbieten zu können.


#

Goldstandard in Deutschland ist derzeit die Resistenztestung aus der Mykobakterienkultur

Es bleibt abzuwarten, ob die Erwartungen erfüllt werden können, die in die molekularbiologischen Verfahren der Resistenztestung gesetzt werden. Weitere Studiendaten von dieser hohen Qualität werden benötigt, um den Stellenwert des WGS in der Tuberkulosediagnostik zu definieren.

Die phänotypische Resistenztestung bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Goldstandard. Sie wird anhand einer kritischen Konzentration durchgeführt, oberhalb derer ein Erreger als resistent gilt. Die kritische Konzentration bezeichnet hierbei die niedrigste Konzentration eines Tuberkulosemedikamentes, das im Kulturmedium zu 99 % das Wachstum von Wildtyp-Tuberkulosebakterien hemmt. Veröffentlicht werden die kritischen Konzentrationen für Tuberkulosemedikamente durch die WHO.


#

Neue kritische Konzentrationen für Medikamente der Nicht-Standardtherapie

Für die Medikamente der Nicht-Standardtherapie wurde 2018 ein Report der WHO und des FIND-Konsortiums (Foundation for Innovative New Diagnostics) veröffentlicht, der die vorhandene Literatur zur Festlegung der kritischen Konzentrationen neu bewertet [6]. Neben der kritischen Konzentration wurden für einige Medikamente auch sogenannte klinische Breakpoints (CB) festgelegt. Diese bezeichnen eine Konzentration über der kritischen Konzentration, bei der ein klinisches Therapieansprechen wahrscheinlich ist. Für die Festlegung dieser klinischen Breakpoints werden neben mikrobiologischen Daten beispielsweise klinische und pharmakologische Daten berücksichtigt. Diese Angabe soll in erster Linie bei der individuellen klinischen Therapieentscheidung helfen.

Beispielsweise wurde für Moxifloxacin in der Flüssigkultur (MGIT = BACTEC™ Mycobacterial Growth Indicator Tube™ 960) die kritische Konzentration von 0,5 auf 0,25 mg/L gesenkt. Bis zum klinischen Breakpoint von 1,0 mg/L könnte jedoch mit einer erhöhten Dosierung von 800 mg Moxifloxacin behandelt werden. Die Autoren merken jedoch gerade für die Fluorchinolone an, dass die Datengrundlage für diese Empfehlungen sehr limitiert war [6].


#

Minimale Hemmkonzentrationen – mehr als eine zusätzliche Information ?

Eine präzise, wenn auch aufwendige Bestimmung der In-vitro-Empfindlichkeit eines Erregers ist die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK, engl.: MIC = minimal inhibitory concentration). Hierbei wird eine Verdünnungsreihe von verschiedenen Medikamentenkonzentrationen getestet und die niedrigste Konzentration eines Antibiotikums, die noch in der Lage ist, das Wachstum der Bakterien vollständig zu hemmen, wird als MHK bezeichnet.

Diese für andere Erreger etablierte Methode ist auch bei Tuberkulosebakterien durchführbar, um die Resistenzhöhe zu bestimmen. Patienten mit hoch resistenten Stämmen mit MHK-Werten knapp oberhalb der kritischen Konzentration könnten von einer Therapie mit einer höheren Dosis profitieren. Zur Etablierung von individuellen Therapieentscheidungen aufgrund von MHKs fehlen noch verlässliche Studiendaten. An dem oben beschriebenen Beispiel von Moxifloxacin wird jedoch deutlich, wie ein solches Vorgehen aussehen könnte. Die Korrelation von MHK-Daten mit einzelnen Resistenz-Mutationen kann zusätzliche Informationen liefern, um eine individualisierte Therapie zusammenzustellen.

Ihr DZK-Team

KONTAKT

DZK e. V.
Geschäftsstelle
Prof. Dr. Torsten Bauer
Walterhöferstraße 11
14165 Berlin

www.dzk-tuberkulose.de
Tel.: 030-814 909 22
E-Mail: info@dzk-tuberkulose.de


#
#
  • Literatur

  • 1 Schaberg T. et al. S2k-Leitlinie Tuberkulose im Erwachsenalter. Pneumologie 2017; 71: 441-442
  • 2 Migliori GB. et al. ERS/ECDC Statement: European Union standards for tuberculosis care, 2017 update. Eur Respir J 2018; DOI: 10.1183/13993003.02678-2017.
  • 3 Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2016. Berlin: Robert Koch-Institut; 2018
  • 4 Global TB Report 2018. Geneva: World Health Organization; 2018
  • 5 CRyPTIC Consortium and the 100,000 Genomes Project. Prediction of Susceptibility to First-Line Tuberculosis Drugs by DNA Sequencing. N Engl J Med 2018; 379: 1403-11415
  • 6 Technical Report on critical concentrations for drug susceptibility testing of medicines used in the treatment of drug-resistant tuberculosis. Geneva: World Health Organization; 2018

DZK e. V. – Geschäftsstelle
Walterhöferstraße 11
14165 Berlin

  • Literatur

  • 1 Schaberg T. et al. S2k-Leitlinie Tuberkulose im Erwachsenalter. Pneumologie 2017; 71: 441-442
  • 2 Migliori GB. et al. ERS/ECDC Statement: European Union standards for tuberculosis care, 2017 update. Eur Respir J 2018; DOI: 10.1183/13993003.02678-2017.
  • 3 Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2016. Berlin: Robert Koch-Institut; 2018
  • 4 Global TB Report 2018. Geneva: World Health Organization; 2018
  • 5 CRyPTIC Consortium and the 100,000 Genomes Project. Prediction of Susceptibility to First-Line Tuberculosis Drugs by DNA Sequencing. N Engl J Med 2018; 379: 1403-11415
  • 6 Technical Report on critical concentrations for drug susceptibility testing of medicines used in the treatment of drug-resistant tuberculosis. Geneva: World Health Organization; 2018