Im Februar 2018 stellte sich eine 67-jährige Patientin mit einem seit 2015 bekannten
und auswärts bioptisch gesicherten Skleromyxödem (SME) mit monoklonaler Gammopathie
(IgG-Lambda) vor. Die folgende Anamnese konnte erhoben werden: im Juli 2014 sei es
nach 15-tägiger Einnahme eines Vitaminpräparates (Calcitrin®, Kombinationspräparat aus Kalzium, Magnesium, Vitamin D und Haikollagen) zu einem
rötlichen, ödematösen Exanthem mit tastbarer Verhärtung der betroffenen Haut, vorwiegend
in Gesicht, am Hals, an den Armen und Händen gekommen. Auch nach Absetzen des Medikaments
und unter Einnahme von Methylprednisolon persistierte das Exanthem über mehrere Monate.
Zwei entnommene Hautbiopsien von unterschiedlicher Lokalisation und im Abstand von
4 Monaten zeigten ein ähnliches Bild: Es wurde eine interstitielle granulomatöse Dermatitis
bzw. ein inkomplettes oberflächliches Granuloma anulare diagnostiziert. Differenzialdiagnostisch
kamen von Seiten der Histologie ein Lupus erythematodes, eine Dermatomyositis, eine
Mixed-connective-tissue-disease, ein granulomatöses Arzneimittelexanthem und eine
Borreliose in Betracht. Zusätzlich zu den Hautbefunden bestanden seit August 2014
immer wieder Parästhesien, Steifigkeit und Schwellungen der Finger, ein Ruhe- und
Intentionstremor sowie Sprachschwierigkeiten mit Dysarthrie. Außerdem klagte die Patientin
über Mundtrockenheit, zunehmende Gliederschmerzen ohne Fieber bei normalem C-reaktivem
Protein und unauffälliger kranialer Computertomografie. Laborchemisch fand sich eine
monoklonale Gammopathie (Typ IgG-Lambda).
Im Januar 2015 kam es dann zum Auftreten von Krämpfen in den Händen, vermehrter Mundtrockenheit
und erneuten Sprachschwierigkeiten, einmalig auch im Sinne eines epileptischen Anfalles
mit der Notwendigkeit der tiefen Sedierung und passagerer Beatmungspflichtigkeit.
Die weitere neurologische Abklärung ergab bis auf Residuen eines alten ischämischen
Insultes in der kranialen Magnetresonanztomografie keinen richtungsweisenden Befund.
Die bisherige Therapie unserer Patientin bestand aus Methylprednisolon 4 mg täglich
und Methotrexat 15 mg wöchentlich seit 2015. Des Weiteren erfolgte zweimalig die Gabe
von intravenösen Immunglobulinen. Beides führte zu einer deutlichen Besserung der
klinischen Symptomatik und der Hautveränderungen.
Im Rahmen des stationären Aufenthaltes in unserer Klinik bei erneutem Wiederaufflammen
der Hautveränderungen im Februar und März 2018 ([Abb. 1 – 3]) mit symmetrischen fliederfarbenen Erythemen und einer derben Verhärtung der Haut
am Stamm und Extremitäten wurde erneut eine Hautbiopsie durchgeführt. Diese zeigte
erneut diskrete interstitielle histiozytäre Infiltrate, Fibroblastenproliferation
als eine sog. „busy dermis“ sowie eine interstitielle Muzinose ([Abb. 4]).
Abb. 1 67-jährige Patientin mit granulomatösem Skleromyxödem im Februar 2018, Dekolleté.
Abb. 2 67-jährige Patientin mit granulomatösem Skleromyxödem im Februar 2018, Rücken der
Patientin.
Abb. 3 67-jährige Patientin mit granulomatösem Skleromyxödem im Februar 2018, Oberschenkel.
Abb. 4 Histologische Befunde der Hautbiopsie vom Februar 2018 mit interstitiellen Infiltraten
lymphohistiozytärer Zellen sowie wenig interstitiellem Muzin.
Nach wiederholter Gabe intravenöser Immunglobuline in 4-wöchigem Rhythmus und einer
Bade-PUVA-Lichttherapie als Erhaltungstherapie kam es zu einer Befundstabilisierung;
neuerliche neurologische Akutsymptomatiken traten nicht auf.
Diagnose
In Zusammenschau der bisherigen histologischen Befunde, der Laborbefunde und der klinischen
Symptomatik bestehend aus kombinierten kutanen und neurologischen Befunden wurde abschließend
die Diagnose eines Skleromyxödems mit dermato-neurologischem Syndrom gestellt.
