Fortschr Neurol Psychiatr 2019; 87(08): 445-461
DOI: 10.1055/a-0952-8075
Fort- und Weiterbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neues zu Diagnostik und Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms

Update on diagnostics and therapy of idiopathic Parkinson’s disease
Josefine Waldthaler
,
Lars Timmermann
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Josefine Waldthaler
Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg
Klinik für Neurologie
Baldingerstraße
35033 Marburg

Publication History

Publication Date:
20 August 2019 (online)

 

In Deutschland leben mindestens 300000 Menschen mit einem idiopathischen Parkinson-Syndrom. Aufgrund des demografischen Wandels ist mit einer stetig steigenden Zahl Betroffener zu rechnen. In diesem Beitrag werden die evidenzbasierte Diagnostik und Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms dargestellt. Insbesondere soll ein Überblick über die neuen Erkenntnisse und Entwicklungen der letzten Jahre gegeben werden.


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At least 300,000 people with idiopathic Parkinson’s disease are living in Germany. Due to the demographic change the number of affected patients is expected to increase continuously. This article presents the evidence-based diagnostics and therapy of idiopathic Parkinson’s disease. It provides an overview especially on new findings and developments in recent years.


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Epidemiologie

Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) ist mit einer Inzidenz von 100-200 Neuerkrankungen pro 100000 Einwohnern pro Jahr in Deutschland nach Morbus Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung.

Die Prävalenz der Parkinson-Krankheit nimmt mit dem Alter zu: Fast die Hälfte der Betroffenen erkrankt zwischen dem 50. und dem 60. Lebensjahr, weitere 20 % in noch höherem Alter. Mit dem demografischen Wandel und der steigenden Lebenserwartung ist somit mit einer Zunahme der Zahl Betroffener zu rechnen.


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Ätiologie

Was der Auslöser für den Verlust dopaminerger Neuronen beim IPS ist, bleibt weiterhin unklar. Es wird ein Zusammenspiel von Umweltfaktoren, Lebensstil und genetischer Prädisposition angenommen. Bekannte Risikofaktoren sind:

  • Alter,

  • männliches Geschlecht,

  • Exposition gegenüber Mangan oder Pestiziden (z. B. Rotenon, Paraquat). Genuss von Nikotin und Koffein scheinen das Risiko zu vermindern, an einem IPS zu erkranken.

Die große Mehrheit der Fälle ist sporadisch. Monogen erbliche Formen machen ca. 5–10 % aus. Daneben kommen familiäre Häufungen vor, ohne dass eine bekannte genetische Ursache identifiziert werden kann.

ABKÜRZUNGEN

CBS: kortikobasales Syndrom
COMT: Catechol-O-Methyltransferase
DBS: Deep Brain Stimulation
DGN: Deutsche Gesellschaft für Neurologie
FDG‑PET: 18F-Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie
FP‑CIT-Spect: [123I]N-ω-fluoropropyl-2β-carbomethoxy-3β-[4-iodophenyl]nortropane-SPECT (= DatScan)
GPi: Globus pallidus internus
IPS: idiopathisches Parkinson-Syndrom
LCIG: L-Dopa-Carbidopa Intestinal Gel
LED: L-Dopa-Äquivalenzdosis
MAO‑B: Monoaminoxidase B
MCI: Mild cognitive Impairment
MDS: Movement Disorders Society
MIBG-Szintigrafie: Metaiodbenzylguanidin-Szintigrafie
MoCA: Montreal Cognitive Assessment
MSA: Multisystematrophie
NMDA: N-Methyl-D-Aspartat
PARC: Parkinson associated Risk Complex
PARK: Parkinsonʼs disease associated genes
PD: Parkinsonʼs Disease
PEG: perkutane endoskopische Gastrostomie
PEJ: perkutane endoskopische Jejunostomie
PSP: Progressive supranuclear Palsy
RCT: Randomised clinical Trial
RCT: Randomized controlled trial
REM: Rapid Eye Movement
SSRI: selektiver Serotonin-Reuptake-Inhibitor
STN: subthalamischer Nukleus
THS: tiefe Hirnstimulation
UPDRS: Unified Parkinsonʼs Disease Rating Scale
Vim: ventraler intermedialer Nukleus
ZNS: zentrales Nervensystem


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Verlauf

Die Erkrankung verläuft insgesamt sehr individuell. Allgemein sind früherer Beginn, Tremordominanz und weibliches Geschlecht positive prognostische Faktoren für einen milderen Langzeitverlauf.


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Diagnose

Diagnosekriterien

FALLBEISPIEL

Erstdiagnose

Ein 58-jähriger Mann leidet seit ca. einem halben Jahr an Steifigkeit und Schmerzen im rechten Arm und einer Störung der Feinmotorik der rechten Hand. Seine Ehefrau habe sich beschwert, dass er beim Spazierengehen so langsam geworden sei. Außerdem schwinge sein rechter Arm nicht mehr mit, und die Hand zittere beim Gehen.

Vor einigen Jahren habe er eine Depression gehabt, sonst sei er nie ernsthaft krank gewesen. Ein Schädel-MRT sei unauffällig verlaufen. Auswärts wurde bereits ein Parkinson-Syndrom diagnostiziert und retardiertes Pramipexol verschrieben, das er aber noch nicht eingenommen habe.

In der klinischen Untersuchung zeigt sich eine einseitige Bradykinese mit leichtem Extremitätenrigor und einem Ruhetremor rechts. Zusammenfassend besteht bei dem Patienten somit ein klinisch wahrscheinliches rechtsbetontes idiopathisches Parkinson-Syndrom vom Äquivalenztyp im Stadium 1 nach Hoehn und Yahr.

Er habe eine medikamentöse Therapie bisher hinauszögern wollen, um Tabletten einzusparen. Andererseits sei er sehr aktiv und fühle sich inzwischen durch die herabgesetzte Beweglichkeit bei der Arbeit und beim Sport deutlich eingeschränkt. Deshalb wird vereinbart, die Therapie nun zu beginnen – auch um das Ansprechen der Symptome zu überprüfen.

Merke

Im klinischen Alltag fußt die Diagnose eines IPS weiterhin auf der gründlichen Anamnese, der vollständigen neurologischen Untersuchung und dem Ansprechen der Symptomatik auf L-Dopa.

Die Bradykinese stellt hierbei das entscheidende Symptom dar: Hiermit wird die Verlangsamung der Initiierung und Durchführung willkürlicher Bewegungen sowie eine Abnahme der Amplitude bei wiederholten Bewegungen beschrieben. Die Begriffe Bradykinese, Akinese und Hypokinese werden meist synonym verwendet.

Die UK-Brain-Bank-Kriterien von 1992 [3] galten über Jahrzehnte als der Goldstandard für die klinische Diagnose des IPS. Sie stellen die einzigen Kriterien dar, die mehrfach gegen die definitive neuropathologische Diagnose post mortem validiert wurden. Studien haben allerdings inzwischen gezeigt, dass erfahrene Untersucher die Diagnose eines IPS mit größerer Genauigkeit stellen, als es durch die strenge Anwendung der UK-Brain-Bank-Kriterien allein möglich ist.

2015 hat die Movement Disorders Society (MDS) neue Diagnosekriterien vorgestellt, die die entscheidende Rolle eines spezialisierten Neurologen besonders betonen. Neben neu definierten Ausschlusskriterien und Red Flags wurde auch die Symptomentwicklung im zeitlichen Verlauf stärker berücksichtigt als bei vorangegangen Klassifikationen. Außerdem hat Zusatzdiagnostik Beachtung gefunden, für die ein klarer Nachweis ihrer hohen Spezifität und Sensitivität besteht. Die neuen Kriterien sollen somit durch stärke Standardisierung den diagnostischen Prozess reproduzierbar machen [1].

