physioscience 2019; 15(04): 155-163
DOI: 10.1055/a-1017-7305
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erweiterte Rollenfunktionen der Physiotherapie im Akutkrankenhaus – Umfrage unter Physiotherapeuten der Ostschweiz

Extended Roles of Physiotherapists in Acute Care Hospitals – Survey among Physiotherapists in Eastern Switzerland
Peter Oesch
1   Klinken Valens, CH-Valens
,
Sara Tomovic
2   Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, CH-Winterthur
,
Patrizia Sonderer
3   Ostschweizer Kinderspital, SH-St. Gallen
,
Cynthia Bovard
4   Spital Linth, CH-Uznach
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. phil. Peter Oesch, PT
Direktor Therapien
Kliniken Valens
Taminaplatz 1
7317 Valens
Schweiz   

Publication History

22 November 2018

15 February 2019

Publication Date:
16 October 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund Die medizinische Versorgung im akutstationären Bereich steht im Fokus politischer Debatten. Damit einher geht die Diskussion über Übernahmen von erweiterten Rollenfunktionen (ER) durch nicht ärztliche Gesundheitsfachpersonen. ER von Physiotherapeuten sind als Aufgaben definiert, die traditionellerweise nicht von diesen durchgeführt werden und eine zur Grundausbildung zusätzliche Ausbildung benötigen.

Ziel Erfassung der ER von Physiotherapeuten in Akutspitälern der Ostschweiz.

Methode Bei der Online-Umfrage unter Physiotherapeuten der Ostschweiz mittels Snow Ball Sampling wurden Form und Anzahl der ER, benötigte Aus- und Weiterbildungen, Aufführung der ER in Stellenbeschreibungen und deren Lohnrelevanz sowie demografische und arbeitsspezifische Angaben zu den Befragten und ihren Institutionen erfasst. Die statistische Analyse erfolgte mehrheitlich deskriptiv. Die multivariate Regressionsanalyse umfasste die Beurteilung der Einflüsse von Alter, Geschlecht, Erfahrung im Akutspital, Bildungsgrad, Hierarchiestufe, Spitalform, Spitalgröße und organisatorische Zuordnung der Physiotherapeuten zur Anzahl der ausgeübten ER.

Ergebnisse An der Umfrage nahmen 179 Physiotherapeuten teil, die alle mindestens eine ER ausführten. Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl ausgeführter ER und der Hierarchiestufe, den Jahren Berufserfahrung im Akutspital, dem Alter und der Spitalform. Die am häufigsten genannten Barrieren für ER waren Mangel an Finanzierungsmöglichkeiten und Zeit. Die Durchführung von ER war bei 37 % der Befragten lohnrelevant und bei 56 % in der Stellenbeschreibung vermerkt. 87,2 % der Physiotherapeuten würden gerne vermehrt ER ausüben und 98,3 % erachten ER als wichtig für die Berufsentwicklung.

Schlussfolgerungen Physiotherapeuten im Akutspital üben häufig ER aus, ohne dass dies bekannt ist oder honoriert wird. ER können Versorgungsengpässe in der medizinischen Versorgung im Akutspital mindern und bei entsprechender Anerkennung und Entlohnung attraktive Karrieremodelle für PT darstellen.


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Abstract

Background Medical treatment in acute care hospitals is in the focus of political debates. This is accompanied by the discussion on extended roles (ER) of non-medical health professionals. Physiotherapists’ ER are defined as tasks which are traditionally not performed by physiotherapists and require additional training.

Objective Recording PTs’ ER in acute care hospitals in Eastern Switzerland.

Method The online survey among PT in Eastern Switzerland using snow ball sampling collected form and number of ER, required graduate and post-graduate professional training, mentioning ER in job description and their salary-relevance as well as demographic and work-specific information on respondents and their institutions. The performed statistical analysis was mostly descriptive. The multivariate regression analysis covered the assessment of the influence of age, gender, acute care hospital experience, level of education, hierarchical level, hospital form, hospital size and organizational assignment of PT to the number of performed ER.

Results 179 physiotherapists participated in the survey, all of them performing at least one ER. There was a significant correlation between the number of performed ER and hierarchical level, years of experience in acute care hospital, age and hospital type. The most commonly mentioned barriers for ER were lack of funding and time. Implementation of ER was salary-relevant for 37 % of the respondents and was mentioned in 56 % of job descriptions. 87.2 % of physiotherapists would like to practice more ER and 98.3 % consider ER to be important for occupational development.

Conclusions Physiotherapists in acute care hospitals perform a variety of not realized or rewarded ER. ER could reduce supply shortfall in emergency hospitals and produce attractive career prospects if concordantly appreciated and paid for.