Diskussion
Das Skleromyxödem ist eine seltene, chronische, fibromuzinöse Erkrankung unbekannter
Ätiologie. Sie wird mehrheitlich im mittleren Lebensalter bei beiden Geschlechtern
gleichermaßen beobachtet [1]
[2]. Die diagnostischen Kriterien sind in [Tab. 1] aufgeführt. Die Erkrankung ist typischerweise mit einer monoklonalen Gammopathie,
meist vom Lambda-Typ, assoziiert. Neben den charakteristischen disseminierten und
symmetrischen Hauterscheinungen mit eruptiven lichenoiden Papeln an Armen, Kopf-Hals-Bereich
sowie Stamm gibt es diverse extrakutane Symptome der Erkrankung: u. a. Myopathie,
Polyarthritis, Ösophagusdysmotilität sowie pulmonale, kardiovaskuläre, renale und
neurologische Komplikationen [1]
[2]
[3]
[4]. Histologische Charakteristika sind die dermale Ablagerung von Muzin, eine gesteigerte
Proliferation von Fibroblasten sowie die Verdickung von kollagenen Fasern [2]
[5].
Tab. 1
Diagnostische Kriterien des Skleromyxödems, aus Rongioletti et al. [5]
[6].
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1. Generalisierte papulöse und sklerodermoide Eruption
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2. Monoklonale Gammopathie
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3. Histomorphologische Trias: dermale Muzindepositionen, verdicktes Kollagen, Fibroblastenproliferation
oder Bild eines interstitielles Granuloma anulare
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4. Ausschluss einer Schilddrüsenerkrankung
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Klinische und histologische Differentialdiagnosen sind in [Tab. 2] dargestellt und sollten vor dem Hintergrund der extrakutanen Symptome und damit
verbundenen Mortalität sorgfältig vom Skleromyxödem abgegrenzt werden.
Tab. 2
Wesentliche klinische und histologische Differenzialdiagnosen des Skleromyxödems.
Es muss dringend beachtet werden, dass die abschließende Diagnose NICHT allein auf
Basis der histologischen Befunde gestellt werden kann [5]
[6].
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Erkrankung
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Klinische Besonderheiten
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Histologische Besonderheiten
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Systemische Sklerodermie (SS)
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Möglichkeit überlappender klinischer Symptome SME:Sklerodaktylie, Raynaud-Phänomen,
Ösophagusmotilitätsstörungen
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Sklerose steht im Vordergrund, Atrophie der kutanen Adnexstrukturen
Muzindepositionen stehen im Hintergrund
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Scleroedema adultorum Buschke
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Anamnestisch oft Infektionen des oberen Respirationstraktes vorausgehend, Diabetes
mellitus und hämatologische Dyskrasie häufig assoziiert
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Kaum Fibroblastenproliferation, kaum perivaskuläre lymphoidzellige Infiltrate, deutlich
breitere dermale Fibrosklerose
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Nephrogene systemische Fibrose
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Klinisch ist eine renale Dysfunktion und Exposition mit Gadolinium per definitionem
erforderlich.
Keine monoklonale Gammopathie
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Die histologischen Befunde ähneln denen des SME.
Zusätzlich werden dystrophe Kalzifikationen sog. und elastokollagenöse Kugeln beobachtet.
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Lokalisierte Varianten des Lichen myxödematosus
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Historisch bekannte Entitäten können über die Diagnosekriterien des SME ([Tab. 1]) abgegrenzt werden:
papulöse Muzinose, Lichen myxödematosus, akral persistierende papulöse Muzinose, u. a.
Es handelt sich hier um ein Spektrum einer Erkrankung.
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Histologisch keine spezifischen Befunde
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Interstitielles (inkomplettes) Granuloma anulare
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Differenzierung des SME gelingt hier nur durch enge klinisch-pathologische Korrelation
und durch Beachtung der in [Tab. 1] genannten Diagnosekriterien des SME.
