Radiologie up2date 2020; 20(02): 108-110
DOI: 10.1055/a-1076-3399
How I do it

How I do it – SARS-CoV-2: Organisationsempfehlungen für radiologische Abteilungen

Andreas G. Schreyer
,
Johannes Wessling
 
Hinweis

Die Beiträge in der Rubrik „How I do it“ sind als Anregung und Orientierungshilfe zu verstehen. Es bleibt jeder/jedem Kollegin/Kollegen überlassen, von diesem Schema abzuweichen, sofern man sich mit der Indikationsfrage befasst hat und sachliche Gründe für ein alternatives Vorgehen sprechen.

Einleitung

Die weiter zunehmende Verbreitung von SARS-CoV-2 als von der WHO anerkannte Pandemie prägt gegenwärtig entscheidend unser gesellschaftliches und ärztliches Handeln.

Innerhalb von Krankenhäusern sind radiologische Abteilungen durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung und ihren breiten diagnostischen und interventionellen Versorgungsauftrag bei nahezu allen Krankheitsbildern beteiligt. Dies birgt die Gefahr, dass sich Patienten und Mitarbeiter in einer radiologischen Abteilung anstecken können.

Bei der COVID-19-Pandemie spielt die Radiologie sicherlich eine wichtige Rolle für die Primär- und Verlaufsdiagnostik. Dennoch werden die meisten Patienten, hierunter auch asymptomatische Virusträger, aus anderen Gründen in der Radiologie untersucht: Angefangen mit der Diagnostik von Lungenembolien und nicht viralen Pneumonien müssen auch Diagnose, Staging und Nachsorge bei Tumorpatienten gewährleistet sein, genauso wie die Radiologie unverändert auch in der Notfall- und Traumadiagnostik essenzieller Bestandteil der klinischen Patientenversorgung bleibt. Klinische radiologische Abteilungen müssen daher sicher und umfassend handlungsfähig bleiben und alle Patienten weiterhin adäquat versorgen können. Zusätzlich muss das Personal in der Radiologie bestmöglich geschützt werden, um sich nicht selbst anzustecken und um eine Verbreitung des Virus über die Radiologie als klinische Kerndisziplin zu vermeiden.

In der vorliegenden Arbeit sind organisatorische Handlungsempfehlungen für radiologische Abteilungen in Deutschland zusammengestellt. Die Empfehlungen basieren auf der aktuellen Literatur zu COVID 19 [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7] und auf den einige Jahre zurückliegenden Publikationen, die sich mit der Vorbereitung radiologischer Abteilungen auf das Ebola-Virus beschäftigten [8], [9]. Zusätzlich wurden die Führungskräfte der Deutschen Radiologie an Kliniken über die KLR (Konferenz der Lehrstuhlinhaber) sowie über die CAFRAD (Chefarztforum Radiologie) mittels einer E-Mail-Umfrage kontaktiert und die Mitglieder nach Ideen und Plänen zur Vorbereitung ihrer Abteilungen befragt.

Die Sammlung und Zusammenstellung dieser Organisationsempfehlungen stammt aus der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie innerhalb der ersten Märzwochen 2020. Bemerkenswert sind die konstruktiven und durchdachten Beiträge aller Mitglieder der KLR und CAFRAD über die jeweiligen Internetforen der Gesellschaften mit dem Ziel, die eigenen Vorbereitungen zur Organisation mit den Maßnahmen der anderen Kollegen frühzeitig anzugleichen und zu verbessern. So war – ohne das Vorliegen bereits vorhandener oder publizierter Literatur – in einer noch sehr frühen Phase der Krise eine gut strukturierte und in der Deutschen Radiologie gemeinsam erstellte Ideensammlung durch eine Ad-hoc-Abfrage möglich.

Diese nachfolgend vorgestellte Ideensammlung ist lediglich als organisatorische Ergänzung und Empfehlung zu sehen und stellt keineswegs eine organisatorische Mindestanforderung dar. Auf die Bedeutung der CT bei Verdacht auf oder bei Nachweis einer COVID-19-Erkrankung wird hier nicht eingegangen. Auch auf die Empfehlungen bezüglich hygienischer Maßnahmen und die dabei auftretenden logistischen Anforderungen wie etwa Mundschutz oder Schutzkittel wird in dem Manuskript bewusst verzichtet – hier soll auf die aktuellen Empfehlungen des RKI (Robert Koch-Institut, www.rki.de) verwiesen werden. Bezüglich der aktuellen klinischen Empfehlungen wird auf die Webseite der Deutschen Röntgengesellschaft (https://www.drg.de/de-DE/6296/sars-cov-2-covid-19/) verwiesen.


