Pneumologie 2019; 73(09): 513-514
DOI: 10.1055/a-0991-1376
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CRP-gesteuerte Antibiotikatherapie von Patienten mit akuter Exazerbation der COPD

Butler C. et al.
C-reactive protein testing to guide antibiotic prescribing for COPD exacerbations.

N Engl J Med 2019;
381: 111-120
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Publication Date:
18 September 2019 (online)

 

Die Indikation zur antimikrobiellen Therapie von Patienten mit akuten Exazerbationen der COPD ist weiterhin umstritten. Die Evidenz für eine solche Therapie ist stark limitiert. In Europa und den USA erhalten mehr als 80 % dieser Patienten Antibiotika. Dies ist nicht nur hinsichtlich einer möglichen Förderung von Resistenzen bedenklich, sondern auch aufgrund einer Begünstigung der Kolonisation mit P. aeruginosa.


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Die deutsche Leitlinie zur COPD hat dementsprechend die Indikationen stark eingeschränkt und diese entsprechend der Datenlage differenziert nach Schweregrad der COPD und der Exazerbation definiert. Alternativ kann eine Procalcitonin-gesteuerte Indikationsstellung erfolgen.

Studienprotokoll und -ergebnisse

In der vorliegenden multizentrischen, open-label, randomisiert-kontrollierten Studie wurden Patienten, die sich in Praxen mit akuter Exazerbation der COPD vorstellten (definiert als Vorliegen mindestens eines Anthonisen-Kriteriums), randomisiert hinsichtlich einer Standardtherapie (eigentlich einer Routinetherapie, ohne Angaben von Standards) versus einer CRP-gesteuerten Antibiotikagabe. Diese Randomisierung galt für den Erstkontakt wie für jede weitere Vorstellung binnen 4 Wochen.

Das C-reaktive Protein (CRP) wurde als Point-of-Care-Test (POCT) gemessen, das Ergebnis war in wenigen Minuten verfügbar. Behandelnde Ärzte erhielten die Empfehlung, Patienten mit einem CRP < 2 mg/dL eher keine Antibiotika zu verschreiben. Eine Therapieempfehlung ergab sich bei Werten zwischen 2 – 4 mg/dL vor allem bei purulentem Sputum sowie bei Werten > 4 mg/dL.

Primäre Endpunkte waren die Rate der Patienten mit Antibiotika nach Angaben der Patienten selbst 4 Wochen nach Randomisierung sowie der COPD-assoziierte Gesundheitsstatus 2 Wochen nach Randomisierung, gemessen an einem Fragebogen.

Eine CRP-gesteuerte antimikrobielle Therapie führte zu einer signifikanten Reduktion von Antibiotikaeinnahmen nach Angaben der Patienten bzw. Antibiotikaverschreibungen durch den Arzt von absolut etwas mehr als 20 % (55,0 vs. 77,4 % bzw. 44,7 vs. 69,7 %), ohne dass schlechtere klinische Ergebnisse nach 4 Wochen auftraten.

Kommentar

Die Studie ist in zweifacher Hinsicht klinisch relevant:

  1. Die Ergebnisse stützen die bisherige Datenlage, dass Antibiotika bei Patienten mit akuten Exazerbationen der COPD in vielen Fällen keinen Effekt und somit keine Indikation haben.

  2. Bisher lagen nur Daten zu PCT-gesteuerten Antibiotikagaben vor. Die Studie zeigt, dass CRP ebenso in dieser Indikation eingesetzt werden kann.


Eine Reihe kritische Punkte verdient hervorgehoben zu werden:

  • In diese Studie wurden offenbar auch einige Patienten eingeschlossen, die die GOLD-Kriterien einer COPD nicht erfüllten.

  • Die Standard-Therapiegruppe erhielt keine standardisierte Therapie. Angesichts einer Rate von knapp 70 % Antibiotikaverschreibungen ist nahezu jeder beliebige Parameter geeignet, eine vergleichsweise niedrigere Rate an Antibiotikagaben zu ergeben.

  • Die Studie gibt keinerlei Auskunft über andere als Antibiotikatherapien. Da die systemische Steroidtherapie einen entscheidenden Einfluss auf den Therapieerfolg hat, schränkt dies die Aussage der Studie erheblich ein.

  • Die Systematik der Therapieempfehlungen entlang verschiedener Bereiche der CRP-Werte folgte derjenigen, die aus den Studien zur PCT-gesteuerten Antibiotikagabe bekannt ist. Da es sich um weiche Empfehlungen (eher nein, möglicherweise, eher ja) handelte, hätte die Rate der jeweiligen Therapieentscheidungen berichtet werden müssen. Ohne diese Information bleibt unklar, welchen Anteil der CRP-Wert an der Antibiotikareduktion tatsächlich hatte.

  • Die Rationale der Studie wurde damit begründet, dass es sich bei den Anthonisen-Kriterien um schlecht objektivierbare Variablen handelt. Durch Einbeziehung des Kriteriums „purulentes Sputum“ in die Empfehlungen zur Therapie wurde das wichtigste Anthonisen-Kriterium wieder eingeführt. Es handelt sich somit in dieser Studie – im Gegensatz zu den PCT-Studien – nicht um eine rein Biomarker-orientierte Systematik.


Schließlich bleibt diese Arbeit in mehrfacher Hinsicht deutlich hinter der aktuellen Datenlage zurück. Ergebnisse der Mikrobiom-Forschung sprechen dafür, dass es sich bei akuten Exazerbationen häufig nicht um Infektionen, sondern um eine akut-auf-chronische Dysbiose handelt. Die vorliegenden randomisierten Studien zeigen, dass nur eine kleine Subgruppe von Patienten in geringem Umfang von Antibiotika profitiert. Aber auch die Daten der Studie zeigen einen bakteriellen Nachweis im Sputum nur in etwas mehr als 20 % der untersuchten Fälle. Tatsächlich erfüllten auch nur 24 % der Pateinten die Kriterien für Anthonisen I.

Fazit

Die Hälfte der Patienten mit Antibiotika zu behandeln, stellt somit unverändert eine erhebliche Übertherapie dar. Statt einer CRP-gesteuerten Antibiotikagabe scheint auf diesem Hintergrund unverändert die Orientierung an den Anthonisen-Kriterien mit der höchsten Einsparung an Antibiotika einherzugehen. Im ambulanten Bereich erscheint eine Antibiotikagabe auch bei Anthonisen I weiterhin allenfalls bei bestehender mittelschwerer bis schwerer COPD indiziert.


Autorinnen/Autor

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Prof. Dr. med. Santiago Ewig, Thoraxzentrum Ruhrgebiet, EVK Herne und Augusta-Kranken-Anstalt Bochum

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Prof. Dr. med. Santiago Ewig, Thoraxzentrum Ruhrgebiet, EVK Herne und Augusta-Kranken-Anstalt Bochum