Zeitschrift für Palliativmedizin 2019; 20(05): 229-232
DOI: 10.1055/a-0981-0065
Forum
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Doppelkopf: Peter Nieland und Klaus Reckinger

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 August 2019 (online)

Peter Nieland

Zoom Image
Zur Person

Peter Nieland ist Physiotherapeut und arbeitet als Leiter des Therapiezentrums am Malteser Krankenhaus Bonn-Rhein/Sieg. Er ist Sprecher der DGP Sektion Physiotherapie-Ergotherapie-Logopädie sowie Referent, Fachbuchautor, Kursleiter und Experte für Rehabilitation am Lebensende.

Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Ich muss mein Tätigkeitsfeld heute zweigeteilt darstellen. Heute leite ich das Therapiezentrum für Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie am Malteser Krankenhaus Bonn mit einem 30-köpfigen therapeutischen Team und kooperieren mit 3 Therapieschulen der Region. Wir versorgen als therapeutisches Team 12 stationäre medizinische Fachabteilungen und eine physio- und ergotherapeutische Ambulanz. Mit ca. 5000 Patienten jährlich eine tägliche Herausforderung.Mein palliatives Herz und Arbeit schlagen seit 1990. Seit Prof. Klaschik an unserem Haus die zweite Palliativstation in Deutschland eröffnete. Er war einer von damals 12 Chefärzten und neben der Anästhesie und Intensivstation auch zuständig für die neue 5-Betten-Palliativstation in der Geriatrie. Er erzählte mir damals vom St. Christopher Hospiz in London, mit einem Gym Fit (Therapie)-Bereich, wo meine englischen Kollegen/innen mit Hospizbewohnern und Palliativpatienten, aber auch mit Gemeindemitgliedern aus dem südlichen London, üben und therapieren würden. Das war für mich hoch spannend. Es war die Erweiterung der Rehabilitation auf infauste palliative Krankheitsbilder, die mich faszinierte. Es forderte erstmals neben der klassischen Rehabilitationsdefinition in Form der Wiederherstellung, die palliative Linderung als Rehabilitationsauftrag. Es erweiterte klar erkennbar und sinnvoll die Definition von bisheriger Physiotherapie. Bedeutete es doch nun endlich auch die Möglichkeit der physiotherapeutischen Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen auf den Stationen und zu Hause. Nie mehr Dr. Schmidt oder Schwester Barbara „Peter, da brauchst du nicht mehr hingehen, der wird nicht wieder“! Es war endlich die Möglichkeit der kompletten abgerundeten Therapielinie. Die stationäre und ambulante therapeutischen Versorgung von der Geburt (Pädiatrie) bis zum Tod (Palliativstation, AAPV, SAPV, Hospiz). Welch eine Erleichterung nun auch für diese schwerkranken und sterbenden Menschen etwas zur Linderung ihrer Leiden aus der Physiotherapie sinnvoll und zentral beitragen zu können! Die restlichen 25 Jahre sind eine lange Entwicklungs- und Erfolgsgeschichte, welche sich in unserem internationalen Lehrbuch „Rehabilitation am Lebensende“ (https://physio.grovegeeks.co.uk) widerspiegelt. Das wäre hier viel zu lang.

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Nach 34 sehr spannenden und abwechslungsreichen Berufsjahren mit vielen Aufs und Abs möchte ich noch immer nichts anderes als Physiotherapeut sein.In der Lage zu sein, die unterschiedlichsten medizinischen Fachbereiche, Patientengruppen und Symptome, körper- und patientennah nur mit meinen Brain – Wissensschatz, Körperbefund, Gesprächsanalyse und letztendlich mit meinen Händen und Programmen heilen bzw. Beschwerden deutlich lindern zu können, ist eine dankbare und wunderbare Tätigkeit mit überwiegend schönen Nebenwirkungen.

