Aktuelle Dermatologie 2019; 45(12): 584
DOI: 10.1055/a-0993-2263
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Alopecia und psychische Krankheiten: Ein Teufelskreis

Kim JC. et al.
Impacts of Alopecia areata on Psychiatric Disorders: A retrospective Cohort Study.

J Am Acad Dermatol 2019; PMID: 31279023
DOI: 10.1016/j.jaad.2019.06.1304.
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Publication History

Publication Date:
12 December 2019 (online)

 

    Alopecia areata ist keine lebensbedrohliche, aber bei schwerer Ausprägung belastende Erkrankung. Auffällig viele Patienten leiden an psychischen Komorbiditäten; zu deren Assoziation mit dem Schweregrad und der Dauer der Alopezie fehlen jedoch genaue Daten. In dieser retrospektiven Studie werteten die Autoren Daten einer nationalen Kohorte aus, um das Risiko verschiedener psychischer Krankheiten bei Patienten mit Alopecia areata genauer zu beschreiben.


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    In der National Health Insurance Service-National Sample Cohort aus Korea sind die Daten von 1 125 691 Personen zwischen 2002 und 2013 erfasst. Aus diesem Fundus identifizierten die Autoren 7706 Patienten, die mindestens 2 grundsätzliche ICD-10-Diagnosen bzgl. Alopecia areata aufwiesen, die von einem Dermatologen vergeben worden waren. Es wurden die Patienten mit Alopecia totalis und Alopecia universalis (den ganzen Körper betreffend) sowie der Sonderform der Alopezie Ophiasis in einer Gruppe der „schweren“ Alopezie zusammengefasst. In einer zweiten Gruppe mit einer besonders lang andauernden Alopezie erfassten die Autoren diejenigen mit mindestens 10 ICD-Codes für Alopezie und/oder eine Krankheitsdauer von einem Jahr. Diesen Patienten wurde eine gematchte (Geschlecht, Indexdatum, Alter und Einkommen) Gruppe von mehr als 30 000 Personen gegenübergestellt, die nicht an Alopezie litten und vor dem Indexdatum keinen Diagnose-Code einer psychischen Krankheit erhalten hatten. Als Patient mit einer psychischen Krankheit galten diejenigen, die nach dem Indexdatum mindestens 2 grundsätzliche ICD-10-Diagnose-Codes bzgl. der einzelnen Krankheit aufwiesen, die ein Psychiater erhoben hatte.

    Wie sich beim Vergleich beider Gruppen ergab, waren insgesamt die meisten Patienten an einer Depression erkrankt, gefolgt von Angststörungen und nichtorganischen Schlafstörungen. In der multivariaten Cox-Regression ergab sich im Vergleich zur Kontrollgruppe ein signifikant erhöhtes Risiko für Patienten mit Alopezie, mindestens eine psychische Krankheit zu haben.

    Ein signifikanter Unterschied zeigte sich dabei im Einzelnen für folgende Krankheiten (p jeweils 0,025 – 0,001):

    • somatoforme Störungen (adjustierte HR 1,69),

    • auffällige Reaktionen gegenüber Stress und Anpassungsstörungen (adjustierte HR 1,67),

    • nichtorganische Schlafstörungen (adjustierte HR 1,59),

    • Depression (adjustierte HR 1,46) und

    • Angststörungen (adjustierte HR 1,35).

    Über alle psychischen Krankheiten hinweg (darunter auch Sucht, Schizophrenie, Zwangsstörungen, Persönlichkeitsstörungen etc.) ließ sich eine adjustierte HR von 1,38 (95 % Konfidenzintervall 1,21 – 1,56; p < 0,001) für die Alopezie-Patienten errechnen. Dieses Risiko betrug 2,52 (95 % Konfidenzintervall 1,38 – 4,61) für die Patienten mit schwerer Alopezie und 1,58 (95 % Konfidenzintervall 1,13 – 2,22) für diejenigen mit langem Krankheitsverlauf.

    Fazit

    Alopecia areata ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung einer psychischen Krankheit. Umgekehrt finden sich in der Literatur Studien, die etwa Angststörungen als Ursache für Alopezie beschreiben, betonen die Autoren. Es könnte also eine Art Teufelskreis vorliegen. In jedem Fall sei bei Alopezie-Patienten eine psychiatrische Untersuchung anzuraten, so Jin Kim und Kollegen.

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    Somatoforme oder psychische Störungen treten mitunter auch bei dermatologischen Erkrankungen auf. Auch bei Alopecia areata ist das Risiko für derartige Komorbiditäten erhöht, wie koreanische Forscher ermittelt haben. (Quelle: ©dodoardo – stock.adobe.com)

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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    Somatoforme oder psychische Störungen treten mitunter auch bei dermatologischen Erkrankungen auf. Auch bei Alopecia areata ist das Risiko für derartige Komorbiditäten erhöht, wie koreanische Forscher ermittelt haben. (Quelle: ©dodoardo – stock.adobe.com)