Spielen nicht nur als Mittel nutzen, sondern auch als Ziel formulieren – Spielen als
Betätigung
Spielen nicht nur als Mittel nutzen, sondern auch als Ziel formulieren – Spielen als
Betätigung
Im Alltag von Kindern ist das Spielen die bedeutsamste Betätigung und dient darüber
hinaus der kindlichen Entwicklung.
Abb.: daniilvolkov/stock.adobe.com (Symbolbild)
Pädiatrisch tätige Ergotherapeuten bewerten das Spielen häufig als wesentliche Betätigung
im Alltag von Kindern. Dass sie diese dennoch nicht als Therapieziel definieren, hat
verschiedene Gründe. Dem ging Ergotherapeutin Daniela Schlager-Jaschky mit Unterstützung
der Berufsverbände in Deutschland und Österreich auf den Grund. Dazu führte sie eine
Online-Befragung durch.
Insgesamt nahmen 96 Ergotherapeuten aus Österreich und 19 aus Deutschland teil (N=115).
Die meisten Teilnehmer arbeiteten seit über fünf Jahren in der Pädiatrie. Als häufige
Therapieschwerpunkte nannten sie Schwierigkeiten in den ADLs, Konzentrations- und
Aufmerksamkeitsprobleme, grob-, fein- und grafomotorische Schwierigkeiten, Wahrnehmungsschwächen
sowie sozio-emotionale Probleme. Lediglich 14 Teilnehmer gaben Probleme beim Spielen
als relevante Alltagsschwierigkeit an. Zum Beispiel weil das Kind nicht alleine oder
nicht mit anderen spielen bzw. keine Spielideen entwickeln kann. Alle Befragten bezeichneten
Spielen als wesentliche Betätigung im Alltag von Kindern. Allerdings setzten 71 Prozent
Spiele nur als Mittel ein, um bestimmte Fertigkeiten zu trainieren, lediglich 23 Prozent
gaben das Ermöglichen von Spielen als Therapieziel an. Dies begründeten sie mit der
geringen Anzahl an geeigneten bzw. im Deutschen validierten Assessmentinstrumenten
sowie fehlenden Fortbildungsangeboten zur Betätigung Spielen.
Die Ergebnisse der Befragung können aufgrund der geringen Teilnehmerzahl zwar nicht
verallgemeinert werden. Allerdings decken sie sich mit Forschungsergebnissen aus anderen
Ländern. Weitere Untersuchungen aus der Occupational Science zum Thema Spiel werden
benötigt, um eine Expertise aufbauen, auf berufspolitscher Ebene argumentieren und
neue Betätigungsfelder etablieren zu können. Demnach benötigt das Spiel insgesamt
mehr Aufmerksamkeit in der praktischen Ergotherapie.
kj
ergoscience 2019; 14: 101–107
Häusliches Umfeld trägt zur Betätigungsidentität bei – Menschen mit geistiger Behinderung
Häusliches Umfeld trägt zur Betätigungsidentität bei – Menschen mit geistiger Behinderung
Die häusliche Umgebung beeinflusst die Betätigungsidentität und Partizipation von
Menschen mit geistiger Behinderung. Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um Ergotherapeutin
Danielle Ashley am Victorian Institute of Forensic Mental Health in Melbourne, Australien.
Für ihre Fallstudie rekrutierten die Forscherinnen sechs Teilnehmer mit einer geistigen
Behinderung, darunter drei Frauen und drei Männer. Sie waren zwischen 24 und 58 Jahre
alt und wohnten entweder alleine oder mit zwei bis drei anderen Menschen zusammen.
Sie lebten unter anderem in Mietwohnungen und wurden von einer persönlichen Assistenz
unterstützt, zum Beispiel beim Erledigen von Einkäufen.
Rollen,
Interessen und Betätigungen sind an der Identitätsentwicklung beteiligt.
In einem Mixed-Methods-Ansatz erhob das Forscherteam qualitative und quantitative
Daten. Im Rahmen der qualitativen Erhebung führten sie mit jedem Teilnehmer ein semistrukturiertes
Interview durch. Dabei konzentrierten sie sich auf die Themen Erfahrungen mit dem
Zuhause, mit Freizeitaktivitäten und mit der Unterstützung durch die persönliche Assistenz.
