Grund des vorliegenden Positionspapiers ist eine aktuelle juristische Diskussion über
die Abrechenbarkeit von beatmungsfreien Intervallen im Rahmen einer akuten nichtinvasiven
Beatmung über ca. 16 Stunden täglich bei einem Patienten mit Sepsis zur Vermeidung
der Intubation. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte mit Verweis, dass
eine Gewöhnung an die Beatmung, die Voraussetzung sei für eine Entwöhnung von der
Beatmung, im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen sei, geurteilt, dass die beatmungsfreien
Intervalle nicht zur Beatmungszeit hinzuzuzählen seien. Das Gericht folgte den Ausführungen
eines Gutachters des MDK, dass für die Gewöhnung an Beatmung neben anderen Kriterien
der Nachweis einer Hypo- bzw. Atrophie der Zwerchfellmuskulatur aufgrund von wissenschaftlichen
Daten notwendig sei und damit dieser Nachweis von den Kliniken zu führen sei. Unter
anderem wird auf die Vorgaben des Bundessozialgerichts (Nach den ausdrücklichen Darlegungen
des BSG [19. 12. 2017, B 1 KR 18117 R, SozR 4 – 5562 § 9 Nr. 8] sind Spontanatmungsstunden
nach Wortlaut und Regelungssystem der DKR lOOlh nur dann als Beatmungsstunden mitzuzählen,
wenn der Wechsel von Beatmung und Spontanatmung in einer Phase der Entwöhnung erfolgt.
Dies setzt eine vorherige Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraus) verwiesen.
Der Spruch des 11. Senats des Landes-Sozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart
vom 23. 07. 2019 [L 11 KR 717/18 ZVW] interpretiert hierzu Studien und Untersuchungen,
was weder wissenschaftlich, pathophysiologisch noch klinisch nachvollziehbar ist und
nicht dem aktuellen wissenschaftlichen und klinischen Kenntnisstand entspricht. Darüber
hinaus wird mit dem Begriff „Gewöhnung“ im Kontext der Beatmung von juristischer Seite
ein Zustand neu dekliniert, den es in der Beatmungs-Medizin nicht gibt, da dieser,
wie noch ausgeführt wird, nicht sinnig ist und es auch nicht sein kann.
Aufgrund der in diesem Urteil aufgestellten nicht zutreffenden Behauptungen zu wissenschaftlichen
Aspekten des Weanings mit entsprechend finanziellen Implikationen für die Abrechnung
der Kliniken sehen sich die DGP und der VPK zu der Publikation des folgenden Positionspapiers
verpflichtet.
Darstellung der Abrechnungsproblematik im aktuellen Fall
Darstellung der Abrechnungsproblematik im aktuellen Fall
Im vorliegenden Fall war die Beatmung nichtinvasiv über 5 Tage über ca. 77 Stunden
durchgeführt worden. Die behandelnde Klinik hatte die beatmungsfreien Intervalle zu
der Beatmungszeit hinzugezählt, womit sich eine Gesamt-Beatmungsdauer von 101 Stunden
ergab, und somit eine A-DRG in Rechnung gestellt. Dem hatte die zuständige Krankenkasse
widersprochen.
Nachdem das Landgericht Ulm die Klage der Krankenkasse auf Rechnungskürzung abgelehnt
hatte, wurde der Fall an das Bundessozialgericht verwiesen. Dieses stellte am 19. 12. 2017
fest, dass beatmungsfreie Intervalle im Rahmen des Weanings (von der nichtinvasiven
Beatmung) nur zur Beatmungszeit hinzugerechnet werden dürfen, wenn von einer vorherigen
Gewöhnung an die Beatmung auszugehen ist (Bundessozialgericht Urteil vom 19. 12. 2017,
B 1 KR 18/17 R). Das BSG argumentiert im Rahmen der Tatbestandserhebung, dass „nach
dem allgemeinen Sprachgebrauch“ einer Entwöhnung immer eine Gewöhnung vorauszugehen
habe. Der Fall wurde zur Prüfung, ob eine Gewöhnung an die Beatmung vorgelegen habe,
an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.
Dieses urteilte am 23. 07. 2019, dass die beatmungsfreien Intervalle nicht der Beatmungszeit
hinzuzuzählen sind, da eine Gewöhnung an die Beatmung im vorliegenden Falle nicht
nachgewiesen wurde (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. 07. 2019 – L 11 KR 717/18
ZVW). Als Beweis einer Gewöhnung fordert des LSG Baden-Württemberg u. a. den Nachweis
einer Hypo- bzw. Atrophie des Zwerchfells.