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Präsenile Bettflucht oder auch Frühaufsteher, duschen, Tee, 15 Minuten in Ruhe Meditieren. Dann, wann immer möglich, mit dem Pedelec 17 km, am liebsten mit fetziger Musik, an allen dicken Karren (Bonn – Brücken – Stau – ein Wort) vorbei in die Klinik.

Leben bedeutet für mich!

Familie, Freunde, Begegnungen, Sport, Länder und Abenteuer pflegen.Aufmerksamkeit, Liebe und Zeit zu schenken.Bescheidenheit und Dankbarkeit durch die Palliativpatienten gelernt zu haben.Nicht zu viele hohe Erwartungen an andere und mich zu stellen. Denn zu hohe Erwartungen erzeugen nur Leid.Innehalten und wahrnehmen was schon Erreichtes, Schönes und Liebevolles vorhanden ist.N-Menschen (Narzissten, Neurotiker, Nörgler, Neokapitalisten) und N-Medien (Nachrichten von Krieg, Mord, Hass, Betrug, Machtmissbrauch) vom Hals- bzw. mindestens auf Abstand zu halten.

Sterben bedeutet für mich …

Ist nur ein Übergang in einer anderen Form und Dimension. Wir leben immer weiter …

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Meine letzten Sorgen und Ängste überwinden und doch noch in die Länder meiner Geschichtsbücher reisen, die uns heute durch künstliche Macht- und Glaubenskriege für den Wirtschafts- und Konsumterror verschlossen wurden.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

Unser Planet Erde ist wunderschön und voller Liebe. Wir sind auf dessen Kruste nur atomare Teilchen im Kosmos, wie Ameisen. Höchstens ein Pfurz im Zeitgeschehen der Erde. Im Grunde bedeutungslos. Ich muss dann jedes Mal lachen, wie wichtig, unverzichtbar, aber vor allem geschichtlich und klimatisch dumm wir Menschen uns gebärden. Nun, ich hoffe, die Kursänderung und Revolution unsere Kinder und die Regenerationskraft der Erde wird es ohne uns dann wieder richten.

Was würden Sie gern noch lernen?

Den Urschrei, der so laut ist, der alle friedvollen Menschen vereint und dass die Vernunft und Verantwortung für die Gemeinschaft vermehrt wieder regiert und nicht der „Tanz ums goldene Kalb“ so viele beherrscht.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Aus meiner Familie und Freunden, meinen Patienten, meinen Erfahrungen, meinen Begegnungen, meinen Reisen.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Mit „Alexander von Humboldt“, spiegelte er doch das gesamte geografisch-physische Wissen seiner Zeit. Für mich ein wissenschaftlicher Abenteurer höchster Güte. Weltoffen, geistreich, quicklebendig, Kolonialkritiker, Querdenker und er prägte und erforschte den Satz „Alles ist Wechselwirkung“.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

Man möge mir verzeihen, einige Staaten- und Konzernlenker gerne den Tanz um das goldene Kalb (Macht und Geldgier) austreiben.Die Kaaba in Mecka einmal als Abendländer umrunden, um selber feststellen zu können, ob sie ein Meteorit ist.

Wie können Sie Herrn Dr. Klaus Reckinger beschreiben?

Einer der besten Palliativmediziner, Mediziner und Mensch den ich kenne. Ein Arzt der ersten Stunde in der Palliativmedizin. Mir ist kein Arzt in all den Jahrzehnten palliativer Arbeit begegnet, der wie er in der Lage war, hochdifferenziert die Wirkung, Wechselwirkung und Indikationen für Medikamente zu beschreiben. Als Kursleiter und Referent national und international zeigt er immer und überall eine große authentische Wertschätzung allen Patienten, Angehörigen, den palliativen und medizinischen Berufsgruppen und dem Ehrenamt. Menschlich und ethisch ein Vorbild und ein Freund.

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Je nach Anlass … von Tee bis Koma.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Nein, diese Frage stellt sich mir nicht, da ich gefragt hätte ;).