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Einleitung

Angesichts der ständig wachsenden Zahl an älteren Menschen [1], an Patienten mit nicht übertragbaren, chronischen Krankheiten [2] und dem akuten Fachkräftemangel im Gesundheitswesen [3] sind innovative medizinische Versorgungsmodelle gefragt. Die Implementierung erweiterter Rollenfunktionen (ER) für nicht ärztliche Gesundheitsberufe können eine wichtige Option in der zukünftigen schweizerischen Gesundheitsversorgung darstellen. ER sind als Funktionen definiert, welche traditionellerweise nicht von diesen Gesundheitsberufen ausgeübt werden und eine zur Grundausbildung zusätzliche Ausbildung benötigen [4]. ER in der Physiotherapie haben sich vor allem in angelsächsischen und skandinavischen Ländern etabliert und werden auch als Advanced Physiotherapy Practice [5] [6] oder Extended Scope Physiotherapy [7] [8] bezeichnet.

Die Verbesserung der medizinischen Versorgungsqualität ist eines der 4 Handlungsfelder der vom Bundesrat 2013 in der Schweiz verabschiedeten Gesamtstrategie „Gesundheit 2020“ [9]. Weiter sollen die Lebensqualität gesichert, die Chancengleichheit gestärkt und die Transparenz verbessert werden. Eine Maßnahme der Gesamtstrategie war die Einführung des Gesundheitsberufegesetzes, „damit Qualität und Kompetenzen der Ausgebildeten in den auf Fachhochschulstufe unterrichteten Gesundheitsberufen gewährleistet und auf den Bedarf im Gesundheitssystem abgestimmt sowie die Voraussetzungen für neue Versorgungsmodelle geschaffen werden können“ [10]. Hierbei sollen Kompetenzen wie auch Pflichten geregelt werden. Zusätzlich sollen vermehrt universitäre und nicht universitäre Ausbildungsplätze geschaffen werden, damit in der Schweiz genügend ausgebildetes nicht ärztliches Gesundheitspersonal vorhanden ist.

In der Schweiz übernehmen Fachkräfte im Gesundheitswesen bereits heute ihnen traditionellerweise nicht zugeschriebene Rollenfunktionen, um dem zunehmenden Versorgungsbedarf der alternden Bevölkerung und dem drohenden Ärztemangel zu begegnen [11]. Die Anforderungen an die Ausbildung und die erforderlichen Kompetenzen sind in den verschiedenen Gesundheitsberufen unterschiedlich definiert. In der Physiotherapie wurde eine gesetzliche Regelung von ER als verfrüht beurteilt [11].

ER in der Physiotherapie wurden in Großbritannien und anderen englischsprachigen Ländern eingeführt, um auf die erhöhte Nachfrage nach Dienstleistungen, vor allem im Bereich der Orthopädie zu reagieren [11]. Bereits 2007 ermittelte eine systematische Literaturstudie 157 physiotherapeutische Literaturquellen die ER der Physiotherapie und deren Ergebnis für Patienten, andere Angehörige der Gesundheitsberufe und Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen beschrieben [12]. Die meisten dieser ER umfassten eine Form der traditionell von Medizinern durchgeführten nicht invasiven Untersuchung (47 %) oder nicht invasiven Behandlung (37 %; [12]), Triagefunktionen auf der Notfallstation, Zuweisung für weitere Untersuchungen (Fachärzte, Radiologie, Pathologie), Bildungsaufgaben, eigenständige diagnostische Ultraschalluntersuchungen, Medikation (eingeschränkte Verschreibung, Überwachung, Dosisänderungen), Injektionen, einfaches Nähen von Wunden und Verschreibung konservativer Behandlungen [13].

ER von Physiotherapeuten sind bei der Behandlung muskuloskelettaler Erkrankungen sowohl klinisch [14] als auch wirtschaftlich wirksam [5]. Derzeit gibt es weder einen global definierten Bildungsweg für die Ausübung von ER noch eine global anerkannte Definition [15]. Der Bildungsgrad wurde jedoch als wichtiger Förderfaktor für die Ausübung von ER erkannt [16] und ist in nationalen Berufsverbänden der Physiotherapie im Vernehmlassungsprozess [6]. Ausweitungen der Kompetenzen sind auch in der Physiotherapie in der Schweiz zu beobachten. So übernahmen 96,3 % der in der Rehabilitation tätigen Physiotherapeuten mindestens eine ER [17], für deren Durchführung sich der Bildungsgrad als wichtigster Förderfaktor zeigte.

Im akutstationären Bereich sind Ausweitungen der Kompetenzen zu vermuten, bisher allerdings nicht untersucht. Diese Fragestellung wurde im Qualitätszirkel Chefphysiotherapie des Regionalverbands St. Gallen-Appenzell thematisiert. Da bisher keine Daten über ER der Physiotherapie in Akutspitälern in der Schweiz existieren, führte die Kerngruppe Physiotherapie eine offene, internetbasierte Umfrage durch.

Fragestellung

Das Ziel der Umfrage war herauszufinden, (1) ob und welche ER in Akutspitälern von Physiotherapeuten übernommen werden und ob dazu zusätzliche Aus- und Weiterbildungen erforderlich, (2) ob diese ER im Stellenbeschrieb vermerkt sind und bei der Entlohnung berücksichtigt werden und (3) welche Faktoren mit der Ausübung von ER zusammenhängen sowie welche Barrieren bestehen.