Stellungnahme von DGP und VPK zur Sequenz Gewöhnung–Entwöhnung im Weaning-Prozess
Stellungnahme von DGP und VPK zur Sequenz Gewöhnung–Entwöhnung im Weaning-Prozess
Im allgemeinen Sprachgebrach wird die Entwöhnung häufig mit einer vorausgegangenen
Gewöhnung in Zusammenhang gebracht, aber auch z. B. bei Behandlung von Abhängigkeiten
verwendet. Letzterer Zusammenhang findet sich z. B. auch in der Rechtsprechung bei
Suchterkrankungen wieder (VG Bayreuth, Urteil vom 04. 07. 2014 – 1 K 14.168). Der
begrifflichen Fehleinschätzung im Sinne einer Kausalkette von einer „Gewöhnung hin
zur Entwöhnung“ liegt zugrunde, dass hier fälschlich von einer Zustandsänderung ausgegangen
wird, die sich biologisch bei der Entwöhnung von einer Abhängigkeit von z. B. Drogen
ergibt. Bei der mechanischen Beatmung findet weder bei kontinuierlicher noch bei intermittierender
Beatmung pathophysiologisch eine Gewöhnung im herkömmlichen Sinne statt, sondern eine
akute Gasaustauschstörung und/oder Schwächung bzw. Überlastung der Atemmuskulatur
stellen die initiale Indikation zur Beatmung dar. Diese so verursachte Beeinträchtigung
führt zu einer akut einsetzenden Abhängigkeit von der lebenserhaltenden Beatmungsmaschine,
die das Überleben in der respiratorischen Krise sichert – ohne Beatmung würde der
Patient aufgrund seiner respiratorischen oder ventilatorischen Insuffizienz Schaden
nehmen bzw. versterben. Die Dauer der Beatmungsnotwendigkeit ergibt sich durch die
benannten pathophysiologischen Veränderungen, jedoch nicht durch eine Gewöhnung an
die Beatmung. Es besteht daher eine Abhängigkeit von einer Beatmung, ohne die der
Erhalt des Lebens nicht möglich ist. Eine Gewöhnung liegt demgegenüber nicht vor.
Der Begriff „Abhängigkeit“ ist ebenfalls nicht im Sinne der psychischen oder körperlichen
Abhängigkeit bei Suchterkrankungen zu verstehen, sondern in dem Sinne, dass zeitlich
begrenzt oder dauerhaft der Betroffene nicht ohne den Ersatz der ausgefallenen Funktion
leben kann (vergleichbar der Dialyse oder dem Kunstherz).
Der Begriff „Weaning“ von der Beatmung (deutsche Übersetzung „Entwöhnung“) beschreibt
die Befreiung eines Patienten von der Beatmung (im englischen Schrifttum als „Liberation
from mechanical ventilation bezeichnet“ [1 ]). Dieser Begriff hat sich international etabliert.
Eine Ausführung in diesem Sinne wurde in die Revision der S2k-Leitlinie „Prolongiertes
Weaning“ unter Federführung der DGP aufgenommen und ist nach bereits erfolgter Verabschiedung
durch insgesamt 17 deutsche medizinische Fachgesellschaften gerade auf der Website
der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften publiziert
worden (www.awmf.org/leitlinien ).
Statement 1
DGP und VPK lehnen den Begriff „Gewöhnung“ bei Beatmungspatienten ab und empfehlen
entsprechend den nationalen und internationalen Leitlinien von der Abhängigkeit eines
Patienten von der Beatmung zu sprechen.
Stellungnahme von DGP und VPK zur Zwerchfell-Atrophie als alleinige Ursache einer
Entwöhnung von der Beatmung
Stellungnahme von DGP und VPK zur Zwerchfell-Atrophie als alleinige Ursache einer
Entwöhnung von der Beatmung
Eine Beatmung ist immer dann notwendig, wenn trotz aller sonstiger Maßnahmen wie medikamentöse
Therapie und/oder Sauerstoffgabe der Gasaustausch nicht gesichert ist und eine schwere
Schädigung bis zum Tod droht. Die Ursachen hierzu sind mannigfaltig und reichen von
primär pulmonalen über akute kardiale bis hin zu neurologischen Erkrankungen. Letztlich
besteht ein Ungleichgewicht zwischen Kapazität und Belastung des ventilatorischen
und/oder gasaustauschenden Systems. Diese Insuffizienz zeigt die Überlastung der Atemmuskulatur
an, wie in folgender [Abb. 1 ] dargestellt:
Abb. 1 Ventilatorische Insuffizienz.
