Etwa 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden an Nervenschmerzen. Die
wohl bekanntesten Ursachen für neuropathische Schmerzen sind die Gürtelrose (Herpes
zoster), die als Spätfolge einer Windpockeninfektion auftreten kann, sowie der Diabetes
mellitus, bei dem die Nerven durch den erhöhten Blutzuckerspiegel geschädigt werden.
„Neuropathische Schmerzen können aber beispielsweise auch nach einem Schlaganfall
oder infolge einer Multiplen Sklerose auftreten, oder auch genetisch bedingt sein“,
erklärt Professor Dr. med. Christian Maihöfner, Kongresspräsident des Deutschen Schmerzkongresses
2019 und Chefarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Fürth.
Die Therapie neuropathischer Schmerzen unterscheidet sich von der Therapie anderer
chronischer Schmerzen, bei denen das Nervensystem nicht geschädigt ist. Wie nun die
verschiedenen Schmerzarten diagnostisch klar voneinander abgegrenzt werden und welche
Behandlungsmöglichkeiten nach aktuellem wissenschaftlichem Stand geeignet sind, zeigt
die neue S2k-Leitlinie, an deren Erstellung Maihöfner beteiligt war. Für die Diagnose
ist eine ausführliche Befragung des Patienten ebenso essentiell wie die klinische
Untersuchung. Um Art und Ausmaß der Schädigung zu identifizieren, werden neben neurophysiologischen
Testmethoden zunehmend auch bildgebende Verfahren wie Kernspintomographie und Ultraschall
eingesetzt. „Als Goldstandard für den Nachweis einer Schädigung der kleinen, schmerzleitenden
Fasern kann aber nach wie vor die Hautbiopsie gelten“, sagt Maihöfner.
Eine ursächliche Therapie der neuropathischen Schmerzen ist oft nicht möglich. Aber
die Experten der Leitlinie betonen, dass die Möglichkeiten einer heilenden oder kausalen
Therapie ausgeschöpft werden sollten. „Bei Nervenschmerzen, die infolge einer diabetischen
Neuropathie auftreten, muss versucht werden, den Diabetes optimal einzustellen“, erläutert
Maihöfner.
Die Behandlung mit Schmerzmedikamenten sei nach wie vor eine Herausforderung, denn
man kann selten vorhersagen, welches Medikament bei welchem Patienten wirkt. Auch
können Nebenwirkungen auftreten, und bei manchen Patienten kann keine ausreichende
Wirkung erreicht werden, so der Experte. Die Leitlinie macht klare, wissenschaftlich
begründete Aussagen zur Wirksamkeit der jeweiligen Medikamente und gibt Empfehlungen
zur medikamentösen Therapie, betont aber auch, dass neben der medikamentösen Behandlung
die psychosozialen Umstände der Patienten berücksichtigt werden müssen.
Als wichtige Therapieoption gilt nach wie vor die sog. multimodale Schmerztherapie,
bei der die Patienten neben Ergotherapie und Physiotherapie auch eine Schmerzpsychotherapie
erhalten sollten. „Im Rahmen dieser interdisziplinären Behandlung lernen die Patienten,
mit dem Schmerz besser umzugehen und sogenannte Coping-Strategien zu entwickeln“,
sagt Professor Dr. med. Claudia Sommer, Präsidentin der Deutschen Schmerzgesellschaft
e. V. und Leitende Oberärztin und Schmerzforscherin an der Neurologischen Klinik und
Poliklinik des Uniklinikums Würzburg. Schmerzbewältigungstechniken und das Überwinden
eines Vermeidungsverhaltens können erlernt werden. Denn entscheidend für den Therapieerfolg
sind das individuelle Schmerzempfinden und das Lebensgefühl des Patienten, betont
Sommer. „Ziel muss es sein, die Lebensqualität wieder zu verbessern, soziale Aktivitäten
zu ermöglichen und das soziale Beziehungsgefüge sowie die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.“
Nach einer Mitteilung der Kongress-Pressestelle des Deutschen Schmerzkongress 2019