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Methode

Studiendesign

In Analogie zur Befragung der physiotherapeutischen ER in der Rehabilitation [17] ermittelten die Autoren mit den Mitgliedern des Qualitätszirkels der Chefphysiotherapeuten des Regionalverbands St. Gallen-Appenzell in Open-Space-Diskussionen die ER im Akutspital. Zudem analysierte die Kerngruppe Physiotherapie St. Gallen-Appenzell (KG PT) die ER der Rehabilitation und entschied in einer Fokusgruppendiskussion, welche davon auch im Akutspital zur Anwendung kommen. Insgesamt wurden 30 ER als relevant erachtet und in 5 Kategorien eingeordnet ([Tab. 1]).

Tab. 1

Fünf Kategorien von erweiterten Rollenfunktionen (ER).

klinische ER

koordinative ER

ausbildende ER

leitende ER

wissenschaftliche ER

Durchführung von apparativen, berufsfremden Assessments

Zuweisung für weitere medizinische Abklärungen

Praxisausbildung von Studierenden der Physiotherapie

Führungsfunktionen im Bereich des gesamten Therapiebereichs eines Spitals

Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiter

Direktzuweisungen akuter Patienten

Koordination von Hilfestellungen durch externe Organisationen

Instruktion und/oder Schulung von anderen Fachbereichen

Führungsfunktion in der Physiotherapie

Forschungsfragen formulieren und untersuchen

Erstellung von interdisziplinären Behandlungsrichtlinien

administrative Operationsvorbereitung und Nachbehandlung

Teilnahme an Qualitäts- und/oder Expertengruppe

Leitung interdisziplinärer Projekte

Leitung von klinischen Studien/Forschungsprojekten

Durchführung spezieller Behandlungsmethoden

Vertreten von Patienteninteressen gegenüber externen Instanzen

Fachverantwortung in der Physiotherapie

Mitarbeit in Kadersitzungen

umfassendes Management spezieller Krankheitsbildern

interdisziplinäres Verlaufsgespräch während des Spitalaufenthalts

physiotherapeutische Spezialsprechstunde

Teilnahme an interdisziplinären Spezialsprechstunden einschließlich Berichterstattung

Beantworten von Fragen zur Medikation

Hilfsmittelberatung und -versorgung

Definition von Behandlungspfaden und Nachbehandlungsrichtlinien

Gesundheitsmanagement im sozialen Kontext

Betreuung von Angehörigen

Erfassung und Beratung bei sozialen Probleme

Erfassung und Beratung bei psychischen Problemen

total: 14 Rollen

total: 5 Rollen

total: 4 Rollen

total: 4 Rollen

total: 3 Rollen

Nach Definition und Kategorisierung dieser ER wurde mithilfe des Online-Tools SurveyMonkey eine elektronische Umfrage erstellt. Vor der eigentlichen Umfrage absolvierten die beteiligten Cheftherapeuten eine Testbefragung. Nach der Analyse der Antworten und Anmerkungen des Testlaufs optimierte die Kerngruppe Physiotherapie die Umfrage entsprechend.


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Rekrutierung der Teilnehmer

Die bereinigte elektronische Umfrage wurde per Mail an 33 Chefphysiotherapeuten des Physiotherapieverbandes Ostschweiz verschickt. Gemäß der Methodik des Snowball Samplings [18] enthielt sie die ausdrückliche Aufforderung, den Link unter den Mitarbeitenden zu teilen und an die in einem Akutspital arbeitenden Physiotherapeuten weiterzuschicken. Eine Sondierungsfrage stellte sicher, dass nur in der Schweiz in einem Akutspital arbeitende Physiotherapeuten teilnahmen.

Die meisten weiteren Fragen ließen sich anhand einer Multiple-Choice-Auswahl beantworten. Die Teilnahme an der Umfrage war vom 09.09.2016 bis zum 13.11.2016 möglich. Die Befragten gaben mit ihrer Teilnahme ihre Einverständniserklärung und sollten alle Fragen beantworten.


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Befragung

Zu Beginn mussten alle Befragten ihre demografischen Daten wie Alter, Geschlecht, aktuelle Ausbildung, Berufserfahrung und Arbeitsort angeben. Danach erhielten sie die Definition von ER im Akutspital und sollten angeben, welche und wie lange sie diese ER bereits ausführen, ob sie dazu eine Aus- oder Weiterbildung und/oder Berufserfahrung benötigten, ob die ausgeführten ER in ihrer Stellenbeschreibung vermerkt und ob sie lohnrelevant sind. Zum Schluss wurde gefragt, wie sie zu diesen ER stehen, ob sie sie gerne ausführen, als sinnvoll für den Berufstand erachten und was sie für mögliche hinderliche Faktoren halten. Für diese Fragen standen ebenfalls verschiedene Auswahlmöglichkeiten ebenso wie die Option für zusätzliche Erklärungen in einem Freitextfeld. Mehrfachantworten zur Verfügung.