Die aktuelle Version der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) von 2016 bezieht sich auf die langjährig anerkannten UK-Brain-Bank-Kriterien [2], [3]. In [Tab. 1] sind daher die Kriterien vergleichend dargestellt.

Tab. 1

Diagnosekriterien des IPS im Vergleich.

UK Parkinsonʼs Society Brain Bank Criteria [3]

MDS Clinical Diagnostic Criteria [1]

Diagnose eines Parkinson-Syndroms

Bradykinese plus mindestens 1 der folgenden Befunde:

  • Rigor

  • Ruhetremor

  • posturale Instabilität

Bradykinese plus mindestens 1 der folgenden Befunde:

  • Rigor

  • Ruhetremor

unterstützend für die Diagnose eines IPS

klassischer Ruhetremor

deutliches Ansprechen auf L-Dopa (> 30 % Besserung im UPDRS)

L-Dopa-induzierte Dyskinesien im Verlauf

anhaltendes Ansprechen auf L-Dopa über mehr als 5 Jahre

einseitiger Beginn und persistierende Asymmetrie im Verlauf

langsame klinische Progression über mehr als 10 Jahre

klassischer Ruhetremor

deutliches Ansprechen auf L-Dopa:

  • initial dramatische Besserung mit Therapiebeginn

  • L-Dopa-induzierte Dyskinesien im Verlauf

  • klar dokumentierte, deutliche Änderung der Symptomatik durch Dosisänderungen

  • Wirkfluktuationen mit Wearing-off

    L-Dopa-induzierte Dyskinesien im Verlauf

    pathologisches Ergebnis in Zusatzdiagnostik mit einer Spezifität > 80%:

  • schwere Hyposmie / Anosmie

  • pathologische MIBG-Szintigrafie

Ausschlusskriterien

Behandlung mit Neuroleptika, anderen auslösenden Medikamenten oder Toxinen im zeitlichen Zusammenhang zum Auftreten der Symptome

strukturelle Basalganglienveränderungen

zerebralen Bildgebung:

  • frontale Tumoren oder

  • Hinweise auf einen Hydrozephalus

rezidivierende zerebrale Ischämien mit stufenweiser Verschlechterung der Parkinson-Symptome

wiederholte Schädel-Hirn-Traumata gesicherte Enzephalitis in der Vorgeschichte

Rückbildung der Symptome über längere Zeiträume

Behandlung mit Neuroleptika, anderen auslösenden Medikamenten oder Toxinen im zeitlichen Zusammenhang zum Auftreten der Symptome plausible alternative Ursache, für die ein Zusammenhang mit Parkinson-Symptomen bekannt ist und die von einem Spezialisten nach vollständiger Evaluation als wahrscheinlicher als IPS beurteilt wird

supranukleäre vertikale Blickparese nach unten oder selektive Verlangsamung der Sakkaden nach unten

zerebelläre Zeichen

Symptome für mehr als 3 Jahre auf die unteren Extremitäten beschränkt Diagnose einer behavioralen Variante der frontotemporalen Demenz oder einer primär progressiven Aphasie innerhalb der ersten 5 Jahre

ideomotorische Apraxie, progressive Aphasie oder Hinweise auf kortikale sensorische Störung bei erhaltener primärer sensibler Wahrnehmung Nichtansprechen auf L-Dopa in ausreichend hoher Dosierung (600 mg / Tag) unauffällige nuklearmedizinische Darstellung der präsynaptischen Dopamin-Rezeptoren in FP‑CIT-Spect

Red Flags

frühe schwer beeinträchtigende Störung des autonomen Nervensystems positiver Babinski-Reflex, nicht anderweitig erklärt

ausgeprägter Antecollis

frühe posturale Instabilität und Stürze Apraxie

supranukleäre vertikale Blickparese zerebelläre Zeichen

demenzielle Entwicklung oder Halluzinationen im 1. Krankheitsjahr Nichtansprechen auf L-Dopa in ausreichend hoher Dosierung (1000 mg pro Tag) über mehrere Monate nach Ausschluss einer Malresorption

frühe schwer beeinträchtigende Störung des autonomen Nervensystems

  • orthostatische Hypotension mit Absinken des Blutdrucks um 30 mmHg systolisch oder 15 mmHg diastolisch innerhalb von 3 Minuten nach dem Aufstehen

  • schwere Blasenentleerungsstörung innerhalb der ersten 5 Jahre (nicht durch andere Ursachen bedingt), bei Männern in Kombination mit erektiler Dysfunktion

Zeichen einer Schädigung des ersten Motoneurons (positiver Babinski-Reflex allein nicht ausreichend)

ausgeprägter Antecollis oder Kontrakturen der Hände oder Füße innerhalb von 10 Jahren

frühe posturale Instabilität und Stürze innerhalb von 3 Jahren

regelmäßiges Nutzen eines Rollstuhls innerhalb von 5 Jahren

beidseitig symmetrische Symptome im gesamten Krankheitsverlauf

frühe bulbäre Zeichen: schwere Dysphonie, Dysarthrie oder Dysphagie innerhalb von 5 Jahren

inspiratorische Atemstörung (Stridor oder häufige inspiratorische Seufzer)

ausbleibendes Fortschreiten der motorischen Symptome über 5 Jahre (medikamentös bedingte Stabilität ausgeschlossen)

Ausbleiben von typischen nichtmotorischen Symptomen in den ersten 5 Krankheitsjahren

Die MDS-Diagnosekriterien unterscheiden ein klinisch etabliertes IPS von einem klinisch wahrscheinlichen IPS. Für beide ist das Fehlen von Ausschlusskriterien Voraussetzung.

Für die Diagnose des etablierten IPS müssen zwei unterstützende Merkmale und keine Red Flags vorliegen. Ein klinisch wahrscheinliches IPS ist definiert durch das sich ausgleichende Vorliegen von unterstützenden Merkmalen und bis zu zwei Red Flags, d. h. wenn ein Red-Flag-Kriterium vorhanden ist, muss mindestens auch ein unterstützendes Merkmal vorliegen.

Zum Staging des IPS wird weiterhin die Einteilung nach Hoehn und Yahr verwendet. Die motorische Symptomschwere wird in der Unified Parkinsonʼs Disease Rating Scale (UPDRS) erfasst, die in den letzten Jahren zunehmend von einer neuen Fassung, der MDS-UPDRS, abgelöst wurde. Wichtig zu beachten ist, dass hier zusätzliche Items enthalten sind, sodass die Summenwerte beider Scores nicht direkt vergleichbar sind.

Ansprechen auf L-Dopa

Das Ansprechen auf L-Dopa kann mit einem standardisierten Dopa-Test oder durch probatorische, chronische Behandlung überprüft werden.

Merke

Gerade bei De-novo-Patienten ist die Aussagekraft des Dopa-Tests zur Differenzierung eines IPS von atypischen Parkinson-Syndromen geringer als die der chronischen Behandlung mit L-Dopa.

Daher sollte bei klinischem Vorliegen eines Parkinson-Syndroms immer ein ausreichend hoch dosierter Therapieversuch mit L-Dopa (wenn nötig schrittweise bis 1000 mg pro Tag) über einen ausreichend langen Zeitraum von einigen Wochen erfolgen. In bestimmten Situationen kann der Dopa-Test dennoch zum schnelleren und objektiveren Abschätzen des Effektes von L-Dopa durchaus sinnvoll sein.