Das Residential Environment Impact Survey – Short Form (REIS-SF) erlaubte es den Wissenschaftlerinnen,
Merkmale der Umwelt zu quantifizieren:
-
physische Umwelt (Wohnumgebung, Nutzung von Räumen, Wohnkomfort)
-
Ressourcen (Zugang zu Objekten wie Computer, die Freizeitaktivitäten oder ADLs ermöglichen)
-
soziale Unterstützung (Interaktion mit persönlicher Assistenz, Angemessenheit der
Hilfeleistungen)
-
Möglichkeiten und Barrieren im Bezug auf Partizipation
Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten über die Fähigkeiten verfügten, grundlegende
Alltagsaktivitäten durchzuführen. Sie schätzten ihre Selbstständigkeit und das Leben
in den eigenen vier Wänden. Hindernisse für Identität und Partizipation waren unter
anderem Einschränkungen der physischen Umgebung ihres Zuhauses. Den Forscherinnen
fiel beispielsweise auf, dass die Teilnehmer hauptsächlich über „passive“ Freizeitartikel
wie Fernseher oder Stereoanlagen verfügten. Ihr Zuhause war zudem wenig personalisiert.
Es fehlten zum Beispiel Fotos von Familienmitgliedern und Objekte, die besondere Interessen
der Studienteilnehmer widerspiegelten.
Die Wissenschaftlerinnen ermutigen Ergotherapeuten dazu, Menschen mit geistiger Behinderung
über Betätigungen und soziale Beziehungen bei der Identitätsentwicklung zu unterstützen.
Dies trägt entscheidend zu sozialer Inklusion und Partizipation in der Gemeinde bei.
lis
Br J Occup Ther 2019; 82: 698–709
Die Umwelt ...
... hat das Potenzial, Menschen mit geistiger Behinderung in Aktivitäten des täglichen
Lebens zu Hause oder in der Gemeinde zu involvieren. Zum Beispiel durch soziale Unterstützung,
Ausstattung der physischen Umwelt, Ressourcen oder Partizipationsmöglichkeiten.
Br J Occup Ther 2019; 82: 698–709
Rückkehr an Arbeitsplatz begleiten – Hirnverletzung
Rückkehr an Arbeitsplatz begleiten – Hirnverletzung
Personbezogene Faktoren und Umweltfaktoren beeinflussen den beruflichen Wiedereinstieg
von Menschen mit einer Hirnverletzung. Zu dem Ergebnis kam Ergotherapeutin und Philosophin
Dr. Karen Beaulieu von der Fakultät für Gesundheit und Humanwissenschaften der Universität
von Plymouth, England.
Im Rahmen einer deskriptiven phänomenologischen Studie befragte sie sechs Frauen und
zehn Männer, die nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder einer erworbenen Hirnschädigung
wieder in Teil- oder Vollzeit arbeiteten. Sie waren im Durchschnitt 47 Jahre alt.
In den Gesprächen gaben sie Auskunft über Faktoren, die ihren beruflichen Wiedereinstieg
beeinflussten. Diese lassen sich mittels 4-Schritte Analyse nach Giorgi in sechs Themen
gliedern:
-
Bewältigung von Schwierigkeiten in Bezug auf Selbstbewusstsein, Müdigkeit, Kognition,
Mobilität und den Erhalt von Sozialleistungen
-
Erwartungen an Rückkehr und Zeitplanung: Die Befragten fühlten sich getrieben, ihr
vorheriges Leben schnellstmöglich wieder aufzunehmen.