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Statistische Analyse

Die Auswertung nahmen die Mitglieder der Kerngruppe mithilfe des Programms IBM SPSS Statistics 24 vor. Die statistische Analyse der Resultate erfolgte mehrheitlich deskriptiv.

Multivariate Regressionsanalyse

Um mögliche Einflussfaktoren auf die Anzahl der Rollenfunktionen festzustellen, wurde in einer multivariaten Regressionsanalyse der Zusammenhang der unabhängigen Variablen mit der abhängigen Variable „Anzahl ausgeübten ER“ untersucht [19]. Der Aufbau begann mit bivariaten Modellen. Es war geplant, alle unabhängigen Variablen mit p < 0,2 im 1. multivariaten Modell zu behalten und dann die Variablen mit den höchsten p-Werten zu entfernen. Änderte sich ein Regressionskoeffizient für eine Variable beim Entfernen um mehr als 30 %, wurde sie in der Analyse als Störfaktor beibehalten.


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Abhängige Variable

Als abhängige Variable galt die totale Anzahl ausgeübter ER, unabhängig von den verschiedenen Kategorien.


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Unabhängige Variablen

Alter und Geschlecht: Die Befragten gaben ihr Geschlecht und das Alter in 5-Jahres-Kategorien zwischen 20 und 65 Jahren an. Insgesamt standen 9 Alterskategorien zur Verfügung.

Jahre an Erfahrung im Akutspital: Die Frage nach den Jahren an Erfahrung in einem Akutspital umfasste 12 Kategorien von 1–10 Jahre, < 1 Jahr und > 10 Jahre.

Bildungsgrad: Die 6 Antwortmöglichkeiten bestanden aus Physiotherapie ohne Bachelor-Titel oder nachträglichen Titelerwerb (PT HF), Physiotherapie Bachelor of Science oder nachträglicher Titelerwerb (PT BSc), Master of Advanced Studies (MAS), Master of Arts (MA), Master of Science (MSc) und Philosophical Doctor (PhD).

Kaderstufe: Folgende 6 hierarchische Kaderstufen wurden unterschieden: Physiotherapeut, Fachverantwortlicher, stellvertretende Leitungsfunktion, Teamleiter fachspezifische Gruppen und bereichsübergreifende Leitung.

Spitalform: Die Spitäler waren in öffentliche und private unterteilt.

Spitalgröße: In der Annahme, dass größere Spitäler über differenzierte ER verfügen, umfasste die Spitalgröße weniger als 100 Betten, zwischen 100 und 200 Betten und mehr als 200 Betten.

Physiotherapie-Institut: Die organisatorische Zuordnung im Akutspital beinhaltet selbstständiges Institut für Physiotherapie oder als Zuordnung zu einem anderen Spitaldepartement.


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Power Berechnung

Ausgehend von einer moderaten Effektstärke von wenigstens 0,2, einem α-Wert von 0,05, β-Wert von 0,9 und 8 unabhängigen Variablen ergab die für eine multivariate Regressionsanalyse benötigte minimale Gruppengröße 114 Befragte.


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Ergebnisse

Teilnehmende

An der Umfrage beteiligten sich 184 Personen. Davon schieden 5 Personen aus, da sie nicht in einem Akutspital arbeiteten. 46 (26 %) Physiotherapeuten und 133 (74 %) Physiotherapeutinnen aus Akutspitälern reichten vollständig ausgefüllte Fragebogen ein. Bezüglich der Spitalgröße arbeiteten 43 (24,0 %) in einem Spital mit weniger als 100 Betten, 70 (39,1 %) in einer mittelgroßen Institution mit 100 bis 200 Betten und die restlichen 66 (36,9 %) in einem Spital mit mehr als 200 Betten. 151 (84,4 %) Personen waren in einem öffentlichen Spital, die anderen in einer privaten Institution angestellt.

Der Modus lag für Jahre an Erfahrung im Akutspital bei > als 10 Jahre, für Kaderstufe bei Physiotherapeut und für das Alter bei 26–30 Jahre. Es existieren 4 verschiedene Bildungsgrade: PT HF, PT BSc, MAS, MSc. Keiner der Befragten verfügte über einen MA oder PhD. Von den 114 Personen ohne Leitungsfunktion absolvierten 16 (14 %), von den 65 Personen mit leitenden Funktionen 29 (44,6 %) eine Ausbildung auf MAS- oder MSc-Stufe. Kaderstufen und Häufigkeit der Bildungsgrade sind in [Tab. 2] aufgeführt.

Tab. 2

Kaderstufe und Bildungsgrad (Prozentangaben beziehen sich auf den Anteil der Personen innerhalb der Kaderstufe mit entsprechendem Bildungsgrad).