Erkennbar aus [Abb. 1 ] ist, dass sowohl eine erhöhte Last des ventilatorischen Systems als auch eine verminderte
Kapazität der Atemmuskeln ursächlich für eine Dekompensation des Systems sein können.
Regelhaft kommt es dann zur Dekompensation des ventilatorischen Systems, wenn die
Atemmuskeln dauerhaft 40 % oder mehr ihrer maximalen Kraft einsetzen müssen [2 ]
[3 ]
[4 ]. Ob dieses Verhältnis durch eine verminderte Kapazität, eine vermehrte Last oder
eine Kombination von beidem zustande kommt, spielt dabei keine Rolle. So lässt sich
eine Schwäche der Atemmuskulatur eben auch nicht bei allen Weaning-Patienten nachweisen
[5 ].
I. d. R. steht am Beginn einer akut einsetzenden Erkrankung (z. B. Pneumonie, Lungenödem,
COPD, ARDS) zunächst die erhöhte Last bzw. ein erhöhter ventilatorischer Bedarf ursächlich
im Vordergrund, die einer Unterstützung durch eine Beatmung bedürfen, um eine Dekompensation
zu vermeiden. Es entsteht also eine Abhängigkeit von Beatmung, obwohl die Kapazität
der Atemmuskeln primär nicht reduziert ist.
Wird eine Beatmung initiiert, tritt ein Ventilator-induzierter Atemmuskelschaden überwiegend
nur bei vollentlastender kontrollierter Beatmung auf [6 ]. Dagegen scheinen teilentlastende Beatmungsformen (z. B. Pressure Support Ventilation),
wie sie üblicherweise auf unseren Intensivstationen zum Einsatz kommen, einen weniger
nachteiligen Einfluss auf die Atemmuskulatur zu haben [7 ]. Trotzdem müssen auch diese Patienten von der Beatmung abtrainiert bzw. getrennt
(im Sinne von „Liberation from mechanical ventilation) werden, dies aufgrund der in
[Abb. 1 ] dargestellten Diskrepanz von Last und Kapazität. Analog hierzu empfiehlt die aktuelle
Leitlinie zum prolongierten Weaning sowohl Konzepte, um die atemmuskuläre Kraft zu
verbessern, als auch Konzepte zur Verminderung der ventilatorischen Last [8 ].
Was sind Ursachen für ein erschwertes Weaning?
Die aktuelle Revision der Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ führt eine Reihe von Ursachen
auf, die eine prolongierte Entwöhnung von der Beatmung verursachen können [8 ] ([Tab. 1 ]):
Tab. 1
Pathophysiologie und mögliche Ursachen der Atempumpeninsuffizienz [8 ].
Unmittelbarer Grund für unzureichende Spontanatmung
Pathophysiologischer Bereich
Mögliche Ursachen
Beispiel
Schwäche der Atempumpe
Atemzentrum
Ischämie, Infektion
Enzephalitis
nervale Steuerung
Neuritis, Nervenschädigung
Zwerchfellparese, Querschnittlähmung, Guillain-Barré-Syndrom, CIP, ALS, Diabetes mellitus
Atemmuskeln
Myositis, Muskeldystrophie, Muskelatrophie
CIM, VIDD, Myasthenie, M. Duchenne, Post-Polio-Syndrom, nach herz- und thoraxchirurgischem
Eingriff
Überlastung der Atempumpe
Atemwege
Obstruktion, Überblähung, Rekurrensparese
COPD, Mucoviszidose
Lungenparenchym
reduzierte Compliance
Lungenödem, Fibrose
reduzierte Gasaustauschfläche
Emphysem, Pneumonie, V/Q-Mismatch
Thoraxwand
reduzierte Compliance
Pleuraerguss, Skoliose, Post-TBC-Syndrom, nach herz- und thoraxchirurgischem Eingriff
Sauerstofftransport (reduziert)
Anämie, Methämoglobin
Blutabnahme, Blutung, Infektanämie, Medikamente
Perfusionsminderung
Herzinsuffizienz, PAH, Lungenembolie, Shunt
Sauerstoffverbrauch (erhöht)
erhöhter Umsatz
Katecholamine, Unruhe/Agitation, Infektion, Hyperthyreose
metabolische Versorgung
Stoffwechselstörung
Hypothyreose, Mangelernährung, Elektrolytimbalance, Nebenniereninsuffizienz, Metabolische
Alkalose und Azidose
Legende: CIP = Critical-Illness-Polyneuropathie; ALS = Amyotrophe Lateralsklerose;
CIM = Critical-Illness-Myopathie; VIDD = Ventilator Induced Diaphragmatic Dysfunction;
PAH = pulmonal arterielle Hypertonie; Post-TBC-Syndrom = Langzeitfolgen nach pulmonaler
Tuberkulose.
