Pneumologie 2019; 73(10): 573-577
DOI: 10.1055/a-0984-8367
Positionspapier
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Positionspapier der Deutschen Röntgengesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zu einem qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramm des Lungenkarzinoms mittels Niedrigdosis-CT[*]

Joint Statement of the German Radiological Society and the German Respiratory Society on a Quality-Assured Early Detection Program for Lung Cancer with Low-dose CT
F. J. F. Herth
1   Thoraxklinik Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Innere Medizin – Pneumologie, Heidelberg
,
N. Reinmuth
2   Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Abteilung für Onkologie, Gauting
,
D. Wormanns
3   Evangelische Lungenklinik Berlin, Radiologisches Institut, Berlin
4   Universitätsklinikum Münster, Institut für Klinische Radiologie, Münster
,
G. Antoch
5   Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Düsseldorf
,
J. Biederer
6   Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Heidelberg
,
J. Vogel-Claussen
7   Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Hannover
,
H.-U. Kauczor
6   Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Heidelberg
,
M. Pfeifer
8   Universitätsklinikum Regensburg, Pneumologische Klinik, Regensburg
,
Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
,
Vorstand der Deutschen Röntgengesellschaft
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Dag Wormanns
Evangelische Lungenklinik Berlin
Radiologisches Institut
Lindenberger Weg 27
13125 Berlin

Publication History

Publication Date:
19 September 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Seit dem letzten gemeinsamen Positionspapier der Deutschen Röntgengesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin im Jahr 2011 hat sich die Datenlage zur Lungenkrebsfrüherkennung mit Niedrigdosis-CT deutlich erweitert und in der 2018 revidierten S3-Leitlinie Lungenkarzinom wird eine schwache Empfehlung zur Lungenkrebsfrüherkennung mit Niedrigdosis-CT in einem qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramm ausgesprochen. Diese neuen Entwicklungen erforderten eine Neupositionierung der beteiligten Fachgesellschaften. Das vorliegende Positionspapier beschreibt Grundzüge eines qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramms für Lungenkrebs in Deutschland.


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Abstract

Substantial new data on early detection of lung cancer with low-dose CT has become available since the last joint statement of the German Roentgenological Society and the German Respiratory Society was published in 2011. The German S3 guideline on lung cancer was revised in 2018 and now contains a weak recommendation towards early detection of lung cancer with low-dose CT in a quality-assured early detection program. These new developments required a repositioning of the involved professional societies. This present joint statement describes main features of a quality-assured program for early detection of lung cancer with low-dose CT in Germany.


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Hintergrund

Im Januar 2018 wurde durch die beteiligten Fachgesellschaften die überarbeitete S3-Leitlinie Lungenkarzinom verabschiedet [1]. Diese beinhaltet erstmals eine Kann-Empfehlung zur Früherkennung des Lungenkarzinoms mittels Niedrigdosis-CT, sobald die rechtlichen Grundlagen hierfür gegeben sind, für

  • asymptomatische Risikopersonen im Alter zwischen 55 und 74 Jahren und mit einer Raucheranamnese von ≥ 30 Packungsjahren und weniger als 15 Jahren Nikotinkarenz, und

  • asymptomatische Risikopersonen im Alter von mindestens 50 Jahren und einer Raucheranamnese von ≥ 20 Packungsjahren und einem der folgenden zusätzlichen Risikofaktoren: Z. n. Lungenkarzinom, positive Familienanamnese für ein Lungenkarzinom, Z. n. malignem HNO-Tumor oder einem anderen mit Rauchen assoziierten malignen Tumor, Z. n. Lymphom-Erkrankung, Asbestexposition, COPD oder Lungenfibrose.

Diese Früherkennung sollte unter folgenden Rahmenbedingungen erfolgen:

  • multidisziplinäres Behandlungsteam mindestens unter Beteiligung von Fachärzten für Radiologie, Pneumologie, Thoraxchirurgie, Onkologie und Radiotherapie, idealerweise in einem zertifizierten Lungenkrebszentrum;

  • begleitende Raucherentwöhnung;

  • fortlaufende Dokumentation und Befundvergleich;

  • innerhalb eines qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramms.