Der Apomorphin-Test ist nach aktueller Studienlage dem Dopa-Test nicht überlegen. Apomorphin, das nur s. c. verabreicht werden kann, hat gleichzeitig das höhere Nebenwirkungspotenzial für Übelkeit, Erbrechen und relevanten Blutdruckabfall. Deshalb sollte dem Dopa-Test der Vorzug gegeben werden, wenn keine Hinweise auf eine Malresorption vorliegen.

Zur Überprüfung des Therapieerfolgs und damit auch der Diagnose sollte die erste Follow-up-Untersuchung nach 3 Monaten erfolgen. Anschließend sind regelmäßige Wiedervorstellungen nach Bedarf, aber mindestens in einem Intervall von einem Jahr anzuraten.


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Bildgebung

Ein MRT des Schädels ist notwendig, um strukturelle Ursachen auszuschließen.Während beim IPS ein altersentsprechend unauffälliges MRT zu erwarten ist, finden sich bei atypischen Parkinson-Syndromen mitunter verschiedene bildgebende Hinweise, z. B., um nur einige zu nennen:

  • eine reduzierte Mittelhirn-Pons-Ratio und das „Kolibri“-Zeichen bei der Progressive supranuclear Palsy (PSP),

  • die einseitige kortikale Atrophie beim kortikobasalen Syndrom (CBS) oder

  • das „Hot-Cross-Bun“ bei der Multisystematrophie (MSA).

Viele dieser Zeichen, die meistens erst im Verlauf der Erkrankungen deutlich erkennbar werden, zeichnet eine relativ hohe Spezifität aus. Die Sensitivität ist allerdings insgesamt gering.

Cave

Deshalb darf dem Fehlen dieser Hinweise gerade zu Beginn der Erkrankungen keine zu große Bedeutung beigemessen werden.

Die Verbesserung der MRT-Scanner in den letzten Jahren hat eine direkte Darstellung einer krankheitsspezifischen Hyperintensität der dorsalen Substantia nigra bei IPS ermöglicht. Die Auffälligkeiten in den sogenannten Nigrosomen in T2*-Sequenzen bieten eine hohe Sensitivität und Spezifität zur Unterscheidung von Parkinson-Patienten von Gesunden, aber bisher nicht in der Abgrenzung der verschiedenen Parkinson-Syndrome untereinander. Aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von 3- oder 7-Tesla-Geräten in der klinischen Anwendung hat die Nigrosomen-Darstellung momentan allerdings nur selten Relevanz in der klinischen Diagnostik [2].

Merke

Nuklearmedizinische Diagnostik bleibt klinisch uneindeutigen, begründeten Fällen unter Abwägung von Nutzen und Risiko (Strahlenbelastung!) vorbehalten.

Das 123I‑FP‑CIT-SPECT oder DatScan™ stellt den postsynaptischen Dopamintransporter DaT dar. Eine Minderanreicherung des Tracers in den Basalganglien stützt klar die Diagnose eines neurodegenerativen Parkinson-Syndroms, z. B. in Abgrenzung zum essenziellen Tremor oder einem Neuroleptika-induzierten Parkinsonoid.

Zur Differenzierung des IPS von atypischen Parkinson-Syndromen wurde in den letzten Jahren das IBZM-Spect zunehmend vom 18-Fluoro-Deoxyglucose-Positronenemissionstomogramm (FDG‑PET) des Gehirns abgelöst, das eine höhere Sensitivität und Spezifität aufweist und nicht durch dopaminerge Medikation verfälscht wird. Die verschiedenen Parkinson-Syndrome unterscheiden sind hier in ihrem typischen Verteilungsmuster der herabgesetzten Glukoseverstoffwechselung [5].

Zur Unterscheidung einer Multisystematrophie (MSA) von einem idiopathischen Parkinson-Syndrom kann die MIBG-Szintigrafie des Myokards hilfreich sein.


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Genetische Testung

In insgesamt ca. 5–10 % aller IPS-Fälle findet sich eine klar monogen erbliche Form mit Nachweis einer auslösenden Mutation im einem der bereits identifizierten Gene [6]. Nicht alle der 20 ursprünglich in als „PARK“ klassifizierten Genloci haben sich in wiederholten Analysen bestätigt. Einige führen zu einem anderen Phänotyp, der sich deutlich von einem IPS unterscheidet. Die klinisch relevanten und bestätigten genetischen Ursachen eines IPS sind in [Tab. 2] dargestellt. Die autosomal-rezessiv vererbten Varianten führen zu einer sehr frühen Erstmanifestation, während der Krankheitsbeginn bei den autosomal-dominant vererbten Formen variabel und später liegt.

Merke

Zusammenfassend ist daher bei Patienten mit einer Krankheitsmanifestation vor dem 45. Lebensjahr oder bei mindestens zwei ebenfalls betroffenen Verwandten ersten Grades eine humangenetische Beratung und Testung sinnvoll und gerechtfertigt.

Tab. 2

Bestätigte monogene Ursachen eines IPS-Phänotyps.

Gen

Häufigkeit

Phänotyp, Erkrankungsalter

Besonderheiten

autosomal-dominant

PARK 1

PARK 4

SNCA

Early Onset / klassisches IPS (je nach Mutation Alter 30-60 Jahre)

Punktmutationen und Duplikationen; zusätzlich Risikovarianten, bei Duplikationen häufig Demenz

PARK 8

LRRK2

ca. 5 % der familiären und 3 % der sporadischen IPS-Fälle

klassisches IPS

sowohl krankheitsverursachende Mutationen als auch Risikovarianten, inkomplette Penetranz

PARK 17

VPS35

einzelne Familien

klassisches IPS

autosomal-rezessiv

PARK 2

Parkin

bis zu 18 % der Early-Onset-IPS-Fälle

Early-Onset-IPS (20-40 Jahre)

langsam progredient, sehr gutes Ansprechen auf L-Dopa; oft Fußdystonie

PARK 6

PINK-1

4 % der Early-Onset-IPS-Fälle

Early-Onset-IPS

ähnlicher Phänotyp wie PARK2

PARK 7

DJ-1

ca. 1 % der Early-Onset-IPS-Fälle

Early-Onset-IPS

ähnlicher Phänotyp wie PARK 2 und 6, eventuell mehr psychiatrische Symptome

Zusätzlich werden immer mehr genetische Varianten in bestimmten Suszeptibilitätsgenen (besonders hervorzuheben GBA, LRKK2, SNCA, MAPT) durch genomweite Assoziationsstudien identifiziert, die das Erkrankungsrisiko des IPS modulieren. Ihr Vorkommen in unterschiedlichen Populationen wie auch der Einfluss verschiedener Varianten auf das Erkrankungsrisiko sind sehr variabel.



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Nichtmotorische Symptome

In den letzten Jahren rücken die nichtmotorischen Symptome immer weiter in den Fokus der wissenschaftlichen und klinischen Aufmerksamkeit, die zum Teil Jahre vor der klinischen Manifestation der motorischen Symptome auftreten. So zeigen Individuen mit dem sogenannten Parkinson associated Risk Complex (PARC) noch keine motorischen Kardinalsymptome, weisen aber eine Kombination der typischen nichtmotorischen Beschwerden – insbesondere Störung des REM-Schlafverhaltens, Riechstörung, Depression, Obstipation – auf, die mit einem deutlich erhöhten Risiko für das Auftreten eines IPS assoziiert sind.