Bildungsgrad

Kaderstufe

PT HF

BSc

MAS

MSc

total

bereichsübergreifende Leitung

 2 (7 %)

  9 (31 %)

15 (52 %)

 3 (10 %)

 29

Teamleitung

 4 (16 %)

 13 (52 %)

 5 (20 %)

 3 (12 %)

 25

Stellvertretende Leitung

 2 (18 %)

  6 (55 %)

 1 (9 %)

 2 (18 %)

 11

Fachverantwortung

 2 (18 %)

  2 (18 %)

 4 (36 %)

 3 (27 %)

 11

Praktikumsbetreuung

 3 (10 %)

 22 (73 %)

 1 (3 %)

 4 (13 %)

 30

ohne Leitungsfunktion

15 (21 %)

 54 (74 %)

 1 (1 %)

 3 (4 %)

 73

Total

28

106

27

18

179

BSc = Bachelor of Science; MAS = Master of Advanced Studies; MSc = Master of Science; PT HF = Physiotherapeut höhere Fachschule.


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Häufigkeit erweiterte Rollenfunktionen

Alle Befragten übten mindestens eine ER in ihrem Arbeitsalltag aus (Mittelwert [MW]: 12,8; Standardabweichung [SD]: 5,7). Am häufigsten wurden klinische ER, am seltensten wissenschaftliche ER genannt ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Erweiterte Rollenfunktionen, durchführende Therapeuten, zusätzliche Ausbildung und Stellenbeschreibungen. (Quelle: P. Oesch; Graf. Umsetzung: Thieme Gruppe)

Klinische ER

174 (97,21 %) Therapeuten übten mindestens eine bzw. durchschnittlich 6,9 (SD: 3,2) klinische ER aus. 171 (79 %) der Befragten führten Hilfsmittelberatung und Versorgung, 127 (71 %) ein Gesundheitsmanagement im sozialen Kontext durch und 121 (68 %) definierten Behandlungspfade und Nachbehandlungsrichtlinien. Um eine klinische ER übernehmen zu können, absolvierten 93 (53,5 %) Physiotherapeuten eine oder mehrere weiterführende Ausbildungen. 25 (26,9 %) hatten einen MAS- oder MSc-Abschluss, 79 (84,9 %) besuchten Aus- und Weiterbildungskurse und 31 (33,3 %) erhielten eine formale Ausbildung am Arbeitsplatz.

Diese ER im klinischen Bereich waren bei 39 (22,4 %), bei 57 (32,8 %) teilweise und bei 78 (44,8 %) gar nicht in der Stellenbeschreibung erwähnt ([Abb. 1]).


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Koordinative ER

Insgesamt übernahmen 141 (78,8 %) der Befragten eine Koordinationsaufgabe. Mehr als die Hälfte der Physiotherapeuten war regelmäßig in interdisziplinären Verlaufsgesprächen involviert und 94 (52,5 %) vertraten Patienteninteressen gegenüber externen Instanzen.

Um eine dieser ER übernehmen zu können, schlossen 29 (20,6 %) der Befragten eine oder mehrere weiterführende Ausbildungen ab, wofür 14 (48,3 %) Ausbildungs- oder Weiterbildungskurse besuchten. 14 (48,3 %) absolvierten eine formale Ausbildung am Arbeitsplatz und 12 (41,4 %) erwarben durch einen MAS- oder MSc-Abschluss die entsprechenden Fähigkeiten.

Diese koordinativen ER waren bei 117 (83,0 %) Personen nicht oder nur teilweise in der Stellenbeschreibung erwähnt ([Abb. 1]).


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Ausbildende ER

161 (89,9 %) der Befragten führten mindestens eine ausbildende ER aus. Davon absolvierten 98 (60,5 %) eine oder mehrere weiterführende Ausbildungen, die bei 36 (36,7 %) eine formale Ausbildung am Arbeitsplatz, bei 78 (78,6 %) einen Aus- oder Weiterbildungskurs und bei 38 (38,8 %) eine MAS- oder MSc-Abschluss umfassten.

Ausbildende ER waren bei 49 (30,4 %) der Befragten vollständig, bei den restlichen 112 (70,0 %) nicht oder nur teilweise in der Stellenbeschreibung erwähnt ([Abb. 1]).


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Leitende ER

Insgesamt führten 76 (42,4 %) der Therapeuten leitende ER aus. Davon hatten 29 (38,2 %) eine leitende Funktion im gesamten Therapiebereich eines Spitals und 47 (618 %) im Bereich der Physiotherapie. 49 (64,4 %) nahmen an Kadersitzungen teil und 50 (65,8 %) führten interdisziplinäre Projekte durch. Um eine dieser ER übernehmen zu können, absolvierten 54 (71,1 %) eine oder mehrere weiterführende Ausbildungen.

Diese leitenden ER waren bei 44 (57,9 %) Personen in der Stellenbeschreibung vermerkt ([Abb. 1]).


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Wissenschaftliche ER

21 (11,7 %) der befragten Therapeuten führten wissenschaftliche ER durch. Davon arbeiteten 18 (85,7 %) als wissenschaftliche Mitarbeiter, 13 (61,9 %) formulierten und untersuchten wissenschaftliche Fragen und 5 (23,8 %) leiteten klinische Studien und Forschungsprojekte.

17 (80,9 %) absolvierten dazu eine Ausbildung und 12 (71 %) verfügten über einen Master-Abschluss.