Hintergrund dieser Empfehlung ist die Neubewertung der Studienlage zur Früherkennung des Lungenkarzinoms mit Niedrigdosis-CT. In den zwischenzeitlich publizierten Subgruppenanalysen des US-amerikanischen National Lung Screening Trial (NLST) stellte sich ein starker positiver Zusammenhang zwischen dem individuellen Lungenkrebsrisiko und der Effektivität des Lungenkrebsscreenings dar: Im Quintil der Studienteilnehmer mit dem höchsten Lungenkrebsrisiko wurden 12 Todesfälle durch Lungenkrebs je 10 000 Personenjahre verhindert, im Quintil mit dem niedrigsten Risiko jedoch nur 0,2 [2]. Dies kann die negativen Ergebnisse der zum Zeitpunkt der Leitlinienrevision publizierten europäischen Screeningstudien erklären. Diese hatten im Vergleich zum NLST weichere Einschlusskriterien (15 – 20 Packungsjahre versus 30 Packungsjahre beim NLST) und außerdem eine um eine Größenordnung kleinere Fallzahl (1186 – 2052 im Studienarm je Studie versus über 26 722 im Studienarm des NLST).

In den gepoolten Daten der beiden italienischen Studien (DANTE und MILD) wurde bei längerer Nachbeobachtungszeit eine 11 % niedrigere Gesamtsterblichkeit im Screeningarm der Studie gefunden, dies war jedoch nicht statistisch signifikant [3].

Nach der Veröffentlichung der S3-Leitlinie Lungenkarzinom wurden die Ergebnisse zweier randomisierter europäischer Screeningstudien veröffentlicht, deren Ergebnisse die Kernaussagen des NLST unterstützen. Die gegenwärtig nur als Abstract vorliegenden Ergebnisse der niederländisch-belgischen NELSON-Studie zeigen im Screeningarm eine um 26 % geringere Sterblichkeit an Lungenkrebs bei Männern und eine um 39 – 61 % geringere bei Frauen [4]. Darüber hinaus fand die deutsche LUSI-Studie bei 50- bis 69-jährigen Rauchern mit mindestens 25 Packungsjahren bei Frauen eine signifikante Reduktion der Lungenkrebssterblichkeit um 69 % im Screeningarm, während bei Männern keine Senkung der Lungenkrebssterblichkeit nachgewiesen werden konnte [5].

Die Forderung der S3-Leitlinie, Früherkennungsuntersuchungen nur innerhalb eines qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramms durchzuführen, ist aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Radiologie und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin nachdrücklich zu unterstützen. Ein solches Programm sollte in Deutschland allen Personen mit einem entsprechenden Risikoprofil zugänglich sein und das in unbekanntem Umfang existierende „graue Screening“ ersetzen. Aus diesem Grund wurde das vorliegende Positionspapier erarbeitet, das – zum Teil durch die S3-Leitlinie vorgegebene – Eckpunkte eines möglichen Früherkennungsprogramms beschreiben soll.


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Rahmenbedingungen für Früherkennungsuntersuchungen

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Früherkennungsmaßnahme ist die zeitnahe, zweckmäßige Abklärung und Versorgung positiver Befunde. In der S3-Leitlinie wird ein multidisziplinäres Behandlungsteam gefordert (Fachärzte für Radiologie, Pneumologie, Thoraxchirurgie, Onkologie, Strahlentherapie), idealerweise an einem von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Lungenkrebszentrum und deren vertraglichen Kooperationspartnern.

Bei einem zertifizierten Lungenkrebszentrum kann die fachliche Eignung für die Abklärung vorausgesetzt werden. Weitere geeignete Zentren sind von der DKG zertifizierte Onkologische Zentren mit einem ausgewiesenen Schwerpunkt Lungenkrebs. Solche Zentren werden im Folgenden Behandlungszentren genannt.

An diesen Zentren soll die Abklärung positiver Früherkennungsbefunde erfolgen. Die eigentlichen Früherkennungsuntersuchungen, also die Aufklärungen und die Niedrigdosis-CT-Untersuchungen, werden im Behandlungszentrum oder alternativ in ambulanten oder stationären radiologischen Einrichtungen durchgeführt, die den Behandlungszentren vertraglich assoziiert sind. Zur Sicherstellung einer entsprechenden Struktur- und Prozessqualität sollen diese Einrichtungen folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Über Kooperationsvereinbarungen mit einem Behandlungszentrum ist sicherzustellen, dass in Niedrigdosis-CTs erhobene karzinomverdächtige Befunde im Behandlungszentrum vorgestellt und Empfehlungen für das weitere Prozedere multidisziplinär erstellt werden, bspw. im Rahmen der Tumorkonferenz des Behandlungszentrums. Ein strukturiertes Verfahren zur leitliniengerechten Abklärung positiver Befunde ist in der Kooperationsvereinbarung zu beschreiben.