Die Schwäche des Zwerchfells spielt hier durchaus eine Rolle, ist sicher aber nicht
der ausschließliche Faktor für eine längere Abhängigkeit von einer Beatmung, nachdem
die akute Krankheitsphase überwunden ist.
Auch für das einfache Weaning sind vornehmlich Komorbiditäten (v. a. Herzerkrankungen)
die Hauptursachen für eine längere Phase des Weanings bzw. das Scheitern der Beendigung
einer Beatmungstherapie. Die folgenden [Tab. 2 ] und [Tab. 3 ], modifiziert nach Perren et al. [9 ], stellen die Hauptursachen für das Scheitern eines Weanings nach dem ersten bzw.
innerhalb von 3 Spontanatemversuchen dar:
Tab. 2
Ursachen für Scheitern des einfachen Weanings [9 ].
Tab. 3
Ursachen für eine Verlängerung des schwierigen Weanings [9 ].
Aus diesen beiden Tabellen wird klar ersichtlich, dass nicht nur eine Zwerchfell-Hypo-
oder -Atrophie bzw. -Schwäche ursächlich für eine verlängerte Beatmungsdauer, ggf.
mit mehreren, von Spontanatmung unterbrochenen Phasen ist.
Statement 2
DGP und VPK empfehlen in jedem Fall eines Weanings, das diskontinuierlich mit Spontanatmungsphasen
mit nachfolgender Wiederaufnahme der Beatmung durchgeführt wird, die zugrundeliegende
Pathophysiologie klar zu benennen und die Notwendigkeit der neuerlichen Beatmung (z. B.
Entwicklung einer bzw. Verschlechterung einer chronischen respiratorischen oder ventilatorischen
Insuffizienz) klar zu dokumentieren. Gleiches gilt für die intermittierende Durchführung
einer nichtinvasiven Akut-Beatmung.
Diskussion der Methodik für die Messung der Zwerchfellfunktion im Weaning
Diskussion der Methodik für die Messung der Zwerchfellfunktion im Weaning
Last und Kapazität eines Muskels sind prinzipiell technisch messbar. Hierzu benötigt
man Drucksensoren, welche zwischen dem respiratorischen System (Lunge und Atemwege)
und der Atemmuskulatur (Zwerchfell und Thoraxwand) liegen müssten. Dieser Raum entspricht
dem Pleuraspalt und ist anatomisch nicht zugänglich, ohne das System zu verletzen.
Alternativ hierfür kann der Druck mithilfe von Ösophaguskathetern innerhalb der Speiseröhre
bestimmt werden, da er gut mit dem Pleuradruck korreliert. Diese Methode stellt den
Goldstandard dar. Hierdurch ist es möglich, sowohl Last als auch Kapazität und damit
die Atemarbeit zu bestimmen [10 ]
[11 ]. Diese Methoden sind aber mitarbeitsabhängig und daher beim akut erkrankten intensivpflichtigen
Patienten i. d. R. nicht durchführbar. Alternativ kann dann eine externe Magnetstimulation
der Zwerchfellnerven durchgeführt werden. Diese ist mitarbeitsunabhängig, aber technisch
nur mit sehr hohem Aufwand durchzuführen. Zudem hat sie viele Kontraindikationen und
wird vom Patienten häufig als schmerzhaft oder unangenehm empfunden [12 ].
Darüber hinaus sind auch mit diesen Messverfahren nur begrenzt allgemeingültige Aussagen
anhand von Messwerten möglich, da diese krankheitsbezogen sehr unterschiedlich hinsichtlich
der Prädiktion eines Weaning-Erfolges sind [3 ]
[13 ].
