Aktuelle Dermatologie 2019; 45(11): 501
DOI: 10.1055/a-0993-2306
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Suizidalität als Nebenwirkungen von Isotretinoin fraglich

Singer S. et al.
Psychiatric Adverse Events in Patients Taking Isotretinoin as Reported in a Food and Drug Administration Database From 1997 to 2017.

JAMA Dermatol 2019;
DOI: 10.1001/jamadermatol.2019.1416. [Epub ahead of print]
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Publication History

Publication Date:
13 November 2019 (online)

 

Immer wieder wird in den Medien über Depression und Suizidalität im Zusammenhang mit der Isotretinoin-Therapie bei Akne berichtet, ohne dass ein kausaler Zusammenhang nachgewiesen ist. Ein Team von der Harvard Medical School in Boston analysierte deshalb retrospektiv in den USA gemeldete potenzielle psychiatrische Nebenwirkungen von Isotretinoin, insbesondere auch zur Suizidalität.


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Zum einen stammten die Angaben zu psychiatrischen Nebenwirkungen von Isotretinoin aus dem Nebenwirkungsmeldesystem der FDA aus den Jahren 1997 bis 2017. Außerdem werteten Sean Singer und Kollegen von der Harvard Medical School, Boston (USA), öffentlich verfügbare Daten aus dem iPLEDGE-Programm aus, einem Risikomanagement-System, das von der FDA 2006 ins Leben gerufen wurde, um das Risiko der fötalen Exposition von Isotretinoin zu eliminieren. Dort müssen alle Patienten bei Beginn der Isotretinoin-Therapie gemeldet werden, und es sind monatliche Termine vorgesehen, um eine ausreichende Kontrazeption und einen bestimmungsmäßigen Gebrauch sicherzustellen. Die iPLEDGE-Daten aus den Jahren 2009 und 2010 wurden verwendet, um die Rate der vollendeten Suizide pro 100 000 behandelte Patienten abzuschätzen.

Ergebnisse

Zwischen 1997 und 2017 wurden der FDA 17829 psychiatrische Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung von Isotretinoin gemeldet. Die häufigsten Nebenwirkungen dieser Art waren depressive Erkrankungen, emotionale Labilität und Angststörungen. Etwa die Hälfte der Meldungen wurde jeweils bei Männern und Frauen berichtet. Für 13 553 Meldungen lagen auch Altersangaben vor. Danach war das mittlere Alter bei Meldung einer Nebenwirkung 22,1 (± 8,6) Jahre. Mit etwas mehr als der Hälfte aller Meldungen zu psychiatrischen Nebenwirkungen unter Isotretinoin-Therapie (52,5 %) waren 10- bis 19-Jährige besonders häufig betroffen. Das könnte durch die hohe psychische Vulnerabilität bei Heranwachsenden allgemein und insbesondere auch bei Akne bedingt sein, wie die Autoren diskutieren. Depression und Angststörungen wurden in beiden Geschlechtern ähnlich häufig berichtet. Dagegen wurden Essstörungen häufiger bei Frauen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen sowie vollendete Suizide häufiger bei Männern gemeldet.

In iPLEDGE lag die Rate der vollendeten Suizide im Jahr 2009 bei 8,4 und im Jahr 2010 bei 5,6 pro 100 000 registrierte Patienten. Das ist weniger als in der US-amerikanischen Allgemeinbevölkerung, wie die Wissenschaftler betonen (11,8/100 000 Personen im Jahr 2009 und 12,1/100 000 Personen im Jahr 2010).

Fazit

Auch wenn psychiatrische Nebenwirkungen und Suizide unter Isotretinoin häufig gemeldet werden, müssen die Daten doch auf dem Hintergrund einer erhöhten Rate psychiatrischer Komorbiditäten bei Patienten mit Akne und deutlich höheren Suizidraten der Allgemeinbevölkerung relativiert werden. In der Praxis sollte die psychische Vulnerabilität der Akne-Patienten dennoch Berücksichtigung finden. Die Forscher schlagen vor, bei jedem Kontakt mit einem Fragebogen ein Depressionsscreening durchzuführen.

Friederike Klein, München


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