Pneumologie 2020; 74(01): 10
DOI: 10.1055/a-1043-7401
Pneumo-Fokus
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COPD-Diagnose: FEV1:FVC-Grenzwert bestätigt sich in großen Studien

Bhatt SP. et al.
Discriminative Accuracy of FEV1:FVC Thresholds for COPD-Related Hospitalization and Mortality.

JAMA 2019;
321: 2438-2447
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Publication History

Publication Date:
20 January 2020 (online)

 

    In den USA leben geschätzt 24 Millionen Menschen mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), die Hälfte von ihnen ohne Kenntnis der Diagnose. Die pulmonale Obstruktion korrekt zu beurteilen, ist für Ärzte oft verwirrend: Diese Unsicherheit stellt ein großes Problem beim Versuch dar, die ärztliche Versorgung der Patienten zu verbessern. Ob der Grenzwert von FEV1:FVC < 0,7 in der Praxis geeignet ist, überprüften die Autoren dieser Studie.


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    Die großen Gesellschaften für Atemwegskrankheiten empfehlen, die Diagnose pulmonale Obstruktion zu stellen, wenn das Verhältnis zwischen exspiratorischer Einsekundenkapazität und forcierter Vitalkapazität (also FEV1:FVC) < 0,7 beträgt. Ein solches Vorgehen entspricht den diagnostischen Methoden bei Hypertonie oder Diabetes mellitus, bei denen mithilfe genauer Grenzwerte für die Diagnose die Therapie deutlich verbessert werden konnte. Für die COPD allerdings entspricht der Wert von < 0,7 „nur“ einer Expertenmeinung zur Definition einer klinisch relevanten Obstruktion; eine Evidenz aus populationsbasierten Studien hierfür fehlt. Da je nach Höhe eines solchen Grenzwerts die tatsächliche Prävalenz um bis zu 30 % abweichen kann und um demografische Faktoren zu berücksichtigen, wurde zusätzlich der „lower limit of normal“ (LLN) eingeführt. Auch der LLN birgt jedoch Unsicherheiten, insbesondere bei Menschen nichtweißer Herkunft, Frauen und Älteren.

    Vor diesem Hintergrund analysierten die Autoren in dieser Studie die gepoolten Daten von 4 populationsbasierten US-Studien unter folgender Fragestellung: Mit welcher Genauigkeit lässt sich mithilfe verschiedener fester FEV1/FVC-Grenzwerte vorhersagen, wie hoch die COPD-bedingte Hospitalisation und Mortalität sein wird? Für die Auswertung lagen die Daten von 45- bis 102-Jährigen vor, die zwischen 1987 und 2000 in große Studien rekrutiert und bis 2016 nachbeobachtet worden waren. Alle Daten wurden in der „National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) Pooled Cohorts Study“ harmonisiert und gepoolt.

    Der primäre Endpunkt der hier dargestellten Studie war ein Kompositum aus Hospitalisation und Mortalität aufgrund von COPD. Für die 24 407 Erwachsenen in einem Durchschnittsalter von 63 Jahren, davon 63 % (frühere) Raucher und 54 % Frauen, lagen per Spirometrie erhobene Lungenfunktionswerte vor. Die Diagnose COPD war anhand 11 verschiedener fixer Grenzwerte für die FEV1:FVC-Ratio (0,75 bis 0,65) oder anhand des LLN gestellt worden. Die Autoren definierten den optimalen fixen Grenzwert als denjenigen, der mit den COPD-bedingten Ereignissen am genausten assoziiert war. Vollständige Daten über das Follow-up über 15 Jahre lagen für 77 % der Probanden vor (340 757 Personenjahre). Im Verlauf kam es zu 3563 COPD-bedingten stationären Einweisungen und zu 447 Todesfällen durch COPD.

    Als optimaler Grenzwert zur Vorhersage dieser Ereignisse ergab sich ein Grenzwert von 0,71. Damit unterschied dieser Wert sich also nicht signifikant von dem bekannten FEV1:FVC-Wert von 0,7, erwies sich jedoch als genauer im Vergleich zum LLN. Für den FEV1:FVC-Grenzwert von 0,7 ergab sich eine Sensitivität von 66 % und eine Spezifität von 79 % für die Vorhersage von COPD-bedingten Ereignissen.

    Fazit

    Legt man den Grenzwert von 0,7 für die FEV1:FVC-Ratio zugrunde, lässt sich im Vergleich zu anderen Grenzwerten eine relevante COPD fast genauso gut oder deutlich genauer diagnostizieren. Dieser übliche Grenzwert ließ sich nun auch an umfangreichen populationsbezogenen Daten bestätigen. Zu berücksichtigen sei jedoch unter anderem, dass die Spirometrie nur zu Studienbeginn und vor Einsatz von Bronchodilatatoren erfolgte und verordnete Medikamente nicht berücksichtigt wurden, so die Autoren.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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