Pneumologie 2020; 74(04): 210-216
DOI: 10.1055/a-1069-0691
Originalarbeit

Prävalenz der pulmonalen Hypertonie bei Dialysepatienten mit terminaler Niereninsuffizienz

Prevalence of Pulmonary Hypertension in Dialysis Patients with End-stage Renal Disease
J. Ortwein
1   Kinderklinik des Universitätsklinikums Gießen
,
A. Feustel
2   Praxis für Nephrologie, Gießen, ehemals Abteilung Nephrologie, Medizinische Klinik II des Universitätsklinikums Gießen
,
F. Reichenberger
3   Abteilung Pneumologie Klinikum Augustinum München, ehemals Ambulanz für pulmonale Hypertonie, Medizinische Klinik II des Universitätsklinikums Gießen
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz ist die pulmonale Hypertonie (PH) eine häufig beschriebene Komplikation mit unterschiedlicher Ätiologie. Die Prävalenzangaben liegen zwischen 17 – 56 %. Ein Zusammenhang mit einer Volumenüberladung bei Dialysepatienten und der PH wird vermutet.

Methoden Allen Patienten des Dialysezentrums des Universitätsklinikums Gießen wurde ein nichtinvasives Screening auf PH angeboten. Bei Verdacht auf eine PH erfolgte die Korrektur der Flüssigkeitsretention anhand der Bioimpedanzspektroskopie mit dem Ziel der Normovolämie. Bei weiterem V. a. PH im erneuten Screening erfolgte eine invasive Abklärung durch Rechtsherzkatheter.

Ergebnisse 52 Patienten stimmten der Untersuchung zu. Im nichtinvasiven Screening wurde eine PH bei 12 Patienten vermutet (23 %). Nach Einstellung auf Normovolämie bestand noch bei 4 Patienten der V. a. PH (7,7 %), der sich in 2 Fällen im Rechtsherzkatheter bestätigte (3,8 %).

Diskussion Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz ist der Verdacht auf PH im nichtinvasiven Screening signifikant mit Überwässerung assoziiert. Nach Korrektur des Flüssigkeitsstatus anhand der Bioimpedanzspektroskopie wurde in unserer Erhebung eine invasiv bestätigte PH in ca. 4 % gefunden.


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Abstract

Background In patients with end-stage renal disease (ESRD), pulmonary hypertension (PH) is a frequent complication with different etiologies and a 17 – 56 % prevalence rate. We evaluated the impact of fluid retention measured by bioimpedance on the prevalence of PH in this patient cohort.

Methods All patients with ESRD at the dialysis center of the Medical Clinic II of the University Hospital Gießen were invited to participate in the study and undergo non-invasive PH screening. If the screening suggested PH, patients underwent bioimpedance spectroscopy for measurement of fluid retention followed by adjustment of fluid levels to normovolemia as far as possible. Thereafter a second non-invasive screening was performed in this patient cohort after reaching normovolemia. If signs for PH persisted, patients underwent right heart catheterization for further assessment.

Results 52 patients agreed to participate in the study. After the first noninvasive screening, PH was suspected in 12 patients (23 %). After adjustment of fluid levels to reach normovolemia, PH was suspected only in 4 patients (7.7 %) with confirmation in 2 patients by right heart catheterization (3.8 %).

Discussion In patients with ESRD, PH is frequently associated with fluid retention as shown by bioimpedance spectroscopy. After adjustment of fluid to normal levels, PH was confirmed by invasive test in nearly 4 % of cases.


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Einleitung

Die pulmonale Hypertonie (PH) umfasst Erkrankungen der Lungengefäße, die mit einem Anstieg des pulmonal-arteriellen Druckes einhergehen. Dies führt zu einer Steigerung des Gefäßwiderstandes und zu strukturellen Veränderungen in der pulmonal-arteriellen Strombahn. Folgen sind letztlich die Ausbildung eines Cor pulmonale mit Rechtsherzversagen [1] [2] [3] [4].