Die Diagnose eines PARC hat aktuell zwar keine bzw. eine rein symptomatische Therapiekonsequenz der einzelnen Beschwerden. Die Identifizierung dieser Patienten verspricht allerdings den potenziell größten therapeutischen Nutzen zukünftiger krankheitsmodifizierender Therapien. Hierfür hat die MDS ebenfalls bereits Diagnosekriterien vorgelegt [7].

Die Ausprägung der verschiedenen nichtmotorischen Beschwerden ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich.

Cave

Das Vorliegen kognitiver Defizite, einer Störung des REM-Schlafverhaltens und einer orthostatischen Dysregulation sind ungünstige Faktoren für die Langzeitprognose [8].


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Therapieoptionen des IPS

Medikamentöse Primärtherapie

Die medikamentöse Primärtherapie der motorischen Symptome des IPS fasst [Tab. 3] zusammen [9].

Die Symptome und der Verlauf des IPS sind sehr individuell. Daher sollten auch die persönlichen Anforderungen des Patienten an seine Medikation – unter anderem Berufstätigkeit, Freizeitaktivitäten, soziale Aspekte, Lebensqualität, Pflegebedürftigkeit und Nebenerkrankungen – eine wichtige Rolle bei der Auswahl der optimalen Therapie spielen.

Merke

Es bleibt hervorzuheben, dass für keines der zugelassenen Medikamente eine krankheitsmodifizierende Wirkung ausreichend belegt ist.

Der als Ergebnis der ADAGIO-Studie vermutete neuroprotektive Effekt hat sich in der Folge nicht bestätigt. Aktuell existiert keine ausreichende Evidenz für einen krankheitsmodifizierenden Effekt der MAO‑B-Hemmer.

Tab. 3

Medikamentöse Therapie der motorischen Symptome des IPS [9].

Substanzklasse

in Deutschland zugelassene Substanzen

wichtige Nebenwirkungen (Auswahl)

Bemerkungen

L-Dopa + Carboxylasehemmer

L-Dopa + Carbidopa L-Dopa + Benserazid auch als retardierte und schnell wirksame Präparate

Übelkeit Blutdruckabfall, Schwindel Dyskinesien im Verlauf

als Monotherapie und in Kombination

Non-Ergot-Dopaminagonisten[*]

Rotigotin (transdermal) Pramipexol Pramipexol retard Pirebedil Ropinirol Ropinirol retard Apomorphin (s. c.)

Übelkeit, Blutdruckabfall, Schwindel Tagesmüdigkeit, Einschlafattacken – Cave: Die Fahrtauglichkeit kann eingeschränkt sein! Impulskontrollstörung – Cave! Verwirrtheit, Halluzinationen Rotigotin und Apomorphin: Hautveränderungen

als Monotherapie des frühen IPS (bei jungen Patienten) und in Kombination

MAO‑B-Hemmer

Rasagilin Selegilin

Übelkeit, Schwindel Müdigkeit Cave: Wechselwirkungen mit anderen MAO-Hemmern, Johanniskraut, SSRI, Sympathomimetika u. a.

Monotherapie des frühen IPS und als Add-on bei Fluktuationen

  • zusätzlich Dopamin- und Glutamat-Modulator

Safinamid

nur als Add-on bei Fluktuationen und Dyskinesien

COMT-Hemmer

Entacapon Tolcapon Opicapon

Übelkeit, Schwindel, Schwitzen Diarrhö Dyskinesien harmlose Gelbfärbung des Urins Tolcapon: Leberfunktionsstörung – Cave: regelmäßige Kontrollen der Leberfunktion erforderlich!

nur als Add-on zu L-Dopa bei Fluktuationen

NMDA-Antagonisten

Amantadin

Schwindel, Übelkeit anticholinerg Nervosität, Unruhe Verwirrtheit, Halluzinationen QT-Zeit-Verlängerung

vorwiegend als Add-on bei Dyskinesien oder Gangstörung

* Ergot-Dopaminagonisten (nicht aufgeführt) wie Bromocriptin und Cabergolin dürfen aufgrund ihres sehr ungünstigen Nebenwirkungsprofils in Hinblick auf Fibrosen nur noch in Ausnahmefällen unter strenger Beachtung der Fachinformation eingesetzt werden.


FALLBEISPIEL

Impulskontrollstörung

Der gleiche Patient stellt sich 3 Monate später erneut vor und berichtet, dass er sich unter Einnahme von Pramipexol sehr gut fühle. An manchen Tagen vergesse er die Erkrankung völlig.

Auch in der klinischen Untersuchung zeigt sich eine deutliche Besserung des UPDRS.

Erst zum Ende des Besuchs hin gibt der Patient an, doch noch eine Auffälligkeit festgestellt zu haben, die ihm etwas unangenehm sei. Seit einigen Monaten gehe er nach der Arbeit gelegentlich ins Casino und setze dort mitunter Geldbeträge, die ihm im Nachhinein manchmal zu hoch vorkämen. Dies sei sonst gar nicht seine Art, und mit seiner Frau sei es deshalb schon mehrfach zu Streitereien gekommen. Dann sei er auch viel aufbrausender als früher. Auf Nachfrage berichtete er, an Gewicht zugenommen zu haben, weil er oft spätabends den Kühlschrank „plündere“.

Die Symptome sind Folge einer Impulskontrollstörung und damit der Therapie mit dem Dopaminagonisten. Dem Patienten wird dringend geraten, die Therapie umzustellen. Nach einem Wechsel auf Ropinirol sistieren die Symptome fast vollständig. – Nur bei Süßigkeiten könne er sich ab und zu nicht beherrschen …

PRAXIS

Impulskontrollstörung

Impulskontrollstörungen treten bei ca. 15 % der Patienten unter einer Therapie mit Dopaminagonisten auf. Am häufigsten kommt es zu gestörter Impulskontrolle bezüglich

  • Glücksspiel,

  • Sexualtrieb,

  • Essverhalten,

  • Einkaufen,

  • Internetaktivität.

    Risikofaktoren sind:

  • männliches Geschlecht,

  • junges Alter,

  • früher Krankheitsbeginn,

  • Substanzmissbrauch,

  • bipolare Erkrankungen,

  • Spielsucht in der Eigen- oder Familienanamnese.

Andere Störung der Impulskontrolle umfassen Punding (stereotypes Wiederholen sinnloser Tätigkeiten) und das Dopa-Dysregulationssyndrom (selbstständige, unkontrollierte Einnahme inadäquat hoher Dosen L-Dopa). Während die Impulskontrollstörung häufiger unter einer Therapie mit Dopaminagonisten beobachtet wird, kommt das Dopa-Dysregulationssyndrom insbesondere bei kurzwirksamen, hochpotenten dopaminergen Substanzen vor (Apomorphin, L-Dopa) [11].

Tipps

▪ In Hinblick auf die mitunter sehr schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Impulskontrollstörungen muss das Bewusstsein der Patienten, Angehörigen und Behandler für diese Nebenwirkung weiter gestärkt werden.

▪ Bei Hinweisen auf eine Impulskontrollstörung ist eine medikamentöse Umstellung notwendig.

Bei jüngeren Patienten sollte aufgrund der zu erwartenden langen Lebenserwartung mit einem Dopaminagonisten begonnen werden, um das Auftreten von Dyskinesien hinauszuzögern. Die Wirksamkeit der verschiedenen Non-Ergot-Dopaminagonisten auf die motorischen Symptome ist vergleichbar, aber insgesamt weniger effektiv als die von L-Dopa [10]. Bei der Auswahl des Präparates sollten die vom Patienten bevorzugte Applikationsform (Pflaster versus Tablette), seine Compliance bei der Tabletteneinnahme (retardiert versus unretardiert) und seine nichtmotorischen Symptome bedacht werden:

  • Rotigotin wirkt sich besonders positiv auf Schlafstörungen aus.

