Neonatologie Scan 2019; 08(04): 248
DOI: 10.1055/a-0998-1508
Aktuell
Infektionen
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Sollen Frühgeborene besser morgens oder abends geimpft werden?

Gottlob S. et al.
Randomized Controlled Trial on the Effects of Morning versus Evening Primary Vaccination on Episodes of Hypoxemia and Bradycardia in Very Preterm Infants.

Neonatology 2019;
DOI: 10.1159/000501338. [Epub ahead of print]
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Publication Date:
25 November 2019 (online)

 

    Bei Frühgeborenen < 32 Schwangerschaftswochen (SSW) treten Hypoxämien und Bradykardien regelmäßig auf. Eine Häufung der kardiorespiratorischen Ereignisse (CER) finden sich auch nach Impfungen. Die Frage war, ob Frühgeborene von 26–30 SSW eine niedrigere CER-Rate zeigen, wenn sie morgens geimpft werden und ob Impftiter durch eine zirkadiane Rhythmik beeinflusst werden können.


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    Aktuelle Leitlinien empfehlen, die erste 6-fach-Impfung bei Frühgeborenen < 28 SSW aufgrund der Zunahme der CER unter stationären Bedingungen durchzuführen. Daten von Erwachsenen zeigen eine bessere Immunantwort nach Impfungen, wenn die Probanden danach schlafen. Unklar ist, ob auch Frühgeborene entsprechende Reaktionen zeigen.

    26 Frühgeborene von 26–30 SSW wurden in einer Tübinger Pilot- und Hauptstudie mit 10 bzw. 16 Teilnehmern in eine Morgen- und eine Abendimpfgruppe randomisiert. Die Inzidenz der CER wurde nach der ersten Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Hämophilus (H.) influenzae Typ b, Hepatitis B und Pneumokokken untersucht. Ausschlusskriterien waren bronchopulmonale Dysplasie, periventrikuläre Leukomalazie, schwere angeborene Fehlbildungen, positiver mütterlicher Hepatitis-B-Status bei Geburt sowie Patienten mit klinischen Infektionszeichen.

    Sauerstoffsättigung, Aktigrafie und rektale Temperatur wurden 24 Stunden (h) vor und nach der Impfung gemessen. Impftiter gegen Bordetella pertussis Toxin Immunglobulin G (IgG) und Filamentous Haemagglutinin IgG sowie H. influenzae Typ b IgG wurden vor der Impfung und im korrigierten Alter von 3 Monaten bestimmt. 24 h nach der Impfung wurden Entzündungsmarker (CRP, Leukozyten, Il-6 und Il1ß) kontrolliert.

    Der primäre Endpunkt war die Anzahl der Episodenereignisse (SpO2 < 80 %, Puls <100 bpm) vor und nach der Impfung. Sekundärer Endpunkt war der Titer-Verlauf für Pertussis und H. influenzae Typ b, Änderungen der Körpertemperatur und Immunreaktionen.

    Statistische Auswertungen wurden mit deskriptiven Analysen (Mittelwert und Standardabweichung oder Median und Quartilsabstand) erfasst, Labordaten und Pulsoxymetrie mit dem Mann-Whitney-Test und die Impftiter mit dem Kruskal-Wallis-Test verglichen.

    CER traten nach der ersten Impfung in beiden Gruppen unabhängig vom Impfzeitpunkt gleichermaßen vermehrt auf. Impftiter für Pertussis waren in beiden Gruppen signifikant angestiegen. Ein deutlicher Titeranstieg für H. influenzae Typ b IgG zeigte sich nach der abendlichen Impfung, aber nicht nach morgendlicher Impfung. In beiden Gruppen war die Körpertemperatur innerhalb von 24 h nach der Impfung erhöht. Kein signifikanter Anstieg und Unterschied zeigte sich bei den Entzündungsmarkern nach 24 h. In der Aktigrafie zeigte sich eine längere Schlafdauer nach der Impfung in der Abendgruppe.

    Eine CER trat bei Jungen häufiger auf als bei Mädchen. Bei Erwachsenen zeigen Frauen häufiger Impfnebenwirkungen als Männer. Der Geschlechtsunterschied lässt in diesem Kollektiv aufgrund der kleinen Stichprobengröße jedoch nur Hypothesen zu. Untersuchungen haben einen zunehmenden Titeranstieg gezeigt, wenn die Schlafdauer nach Impfungen 7,5 h beträgt, verglichen mit wachen Probanden. In dieser Studie zeigten die Säuglinge in der Abendgruppe einen längeren Schlaf nach der Impfung in der 12-h-Periode, über 24 h war die Schlafdauer jedoch gleich. Es zeigte sich kein Unterschied im immunologischen Outcome. Eine Erklärung könnte sein, dass der zirkadiane Rhythmus bei Frühgeborenen vor ihrem errechneten Termin noch nicht ausgereift ist.

    Die automatisierten Analysen in der Aktigrafie haben eine Übereinstimmung mit der Verhaltensbeobachtung zu 89 % gezeigt. Aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl sollte dies in einer größeren Gruppe validiert werden. Der Nachteil der Studie war die geringe Probandenzahl, die nur Vermutungen zulässt.

    Fazit

    In der Untersuchung zeigte sich bei Frühgeborenen von 26–30 SSW eine Zunahme der Bradykardien und Hypoxämien sowie Temperaturerhöhung nach der ersten hexavalenten Impfung, unabhängig vom Impfzeitpunkt. Eine Empfehlung für einen bestimmten Impfzeitpunkt – morgens oder abends – kann deshalb für Frühgeborene nicht gegeben werden. Die Untersuchung lässt vermuten, dass bei Frühgeborenen < 30 SSW eine zirkadiane Immunantwort noch nicht ausgebildet ist.

    Dr. med. Isabell Hörnig-Franz, Münster


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