  • Durch Kooperation mit einer geeigneten Einrichtung wird allen Teilnehmern des Früherkennungsprogramms eine qualifizierte Raucherentwöhnung angeboten.

  • Geeignete Untersuchungsprotokolle für die Niedrigdosis-CT des Thorax (wie im Abschnitt „CT-Untersuchungstechnik und Befundung“ beschrieben) sind auf dem CT-Scanner implementiert.

  • Die radiologische Einrichtung wird, z. B. durch die Deutsche Röntgengesellschaft, für die Teilnahme am Früherkennungsprogramm akkreditiert. Im Prozess der Akkreditierung werden die o. g. Voraussetzungen geprüft. Akkreditierten Einrichtungen wird eine Software zur Verfügung gestellt, deren Funktionalität im Abschnitt „Datentechnische Voraussetzungen“ näher beschrieben ist. Diese Software ermöglicht die Befundung einschließlich CAD-Analyse als second reader, eine einheitliche Volumetrie (gleiche Software für alle beteiligten radiologischen Einrichtungen) und die Erfassung des Teilnehmers sowie seiner Befunde in einer zentralen Datenbank. Gleichzeitig wird damit eine Verlaufskontrolle in Voruntersuchungen auffälliger Befunde über verschiedene radiologische Einrichtungen hinweg ermöglicht.

Die über den Facharztstatus hinaus notwendige Qualifikation der am Früherkennungsprogramm teilnehmenden Radiologen hinsichtlich der Strahlenschutzfachkunde sowie der spezifischen diagnostischen Kenntnisse (z. B. zu Erscheinungsformen früher Lungenkarzinome und zur standardisierten Befundung) ist noch unter Mitarbeit der Fachgesellschaften zu definieren.


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Einschluss der Teilnehmer in das Früherkennungsprogramm und Aufklärung

Die Schlüsselrolle beim Einschluss in das Früherkennungsprogramm kommt den ambulant und stationär tätigen Pneumologen zu, die von Personen mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko kontaktiert werden. Bei diesem pneumologischen Erstkontakt erfolgt die Beratung sowie die Prüfung der Einschlusskriterien durch den Pneumologen. Auch die Möglichkeit einer Raucherentwöhnung als effektivste Maßnahme zur Reduktion des Lungenkrebsrisikos soll dabei thematisiert werden.

Um eine optimale Effektivität des Früherkennungsprogramms zu erreichen, ist die Abschätzung des individuellen Lungenkrebsrisikos mittels Risikomodellen unbedingt erforderlich. Daraus abgeleitete Einschlusskriterien für das Früherkennungsprogramm sind noch in den Fachgesellschaften zu erarbeiten.

Koordinator des Prozesses der Früherkennung ist der Pneumologe. Dieser prüft die Einschlusskriterien, überweist zum Radiologen, wird über das CT-Ergebnis benachrichtigt, informiert den Teilnehmer des Früherkennungsprogramms und leitet erforderlichenfalls weitere notwendige Untersuchungen zur Abklärung positiver Befunde ein.

In der Radiologie wird jeder Teilnehmer des Früherkennungsprogramms über die mit der Früherkennungsuntersuchung verbundenen Risiken dokumentiert aufgeklärt. Dabei sind insbesondere folgende Risiken darzustellen:

  • mit der Niedrigdosis-CT verbundenes Risiko eines strahleninduzierten malignen Tumors;

  • Häufigkeit falsch positiver Befunde der Früherkennungsuntersuchung sowie die damit verbundenen Konsequenzen, von unnötiger Beunruhigung über zusätzliche Verlaufskontrollen bis hin zur invasiven Abklärung gutartiger Befunde;

  • Verbleibendes Risiko der Erkrankung an einem nicht heilbaren Lungenkarzinom trotz regelmäßiger Früherkennungsuntersuchungen;

  • Möglichkeit der Entdeckung eines Lungenkarzinoms, das für den Teilnehmer im Laufe seines Lebens ansonsten nie zu Beschwerden geführt hätte (Overdiagnosis).


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CT-Untersuchungstechnik und Befundung

Die Untersuchungsparameter des Niedrigdosis-CTs sollen an die Konstitution der zu untersuchenden Person adäquat angepasst werden, um das ALARA (As low as reasonably achievable)-Prinzip des Strahlenschutzes zu gewährleisten, gleichzeitig aber auch nicht beurteilbare Untersuchungen bei übergewichtigen Patienten zu vermeiden. Dementsprechende exzellente Protokollempfehlungen für die Thorax-CT in Niedrigdosis-Technik wurden kürzlich durch die AG Diagnostische Radiologie arbeits- und umweltbedingter Erkrankungen (AG DRauE) der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) erarbeitet und veröffentlicht [6].