Bei 4 (19,1 %) Personen waren die wissenschaftlichen ER vollständig, bei 3 (16,7 %) teilweise und bei 14 (66,7 %) nicht in der Stellenbeschreibung vermerkt ([Abb. 1]).


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Stellenbeschreibungen und Lohnrelevanz

67 (37,4 %) der befragten Physiotherapeuten erhielten mehr Lohn aufgrund einer oder mehrerer ER. Am häufigsten wurden leitende ER als lohnrelevant erachtet und waren auch am häufigsten in der Stellenbeschreibung erwähnt ([Abb. 1]). Von den 67 Personen, welche eine Lohnrelevanz angaben, arbeiteten 15 (22,4 %) im Kanton St. Gallen und 47 (70,1 %) im Kanton Zürich. Im direkten Vergleich der beiden Kantone waren die ER in der Stellenbeschreibung im Kanton Zürich deutlich häufiger vermerkt als im Kanton St. Gallen.


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Zusammenhang der abhängigen Variablen mit ER

In der bivariaten Regressionsanalyse lag p in 5 der 8 unabhängigen Variablen unter 0,2 ([Tab. 3]). Diese 5 Variablen wurden in das 1. multivariate Modell eingegeben, welches 22 % der Varianz der Anzahl ER erklärte. Die weitere Reduktion der Variablen „Bildungsgrad“ mit einem p Wert > 0,05 führte zum signifikanten finalen Modell, das weiterhin 22 % der Varianz der Anzahl ER erklärte.

Tab. 3

Multivariates Regressionsmodell für die Anzahl durchgeführter erweiterter Rollenfunktionen (n = 179)

korrigierte R²

abhängige Variablen

nicht standardisierte Koeffizienten

Standardfehler

95 %-Konfidenzintervall

Signifikanz

standardisierte Koeffizienten

1. multivariates Regressionsmodell für ER mit allen unabhängigen Variablen (n = 179)

0,224

Kaderstufe

0,89

0,24

0,42 bis 1,36

0,000

0,31

Jahre Erfahrung im Akutspital

0,42

0,15

0,12 bis 0,73

0,007

0,31

Alter

0,49

0,28

1,05 bis 0,07

0,083

0,19

Spitalform

–2,67

1,06

–4,76 bis –0,58

0,012

–0,17

Bildungsgrad

0,94

0,51

–0,06 bis 1,95

0,065

0,14

Spitalgröße

0,59

0,48

–0,37 bis 1,54

0,226

0,09

Geschlecht

–0,20

0,90

–1,98 bis 1,58

0,823

–0,02

Physiotherapie-Institute

–0,27

1,07

–2,39 bis 1,84

0,799

–0,02

finales multivariates Regressionsmodell für ER (n = 179)

0,222

Kaderstufe

1,02

0,22

0,58 bis 1,46

< 0,001

0,35

Jahre Erfahrung im Akutspital

0,42

0,15

0,12 bis 0,72

0,007

0,31

Alter

0,56

0,28

1,12 bis 0,01

0,047

0,21

Spitalform

–2,74

1,03

–4,78 bis –0,70

0,009

–0,18

Der korrigierte Determinationskoeffizient R² erklärt den Anteil der Variabilität einer abhängigen Variablen durch ein statistisches Modell.

95 %-Konfidenz Intervall für nicht standardisierte Koeffizienten.

Standardisierte Koeffizienten sind ein Versuch, Regressionskoeffizienten vergleichbarer zu machen. Diese wurden genutzt, um die Variablen in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit aufzulisten und nicht für die Interpretation.

Nicht standardisierte Koeffizienten zeigen die Neigung der Regressionslinie. Dies ist der Anstieg in y (abhängige Variable ER) entsprechend dem Anstieg einer Einheit in x; (abhängigen Variable).

Die Kaderstufe war der wichtigste Prädiktor für die Anzahl ER, wobei der Anstieg pro Kaderstufe einen Zusammenhang mit 1,02 ER zeigte, gefolgt von 0,42 ER mit jedem Jahr zusätzlicher Erfahrung und 0,56 ER pro 5 Altersjahre. Physiotherapeuten von privaten Spitälern führten 2,74 weniger ER durch als solche in öffentlichen Spitälern.


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Barrieren und Bedarf für ER

82 (45,8 %) aller Befragten erfuhren Barrieren für das Übernehmen von ER. Die am häufigsten genannte Barriere war Zeitmangel (n = 56; 68,3 %) gefolgt von fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten (n = 43; 52,4 %). Die restlichen Barrieren erreichten Nennungen unter 50 % ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Barrieren für erweiterte Rollenfunktionen. (Quelle: P. Oesch; graf. Umsetzung: Thieme Gruppe)

In Zukunft würden 156 (87,2 %) der Befragten gerne ER ausüben oder ausbauen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Die Ausübung von ER ist für 176 (98,3 %) der Therapeuten von Bedeutung, weil sie einen wichtigen Faktor für die Entwicklung ihres Berufes darstellen.