  • Pramipexol hat einen antidepressiven Effekt.

  • Piribedil scheint weniger häufig zu Tagesmüdigkeit und Einschlafattacken zu führen als die übrigen Dopaminagonisten.

Wenn der Patient den erstgewählten Dopaminagonisten verträgt, sollte dieser bis zu einer effektiven Dosis titriert werden. Bei Auftreten von Nebenwirkungen (s. a. Infobox Impulskontrollstörung) ist ein Wechsel auf einen anderen Dopaminagonisten durchaus sinnvoll, da Metaanalysen darauf hinweisen, dass sich die Nebenwirkungsprofile unterscheiden können.

Bei älteren Patienten ist aufgrund von Komorbiditäten, häufigeren Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Blutdruckregulation L-Dopa der Vorzug gegenüber Dopaminagonisten in der Primärtherapie zu geben.

Anticholinergika sind keine Medikamente der 1.Wahl beim IPS. Sie sollten nur bei anders nicht beherrschbarem Tremor bei jüngeren, kognitiv intakten Patienten unter Berücksichtigung des Nebenwirkungsprofils zur Anwendung kommen.

Nahrungsergänzungsmittel sind weiterhin sehr beliebt bei Patienten, da sie einfach verfügbar und meist gut verträglich sind. Für Coenzym Q10, Kreatin und ähnliche Substanzen ist allerdings kein klinischer Nutzen durch Studien belegt.


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Therapie der motorischen Komplikationen

In der ELLDOPA-Studie wurde erstmals die dosisabhängige Wirkung sowie die Entwicklung von Dyskinesien von L-Dopa belegt. Bezüglich eines protektiven oder gar toxischen Effekts von L-Dopa auf die dopaminergen Neurone war die Studie allerdings nicht eindeutig [12]. Epidemiologische Studien weisen inzwischen darauf hin, dass ein verzögerter Beginn einer L-Dopa-Therapie das Auftreten von Dyskinesien nicht zu verzögern scheint. Dyskinesien treten unter L-Dopa-Therapie nach 4-6 Jahren bei mindestens der Hälfte und im weiteren Verlauf bei nahezu allen Patienten auf.

Merke

Allgemein sollte daher bei Therapie mit L-Dopa eine möglichst niedrige, aber ausreichend wirksame Dosis gewählt werden.

Bei Auftreten von Dyskinesien können Dopaminagonisten, Amantadin und Safinamid als Add-ons verwendet werden. Daneben kommt es fast immer auch zu Wirkfluktuationen mit Wearing-off und mitunter schmerzhaften Off-Dystonien. Zur Minderung der Off-Phasen kommen zusätzlich Rasagilin und COMT-Hemmer zum Einsatz.


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Neue Therapieoptionen

FALLBEISPIEL

Beginnende Fluktuationen

5 Jahre später kommt der gleiche Patient nach längerer Pause wieder in die Sprechstunde. Es sei ihm in den letzten Jahren gut gegangen, und er habe sich mit der Krankheit arrangiert. Im Verlauf habe die Monotherapie mit Ropinirol nicht mehr ausgereicht, sodass man L-Dopa hinzugenommen habe.

Seit ca. einem halben Jahr falle es ihm nun aber schwerer, morgens aus dem Bett aufzustehen. Seine Frau bemerke, dass er manchmal seltsame Überbewegungen der Arme mache. Andererseits käme es tagsüber aber auch immer mal zum Nachlassen der Wirkung von L-Dopa. Die Dosis habe er selbstständig bereits angehoben; dennoch spüre er oft das Verlangen, mehr davon einzunehmen.

Der Patient führt für eine Woche ein ausführliches Bewegungsprotokoll. Bei der Wiedervorstellung wird hieraus ersichtlich, dass es jeweils eine Stunde nach der Einnahme von L-Dopa zu Dyskinesien und ca. drei Stunden später zu einem Wearing off kommt. Zur Verlängerung des Wirkintervalls wird Opicapon begonnen. Die Wirkung der Medikamente sei daraufhin in der Folge kontinuierlicher. Allerdings sei er vermehrt überbeweglich, was ihm in der sozialen Interaktion vor allem bei der Arbeit unangenehm sei. In den nächsten Monaten wird deshalb Safinamid ergänzt.

In den letzten Jahren sind in Deutschland zwei neue Medikamente zur Behandlung des IPS zugelassen worden:

Opicapon, seit Oktober 2016 in Deutschland verfügbar, ist neben Entacapon und Tolcapon der dritte erhältliche COMT-Hemmer, der als Add-on zu L-Dopa eingesetzt werden kann. Opicapon konnte in der Dosierung von 50 mg in einem RCT die Off-Phasen um knapp 2 Stunden pro Tag reduzieren. Damit ist die Wirksamkeit von Opicapon in niedrigen Dosen mit der von 200 mg Entacapon vergleichbar. Vorteil im Vergleich zu Entacapon ist allerdings die nur einmal tägliche Gabe. Zudem kann unter Opicapon oft die L-Dopa-Dosis reduziert werden [13].

Safinamid ist seit Frühling 2015 als Add-on zu L-Dopa beim IPS mit Wirkfluktuationen und Dyskinesien in Deutschland zugelassen. Es bietet einen dualen Wirkmechanismus: Neben einer Hemmung der MAO‑B wirkt es als Dopamin- und Glutamatmodulator, indem es aktivitätsabhängig den präsynaptischen Natriumeinstrom in glutamatergen Neuronen blockiert. Man geht davon aus, dass eine überschießende Glutamatfreisetzung zur Entstehung von Dyskinesien beiträgt.

Die Einnahme von Safinamid führte in der Zulassungsstudie über 24 Wochen zu einer durchschnittlichen Zunahme der Zeit im On um 1,5 Stunden pro Tag. Im Vergleich zu Placebo besserten sich UPDRS und Lebensqualität signifikant. Der Effekt blieb auch in einer Verlängerungsstudie über 2 Jahre nachweisbar. Die zugelassenen Dosierungen 50 mg und 100 mg unterschieden sich in der Wirksamkeit auf die Motorik kaum. Da in der Studie aber die höhere Dosierung stärkere Auswirkung auf die Lebensqualität hatte, sollte im klinischen Alltag eine Dosis von 100 mg einmal täglich angestrebt werden [14].


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Kontinuierliche Therapie des fortgeschrittenen IPS

Tiefe Hirnstimulation

FALLBEISPIEL

Tiefe Hirnstimulation

Zwei Jahre später berichtet der Patient, dass die Wirkfluktuationen weiter zugenommen hätten. Manchmal könne er inzwischen nicht mehr gut vorhersagen, ob, wann und wie die Medikamente wirken. Inzwischen sei er auch berentet worden. In der Indikationsprüfung für eine tiefe Hirnstimulation ergeben sich keine relevanten kognitiven Defizite, keine Depression und ein weiterhin sehr gutes Ansprechen im L-Dopa-Test. Nach ausführlicher Diskussion einigt man sich auf die Implantation einer tiefen Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus. Drei Monate später kann die Dosis der dopaminergen Medikation auf ungefähr die Hälfte reduziert werden. Die Beweglichkeit sei deutlich gleichmäßiger im Tagesverlauf, auch nachts sei er gehfähig. Dass nun wieder regelmäßige Spaziergänge mit seiner Frau möglich sind, habe beiden Lebensqualität zurückgegeben. Aufgrund einer zunehmenden Dysarthrie werden die Stimulationsparameter noch einmal angepasst.