Darauf aufbauend werden durch die AG Thorax der DRG adäquate Untersuchungsprotokolle für die Niedrigdosis-CT zur Lungenkrebsfrüherkennung erarbeitet und regelmäßig aktualisiert. Damit soll das Nutzen-Risiko-Verhältnis unter Berücksichtigung der installierten Gerätebasis und neuer technischer Entwicklungen optimiert werden.

Vorhandene Voruntersuchungen sollen in jedem Fall zum Zeitpunkt der Befunderstellung zur Verfügung stehen. Die Befundung erfolgt als schriftlicher standardisierter Befund, in dem alle relevanten Abnormitäten beschrieben und gewertet werden; er beinhaltet ggf. eine Empfehlung für Verlaufskontrollen oder eine notwendige weitere Abklärung. Darüber hinaus sind die Befunde mit einer für die Früherkennung des Lungenkarzinoms geeigneten Software zu dokumentieren, bei soliden Rundherden einschließlich der Volumetrie, bei subsoliden Rundherden als Angabe der größten Durchmesser des Milchglasanteils und – falls vorhanden – des soliden Anteils und evtl. der Volumetrie des soliden Anteils. Bei Verlaufskontrollen von soliden Rundherden sollte außerdem die Volumenverdopplungszeit ermittelt und dokumentiert werden, um dem Behandlungszentrum als Entscheidungshilfe für die Empfehlung eines weiteren Prozedere zur Verfügung zu stehen.

Die Wertung erhobener Befunde einschließlich der Notwendigkeit von Verlaufskontrollen oder weiterführender Diagnostik soll in dem Früherkennungsprogramm einheitlich erfolgen und sich an der Malignitätswahrscheinlichkeit orientieren. Hierfür eignet sich insbesondere das vom American College of Radiology erarbeitete Lung-RADS™ in der jeweils aktuellen Version [7], das speziell auf die Prätestwahrscheinlichkeiten in einer Screeningpopulation abgestimmt ist.

Die limitierte Sensitivität des Radiologen für die Detektion kleiner Lungenkarzinome in Niedrigdosis-CTs erfordert eine Doppelbefundung, entweder durch einen zweiten Radiologen oder durch ein geeignetes Computer-aided Detection (CAD)-System.

Es erfolgt eine Übermittlung des Befundes an den zuweisenden Pneumologen sowie in vereinfachter Form an den Patienten.


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Datentechnische Voraussetzungen

Vorbemerkung: Alle in diesem Abschnitt vorgestellten Überlegungen stehen unter dem Vorbehalt ihrer datenschutzrechtlich korrekten Realisierbarkeit.

Die zentrale Erfassung aller Teilnehmer am Früherkennungsprogramm, der positiven Befunde und der Ergebnisse der diagnostischen Abklärung in einer zentralen Datenbank (Register) ist notwendig. Das ermöglicht auch die Nutzung der Daten des Früherkennungsprogramms im Sinne einer Anwendungsbeobachtung. Zu Forschungszwecken können die Daten des Früherkennungsprogramms mit den bestehenden klinischen Krebsregistern abgeglichen werden, die Daten zu Stadien, Therapien und Überleben der in der Früherkennung diagnostizierten Lungenkarzinome enthalten.

Es ist damit zu rechnen, dass Teilnehmer des Früherkennungsprogramms ihre Verlaufsuntersuchungen nicht immer in derselben radiologischen Einrichtung durchführen lassen. Aus diesem Grund muss der reibungslose Austausch der CT-Bilddaten und der Vorbefunde zwischen den am Früherkennungsprogramm teilnehmenden radiologischen Einrichtungen gewährleistet sein. Die Ergebnisse volumetrischer Messungen von Rundherden sind stark von der verwendeten Volumetrie-Software abhängig. Die Verwendung einer einheitlichen Volumetrie-Software im Früherkennungsprogramm ist deshalb sehr wünschenswert, jedoch ohne eine für alle beteiligten radiologischen Einrichtungen verbindliche zentrale Lösung schwer zu erreichen.