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Diskussion

Physiotherapeuten üben im Akutspital vor allem erweiterte klinische, koordinative und ausbildende ER aus. Weniger häufig sind leitende, am seltensten wissenschaftliche ER. Die Stellenbeschreibungen beinhalten hauptsächlich leitende und auch am ehesten lohnrelevante ER. Für die Physiotherapie neue und durch die Ausbildung an den Fachhochschulen geförderte ER – insbesondere wissenschaftliche oder koordinative Rollenfunktionen – sind in den Stellenbeschrieben selten aufgeführt.

Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl ausgeführter ER mit der Kaderstufe, den Jahren Berufserfahrung im Akutspital, dem Alter und der Spitalform. Physiotherapeuten an öffentlichen Spitälern üben durchschnittlich 2,5 ER mehr aus als an Privatspitälern.

Der im finalen Regressionsmodell fehlende Zusammenhang zwischen der Bildungsstufe und der Anzahl ER erstaunt in Anbetracht der Definition von ER [4] wie auch dem in der Rehabilitation beobachteten signifikanten Zusammenhang zwischen dem Bildungsgrad und den ER in der Physiotherapie [17].

In dieser Umfrage präsentiert sich die Kaderstufe als wichtigster Prädiktor. Beim Vergleich von Kader- und Bildungsstufen absolvieren von den 114 Personen ohne Leitungsfunktion nur 14 % eine formale Ausbildung auf MAS- oder MSc-Stufe, während es von den 65 Personen mit leitenden Funktionen 44,6 % sind. Eine beträchtliche Anzahl von Personen in höheren Kaderstufen übt diese jedoch ohne formale Ausbildung aus ([Tab. 2]). So verfügen 38 % der Personen mit bereichsübergreifender Leistungsfunktion und 68 % mit Teamleitungsfunktion nicht über eine formale Ausbildung auf MAS- oder MSc-Stufe. Die Autoren dieser Arbeit hypothetisieren, dass dieses Resultat Ausdruck der bisher ausbleibenden Akademisierung der Physiotherapie in Akutspitälern ist. 71 % der Personen mit leitenden ER verfügen jedoch über eine oder mehrere weiterführende Ausbildungen.

Kritische Leser könnten den fehlenden Zusammenhang zwischen der Bildungsstufe und ER als Beweis aufführen, eine Akademisierung der Physiotherapie sei in Akutspitälern nicht nötig, da es ja auch so funktioniert. Dem ist entgegenzuhalten, dass ohne diese Akademisierung sich die Physiotherapie im Akutspital langfristig nicht entsprechend den anderen nicht ärztlichen Gesundheitsberufen entwickeln wird. Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK hat z. B. für die Funktion von Advanced Practice Nurses (APN) klar einen notwendigen Master-Abschluss definiert [20]. Die Kernkompetenzen von APN entsprechen weitgehend den in dieser Umfrage definierten ER der Physiotherapie. So werden unter anderem folgende ER der APN aufgeführt: Experten-Coaching, Beratung, ethische Entscheidungsfindung, interdisziplinäre Zusammenarbeit, klinische und fachspezifische Leadership- und Forschungskompetenz. Zur erfolgreichen Umsetzung der Funktion als APN werden ein aktives Berufsregister für Pflegeexperten APN mit einem regelmäßigen Nachweis der beruflichen Entwicklung im Rahmen des Gesundheitsberufegesetzes sowie eine angemessene Finanzierung für die erfolgreiche Implementierung der Rolle Pflegeexperte APN in den unterschiedlichen Settings gefordert.

Offensichtlich wird die erfolgreiche Eliminierung dieser Barrieren zu einer nachhaltigen Förderung und Etablierung dieser Berufsgruppe in Akutspitälern führen. Die in dieser Umfrage am häufigsten genannten Barrieren für ER der Physiotherapie im Akutspital sind der Mangel an Finanzierungsmöglichkeiten und Zeit.

Eine Limitation dieser Studie ist, dass bisher keine allgemein akzeptierte Definition von ER existiert. Physiotherapeuten erachten möglicherweise einen Teil der erfragten ER nicht als tatsächliche ER, sondern als traditionelle Aufgaben der Physiotherapie. Damit wäre die Summe der erfragten ER infrage gestellt. Dies wurde in den Open-Space-Diskussionen unter den Mitgliedern des Qualitätszirkels der Chefphysiotherapeuten des Regionalverbandes St. Gallen-Appenzell und den früheren Vertretern der Rehabilitation [17] intensiv erörtert. Unter Berücksichtigung der Definition von ER als traditionellerweise nicht von diesen Gesundheitsberufen ausgeübte Funktionen und einer zur Grundausbildung zusätzlich benötigen Ausbildung ergab sich jedoch eine allgemeine Akzeptanz der erfragten ER. Diese Akzeptanz bestand auch bezüglich der Kategorie „leitende ER“.