Die tiefe Hirnstimulation (THS, englisch Deep Brain Stimulation, DBS) stellt eine sehr effektive Therapie für ausgewählte Patienten mit medikamentös schwer beherrschbaren Fluktuationen und Dyskinesien oder einem medikamentös nicht kontrollierbaren Tremor dar. Die Indikation sollte allerdings in einem multidisziplinären Team sehr sorgfältig geprüft werden.

Die Evaluation der THS beinhaltet folgende Untersuchungen:

  • eine kranielle MRT-Bildgebung,

  • ein kurzes internistisches Work-up (EKG, Röntgenthorax und Abdomensonografie),

  • eine logopädische, psychiatrische und ausführliche neuropsychologische Beurteilung.

  • Außerdem sollte in einem standardisierten Dopa-Test die Wirksamkeit auf die motorischen Symptome und damit das Potenzial der THS festgestellt werden.

PRAXISTIPP

Als Faustregel ist festzuhalten, dass all die Symptome, die sich durch Dopa bessern, auch durch die THS im Nucleus subthalamicus (STN) positiv beeinflusst werden. Die Ausnahme stellt hier ein pharmakoresistenter Tremor dar, der durch die THS meist sehr effektiv behandelt werden kann.

Im Umkehrschluss gibt es auch typische Symptome, die durch die THS nicht behandelbar sind und teilweise sogar negativ beeinflusst werden können: Hierbei seien genannt: u. a. Freezing of Gait im medikamentösen On, Dysarthrie, kognitive Defizite und neuropsychiatrische Symptome.

Über diese Möglichkeiten und Grenzen der THS müssen Patienten ausführlich aufgeklärt werden, um eine unrealistische Erwartungshaltung zu vermeiden. Bei der Abschätzung von Therapiezielen sollten die individuellen Risiken und Limitationen des Patienten einbezogen werden.

Die EARLYSTIM-Studie verglich STN‑THS mit bestmöglicher pharmakologischer Therapie in einem Patientenkollektiv, das deutlich jünger war und eine kürzere Krankheitsdauer und geringere L-Dopa-Äquivalenzdosis (LED) aufwies als die Kohorten vorheriger Studien. Hierbei wurde in der THS-Gruppe eine Überlegenheit gegenüber medikamentöser Therapie in Lebensqualität, motorischer Symptomschwere, Wirkfluktuationen und Aktivitäten des täglichen Lebens nachgewiesen. Komplikationen im Zusammenhang mit dem chirurgischen Vorgehen traten in 18 % der Fälle auf [15].

Merke

Als Ergebnis der EARLYSTIM-Studie kann eine THS bei Patienten unter 60 Jahren auch in den ersten drei Jahren nach Diagnosestellung mit beginnenden Wirkfluktuationen empfohlen werden.

Bei diesen Patienten sollte allerdings nach Empfehlung der DGN-Leitlinie im Dopa-Test eine Verbesserung um mindestens 50 % im UPDRS erreicht werden.

Bei Kontraindikationen für eine tiefe Hirnstimulation im subthalamischen Nukleus (STN) kommen bei einigen Patienten zwei alternative Zielpunkte in Betracht: der Globus pallidus internus (GPi) sowie Kerngebiete des Thalamus (ventraler intermedialer Nukleus, Vim).

Eine GPi-Stimulation führt zu einer ähnlichen Wirkung auf die motorischen Symptome wie eine STN‑THS, allerdings ohne dass die dopaminerge Medikation signifikant reduziert werden kann. Neuropsychiatrische Nebenwirkungen treten seltener auf als bei einer STN-Stimulation. Die tiefe Hirnstimulation im Vim bleibt Patienten mit einem ganz im Vordergrund stehenden Tremor vorbehalten. Hierbei ist keine Besserung der übrigen motorischen Symptome zu erwarten.

Die seit wenigen Jahren verfügbare neue Generation von THS-Elektroden erlauben durch direktionale Kontakte eine feinere individuelle Anpassung des elektrischen Feldes der THS. Wie inzwischen in Studien nachgewiesen, lässt sich durch das neue Elektrodendesign ein größeres therapeutisches Fenster erreichen. Dies kann insbesondere bei suboptimaler Lage der Elektroden mit Vorliegen von stimulationsassoziierten Nebenwirkungen hilfreich sein.

Daneben finden sich in der Literatur immer mehr Hinweise auf den potenziellen Nutzen verschiedener spezieller Stimulationstechniken bei schwer kontrollierbaren Symptomen wie Freezing of Gait oder stimulationsinduzierter Dysarthrie, z. B. Interleaving-Stimulation, Änderung der Stimulationsfrequenz oder Impulsbreite. Hier bleiben aktuell noch die Ergebnisse größerer, verblindeter Studien abzuwarten.


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Infusionstherapien

Eine effektive Alternative zur THS stellt die kontinuierliche Applikation von Medikamenten über Pumpen dar [16]. Hierfür stehen in Deutschland Apomorphin und Duodopa zur Verfügung. Beide Systeme werden meist tagsüber während der gesamten wachen Phase getragen und nur während der Nachtruhe ausgeschaltet.

Apomorphin ist ein schnell und kurz wirksamer Dopaminagonist mit einer sehr geringen oralen Bioverfügbarkeit, sodass er über eine subkutane Gabe zugeführt wird. Als Pen dient Apomorphin der schnellen Behandlung von abrupten Off-Phasen, als s. c. Pumpe der Minderung von Wirkfluktuationen.

Apomorphin weist ein ähnliches Nebenwirkungsspektrum wie die übrigen Dopaminagonisten auf. Zusätzlich kann es zu Hautreizungen und Knötchenbildung an den Einstichstellen kommen. Der oft starken Übelkeit zu Beginn der Behandlung sollte durch medikamentöse Prophylaxe vorgebeugt werden. Jedoch können arterielle Hypotonie oder die Induktion von Halluzinationen oder Verwirrtheit bei einigen Patienten limitierende Nebenwirkungen seien.

Daneben bietet L-Dopa-Carbidopa Intestinal Gel (LCIG) oder Duodopa eine kontinuierliche Gabe von L-Dopa über einer PEG- / PEJ-Sonde. So wird eine schnellere Absorption bei vergleichbarer Bioverfügbarkeit und geringeren Schwankungen der L-Dopa-Konzentrationen im Tagesverlauf erreicht. Im Langzeitverlauf brechen allerdings ca. ein Fünftel der Patienten die Therapie ab. Neben fehlender Compliance oder Wirksamkeit sind besonders Komplikationen in Form von Sondendislokationen und ‑infektionen mögliche Gründe.

Als Entscheidungshilfe zur Pumpentherapie und zur tiefe Hirnstimulation mag [Tab. 4] dienen [2].

Tab. 4

Entscheidungshilfe Pumpentherapie und tiefe Hirnstimulation (modifiziert nach DGN-Leitlinie [2]).