Statement 3
Die DGP empfiehlt keine routinemäßige Anwendung von Ösophaguskathetern sowie der magnetischen
Phrenikusstimulation im Weaning.
Die Zwerchfellsonografie bietet Messmethoden zur Evaluation des sich kontrahierenden Zwerchfells. Zum Einsatz
kommen zum einen die Bestimmung der Zwerchfellbeweglichkeit (Diaphragmatic Excursion,
DE) mit dem Sektorschallkopf in antero-lateraler Position im M-Mode sowie die Zunahme
der Zwerchfelldicke (Diaphragmatic Thickening Fraction, DTF) in lateraler Position
mit dem Linearschallkopf im M-Mode.
Für die Zwerchfellbeweglichkeit werden in der Literatur Normwerte zwischen 1 und 4,7 cm
angegeben [14 ]
[15 ], für die Zunahme der Zwerchfelldicke gilt ein Prozentwert zwischen 20 und 36 % als
physiologisch [15 ]. Die enorme Spannweite der publizierten Normalwerte lässt bereits die Problematik
dieser Methode erkennen. Auch wenn einzelne Arbeiten von einer guten Reproduzierbarkeit
der Untersuchungen sprechen [16 ]
[17 ]
[18 ], zeigt sich, dass die Sensitivität und Spezifität bez. eines erfolgreichen Weaning-Outcomes
in etwa nur bei 75 % liegt [15 ].
V. a. die Beurteilung der Zwerchfellbeweglichkeit auf der linken Körperseite ist aufgrund
des fehlenden Schallfensters häufig schwierig [18 ]. Es gibt keine normierten Winkelangaben zur Positionierung des Schallkopfes sowie
zur Lage des Patientenoberkörpers (Flachlagerung vs. Oberkörper-Hochlagerung). Klar
ist zudem, dass die Zwerchfellsonografie nur am spontan atmenden Patienten eine Aussagekraft
hat [15 ], da eine passive, durch das Beatmungsgerät hervorgerufene Bewegung des Zwerchfells
nicht die patienteneigene Zwerchfellfunktion widerspiegelt. Die bisher größte zur
Zwerchfellsonografie publizierte Metaanalyse kommt daher zum Schluss, dass die Zunahme
der Zwerchfelldicke ein moderater Prädiktor für das Weaning-Outcome ist, die Messung
der Zwerchfellbeweglichkeit wird aufgrund einer fehlenden Genauigkeit nicht empfohlen
[15 ]. Der schlechte prädiktive Wert der Zwerchfellsonografie liegt aber v. a. daran,
dass hier gemäß [Abb. 1 ] lediglich die Kapazität, nicht aber die Last gemessen wird.
Dies bestätigt sich in einer aktuellen Studie [5 ], in der der gescheiterte SBT als Prädiktor des Weaning-/Extubations-Versagens herangezogen
wurde. Zwar zeigten die Patienten – eines ebenfalls heterogenen Kollektivs − mit gescheitertem
ersten SBT geringere Zwerchfelldicken, aber nicht als Folge einer Gewöhnung an die
Beatmung. Vielmehr sei das Weaning-/Extubations-Versagen, wie die Autoren pathophysiologisch
darlegen, multikausal bedingt. Zudem finden sich Hinweise, dass auch eine Hypertrophie
der Zwerchfellmuskulatur negativ assoziiert ist mit dem Weaning-Erfolg [19 ]. Wie die Autoren zurecht ausführen, ist die Zwerchfellsonografie nur eine indirekte
Methode, die weder die physikalische Funktion des Zwerchfellmuskels noch den morphologischen
Umbauprozess auf zellulärer Ebene beschreiben kann, der jedoch bestimmend für die
Funktion ist. Die Ultraschalluntersuchung des Zwerchfells ist daher eine ergänzende
und wichtige Methode, die im Kontext mit anderen Parametern klinische Informationen
liefen kann, die aber für sich alleine genommen weder die Funktion der Atemmuskulatur
noch eine Abhängigkeit von der Beatmung ausreichend genau beschreiben kann. Dies wird
durch eine aktuelle Studie von Vivier et al. untermauert [20 ]. Wichtige und wesentliche Hinweise ergeben sich aus der Arbeit von Goligher et al.