Nach bisherigen internationalen Leitlinien liegt eine manifeste pulmonale Hypertonie vor, wenn der invasiv bestimmte mittlere pulmonal-arterielle Druck (mPAP) > 25 mmHg in Ruhe beträgt. Nach hämodynamischen Kriterien erfolgt die Einteilung in eine präkapilläre und eine postkapilläre Form. Die präkapilläre PH wird durch einen pulmonal-kapillären Verschlussdruck (PAWP) von < 15 mmHg und einen pulmonal-vaskulären Widerstand (PVR) von > 240dyn*s*cm-5 (> 3 Wood-Einheiten) definiert [5].

Die aktuelle Leitlinie von 2015 unterteilt die PH in 5 Gruppen: Gruppe 1: pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH), Gruppe 2: pulmonal-venöse Hypertonie (PVH), Gruppe 3: PH assoziiert mit Erkrankungen der Lunge und/oder Hypoxämie, Gruppe 4: PH durch chronisch thromboembolische Ereignisse (CTEPH) sowie Gruppe 5: PH mit unklaren multifaktoriellen Mechanismen. In Gruppe 5.4 wird ein Zusammenhang mit chronischem Nierenversagen (mit oder ohne Dialysetherapie) beschrieben [5].

Prävalenzangaben der PH bei terminaler Niereninsuffizienz, insbesondere bei Hämodialysetherapie (HD), aber auch bei Peritonealdialyse (PD), liegen nach echokardiografischer Evaluation in verschiedenen Studien zwischen 17 – 56 % [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12]. Eine aktuelle Metaanalyse gibt bei Patienten mit PD eine PH-Prävalenz von 21 % an [13]. In der PEPPER-Studie wurde eine Prävalenz der invasiv diagnostizierten präkapillären PH bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz von 13 % gefunden [14].

In der Literatur werden verschiedene Zusammenhänge zwischen terminaler Niereninsuffizienz und dem Auftreten einer PH beschrieben. Es wird eine erhöhte Inzidenz einer PH bei Patienten mit Langzeit-HD über einen arterio-venösen Shunt mit subsequenter Hyperzirkulation aber auch durch eine diastolische linksventrikuläre Funktionsstörung aufgrund einer Volumenüberladung beschrieben [7] [12]. Des Weiteren werden Zusammenhänge mit der Anzahl der Dialysejahre und des diastolischen Blutdrucks genannt [11] [15]. Das Vorliegen einer PH hat auch Auswirkungen auf die Nierenfunktion bzw. erhöht das Risiko eines frühen Transplantatversagen nach Nierentransplantation [16].

Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz ist der Wasserhaushalt als relevante Komponente der kardiopulmonalen Hämodynamik zu berücksichtigen, sodass eine Hypervolämie die Inzidenz der PH durch eine Erhöhung des PA-Druckes beeinflussen kann [10] [11]. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen PA-Druck und diastolischem linksventrikulären Volumen sowie eine Abnahme der Ejektionsfraktion bei Dialysepatienten [11]. Als weitere Variante wird auch eine toxische Wirkung im pulmonalen Stromgebiet im Rahmen der Urämie vermutet.

Ziel der vorliegenden Studie ist die Ermittlung der PH-Prävalenz bei Dialysepatienten unter Berücksichtigung des Flüssigkeitsstatus.


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Methodik

In dem Zeitraum von Dezember 2011 bis März 2015 wurden alle Patienten des Dialysezentrums der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Gießen und Marburg am Standort Gießen auf Zeichen einer PH in der Spezialambulanz für Pulmonale Hypertonie nichtinvasiv untersucht, welche die Einschlusskriterien erfüllt haben. Einschlusskriterien waren das Vorliegen einer terminalen Niereninsuffizienz mit Nierenersatztherapie seit mindestens einem Jahr, Alter > 18 Jahre und das Vorliegen einer schriftlichen Zustimmung der Patienten zur Teilnahme an der Untersuchung. Eine Zustimmung der lokalen Ethik-Kommission wurde nach Vorstellung des Studienvorhabens eingeholt.