Kriterium

Apomorphin s. c. Pumpe

L-Dopa-Pumpe über PEJ

tiefe Hirnstimulation im STN

tiefe Hirnstimulation im GPi

tiefe Hirnstimulation im Thalamus (Vim)

Alter < 70 Jahre

++

++

++

++

++

Alter > 70 Jahre

+

++

+

+

leichtere kognitive Störung

+

++

–[ 1 ]

+

+

PD-Demenz

+

+

medikamentös induzierte Psychose

[+]

+

(+)[ 2 ]

+

therapieresistenter Tremor

++

+

++[ 3 ]

Testbarkeit

++

+[ 4 ]

eingeschränkte Versorgungs- / Pflegesituation

(+)

(+)

(+)

+ geeignet; ++ besonders geeignet; – nicht geeignetGPi = Globus pallidus internus; STN = subthalamischer Nukleus; Vim = ventraler intermedialer Nukleus


1 Häufiger neuropsychiatrische Nebenwirkungen als bei den anderen Stimulationszielen.


2 Keine Medikamentenreduktion zu erwarten.


3 Ausschließlich Wirkung auf Tremor, nicht auf die übrigen motorischen Symptome!


4 Testphase über nasojejunale Sonde vor der PEG / PEJ-Anlage.



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Nichtmotorische Symptome

[Tab. 5] gibt einen Überblick über die wichtigsten nichtmotorischen Symptome und mögliche Behandlungsstrategien.

Tab. 5

Häufige nichtmotorische Symptome und ihre Behandlung.

Symptom

nichtmedikamentöse Therapie (Auswahl)

medikamentöse Therapie (Auswahl)

Obstipation

regelmäßige Bewegung ausreichende Flüssigkeits- und Ballaststoffzufuhr

Macrogol Flohsamenschalen Prucaloprid

Blasenentleerungsstörung

Ausschluss bzw. Behandlung anderer Ursachen, z. B. Prostatahyperplasie oder Beckenbodensenkung bei Nykturie: abendliche Koffeinkarenz

Anticholinergika

erektile Dysfunktion

Sildenafil (Cave bei orthostatischer Hypotension)

orthostatische Hypotension

langsamer Lagewechsel ausreichende Flüssigkeitszufuhr bis 3 l pro Tag salzreiche Kost, häufigere, kleinere Mahlzeiten Kompressionsstrümpfe Hochlagerung des Oberkörpers während der Nachtruhe ggf. Reduktion der Einzeldosis von L-Dopa, wenn zeitlicher Zusammenhang

Sympathomimetika (Cave bei arterieller Hypertonie in Ruhe) Fludrocortison

Tagesmüdigkeit

Schlafhygiene Wechsel / Absetzen des Dopaminagonisten (vor allem bei Einschlafattacken)

Methylphenidat / Modafenil

Durchschlafstörung

Schlafhygiene (regelmäßiger Schlaf-wach-Rhythmus, „Routinen“, keine Bildschirmarbeit vor dem Zubettgehen usw.)

Rotigotin oder retardiertes Ropinirol (bei nächtlicher Akinesie) Zopiclon Melatonin?

Depression

psychosoziale Beratung Psychotherapie Lichttherapie?

zunächst: ausreichende dopaminerge Therapie trizyklische Antidepressiva SSRI, Venlafaxin

Störung des REM-Schlafverhaltens

Benzodiazepine, 1. Wahl Clonazepam (bei selbst- oder fremdverletzendem Verhalten im Schlaf)

kognitive Störung

Erhalt der sozialen Kontakte, anregende Umgebung Ergotherapie neuropsychologisches Training

Rivastigmin Donepezil (Off-Label Use)


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Das fortgeschrittene IPS

Kognitive Störung

FALLBEISPIEL

Posturale Instabilität und Parkinson-Demenz

Einige Jahre später kommt der Patient in Begleitung seiner Ehefrau zur Verlaufskontrolle. Leider habe seine kognitive Leistungsfähigkeit inzwischen deutlich nachgelassen, sodass er immer mehr Unterstützung seiner Frau im Alltag brauche. Nachts sei er oft unruhig, weil er ängstigende Halluzinationen habe. Trotz Umstellungen der Stimulationsparameter der THS stürze er weiterhin oft, meistens in Freezing-Episoden. Die Ehefrau empfindet ihn in diesen Situationen oft als sehr ungestüm und unvorsichtig. Außerdem sei er aufgrund der Dysarthrie manchmal schwer verständlich, was ihn dann schnell verärgere. Insgesamt sei die ganze Familie belastet von der Situation.

Der Dopaminagonist wird aufgrund der Halluzinationen ausgeschlichen und Quetiapin zur Nacht hinzugenommen, wodurch der Patient deutlich ruhiger wird. Durch Gabe von Rivastigmin nimmt in der Folge auch die Sturzhäufigkeit etwas ab. Neben der regelmäßigen Physiotherapie werden Ergotherapie und Logopädie wieder aufgenommen. Hier liegt der Fokus nun auf dem Erhalt der Alltagsfunktionen.

Die leichte kognitive Störung (mild cognitive Impairment, MCI) betrifft etwa ein Drittel der IPS-Patienten innerhalb der ersten 5 Krankheitsjahre. Hierbei ist eine frontale Dysfunktion mit Problemen in den Bereichen Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen am häufigsten, ohne dass es zu relevanten Einschränkungen im täglichen Leben kommt (in Abgrenzung zur Parkinson-Demenz). Das MCI der Exekutivfunktionen scheint nicht generell mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Parkinson-Demenz (s. Infobox „Hintergrundinformation“) assoziiert zu sein. Störungen des Gedächtnisses und der visuell-konstruktiven Fähigkeiten hingegen zeigen das Fortschreiten der kognitiven Störung zu einer Demenz an.

Merke

Das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) erfasst die Störungen frontalbasierter kognitiver Domänen besonders ausführlich, weshalb er dem Mini Mental Status-Test als globaler Suchtest für die kognitive Störung des IPS im klinischen Alltag vorgezogen werden sollte.

HINTERGRUNDINFORMATION

Parkinson-Demenz

Die Parkinson-Demenz ist definiert als eine kognitive Störung im Rahmen des IPS, die schwer genug ist, um Einschränkungen und Hilfsbedürftigkeit bei den Verrichtungen des täglichen Lebens zu bewirken. Im Langzeitverlauf des IPS weist die PD-Demenz eine Prävalenz von bis zu 80 % mit einer Konversionsrate von bis zu 10 % pro Jahr auf. Die PD-Demenz führt zu erhöhter Morbidität und deutlich reduzierter Lebensqualität. [17]

Behandlung

Nichtmedikamentöse, neuropsychologische Therapieformen (kognitives Training, Psychoedukation, Entspannungstechniken, neuropsychotherapeutische Strategien) haben sich in Studien als hilfreich bei Problemen mit Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Problemlösung bei Parkinson-MCI und ‑Demenz erwiesen. Für die medikamentöse Therapie ist Rivastigmin weiterhin die 1. Wahl; alternativ kann Donepezil zum Einsatz kommen.


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Halluzinationen und Psychose

Im Langzeitverlauf des IPS können – meist in Folge fortschreitender kognitiver Einschränkungen – Verwirrtheit, Psychose und visuelle Halluzinationen auftreten, die durch die dopaminerge Therapie begünstigt werden.

Merke

Bei einer akuten Verschlechterung müssen immer zuerst Infekte, Exsikkose, metabolische Störungen und auslösende ZNS-wirksame Medikamente als Ursachen in Betracht gezogen und behandelt werden.