Aus den dargestellten Anforderungen leitet sich die Notwendigkeit einer zentral gemanagten IT-Lösung ab, die mindestens folgende Funktionalitäten aufweist:

  • zentrale Verarbeitung der Teilnehmerdaten, Untersuchungsbefunde und Empfehlungen zu Verlaufskontrollintervallen bzw. zur diagnostischen Abklärung;

  • Dokumentation der Patientenaufklärung sowie der anamnestischen Angaben (Risikofaktoren, Packungsjahre);

  • grafisches Nutzerinterface für die Befundung mit Dokumentationsmöglichkeit für Zweitbefundungen, Volumetrie sowie Computer-aided Detection (CAD)-Funktionalität

  • Generierung standardisierter Befundberichte mit Empfehlung zum weiteren Prozedere anhand einheitlich verwendeter Empfehlungen wie Lung-RADS (Kontrollintervalle, diagnostische Abklärung);

  • Monitoring der termingerechten Durchführung der aufgrund von Befunden notwendig gewordenen Verlaufskontrollen;

  • Möglichkeit zum Austausch der Bilddaten von CT-Voruntersuchungen zwischen den teilnehmenden radiologischen Einrichtungen;

  • Schnittstelle zur wissenschaftlichen Auswertung der im Früherkennungsprogramm erhobenen Daten;

  • zentrale Dokumentation der Strahlendosis und des verwendeten CT-Scanners für jede CT-Untersuchung im Früherkennungsprogramm.

Am Markt angebotene Softwarelösungen sollten auf ihre Eignung und mögliche Erweiterbarkeit geprüft werden.


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Finanzierung des Früherkennungsprogramms

Eine Finanzierung des Früherkennungsprogramms durch die Kostenträger des Gesundheitswesens ist grundsätzlich notwendig. Voraussetzung dafür ist die positive Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), wofür zukünftig auf 18 Monate verkürzte Fristen nach Zulassung des Früherkennungsverfahrens durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gelten.

Die Einführung entsprechender Codierungsmöglichkeiten in Leistungs- und Abrechnungskatalogen zur Dokumentation der Leistungserbringung und ihrer Vergütung ist notwendig und mit den Kostenträgern zu klären.

Die Vorstellung und Abklärung positiver Früherkennungsbefunde im Behandlungszentrum sind Leistungen, deren Kosten ohne Weiteres gegenwärtig bereits durch die gesetzlichen und privaten Kostenträger übernommen werden, da es sich hierbei um die Abklärung eines malignitätssuspekten Befundes handelt.

In dem beschriebenen Früherkennungsprogramm spielen eine zentrale Datenbank und eine einheitliche Software die zentrale Rolle für die Sicherstellung der kompletten Erfassung der Teilnehmer und ihrer Befunde im zeitlichen Verlauf sowie eine einheitliche Befunddokumentation. Die Finanzierung der zentralen Systemkomponenten ist noch ungeklärt. Bei auf einem Server-Client-Konzept basierenden Lösungen wäre die Finanzierung der clientseitigen Software in radiologischen Einrichtungen bspw. durch pay-per-use-Modelle vorstellbar, was eine entsprechende Rückvergütung erfordert. Die Klärung der Finanzierung bis zum Zeitpunkt der Initiierung des Früherkennungsprogramms ist eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Qualitätssicherung, da ohne Verfügbarkeit eines zentralen Systems zum Zeitpunkt der Einführung des Früherkennungsprogramms eine vollständige Erfassung aller Teilnehmer und ihrer Befunde nicht gewährleistet ist.


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Zusammenfassung und Ausblick

Mit der revidierten S3-Leitlinie Lungenkarzinom und dem neuen Strahlenschutzgesetz besteht in Deutschland jetzt die realistische Chance, ein Angebot zur Früherkennung des Lungenkarzinoms mittels Niedrigdosis-CT für Risikopersonen einzuführen. Voraussetzung hierfür ist einerseits eine positive wissenschaftliche Bewertung des Verfahrens durch das Bundesamt für Strahlenschutz und der anschließende Erlass einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit entsprechend § 84 Strahlenschutzgesetz, andererseits die Schaffung einer Finanzierungsmöglichkeit des Früherkennungsprogramms durch den G-BA.

Im vorliegenden Positionspapier der Deutschen Röntgengesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin werden notwendige Eckpunkte des in der S3-Leitlinie geforderten qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramms beschrieben. Die dargestellten Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität sind im Prozess der Entwicklung des Früherkennungsprogramms noch zu verfeinern und können perspektivisch auch um Elemente der Ergebnisqualität ergänzt werden.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Zeitgleich publiziert in Fortschr Röntgenstr 2019 DOI: https://doi.org/10.1055/a-0998-4399



Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Dag Wormanns
Evangelische Lungenklinik Berlin
Radiologisches Institut
Lindenberger Weg 27
13125 Berlin