Das nichtinvasive Screening auf PH erfolgte an einem für den Patienten passenden Zeitpunkt vor oder nach Dialyse oder an einem dialysefreien Tag. Zu dem Screening gehörte neben Anamnese und körperlicher Untersuchung ein 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG), eine Lungenfunktionstestung (LuFu) mit Blutgasanalyse sowie eine transthorakale Echokardiografie (TTE).

Die Beurteilung des nichtinvasiven Screenings erfolgte nach Kriterien für den Verdacht auf eine PH angelehnt an die Leitlinie zur PH von 2009 (siehe [Tab. 1]) [17] [18].

Tab. 1

Kriterien für einen Verdacht auf eine PH mittels nichtinvasivem Screening im Rahmen der Studie.

Kriterien für Verdacht auf eine PH

Echo: sPAP > 36 mmHg

Echo: sPAP < 36 mmHg, aber anderweitige echokardiografische Hinweise (TAPSE < 15 mm, TEI > 0,4, PA-Acc-Time < 120 ms, LV-EI > 1,2, Dilatation des RA und Hypertrophie des RV)

EKG: Rechtsherzhypertrophie-Zeichen

LuFu.: eingeschränkte Diffusionskapazität bei erhaltenen Lungenvolumina, Hypoxämie, Hypokapnie

Echo: Echokardiografie, EKG = Elektrokardiogramm, LuFu. = Lungenfunktionsdiagnostik, LV-EI = linksventrikulärer Exzentrizitätsindex, linksventrikulärer sPAP = systolischer pulmonal-arterieller Druck, PA-Acc-Time = pulmonal-arterielle Akzelerationszeit, RA = rechtes Atrium, RV = rechter Ventrikel, TAPSE = tricuspid anular plane systolic excursion, TEI = myocardial performance index

Bei Verdacht auf eine PH durch das initiale Screening wurde bei diesen Patienten der Körperflüssigkeitsstatus durch Bioimpedanzspektroskopie (BIS) mittels portablem Body Composition Monitor (BCM) von Fresenius Medical Care ermittelt ([Abb. 1]). Diese Messung wurde bei Patienten mit extrakorporaler Dialysetherapie vor Dialysebeginn in Ruhe durchgeführt.

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Abb. 1 Body Composition Monitor der Firma Fresenius Medical Care.

Anhand der Bioimpedanzmessung wurde der Flüssigkeitsstatus der Patienten optimiert und nach frühestens 4 Wochen erneut ein nichtinvasives Screening mit TTE durchgeführt. Bei erneutem Vorliegen einer PH erfolgte eine invasive Abklärung mittels Rechtsherzkatheter ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Ablauf der Studie; EKG = Elektrokardiografie, LuFu = Lungenfunktionsdiagnostik, PH = Pulmonale Hypertonie, RHK = Rechtsherzkatheterisierung, TTE = Transthorakale Echokardiografie.

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Ergebnisse

Zwischen Dezember 2011 bis März 2015 stimmten 52 von 69 befragten Patienten, welche die Einschlusskriterien erfüllten (16 Frauen, mittleres Alter 62 [Standardabweichung (SD) 14,4 Jahre]), der Untersuchung zu.

Zur Verteilung der Nierengrunderkrankung im Patientenkollektiv siehe [Tab. 2]. 40 Patienten (77 %) erhielten eine HD. Von diesen hatten 39 einen arterio-venösen Shunt und ein Patient einen veno-venösen Katheter. 12 Patienten (23 %) erhielten eine PD. Bei 19 Patienten war eine Restdiurese vorhanden, bei 15 Patienten war die Diurese noch voll erhalten.

Tab. 2

Verteilung der nephrologischen Grunderkrankung/Nierenerkrankung des Patientenkollektivs.

Nierengrunderkrankung

Anzahl (n)

Prozent (%)

Diabetische Nephropathie

 7

13,5

Hypertensive Nephropathie

10

19,2

Chronische Glomerulonephritis

 4

 7,7

Familiäre Zystennieren (ADPKD)

 7

13,5

Mesangioproliferative IgA-Nephritis

 2

 3,8

Mehrere Ursachen

 5

 9,6

Andere Ursachen

14

26,9

Unklare Genese

 3

 5,8

Bei 51 Patienten (98 %) waren Komorbiditäten bekannt (siehe [Tab. 3]). Bei der Erstvorstellung der Patienten in der Spezialambulanz für PH betrug das mittlere Körpergewicht 78,4 kg (SD 14,5), der mittlere BMI lag bei 26,7 (SD 4,3). Bei 32 Patienten war anamnestisch ein Trockengewicht bekannt, welches im Mittel bei 75,1 kg (SD 14,5) lag.

