manuelletherapie 2019; 23(05): 203-204
DOI: 10.1055/a-1033-6130
Forum

physiokongress West: Muskuloskelettale Fallbeispiele, Interprofessionalität und Sportphysiotherapie

Isabelle Bonno

Ende September 2019 fand zum 2. Mal der physiokongress West in Essen statt. Am Kongressfreitag hatten die rund 120 Teilnehmer die Wahl zwischen Vorträgen zu muskuloskelettaler Physiotherapie oder dem Interprofessionellen Tag mit Podiumsdiskussion. Am Samstag stand alles im Zeichen der Sportphysiotherapie.

Martin Verra, vom Inselspital Bern und Peter Oesch von den Kliniken Valens führten mit ihrer erfrischenden Art durch das Programm der muskuloskelettalen Physiotherapie. Die beiden machten in ihrem Eröffnungsvortrag deutlich: „Aus Fallbeispielen kann man durchaus lernen“ ([ Abb. 1 ]). Dafür sollte man immer die Merkmale für ein gelungenes Beispiel im Kopf haben: Kommunikation, standardisierte Assessments, Clinical Reasoning, Personalised Medicine, subgruppenspezifische Behandlung, Patientenedukation und ein Shared Decision Making. Außerdem gibt es folgende 3 Säulen des evidenzbasierten Arbeitens: klinische Forschung, klinische Expertise und Erwartungen der Patienten. Auch anhand dieser 3 Säulen lässt sich die Qualität eines Fallbeispiels prüfen.

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Abb. 1 „Von Fällen lernen“ – das demonstrierten Martin Verra vom Inselspital Bern und Peter Oesch von den Kliniken Valens mit ihrem Referententeam auf dem 2. physiokongress West in Essen anhand zahlreicher Fallbeispiele. a Martin Verra. b Peter Oesch. (Quelle: Thieme Gruppe)

Nun warteten 4 spannende und interessante Fallbeispiele auf die Zuhörer. Konnten Merkmale eines gelungenen Fallbeispiels ermittelt werden? Wurden die 3 Säulen evidenzbasierten Arbeitens beachtet? Das prüften Verra und Oesch gemeinsam mit den Teilnehmern.

Auch beim zeitgleich stattfindenden Interprofessionellen Tag warteten spannende Vorträge auf die Teilnehmer. Fabian Pfeiffer blickte in seinem Vortrag „Richtig kommunizieren, damit Schmerzen verstanden werden“ auf das ABCDEFW-Schema. „Wir sollten den Patienten nach dem ABCDEFW-Schema befragen/analysieren: A – Attitude, B – Behavior, C – Compensation, D – Diagnose + Treatment, E – Emotions, F – Family, W – Work.

Anne von Reumont begeisterte als weitere Rednerin beim Interprofessionellen Tag mit ihrem Vortrag zu „Patientenzufriedenheit und Therapeutenverhalten – zwei Seiten einer Medaille.“ „Wir Therapeuten sind mit unserem Verhalten der Schlüssel zum Therapieerfolg. Es gibt 5 Schlüsseldimensionen für die Patientenzufriedenheit, von denen sich 4 direkt auf das Therapeutenverhalten beziehen: professionelles Vorgehen, Erklärungen geben, Patienten zentrieren und gute Organisation. Patienten, die während ihrer Therapie immer denselben Therapeuten hatten, waren 3-mal zufriedener mit der Behandlung. Mein Appell lautet: Wir sollten die interaktiven Kompetenzen, die den gleichen Stellenwert haben wie unsere fachpraktischen Fähigkeiten, nicht derart dem Zufall überlassen.“

Der Samstag stand ganz im Zeichen der Sportphysiotherapie. Sportdaten, Verletzungen des vorderen Kreuzbands und der Hamstrings/Leisten waren Themen der 1. Stunde. Slavko Rogan appellierte an die Therapeuten, Sportdaten aus validierten Studien für den Rehabilitationsprozess der Patienten zu integrieren. Angela Blasimann sagte über den Rehabilitationsprozess von Verletzungen des vorderen Kreuzbands: „Nicht nur die Zeit ist ein wichtiger Faktor, auch neuromuskuläre Screenings müssen in der Therapie berücksichtigt werden.“ Ron Clijsen sprach in seinem Vortrag zu Hamstring- und Leistenverletzungen davon, dass die Diagnose ein äußert differenziertes Vorgehen verlangt. Das kriterienbasierte „Aspetar Hamstring Protocol“ können Therapeuten hier gut in den Rehabilitationsprozess einbinden.

Abschließend folgte am Samstagmittag ein von Martin Keller, Oliver Faude und Lars Donath präsentiertes Programm zum Thema „Gleichgewicht“. Kernaussagen der jeweiligen Redner:

  • „Durch Gleichgewichtstraining, aber auch durch degenerative Prozesse verändern sich nicht nur Aktivitätsmuster, es finden auch strukturelle Veränderungen im Gehirn statt, welche einen Einfluss auf die posturale Kontrolle haben.“

  • „Präventionsprogramme wie da FIFA 11 + sollten im Kinder- und Jugendsport unbedingt beachtet werden, um Verletzungen zu reduzieren.“

  • „Gleichgewichtstraining für Senioren sollte multimodal und herausfordernd sein. Formen wie Agility oder Exergaming sind eine sinnvolle Alternative, denn Abwechslung im Training hat oberste Priorität.“



Publication History

Article published online:
19 December 2019

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