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Interstitielle (granulomatöse) Arzneireaktion)
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Einen ausführlichen Überblick über die histologischen Merkmale, histologischen Varianten
sowie Differenzialdiagnosen des SME gibt die Arbeitsgruppe um Franco Rongioletti et
al [6]. Insbesondere die histologische Variante des SME mit Granuloma-anulare-ähnlichem
Muster macht eine initiale Diagnosestellung klinischerseits oft schwer. Ebenso sind
Fälle eines granulomatösen SME beschrieben, welche von einer Arzneireaktion abgegrenzt
werden müssen [2]
[3]
[7]
[8]. Die Bedeutung der granulomatösen Infiltrate in einem SME bleibt aktuell noch völlig
offen. Es wird eine immunologische Reaktion auf die monoklonale Gammopathie in Analogie
zu bekannten unspezifischen granulomatösen kutanen Reaktionsmustern im Rahmen systemischer
Lymphome diskutiert [9]. Im klinischen Kontext einer interstitiellen granulomatösen Reaktion heißt dies
für den Kliniker, neben Arzneireaktionen auch an ein SME zu denken und die weiteren
Diagnosekriterien zu prüfen.
Eine klinisch relevante Komplikation des SME, welches auch in dem hier gezeigten Fall
auftrat, ist das selten zu beobachtende sog. „dermato-neurologische Syndrom“ (DNS).
Das DNS ist definiert als die Kombination Grippe-ähnlicher Symptome, hohem Fieber,
tonisch-klonischer Krämpfe und Koma im klinischen Kontext eines Skleromyxödems [10]. Letale Verläufe des Syndroms wurden beschrieben [11]. Fachspezifisch ist das DNS von weiteren neurologischen Assoziationen des SME wie
Enzephalopathie, akuten Psychosen, kognitiven Erkrankungen, peripherer Neuropathie
und dem Karpaltunnelsyndrom abzugrenzen, welche in 10 – 15 % der Patienten mit SME
beobachtet werden können [12]
[13]. Die Ätiologie des DNS ist zum aktuellen Zeitpunkt noch völlig unklar, und die Inzidenz
ist aufgrund nur sehr geringer publizierter Fallzahlen und der oft schwierigen Abgrenzung
zu anderer neurologischen Komorbidität des SME derzeit nicht anzugeben. Ätiopathogenetisch
werden folgende Mechanismen des DNS diskutiert:
-
Die monoklonale Gammopathie führt zu einer erhöhten Blutviskosität mit nachfolgender
Enzephalopathie [10].
-
Zerebrale Leukozytenaggregationen führen zu einer eingeschränkten Mikrozirkulation
mit der Folge einer Enzephalopathie [1].
-
Erhöhte Interleukin-6-Spiegel induzieren eine Enzephalitis [1]
[14].
Eine tabellarische Listung der neurologischen Symptome sowie Befunde von Hirnbiopsien
dieser Patienten sind durch Fleming et al. 2012 publiziert und im Detail dort nachzulesen
[1].
Therapeutischen Einsatz beim SME finden Melphalan, Bortezomib, intravenöse Immunglobuline,
Plasmapherese, hoch dosiertes Dexamethason, autologe Stammzelltransplantation und
Kombinationen der genannten Optionen [1]
[15]
[16]
[17]. Das DNS zeigt mehrheitlich ein gutes Ansprechen auf Plasmapherese und die Gabe
intravenöser Immunglobuline (IVIG) [1]
[15]
[16]. Melphalan wird aufgrund eines ungünstigen Nebenwirkungsprofils mit hämatologischen
Malignomen und septischen Komplikationen den schweren Fällen eines SME vorbehalten
sein [1], wenngleich eine sehr gute Wirksamkeit der Substanz insbesondere in Kombination
mit der autologen Stammzelltransplantation beschrieben wird [18]. IVIG sind aktuell die Therapie der 1. Wahl beim SME mit/oder DNS [19] und werden in einer Dosierung von 2 g/kg Körpergewicht in 6- bis 12-wöchigen Zyklen
appliziert [20]
[21].
Fazit
Die Diagnosestellung eines Skleromyxödems sowie assoziiertem dermo-neurologischen
Syndroms erfordert von allen beteiligten Fachrichtungen (Dermatologen, Neurologen,
Hämatoonkologen) und den Dermatopathologen ein hohes Maß an fachübergreifendem Wissen
und ist nur durch eine enge interdisziplinäre sowie klinisch-pathologische Korrelation
möglich. Allein auf Basis der dermatopathologischen Befunde ist bei den o. g. histomorphologischen
Differenzialdiagnosen keine Diagnosestellung des Skleromyxödems möglich, und ohne
die Kenntnis der vorliegenden Skleromyxödems können auch die neurologischen Symptome
nicht korrekt eingeordnet werden. Dies führt im schlimmsten Falle zu einer Verzögerung
einer korrekten Therapie und unter Umständen zu fatalem Ausgang.