Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2020; 55(05): 289-299
DOI: 10.1055/a-0956-2769
Topthema
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Perioperative Arzneimittelinteraktionen – was der Anästhesist wissen sollte

Perioperative Drug Interactions – What Should Be Considered by Anesthetists
Helene Selpien
,
Matthias Unterberg
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Publication Date:
20 May 2020 (online)

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Zusammenfassung

Arzneimittelinteraktionen bedingen hohe Zahlen von Krankenhausaufnahmen und Todesfällen, insbesondere bei polypharmazeutisch behandelten Patienten. Pharmakologische Visiten wie auch EDV-basierte Interaktionssuchprogramme adressieren dieses Problem und verbessern die Behandlungsqualität. Die perioperative Phase wie auch die Narkose sind Risikointervalle, da hier binnen kurzer Zeiträume eine hohe Zahl an Arzneimitteln verabreicht wird. Dies stellt hohe Anforderungen an klinisch tätige Anästhesisten. Ein detailliertes Wissen um Interaktionen ist unabdingbar, um die Kernaufgabe der Anästhesie, die Patientensicherheit peri- und intraoperativ, zu gewährleisten. Während die moderne Anästhesie auf der einen Seite Medikamenteninteraktionen im Rahmen der „balancierten Anästhesie“ nutzt, ist die Kenntnis möglicher unerwünschter Interaktionen, die als direkte chemische Interaktion, aber auch auf pharmakokinetischer oder pharmakodynamischer Ebene auftreten können, erforderlich. Pharmakologische Einflüsse auf die QT-Zeit mit nachfolgenden Risiken sind ebenso relevant wie beispielsweise die medikamentöse Induktion eines Serotoninsyndroms. Eine detaillierte Kenntnis des Metabolismus eingesetzter Pharmaka sowie der Medikamente aus der Dauermedikation beinhaltet die Kenntnis über Stoffwechselwege der Elimination wie das p-Glykoprotein oder Enzyme der Cytochrom-P450-Familie.

Arzneimittelinteraktionen sind insbesondere bei polymedizierten Patienten von großer Bedeutung. Die perioperative Phase wie auch die Narkose sind besondere Risikosituationen, da hier binnen kurzer Zeit eine hohe Zahl an Arzneimitteln verabreicht wird. Dies stellt hohe Anforderungen an klinisch tätige Anästhesisten. Detailliertes Wissen um Interaktionen ist unabdingbar, um die Patientensicherheit peri- und intraoperativ gewährleisten zu können.

Abstract

Drug interactions cause numerous hospital admissions and even death. Administration of multiple therapeutic drugs increases the risk of relevant interactions. Pharmacologist consultation and also IT-based drug-interaction examination focus on this risk and may improve the safety and quality of the medical therapy. The perioperative period as well as for example post-surgery intensive care display a high-risk period for critical drug interactions because of the increased number of administered drugs at this time. This is highly challenging to the acting anesthetist. A detailed knowledge on possible drug-interactions is indispensable to maintain the highest duty of our faculty: patientʼs safety.

Thus on the one hand modern narcosis uses drug interactions in performing “balanced anesthesia” and on the other hand it is essential to know about unwanted interactions that might arise of several mechanisms like chemical interactions as well as pharmacokinetic and pharmacodynamic ways. In this context, phenomena as the pharmaceutic influence on the QT-time have to be known as well as the so called serotonine syndrome for example. A detailed insight into the metabolism of administered drugs including elimination pathways like p-glycoprotein or enzymes of the cytochrome-p-450 family is helpful to maintain a basic survey.

Kernaussagen
  • Medikamenteninteraktionen auf verschiedenen Ebenen werden im Rahmen der Narkoseführung z. T. gezielt genutzt; das Potenzial für unerwünschte Interaktionen sollte bekannt sein, um die daraus resultierenden Risiken zu vermeiden.

  • Auch Präparate, die oft nicht als Medikament wahrgenommen werden, bergen das Potenzial relevanter Interaktionen (hormonelle Kontrazeptiva, pflanzliche Präparate).

  • Chemische Interaktionen treten auch extrakorporal auf, pharmakokinetische Interaktion ist die gegenseitige Beeinflussung der Metabolisierungswege zweier Pharmaka und pharmakodynamische Interaktion bezeichnet synergistische oder antagonistische Effekte zweiter Pharmaka auf verschiedenen Ebenen.

  • Perioperativ wichtige Risiken, die aus Arzneimittelinteraktionen resultieren können, sind z. B. eine Verlängerung der QT-Zeit oder das Serotoninsyndrom.

  • Das Hypnotikum Propofol darf nicht beliebig vermischt werden.

  • Moderne volatile Anästhetika bieten vergleichsweise wenige Interaktionsrisiken.

  • Eine pharmakodynamische Interaktion zwischen Metamizol und Acetylsalicylsäure kann eine Abschwächung der thrombozytenaggregationshemmenden Wirkung von Acetylsalicylsäure bedingen.