Wenn diese Maßnahmen zu keiner ausreichenden Besserung führen, sollte die Parkinson-Medikation reevaluiert und in folgender Reihenfolge reduziert sowie ggf. abgesetzt werden:

  • Anticholinergika

  • Amantadin

  • Dopaminagonisten

  • L-Dopa

Wenn auch die Reduktion der dopaminergen Medikation nicht ausreichend ist, kann als Clozapin zum Einsatz kommen. Es ist als einziges Neuroleptikum für Anwendung beim IPS empfohlen. Aufgrund des Risikos für eine Agranulozytose sind regelmäßige Blutbildkontrollen erforderlich, was die Gabe gerade bei Patienten mit reduzierter Mobilität oder Compliance erschweren kann. Aus den Reihen der Neuroleptika stellt Quetiapin aktuell die einzige Alternative dar – mit allerdings deutlich geringerem antipsychotischem Potenzial.

Mit Pimavanserin ist in den USA das erste Medikament speziell für die Behandlung von Halluzinationen und Psychose bei IPS zugelassen. Pimavanserin entfaltet seine Wirkung an verschiedenen Subtypen des Serotoninrezeptors. Dagegen hat es keine Affinität zum Dopaminrezeptor und soll daher zu keiner Verschlechterung der motorischen Symptome führen. In der Zulassungsstudie war Pimavanserin effektiv in der Behandlung von Illusionen und Halluzinationen bei 80 % der Patienten, verglichen zu 58 % in der Placebogruppe. [18] Damit ist die antipsychotische Wirkung zwar geringer als die von Clozapin; es traten aber auch weniger Nebenwirkungen auf. Pimavanserin ist bisher in der EU und Deutschland nicht zugelassen.


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Posturale Instabilität und Stürze

Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer zunehmenden posturalen Instabilität, deren Folgen eingeschränkte Mobilität, Angst, sozialer Rückzug und Stürze und damit verbundene Komplikationen sind.

Medikamentöse Behandlung

Rivastigmin kann neben der Wirkung auf die kognitive Störung auch einen positiven Einfluss auf psychotische Symptome und auf die Gangstörung bei Patienten mit regelmäßigen Stürzen haben, wie die RESOND-Studie gezeigt hat [19].


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Nichtmedikamentöse Behandlung

Eine Vielzahl von Studien belegt den Nutzen von Physiotherapie auf die motorischen Symptome und das Gangbild von IPS-Patienten [20]. Physiotherapie scheint sich außerdem positiv auf Aspekte wie globale kognitive Funktion und einzelne spezifische kognitive Domänen (mentale Flexibilität, Aufmerksamkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit) auszuwirken [21].

Der Oberbegriff Physiotherapie umfasst ein weites Spektrum unterschiedlicher Formen der Bewegungstherapie. Patienten interessieren sich oft besonders für Empfehlungen bezüglich der Wirksamkeit spezieller Formen der Bewegung. Inzwischen existieren neben den Studien zu Tango u. a. auch einzelne Studien zu Paartanz, Irish Dance, Zumba, Samba, Yoga, Nordic Walking und Ballett. Einige Untersuchungen hatten durchaus ein positives Ergebnis auf motorische Funktionen oder Lebensqualität zu verzeichnen. Im Allgemeinen unterscheiden sich die Studien allerdings stark in Qualität, Stichprobengröße, Methodik, Interventions- und Nachbeobachtungszeitraum, was die Interpretation der Ergebnisse und die Ableitung allgemein gültiger Empfehlungen sehr schwierig macht.

TIPP

Dennoch sollten die positiven Aspekte regelmäßiger nichtmedikamentöser Therapie nicht außer Acht gelassen werden: Sie leistet einen elementaren Beitrag zur Verbesserung und zum Erhalt der Alltagskompetenzen, der Mobilität und der sozialen Integration der Patienten.


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Zusammenfassung

Trotz aller wissenschaftlichen Aktivität in der Entwicklung neuroprotektiver Therapien ist das idiopathische Parkinson-Syndrom weiterhin eine unheilbare neurodegenerative Erkrankung. Somit sollten die bestmögliche symptomatische Behandlung und damit die Besserung der Lebensqualität der Patienten im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen. Wie in diesem Beitrag dargestellt, steht uns heute eine Vielzahl an effektiven medikamentösen und nichtmedikamentösen Optionen zur Verfügung, um Patienten in verschiedenen Krankheitsstadien eine individualisierte Therapie anzubieten.

KERNAUSSAGEN
  • Die Diagnose des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) beruht weiterhin auf einer ausführlichen Anamnese und neurologischen Untersuchung sowie dem Nachweis der Dopa-Responsivität.

  • In klinisch nicht eindeutigen Fällen kann zur Differenzialdiagnostik nuklearmedizinische Diagnostik eingesetzt werden: das FP‑CIT-SPECT zur Abgrenzung des IPS gegen nicht neurodegenerative Ursachen sowie die 18F-Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie (FDG‑PET) zur Differenzierung gegenüber atypischen Parkinson-Syndromen.

  • Die primäre Therapie richtet sich nach dem Alter des Patienten: Dopaminagonisten bei jüngeren Patienten und L-Dopa bei älteren. Daneben sollten aber immer auch die individuellen Besonderheiten des Patienten bei der Auswahl der Medikamente berücksichtigt werden.

  • Mit dem Catechol-O-Methyltransferase-(COMT-) Hemmer Opicapon sowie Safinamid mit seinem dualen Wirkmechanismus stehen zwei neue Optionen für die medikamentöse Behandlung des IPS mit Wirkfluktuationen zur Verfügung.

  • Die tiefe Hirnstimulation (THS) stellt eine sehr effektive Therapie des IPS auch bei Patienten mit beginnenden Fluktuationen dar, sofern die Indikationsprüfung von einem erfahrenen, multidisziplinären Team durchgeführt wird.

  • Die kontinuierliche Applikation von L-Dopa oder Apomorphin bietet auch Patienten mit einem fortgeschrittenen IPS und Kontraindikationen für die tiefe Hirnstimulation eine effektive Therapie von Wirkfluktuationen.

  • Kognitive Defizite, Stürze und psychotische Symptome sind typische Komplikationen des fortgeschrittenen IPS, denen aufgrund ihrer hohen Komplikationsraten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

  • Nichtmedikamentöse Therapien wie Physio- und Ergotherapie, Logopädie sowie kognitives Training sind entscheidend für den Erhalt der Alltagskompetenz, der Lebensqualität und der sozialen Integration und sollten präventiv schon vor Auftreten einer relevanten Beeinträchtigung eingesetzt werden.

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Josefine Waldthaler, Marburg.


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Erstveröffentlichung

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in: Neurologie up2date 2019; 2: 31-46.


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Autorinnen / Autoren

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Josefine Waldthaler


Dr. med., Jahrgang 1988. 2007-2013 Studium der Humanmedizin an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. 2013-2018 Facharztausbildung Neurologie. 2016-2017 Forschungsaufenthalt Institut für Klinische Neurowissenschaften, Karolinska Institut Stockholm. Seit 2017 Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Marburg. Schwerpunkt: Kognition und Augenbewegungen bei Bewegungsstörungen, tiefe Hirnstimulation.

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Lars Timmermann


Prof. Dr. med., Jahrgang 1972, 1992-1999 Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 2000-2005 Facharztausbildung Neurologie. 2008-2016 Professur Bewegungsstörungen Universität zu Köln. Seit 2016 W3-Professur und Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Marburg. Schwerpunkt: Pathophysiologie von Bewegungsstörungen, tiefe Hirnstimulation.

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

  • Literatur

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  • 13 Ferreira JJ, Lees A, Rocha JF. et al. Opicapone as an adjunct to levodopa in patients with Parkinsonʼs disease and end-of-dose motor fluctuations: A randomised, double-blind, controlled trial. Lancet Neurol 2016; 15: 154-165
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Josefine Waldthaler
Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg
Klinik für Neurologie
Baldingerstraße
35033 Marburg

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