Tab. 3

Anamnesedaten und klinische Daten des Patientenkollektivs; COPD = Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, NTX = Nierentransplantation.

Parameter

Verteilung/Häufigkeit

Nierentransplantation

Z. n. NTX

13,5 %

Gelistet für NTX

23,1 %

Dialyseverfahren

Extrakorporale Dialyse

76,9 %

Peritonealdialyse

23,1 %

Shuntlokalisation

Ellenbeuge

28,9 %

Oberarm

21,1 %

Unterarm

50 %

Komorbiditäten

Arterielle Hypertonie

68,6 %

Diabetes mellitus

33,3 %

Koronare Herzkrankheit (KHK)

49 %

Vorhofflimmern
Marcumar-Einnahme

19,6 %
7,8 %

COPD

11,5 %

Asthma bronchiale

3,9 %

Z. n. Lungenembolie

7,8 %

Immunologische Erkrankung

41,2 %

Kardiovaskuläre Risikofaktoren

59,9 %

Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)

15,7 %

37 Patienten klagten über Dyspnoe entsprechend NYHA II (38 %, n = 20) bzw. NYHA III (33 %, n = 17). 15 Patienten hatten keine PH-typischen Beschwerden (29 %).

Anhand des nichtinvasiven Screenings mittels EKG, Lungenfunktionstest und TTE stellte sich bei 12 Patienten (23,1 %) der Verdacht auf das Vorliegen einer PH. Vier dieser Patienten lehnten eine weitere Abklärung im Rahmen der Studie ab. Bei 8 Patienten erfolgte die Durchführung einer Bioimpedanzspektroskopie zur Evaluation des Körperflüssigkeitsstatus. Fünf der 8 Patienten waren laut BIS überwässert mit einem mittleren Volumen von + 1,5 (SD 2,7) Liter. Die maximale gemessene Überwässerung lag bei + 6,5 Liter. Ein Patient verstarb im weiteren Verlauf.

Bei den verbliebenen 7 Patienten erfolgte eine Anpassung des Dialyseregimes mit dem Ziel, eine Normovolämie zu erreichen. Eine Re-Evaluation erfolgte mittels Echokardiografie > 4 Wochen nach Erstuntersuchung.

Anhand der Parameter der TTE stellte sich bei 4 der 7 Patienten erneut der Verdacht auf das Vorliegen einer PH. Bezogen auf das gesamte Patientenkollektiv von initial n = 52 lag die Prävalenz einer PH nun bei 7,7 % (4 von 52). Alle 4 Patienten wurden mit HD über einen AV-Shunt behandelt. Bei 3 der 4 Patienten mit Verdacht auf eine PH erfolgte zur Diagnosesicherung die Durchführung eines Rechtsherzkatheters. Ein Patient erhielt eine weiterführende kardiologische Abklärung bei Verdacht auf eine Linksherzerkrankung mittels Koronarangiografie.

Die Diagnose einer PH konnte durch die RHK-Untersuchung bei 2 Patienten bestätigt werden. Bei Patient 1 liegt eine kombinierte prä- und postkapilläre PH mit pulmonal-venöser Stauung vor. Nach BIS erfolgte bereits eine Gewichtsreduktion bei Überwässerung mit + 2,5 L, nach Diagnosestellung im RHK wurde das Gewicht um weitere 3 kg reduziert. Bei Patient 2 zeigte sich eine manifeste präkapilläre PH mit gut erhaltenem Herz-Zeit-Volumen. Damit errechnet sich eine Häufigkeit der manifesten PH in der vorliegenden Studie von 3,8 % ([Abb. 3] und [Tab. 4]).

