Helmut Remschmidt, Katja Becker: Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.
Stuttgart: Thieme Verlag 2019. 568 Seiten, 60 Abbildungen, 99,99 Euro, ISBN 9783132411227
Im Thieme Verlag ist die 7. vollständig, überarbeitete und erweiterte Auflage eines
Lehrbuchklassikers erschienen: Das „Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie“-Buch,
herausgegeben von Helmut Remschmidt und Katja Becker. Das Multiautorenwerk gibt den
neuesten Stand auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie wieder. Wie die Vorgängerausgaben
wird der Bogen von grundlegenden Aspekten der kindlichen Entwicklung und deren Grundlagen,
Ätiologie und Genese bis hin zu den testpsychologischen und neuropsychologischen Untersuchungsverfahren
und schließlich umschriebenen Krankheitsbildern der kindlichen Psyche gespannt. Insbesondere
Themen wie Schlaf- und schlafassoziierte Störungen, Schulabsentismus, Anpassungsstörungen
und Störung des Sozialverhaltens sowie Alkohol- und Drogenabhängigkeit sind im heutigen
Alltag für den Allgemeinarzt, Kinderarzt, Kinderpsychologen oder Kinderpsychiater
aber auch für Eltern und für die Allgemeinheit von größter Wichtigkeit. Schließlich
sind Suizid im frühen Lebensalter sowie Themen wie körperliche Misshandlung, sexueller
Missbrauch und Vernachlässigung hier hervorragend besprochen. Ein „neues“ Thema ist
die Geschlechtsdysphorie, die bereits im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert werden
muss. Essstörungen und Adipositas haben durchaus psychologische und kinder- und jugendpsychiatrische
Aspekte, die ebenso besprochen werden. Das Buch endet mit umfangreichen Kapiteln zum
Thema: Therapie, Rehabilitation und Prävention von kinder- und jugendpsychiatrischen
Krankheitsbildern. Insbesondere das Kapitel über Elterntraining sowie Ansätze zu kombinierten
Behandlungsmodalitäten sind positiv hervorzuheben. Schließlich sind rechtliche und
institutionelle Voraussetzungen der kinderpsychotherapeutischen und psychiatrischen
Tätigkeit abgehandelt und die gerichtliche Kinder- und Jugendpsychiatrie inklusive
Begutachtung und Strafrechtsthemen werden besprochen. Das Buch bleibt trotzdem überschaubar,
griffig und sehr gut zu lesen. Dem Verlag und den Herausgebern sei gedankt und sie
seien beglückwünscht für ein herausragendes Buch.
Wieland Kiess, Leipzig
Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Migränemanagement (MIMA)
Timo Klan T, Eva Liesering-Latta: Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Migränemanagement
(MIMA). Ein Behandlungsmanual zur Krankheitsbewältigung und Attackenprophylaxe bei
Migräne. Göttingen: Hogrefe 2020, 180 Seiten, 44,95 Euro, ISBN 9783801728519
Die kognitive Verhaltenstherapie ist inzwischen integraler, evidenzbasierter Bestandteil
aller Leitlinien über die Behandlung der Migräne. Sie ist in vielen Versionen wissenschaftlich
untersucht und zeigt eine gute Wirksamkeit mit einer hohen Effektstärke. Die beste
Wirksamkeit wird dabei in der Kombination mit einer medikamentösen Prophylaxe, z.
B. mit einem Betablocker, erzielt. Leider erhalten aber nur die allerwenigsten Migränepatienten
eine entsprechende Therapie. Dies liegt zum einen an dem mangelnden Wissen der Ärzte
über Struktur und Herangehensweise der kognitiven Verhaltenstherapie, zum anderen
liegt es an der zu geringen Zahl an Therapeuten, die eine solche Therapie anbieten.
Bisher gab es schon einige Manuale, mit denen verhaltenstherapeutisch eine Migränetherapie
angegangen werden konnte, doch haben sich diese nie durchgesetzt, auch wegen Problemen
in der Kostenerstattung. Ein Manual wurde als MIPAS-Konzept eine Zeit lang über Krankenkassen
finanziert, dann aber wieder eingestellt. Für Kinder und Jugendliche gibt es ein gelungenes
Internet-Programm, das ähnlich einer strukturierten Verhaltenstherapie funktioniert.
So ist es sehr zu begrüßen, dass in dem hier vorgelegten Manual eine seriöse, gut
aufbereitete Anleitung zur Verhaltenstherapie bei Migräne an die Hand gegeben wird.
Nach einer kurzen Einleitung über das Krankheitsbild Migräne wird diese Anleitung
(hier Migränemanagement genannt) genauer erläutert. Es handelt sich um 7 Sitzungen,
die als Einzel- oder Gruppentherapie angeboten werden können. Das Manual enthält die
klassischen Bestandteile wie z. B. Aufklärung, Stressmanagement, Entspannungsverfahren,
Triggervermeidung und ist dabei angenehm seriös und bodenständig. Besonders zu begrüßen
ist ein sehr umfangreicher Materialteil, in dem Kopiervorlagen für verschiedene Arbeitsblätter
und Abbildungen sowie diagnostische Instrumentarien (eigentlich Instrumente zur Verlaufsbeurteilung)
enthalten sind. Diese Kopiervorlagen finden sich auch auf einer beigelegten CD.
Dieses Manual ist hervorragend geeignet, sich in die kognitive Verhaltenstherapie
bei Migräne einzuarbeiten und diese dann einzusetzen. Man sollte sich aber nicht täuschen:
Es gilt natürlich auch hier, dass man eine therapeutische Ausbildung, also Grundlagen
in Gesprächsführung etc., haben sollte, um wirklich mit einem solchen Manual Migränepatienten
erfolgreich zu behandeln.
Stefan Evers, Coppenbrügge