Pneumologie 2019; 73(12): 709
DOI: 10.1055/a-1029-5082
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulant erworbene Pneumonie: Helfen Kortikosteroide?

Lloyd M. et al.
Effectiveness of a Bundled Intervention Including Adjunctive Corticosteroids on Outcomes of Hospitalized Patients With Community-Acquired Pneumonia: A Stepped-Wedge Randomized Clinical Trial.

JAMA Intern Med 2019;
DOI: 10.1001/jamainternmed.2019.1438.
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Publication Date:
09 December 2019 (online)

 

Die ambulant erworbene Pneumonie zählt weltweit zu den häufigsten Ursachen für lange Krankenhausaufenthalte, hohe Behandlungskosten und Sterblichkeit. Die Ergänzung der Standardtherapie um Kortikoide zeigte in einigen Studien potenziell nützliche Effekte. Lloyd und Team haben daher nun eine randomisierte doppelblinde Studie zum Thema durchgeführt und Sicherheit und Wirksamkeit zusätzlicher Kortikosteroide genauer untersucht.


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Die ambulant erworbene Lungenentzündung ist ein häufiges Krankheitsbild, das mit langen Krankenhausaufenthalten und damit verbundenen hohen Gesundheitskosten einhergehen kann. Vor diesem Hintergrund sind Kliniker und Forscher ständig bemüht, die Behandlungsverfahren zu optimieren und das Outcome zu verbessern. Einige randomisierte klinische Studien weisen aktuell darauf hin, dass die Ergänzung der Standardtherapie um Kortikosteroide potenziell einen zusätzlichen Nutzen für das Behandlungsergebnis haben könnte. Es ist allerdings unklar, ob die Umsetzung dieser Intervention auch im klinischen Alltag unter realistischen Bedingungen wirksam und sicher ist.

Lloyd und ihre Kollegen haben daher nun eine doppelblinde und Cluster-randomisierte klinische Studie durchgeführt. Die Untersuchung fand zwischen August 2016 und Oktober 2017 an 2 Kliniken der Grund- und Regelversorgung in Melbourne, Australien, statt. Geeignete Patienten waren mindestens 18 Jahre alt, hatten eine ambulant erworbene Lungenentzündung und wurden in den beiden ausgewählten Kliniken in der Abteilung für Innere Medizin behandelt. Jeder Patient erhielt die in den beiden Häusern standardmäßig durchgeführte Therapie einer ambulant erworbenen Pneumonie einschließlich parenteraler – und im späteren Verlauf oraler – Antibiotikatherapie, Frühmobilisierung und Physiotherapie sowie Screening auf Mangelernährung und gegebenenfalls Nahrungssubstitution.

Zusätzlich konnten die behandelnden Ärzte die betroffenen Patienten mit Prednisolonacetat in der Dosierung von 50 mg pro Tag über 7 Tage behandeln, sofern keine entsprechenden Kontraindikationen vorlagen. Patienten mit dieser zusätzlichen Kortikosteroid-Therapie bildeten schließlich die Interventionsgruppe. Als primäre klinische Endpunkte dienten die Krankenhausverweildauer, Mortalität, Wiederaufnahme sowie als Sicherheitsendpunkt Häufigkeit und Art von Nebenwirkungen, wie z. B. gastrointestinale Blutungen oder Hyperglykämien. Die Dauer des Nachbeobachtungszeitraums wurde schließlich auf 90 Tage festgelegt.

Kein zusätzlicher Nutzen

917 Patienten erfüllten die Kriterien, die Datensätze von 816 von ihnen gingen schließlich in die Intention-to-Treat Analyse mit ein. Die Patienten waren im Durchschnitt 76 Jahre alt mit einer Standardabweichung von 13 Jahren, 351 von ihnen weiblich. 401 Patienten erhielten die Intervention und damit zusätzlich zum standardisierten Maßnahmenbündel eine Therapie mit Kortikosteroiden über 7 Tage, 415 Patienten bildeten die Kontrollgruppe.

Für alle vorab definierten Endpunkte konnten die Forscher keine signifikanten Gruppenunterschiede feststellen. Die zusätzliche Gabe von Kortikosteroiden hatte also keine nennenswerten Effekte auf Sterblichkeit, Krankenhausverweildauer und Wiederaufnahme ins Krankenhaus. In Hinblick auf den wichtigsten Sicherheitsendpunkt, die Häufigkeit und Art von Nebenwirkungen, mussten die Studienautoren allerdings eine deutliche Zunahme von gastrointestinalen Nebenwirkungen in der Interventionsgruppe feststellen. So erlitten 9 Patienten der Interventionsgruppe (2,2 %), aber nur 3 Patienten der Kontrollgruppe (0,7 %) eine gastrointestinale Blutung. Der Unterschied war hierbei deutlich signifikant.

In ihrem Diskussionsteil ziehen die Forscher daher das Fazit, dass im realen klinischen Alltag die Ergänzung der klassischen Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie um die 1-wöchige Verabreichung von Kortikosteroiden bei harten Endpunkten zu keinem zusätzlichen Nutzen führen würde. Da Patienten unter Therapie mit Kortikosteroiden aber deutlich häufiger schwere Nebenwirkungen wie gastrointestinale Blutungen zeigten, raten sie in der Praxis von dieser Intervention ab.

Fazit

In dieser randomisierten Studie mit erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie hatte die Ergänzung eines multidisziplinären Maßnahmenbündels um die Gabe von Kortikosteroiden keinen bedeutsamen Effekt auf Sterblichkeit und Krankenhausverweildauer. Da Patienten unter einer Therapie mit Kortikosteroiden häufiger die Komplikation von Magenblutungen entwickelten, halten die Autorinnen/Autoren diese Intervention für schädigend und raten ausdrücklich davon ab.

Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover


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