-
Reaktionen von Kollegen
-
Unterstützung von Fachleuten wie Sozialarbeiter, Ergotherapeuten oder Personalleiter
sowie emotionale Unterstützung von Familie und Freunden
-
Veränderungen am Arbeitsplatz und Wiedereinstiegsmöglichkeiten
-
Erfolgserlebnisse durch die Arbeit
Die Forscherin schlussfolgert, dass Ergotherapeuten die Betroffenen beim beruflichen
Wiedereinstieg unterstützen können, indem sie zum Beispiel die Erwartungen an die
Rückkehr thematisieren, Schwierigkeiten hinsichtlich Gedächtnis sowie Müdigkeit bearbeiten
oder das kollegiale Umfeld über das Krankheitsbild aufklären.
ms
Br J Occup Ther 2019; 82: 658–665
Geeignet für Klienten der Neurologie – CO-OP
Geeignet für Klienten der Neurologie – CO-OP
Klienten mit neurologischen Erkrankungen profitieren vom CO-OP-Ansatz. Dieser verbessert
nachweislich ihre Betätigungsperformanz und -zufriedenheit. Und das sowohl bei bereits
erarbeiteten als auch bei erhobenen, aber noch nicht bearbeiteten Betätigungszielen.
Zu diesem Schluss kommt ein iranisches Forscherteam um die Ergotherapeutin Dr. Nazila
Akbarfahimi von der University of Social Welfare and Rehabilitation Sciences in Teheran,
Iran.
Performanz und Zufriedenheit mit Betätigung verbessern
In ihrem Scoping-Review untersuchten die Forscher die Anwendbarkeit und Effektivität
des CO-OP-Ansatzes, indem sie 15 Interventionsstudien auswerteten. Dabei bezogen sie
Untersuchungen mit Klienten unterschiedlicher neurologischer Krankheitsbilder ein,
darunter akuter und chronischer Apoplex, Schädel-Hirn-Trauma oder altersbedingte kognitive
Einschränkungen. Das Studiendesign variierte stark und umfasste sowohl randomisierte
kontrollierte Studien als auch Einzelfallstudien oder qualitative Arbeiten.
In allen einbezogenen Studien erzielten die Klienten nach der CO-OP-Intervention bessere
Werte mit Blick auf ihre trainierten Betätigungsziele. Sieben Arbeiten untersuchten
zudem die Wirkung auf bereits erhobene, aber noch nicht bearbeitete Betätigungsziele
und kamen ebenfalls zu positiven Ergebnissen. Einige Arbeiten erforschten und belegten
außerdem einen erkennbaren Effekt auf die kognitiven Funktionen der Teilnehmer, auf
ihre motorischen Fertigkeiten sowie Aktivitäten des täglichen Lebens.
Therapieziele mit CO-OP erreichen
Aus Sicht der Forscher sprechen die Ergebnisse dafür, dass der CO-OP-Ansatz die Betätigungsperformanz
und -zufriedenheit von Menschen mit neurologischen Erkrankungen verbessern kann. Sie
empfehlen, die vorhandenen Forschungsarbeiten in einer systematischen Übersichtsarbeit
zusammenzuführen und die gefundenen Ergebnisse damit weiter zu untermauern.
fk
Med J Islam Repub Iran 2019; 33: 99
CO-OP ...
... steht für „Cognitive Orientation To Daily Occupational Performance“. Dieser Ansatz
verfolgt ein Top-Down-Vorgehen, da der Klient mithilfe von Betätigung an seinen individuellen
Zielen arbeitet. Dieses Vorgehen wurde ursprünglich für Kinder mit Koordinationsstörungen
entwickelt, findet aber zunehmend Einsatz bei erwachsenen Menschen mit unterschiedlichen
Krankheitsbildern. CO-OP nutzt neben einer globalen Problemlösungsstrategie (Ziel-Plan-Tu-Check)
und verschiedenen Befähigungsprinzipien auch domänenspezifische kognitive Strategien
wie Aufgabenspezifizierung, Gedächtnisstützen, Körperposition oder verbale Selbstlenkung.
Als weitere Schlüsselelemente führt die Therapeutin eine dynamische Performanz-Analyse
durch und regt den Klienten zur geleiteten Entdeckung an. Gezielte Fragestellungen
helfen ihm dabei, für sich passende Lösungen zu entwickeln.
fk
Med J Islam Repub Iran 2019; 33: 99