[19 ]. Hier zeigt sich zum einen, dass in einem erfahrenen Umfeld etwa 10 % der Patienten
nicht mittels Ultraschall untersucht werden konnten. In der Studie konnte weiterhin
gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Weanings reduziert
war, wenn die Zwerchfelldicke um mehr als 10 % abgenommen hatte. Dies war bei 41 %
der Patienten der Fall. In derselben Studie konnte aber auch gezeigt werden, dass
die 24 % der Kohorte, bei denen es zu einer Zunahme der Zwerchfelldicke unter der Beatmung kam, ein erhöhtes Risiko für eine längere Weaning-Dauer hatten.
Dies überrascht nicht, da die letztgenannten Patienten der Gruppe entsprechen, bei
der eine erhöhte Last und nicht eine verminderte Kapazität das Weaning-Versagen begründet.
Auch die aktuelle Version des Updates der Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ gibt zum
Einsatz der Sonografie zur Beurteilung der Zwerchfellfunktion aufgrund der uneinheitlichen
Datenlage keine Stellungnahme ab [8 ].
Statement 4
Die Zwerchfellsonografie kann nach aktueller Datenlage eine Einschränkung der Zwerchfellfunktion
im Weaning-Prozess nicht ausreichend sicher detektieren. Eine regelhafte Durchführung
der Zwerchfellsonografie als Prädiktor eines Weaning-Erfolges wird daher aktuell nicht
empfohlen.
Die Beatmung stellt zwar immer eine Maßnahme dar, die darauf abzielt, das Leben des
Betroffenen zu erhalten, die Beatmung selber bringt aber auch Gefahren für den Patienten
mit sich. Dies gilt in besonderem Maße für die invasive Beatmung, da hier das Aspirationsrisiko
erhöht ist und die natürlichen Reinigungsmechanismen des Respirationstraktes (Husten,
mukoziliäre Clearance) durchbrochen werden. Die Häufigkeit der hierdurch verursachten
Ventilator-assoziierten Pneumonie (ventilator associated pneumonia, VAP) wird dabei
auf 16,8 Ereignisse pro 1000 Beatmungstage [21 ] oder auf 3 % pro Tag [22 ] geschätzt. Die hierdurch entstehende zusätzliche Mortalität liegt bei 10 % [23 ]
[24 ].
Von daher ist es notwendig, so früh wie möglich im Krankheitsverlauf tägliche Aufwachversuche
[8 ]
[25 ] und Spontanatemversuche [8 ]
[26 ] durchzuführen.
Der Spontanatemversuch gibt dabei gleichzeitig Aufschluss darüber, ob weiterhin eine
Abhängigkeit von der Beatmung besteht. Hierbei helfen die in [Tab. 4 ] aufgeführten Abbruchkriterien bei der Durchführung.
Tab. 4
Abbruchkriterien eines Spontanatemversuches im Weaning [27 ]
[28 ].
Kriterium
Abbruchkriterium
Atemfrequenz (AF)
> 35 /Minute
Rapid shallow breathing index (AF/Tidalvolumen)
> 105
pCO2
> 55 mmHg
pH
< 7,25
Blutdruck systolisch
> 180 oder < 90 mmHg
Herzfrequenz
> 140/Minute oder Anstieg um 20 %
Agitation
Klinische relevante Zunahme im Rahmen des Spontanatemversuches
Diaphorese
Angst
Luftnot
Der Spontanatemversuch kann weder Last noch Kapazität des respiratorischen Systems
([Abb. 1 ]) messen, bewertet aber das dargestellte Gesamtkonstrukt und zeigt, inwiefern die
Kapazität ausreicht, um die Last zu bewegen. Insbesondere gilt das für das einfache
und schwierige Weaning. Hier wird auch in der aktuellen S3-Leitlinie „Invasive Beatmung
und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [29 ] der routinemäßige Einsatz von Spontanatmungsversuchen zur Beurteilung der Entwöhnbarkeit
empfohlen. Durch diese einfache Maßnahme konnte die Beatmungszeit signifikant verkürzt
werden [30 ]. Selbst im prolongierten Weaning in einem deutschen Entwöhnungszentrum konnte anhand
der Analyse von 867 Patienten gezeigt werden, dass die Dauer der ersten Spontanatmung
der beste Prädiktor für die Entwöhnbarkeit der Patienten ist [31 ].
