Pneumologie 2019; 73(12): 712
DOI: 10.1055/a-1029-5173
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Virale Atemwegsinfektionen: Gefahren an vielen Fronten

Topoulos S, Giesa C, Gatermann S. et al.
Analysis of acute respiratory infections due to influenza virus A, B and RSW during an influenza epidemic 2018.

Infection 2019;
47: 425-433
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Publication History

Publication Date:
09 December 2019 (online)

 

Topoulos und Mitarbeiter untersuchten die Inzidenz, Morbidität und Mortalität von Patienten mit nachgewiesener RSV-Infektion während der Influenzasaison 2018, die von Influenzaviren B Typ B der Yamagata-Linie dominiert war.


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Hierzu wurden alle Patienten eines großen Lehrkrankenhauses, die mit Symptomen eines akuten viralen Infektes der Atemwege zur Aufnahme kamen, mittels Multiplex-PCR auf Influenza A und B und RSV untersucht. Als nosokomial wurden Fälle definiert, die 48 Stunden nach Aufnahme aus anderem Grund auftraten.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 651 Patienten zwischen Januar und April 2018 untersucht, wobei 214 ein positives Testergebnis aufwiesen: 36 × Influenza A, 152 × Influenza B, 30 × RSV. Bei 4 Patienten lag eine duale Infektion (1 × Influenza B plus RSV, 2 × Influenza A und B und 1 × Influenza B plus RSV) vor. Bei 44 Patienten (20,6 %) handelte es sich um eine nosokomiale Infektion (8 × Influenza A, 33 × Influenza B und 3 × RSV).

Eine Pneumonie komplizierte den Verlauf in 61 (28,5 %) der Fälle, und bei 25 Patienten erfolgte aufgrund einer respiratorischen Insuffizienz eine nicht invasive Beatmung, bei 8 Patienten eine invasive Beatmung. Insgesamt 10 Patienten verstarben, wobei keine Assoziation zwischen Influenza A und B und RSV oder dem nosokomialen Erwerb der Infektion gezeigt werden konnte. Pneumonie und die Notwendigkeit zur invasiven Beatmung erwiesen sich als signifikante Vorhersagefaktoren für die Mortalität (OR 22,7 mit einem 95 %-Konfidenzintervall von 2,8 – 183,5 bei Pneumonie und OR 66,3 mit einem 95 %-Konfidenzintervall von 12,3 – 357 für die invasive Beatmung, P < 0,0001). Ein protektiver Effekt der Oseltamivir-Gabe konnte nicht gezeigt werden.

Fazit

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass im Rahmen der Influenzasaison 2018 die Rate an RSV-Infektionen als Differenzialdiagnose hoch war und sowohl bei Influenza als auch RSV eine verhältnismäßig hohe Rate nosokomialer Infektionen trotz Isolierungsmaßnahmen vorlag. Auch bei Korrektur des engen Zeitintervalls von 48 Stunden auf 5 Tage lag der Anteil nosokomialer Fälle noch bei 16 %. Neben dem Eintrag durch Patienten und Besucher erwähnen die Autoren auch die notorisch schlechte Impfquote bei Influenza und die Tendenz, bei eigener Erkrankung nicht zu Hause zu bleiben, als mögliche Ursachen, wobei letztgenannter Faktor auch auf RSV-Infektionen zuträfe. Die Studie ist allerdings durch ihr retrospektives Design und fehlende Daten zur Compliance mit Infektionsschutzmaßnahmen, tatsächlichen Impfraten und Personalerkrankungen limitiert. Die Autoren regen an, während einer starken Influenzasaison alle auf internistischen Stationen aufgenommen Patienten mittels PCR auf Influenza und RSV zu testen.

PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Freiburg

Kommentar

Galt RSV lange als ein Erreger der Pädiatrie, zeigt die vorliegende Studie aus dem realen Alltagsleben, dass RSV auch in der Erwachsenenmedizin eine relevante Rolle bei akuten viralen Atemwegsinfektionen spielt und als Differenzialdiagnose nicht vernachlässigt werden darf. Auch die mit 10 % bei den RSV-Fällen immer noch hohe Rate nosokomialer Fälle spricht dafür, diesen Erreger von vorneherein in die Infektionsschutzüberlegungen und die Diagnostik mit einzubeziehen. Ob eventuell auch noch weitere Viren differenzialdiagnostischer Überlegungen bedürfen, wird die Zukunft zeigen. So berichten Schreiner et al. [1] in einer großen Kohorte von 3799 Patienten einer Kinderklinik mit Symptomen einer Atemwegsinfektion von 24,7 % RSV-Nachweisen und von 6,3 % mit Nachweis von humanem Metapneumovirus (hMPV). Während nur 62,9 % der Kinder mit hMPV eine Inhalationstherapie bedurften, war dies bei 73,8 % der RSV-Kinder der Fall. Allerdings erhielten 62,3 % der hMPV-Kinder Antibiotika, aber nur 44,4 % der RSV-Kinder. Die Autoren sehen hier ein Potenzial für Antibiotic-Stewardship-Anstrengungen, um durch verbesserte Point-of-Care-Diagnostik unnötige Antibiotikaverordnungen zu vermeiden. Betrachtet man nun beide Studien gemeinsam, so scheint bei Verdacht auf virale Atemwegsinfektionen eine erweiterte Virusdiagnostik sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern sinnvoll, um eine Therapieoptimierung und Vermeidung unnötiger Antibiotikagaben herbeizuführen. Ob dadurch allerdings die Rate nosokomialer Fälle gesenkt werden kann, bleibt fraglich. Hier hilft wohl nur eine gute Wegeführung der Verdachtspatienten schon in der Notaufnahme, der konsequente Einsatz persönlicher Schutzausrüstung bei der Versorgung aller Patienten mit Symptomen, die auf eine virale Atemwegserkrankung hindeuten, und erhöhte Aufmerksamkeit bei Erkrankungen des Personals sowie ein vollständiger Impfschutz bei den impfpräventablen Erkrankungen.

PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Freiburg

Literatur

[1] Schreiner D, Groendahl B, Puppe H et al. Antibiotic prescription rates in hospitalized children with human metapneumovirus infection in comparison to RSV infection emphasize value of point-of-care diagnostics. Infection 2019; 47: 201 – 207


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