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Abb. 3 Verlauf der Studie mit Angabe des PH-Verdachtes von Beginn bis zur Rechtsherzkatheterisierung unter Angabe der Patientenanzahl (n) zu den jeweiligen Zeitpunkten; HD = Hämodialyse, HF = Hämofiltration, m = männlich, n = Anzahl der Patienten, PD = Peritonealdialyse, PH = Pulmonale Hypertonie, RHK = Rechtsherzkatheterisierung, w = weiblich.
Tab. 4

Darstellung der mittels Rechtsherzkatheterisierung in Ruhe gemessenen Parameter der 3 Patienten mit V. a. PH im nichtinvasiven Screening auf PH.

Parameter RHK in Ruhe

Patient 1

Patient 2

Patient 3

mean PAP (mmHg)

42

26

14

PCWP (mmHg)

22

8

0

ZVD (mmHg)

16

5

– 2

HMV (l/min)

5,3

6,7

9

SVR (dyn s cm– 5)

1298

943

667

PVR (dyn s cm– 5)

302

215

124

CI (l/min/m2)

2,60

3,92

5,39

PA systolisch (mmHg)

62

40

27

PA diastolisch (mmHg)

27

17

5

art. pO2 (mmHg)

69,3

65,2

80,2

art. pCO2 (mmHg)

36,2

40,4

45,3

art. SO2 (%)

95,3

91,6

96,9

PH ja/nein

Ja

Ja

Nein

art. pO2 = arterieller Sauerstoffpartialdruck, art. pCO2 = arterieller Kohlendioxidpartialdruck, art. SO2 = arterielle Sauerstoffsättigung, CI = Herz-Index, HMV = Herz-Minuten-Volumen, PA = Pulmonalarterie, PAP = pulmonal-arterieller Druck, PCWP = pulmonal-kapillärer Verschlussdruck, PH = pulmonale Hypertonie, PVR = pulmonal-vaskulärer Widerstand, PVRI = pulmonal-vaskulärer Widerstands-Index, RHK = Rechtsherzkatheterisierung, SAP = systemischer arterieller Druck, SVR = systemisch-vaskulärer Widerstand, SVRI = systemisch-vaskulärer Widerstands-Index, ZVD = zentraler Venendruck


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Schlussfolgerung

In der aktuellen Studie konnten wir zeigen, dass bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz unter chronischer Dialysebehandlung der Verdacht auf PH im nichtinvasiven Screening überschätzt wird. Nach Korrektur auf Normovolämie anhand der Bioimpedanzspektroskopie beträgt die Häufigkeit der mainfesten PH in dieser Patientengruppe 3,8 %.


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Diskussion

Das Bestehen einer pulmonalen Hypertonie bei terminaler Niereninsuffizienz wird in mehreren Studien als großer Risikofaktor für kardiovaskuläre Komplikationen und eine erhöhte Mortalität beschrieben [19] [20] [21].

Zahlreiche nichtinvasive echokardiografische Studien beschreiben hohe Prävalenzraten von 17 – 56 % für eine PH bei terminaler Niereninsuffizienz mit oder ohne Dialysetherapie [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12], in einer Studie mit invasiver Diagnostik der PH wurde eine Prävalenz von präkapillärer PH von 13 % gefunden [14].

In unserer Studie wurde im initialen Screening ein Verdacht auf PH bei 23 % der Patienten geäußert. Dabei verwendeten wir die echokardiografischen Kriterien einer möglichen PH [17], um eine hohe Sensitivität im Screening zu erreichen. Aus organisatorischen Gründen wurde das nichtinvasive Screening sowohl vor als auch nach der Dialyse durchgeführt, um eine hohe Teilnahme an der Studie zu gewährleisten. Dabei waren ggf. falsch positive Befunde bei Screening vor der Dialyse zu berücksichtigen.

