Laryngorhinootologie 2019; 98(10): 742-743
DOI: 10.1055/a-0954-7537
Facharztfragen
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Fragen für die Facharztprüfung

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Publication Date:
14 October 2019 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Frage: Sprechen Sie über Grundlage, Indikation und Durchführung einer Drehstuhlprüfung.

Antwort: Physiologische Grundlage der Drehstuhlprüfung ist die Auslösung eines Nystagmus durch Drehbewegungen. Zugrunde liegt der vestibulookuläre Reflex. Dabei handelt es sich um eine bei Kopfbewegung reflektorisch erfolgende langsame kompensatorische Blickbewegung zur Gegenseite, die eine Stabilisierung des auf der Netzhaut abgebildeten Bildes zur Blickfixierung ermöglicht. Bei Drehung des Kopfes erfolgt die Verschaltung des Reflexes über die Bogengangafferenzen auf die postganglionären Fasern des Nervus vestibulocochlearis im Ganglion vestibulare (1. Neuron). Diese projizieren auf die Vestibulariskerne (2. Neuron), in denen eine Umschaltung auf Projektionsfasern zum kontralateralen Abduzenskern erfolgt. Die dort terminierenden Fasern werden auf den Nervus abducens (Nervus VI) und via Fasciculus longitudinalis medialis auf den kontralateralen Nucleus nervi oculomotorii umgeschaltet (3. Neuron). Demgemäß erfolgt eine Abduktion des der Drehrichtung abgewandten Auges bei gleichzeitiger Adduktion des in Drehrichtung gelegenen Auges. Bei Drehbewegungen (z. B. bei der Drehstuhlprüfung) bleibt bei Beginn der Bewegung die Endolymphe durch ihre Trägheit zunächst stehen und bewegt sich erst nach einiger Zeit in Richtung der Rotation mit. Die Zilien der Sinneszellen werden in die der Bewegung entgegengesetzte Richtung abgelenkt und es resultiert der perrotatorische Nystagmus in Richtung der Bewegung. Physiologisch ist eine Dauer des perrotatorischen Nystagmus von 30–60 s. Bei Bewegungsstopp bewegt sich die Endolymphe noch eine gewisse Zeit in Richtung der zuvor durchgeführten Rotation weiter. Die Zilien der Sinneszellen werden in Richtung der Rotation abgelenkt und es resultiert der postrotatorische Nystagmus entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung. Physiologisch ist eine Dauer des perrotatorischen Nystagmus von 20–40 s. Die Durchführung erfolgt im abgedunkelten Raum. Der Kopf ist um 30° gesenkt zur waagerechten Einstellung des horizontalen Bogenganges. In der Regel wird der Nystagmus mittels VOG aufgezeichnet. Es erfolgt eine Beschleunigung mit 1–3 Grad/s2, bis eine Winkelgeschwindigkeit von 60–100 Grad/s erreicht ist. Diese wird für 1–3 Minuten beibehalten, bis der perrotatorische Nystagmus sistiert. Der Stopp erfolgt in Kurzzeit (2 s). Danach erfolgt die Messung von Dauer und Schlagzahl des postrotatorischen Nystagmus. Nach einer Wartezeit von 2–5 min schließt sich die Messung der Gegenseite an.

Indikationen zur Drehstuhluntersuchung sind die Prüfung auf eine komplette zentrale Kompensation eines einseitigen Vestibularisausfalls, Untersuchungen bei Kindern oder in der Begutachtung.

Eine seitengleiche Dauer des postrotatorischen Nystagmus entspricht einem Normalbefund. Bei über 20 % Seitenunterschied besteht keine zentrale Kompensation, z. B. eines einseitigen Vestibularisausfalls. Wenn kein rotatorischer Nystagmus auslösbar ist, besteht ein beidseitiger Ausfall des Vestibularorganes.