Statement 5
DGP und VPK empfehlen die Durchführung täglicher Aufwachversuche gepaart mit Spontanatemversuchen,
da hierdurch die Mortalität gesenkt wird und die weitere Abhängigkeit vom Respirator
überprüft und somit Beatmungszeiten verkürzt werden können.
Nicht invasive und invasive Beatmung bei akuter respiratorischer oder ventilatorischer
Insuffizienz
Nicht invasive und invasive Beatmung bei akuter respiratorischer oder ventilatorischer
Insuffizienz
Insbesondere die Fortschritte der nichtinvasiven Beatmung im Rahmen der Intensivmedizin
haben in den letzten 25 Jahren die Prognose vieler Patienten verbessert: Verzicht
auf Narkotika, geringere Infektionsrate durch die Beatmungsmaske anstelle eines Endotrachealtubus
und der Vorteil der intermittierenden Beatmung mit Pausen bedeuten z. B. bei akuter
Verschlechterung einer COPD mit Beatmungspflichtigkeit eine dramatische Senkung der
Sterblichkeit. Somit ist bei vielen Krankheitsbildern die akute nichtinvasive Beatmung
anstelle einer Intubation und Beatmung in Narkose „State of the Art“. So zeigen Daten
für die NIV bei akut exazerbierter COPD mit respiratorischer Azidose, dass verglichen
mit der invasiven Beatmung lediglich 12 Patienten mit einer nichtinvasiven Beatmung
zusätzlich zur Standardtherapie behandelt werden müssen, um einen Todesfall zu verhindern
(Number needed to Treat [NNT] = 12) [32 ]. Ähnliche Effekte sieht man bei den meisten hyperkapnischen Erkrankungen, die zu
einer Beatmungsabhängigkeit führen [33 ]
[34 ]
[35 ]
[36 ], oder für die Phase nach Beendigung einer invasiven Beatmung [36 ]
[37 ]
[38 ]. Die NIV hat im Vergleich zur invasiven Beatmung dabei einen in etwa gleich hohen
Ressourcenverbrauch [39 ]
[40 ] und ist daher entsprechend der invasiven Beatmung als maschinelle Beatmung zu werten.
Statement 6
DGP und VPK empfehlen bei gegebener Indikation und Durchführbarkeit die NIV der invasiven
Beatmung vorzuziehen. Um keine Fehlanreize mit früher Intubation und der damit längeren
Beatmungszeit und erhöhten Komplikationsrate zu setzten, ist die NIV wegen des gleichen
Ressourcenverbrauchs der invasiven Beatmung im Vergütungssystem gleichzusetzten.
Zusammenfassung
Die Feststellung des BSG und des LSG Baden-Württemberg, dass ein Weaning in der Beatmungsmedizin
immer an eine Gewöhnung gebunden sein muss, beschreibt die medizinischen Zusammenhänge
falsch. Vielmehr besteht eine akute Abhängigkeit von der Beatmung, sei es invasiv
oder nichtinvasiv, von der aus medizinischer Sicht so schnell wie möglich eine Entwöhnung
(Trennung = Liberation) stattfinden muss, um die Prognose des Patienten nicht zu verschlechtern.
Dieser Prozess wird am besten durch (tägliche) Spontanatemversuche realisiert. Diese
geben zusätzlich Aufschluss darüber, inwieweit eine weitere Abhängigkeit vom Beatmungsgerät
im Sinne einer medizinisch notwendigen Beatmung besteht.
Die Zwerchfellsonografie kann lediglich eine verminderte Kapazität der Atemmuskulatur
nachweisen und macht dies zudem mit einer zu geringen Genauigkeit. Sie erfasst damit
einen Großteil der Weaning-Patienten nicht.
Eine Koppelung der Vergütung beatmungsfreier Intervalle im Weaning an den sonografischen
Nachweis einer Zwerchfellatrophie geht von der pathophysiologisch nicht herleitbaren
und damit falschen Annahme aus, hiermit eine Gewöhnung an eine Beatmung nachweisen
zu können. Ein derartiges Vorgehen ruft Fehlsteuerungen in der Patientenselektion
hervor. Außerdem negiert es eindeutig den aktuellen medizinischen evidenzbasierten
Standard, dass es eine Gewöhnung an eine Beatmung nicht gibt; weder im einfachen,
noch im schweren, noch im prolongierten „Weaning“.