Da bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz der Wasserhaushalt als relevante Komponente der kardiopulmonalen Hämodynamik zu berücksichtigen ist, erfolgte vor invasiver Bestätigung der PH eine Normalisierung des Flüssigkeitsstatus anhand der BIS. Dieses Verfahren der Ermittlung des Volumenstatus bei Dialysepatienten ist eine etablierte Outcome-Methode zur Bestimmung der Normovolämie [22] [23] [24] [25] [26]. In unserem Patientenkollektiv zeigten ca. ⅔ der Patienten im PH-Screening eine Überwässerung, und das Vorhandensein einer Überwässerung war mit dem V. a. PH assoziiert.

Die Häufigkeit der PH reduzierte sich nach Regulation des Körperflüssigkeitsstatus von initial 23,1 % (n = 12) auf 7,7 % (n = 4). Mittels invasiver Abklärung konnte eine PH bei 2 Patienten invasiv gesichert werden. Daraus errechnet sich in diesem Patientenkollektiv eine Häufigkeit von 3,8 %.

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass beim nichtinvasiven Screening die pulmonal-arteriellen Druckwerte bei terminaler Niereninsuffizienz unter Dialysetherapie oft zu hoch eingeschätzt und vom Körperflüssigkeitsstatus beeinflusst werden.

Unter Beachtung der geringen Fallzahl und ungleicher Verteilung von HD- und PD-Patienten, zeigt sich in unserer Patientengruppe eine gewisse Verbindung zwischen PH und der Art des Dialyseverfahrens, wurden doch beide Patienten mit manifester PH über einen AV-Shunt dialysiert. Ätiologisch steht eine Hyperzirkulation mit Schädigung der pulmonalen Strombahn durch Shearstress im Vordergrund [12]. Dies ist hämodynamisch bei Patient 2 abzulesen. Eine weitere Option ist die Entwicklung einer präkapillären Komponente über eine linkskardiale Funktionsstörung, wie sie häufig bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz und in unserer Studie bei Patient 1 zu finden ist, im S. e. kombinierten prä- und postkapillären PH [6] [11] [19] [27].

Unsere Beobachtung umfasst nur eine relativ kleine Gruppe von Dialysepatienten mit einer unerwartet geringen Zahl von nachgewiesener PH-Erkrankung. Daher sind die eingesetzten Methoden insbesondere der BIS in diesem Zusammenhang weiter an einem größeren Patientenkollektiv zu evaluieren.

Aufgrund der Relevanz von PH auch hinsichtlich einer späteren Nierentransplantation kann ein PH-Screening sinnvoll sein. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie ist in [Abb. 4] ein Screening- Algorithmus für Dialysepatienten vorgeschlagen.

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Abb. 4 Screening-Algorithmus bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz und Verdacht auf PH als Empfehlung basierend auf den Ergebnissen der hier diskutierten Studie; EKG = Elektrokardiografie, ESC = European Society of Cardiology, ERS = European Respiratory Society, PH = Pulmonale Hypertonie.

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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof Dr. med. F. Reichenberger
Abteilung Pneumologie
Klinikum Augustinum München
Wolkerweg 16
81375 München

Publication History

Received: 19 November 2019

Accepted: 13 December 2019

Article published online:
13 February 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


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Abb. 1 Body Composition Monitor der Firma Fresenius Medical Care.
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Abb. 2 Ablauf der Studie; EKG = Elektrokardiografie, LuFu = Lungenfunktionsdiagnostik, PH = Pulmonale Hypertonie, RHK = Rechtsherzkatheterisierung, TTE = Transthorakale Echokardiografie.
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Abb. 3 Verlauf der Studie mit Angabe des PH-Verdachtes von Beginn bis zur Rechtsherzkatheterisierung unter Angabe der Patientenanzahl (n) zu den jeweiligen Zeitpunkten; HD = Hämodialyse, HF = Hämofiltration, m = männlich, n = Anzahl der Patienten, PD = Peritonealdialyse, PH = Pulmonale Hypertonie, RHK = Rechtsherzkatheterisierung, w = weiblich.
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Abb. 4 Screening-Algorithmus bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz und Verdacht auf PH als Empfehlung basierend auf den Ergebnissen der hier diskutierten Studie; EKG = Elektrokardiografie, ESC = European Society of Cardiology, ERS = European Respiratory Society, PH = Pulmonale Hypertonie.