Ein möglicher Kritikpunkt wäre, dass Leitungsfunktionen traditionellerweise schon immer von Gesundheitsfachpersonen übernommen wurden und somit keine ER sind. Hier überzeugte die Definition einer in der Regel zur Grundausbildung zusätzlich nötigen Ausbildung für die Ausübung dieser ER. Da keine der in einem Akutspital arbeitenden befragten Physiotherapeuten die Umfrage abbrachen oder sich in der letzten offen gestellten Frage nach weiteren Bemerkungen kritisch zu den beschriebenen ER äußerten, scheinen sich viele Physiotherapeuten in diesen ER wiederzuerkennen und diese als solche zu akzeptieren.

Es ist offen, welche ER die Bereiche von Advanced Physiotherapie Practice (APP) in der Schweiz umfassen. Einen ersten Vorschlag formulierte die Interessengemeinschaft Physiotherapie Rehabilitation (IGPTR) und nannte Berufspraxis, Lehre und Forschung sowie Management [21].

Die im Kanton St. Gallen in den Stellenbeschreibungen seltenere Aufführung der ER als im Kanton Zürich wie auch deren geringere Lohnrelevanz bringt einerseits eine fehlende Anerkennung einer im Akutspital wichtigen Berufsgruppe zum Ausdruck und hat andererseits potenziell negative Auswirkung auf die Versorgungsqualität von physiotherapeutischen Leistungen zur Folge. So könnten bei einem Stellenwechsel empirisch entstandene, nicht dokumentierte ER vergessen oder durch ungenügend qualifizierte Personen besetzt werden. Diese Risiken bestehen insbesondere bei Physiotherapeuten, die über lange Zeit im Akutspital arbeiteten und eine Vielzahl von ER durchführten. Neben dem Verlust an Versorgungsqualität dürfte die fehlende Anerkennung der physiotherapeutischen ER in Zeiten des Fachkräftemangels für St. Galler Spitäler bei der Besetzung vakanter Stellen mit qualifiziertem Personal zusätzlich erschwerend wirken.

Die Anerkennung der ER von Physiotherapeuten kann attraktive Karrieremodelle schaffen. Diese Umfrage zeigte klar, dass sich die Befragten fast ausschließlich positiv zu ER äußerten und es viele Physiotherapeuten als Chance für die Berufsentwicklung sehen. Dazu sind innovative Ideen nötig, da es doch wenig Hinweise gibt, wie diese Rollen am besten eingeführt oder diese Praktiker am besten ausgebildet, unterstützt und gefördert werden können [22]. Zur nachhaltigen Anerkennung und Etablierung ER in der Physiotherapie ist eine gemeinsame Positionierung des Schweizerischen Physiotherapie Verbandes, der verschiedenen Interessengemeinschaften der Physiotherapie sowie der Fachhochschulen zum Thema von APP dringend nötig. Erste Stellungnahmen dazu wurden bereits veröffentlicht [17] [21] [23].

Die Ausübung von ER durch PT zeigte sich vor allem in englischsprachigen Ländern und bei muskuloskelettalen Erkrankungen als erfolgversprechend. In Bezug auf diagnostische Fähigkeiten, Kosten, Wartezeiten, Zufriedenheit der Patienten und Behandlungseffektivität erbrachten Physiotherapeuten in ER gleiche oder sogar bessere Leistungen als Ärzte [5] [7].

Aufgrund der geringen Evidenzstufe der gefundenen Literatur und der großen Streuung der Resultate lassen sich jedoch keine klare Schlussfolgerungen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Gesundheit, die Prozesse und die Kosten von ER in der Physiotherapie formulieren [5] [7]. Als wichtige Prinzipien für eine nachhaltige Umsetzung von ER gehören gemäß Morris et al. [16] das Dienstleistungsmarketing, Demonstration von Servicequalität und -sicherheit, Überwachung von unerwünschten Ereignissen, Evaluation von Behandlungsresultaten und -kosten, Gesetzgebungsfragen, Entwicklung von Karrieremodellen sowie die Bereitstellung und Akkreditierung eines Lehrplans. In der Schweiz sind den Autoren dieser Umfrage noch keine entsprechenden Arbeiten bekannt. Weitere Forschungsarbeiten sollen die Qualität und medizinische Versorgungsrelevanz der ER in der Physiotherapie sowie deren Auswirkungen für Patienten und das Schweizer Gesundheitssystem untersuchen.


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Schlussfolgerungen

Physiotherapeuten im Akutspital üben häufig ER aus, ohne dass dies bekannt ist oder honoriert wird. Möglicherweise mindern ER der Physiotherapie Versorgungsengpässe in der medizinischen Versorgung im Akutspital und schaffen bei entsprechender Anerkennung und Entlohnung attraktive Karrieremodelle für Physiotherapeuten.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. phil. Peter Oesch, PT
Direktor Therapien
Kliniken Valens
Taminaplatz 1
7317 Valens
Schweiz   


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Abb. 1 Erweiterte Rollenfunktionen, durchführende Therapeuten, zusätzliche Ausbildung und Stellenbeschreibungen. (Quelle: P. Oesch; Graf. Umsetzung: Thieme Gruppe)
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Abb. 2 Barrieren für erweiterte Rollenfunktionen. (Quelle: P. Oesch; graf. Umsetzung: Thieme Gruppe)