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Allgemeine Empfehlungen

Insgesamt soll versucht werden, mögliche Infektionen zwischen radiologischem Personal und Patienten sowie innerhalb des radiologischen Personals zu minimieren. Einerseits sollten daher größere Versammlungen des radiologischen Personals vermieden und die Kommunikation in einer radiologischen Abteilung möglichst über elektronische Medien, wie etwa E-Mail-Verteiler, geführt werden. Andererseits ist auch der Kontakt des radiologischen Personals mit Patienten auf das Notwendigste zu beschränken – eine Empfehlung ist u. a., dass bei einer Patientenuntersuchung möglichst nur eine MTRA mit dem Patienten Berührung hat.

Die Aufenthaltsräume in einer radiologischen Abteilung sollten von maximal 2 – 3 Personen gemeinsam genutzt werden. Auch die häufig üblichen persönlichen Besprechungen vor Dienstbeginn in Aufenthaltsräumen sollen vermieden werden. Sinnvoll ist die Einführung von Pausenregelungen, sodass maximal 2 – 3 Personen, am besten nach radiologischen Modalitäten getrennt (Vermeidung der Durchmischung von Personal zwischen verschiedenen Modalitäten), gleichzeitig in Pause gehen. Um Ansteckungen über die Arbeitsplätze zu vermeiden, sollten sowohl Ärzte als auch MTRA und medizinisches Hilfspersonal möglichst konstant am gleichen Arbeitsplatz eingeteilt werden, um Durchmischungen zu verringern. Am Arbeitsplatz selbst sollten die hygienischen Vorgaben genau eingehalten und entsprechende Maßnahmen verstärkt durchgeführt werden, vor allem für die Eingabegeräte (Tastaturen, Maus) sowie Telefonhörer. Für die allgemeine Personalplanung sollte ein Notfallplan erstellt werden, in dem zumindest 2 unabhängige Gruppen bzw. Schichten von Ärzten und MTRA definiert werden, sodass im Notfall eine unabhängige zweite Arzt- und MTRA-Gruppe erhalten bleibt, die den (Rest-)Betrieb aufrechterhalten kann.

Praxistipp

Allgemeine Regeln

  • für jeden zu untersuchenden Patienten den Kontakt zu diesem (wenn möglich) auf eine MTRA beschränken

  • Kommunikation innerhalb der Radiologie über Mailverteiler bzw. Aushänge – gemeinsame (große) radiologische Besprechungen vermeiden

  • Aufenthaltsräume vor Dienstbeginn nicht mehr gemeinsam nutzen – jeder begibt sich nach dem Umkleiden direkt an den zugeteilten Arbeitsplatz

  • Pausenregelung einführen – Pausen nur in Kleingruppen/maximal 2 – 3 Personen und nach Modalitäten getrennt (keine Durchmischung der Modalitäten und Arbeitsplätze)

  • Absprachen bezüglich Patienten oder Pausenregelung/Mittagsablöse zwischen den Arbeitsplätzen telefonisch durchführen

  • MTRA und Ärzte an bestimmten Modalitäten/Arbeitsplätzen einteilen, möglichst Wechsel vermeiden (Durchmischung reduzieren)

  • bei Wechseln am Arbeitsplatz verstärkte Hygiene der Eingabegeräte (Tastaturen, Maus etc.)

  • keine Annahme neuer, medizinisch akut nicht nötiger Mitarbeiter (Famulanten, PJ, Hospitationen)

  • keine externen, medizinisch nicht notwendigen Besuche (Industrie, Studenten) zulassen

  • Notfallplan bei Zunahme der COVID-Fälle vorbereiten: bei weniger stationären Patienten und weitgehendem Verzicht auf ambulante Diagnostik Verringerung des radiologischen Präsenz-Personalstandes – dabei Verlängerung der täglichen Schichten und die andere Hälfte der Mitarbeiter ins Frei schicken, um eine zweite Schicht bei „Durchseuchung“ der Abteilung vorzuhalten


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Interdisziplinäre Konferenzen und Boards

Konferenzen und Boards sollten möglichst reduziert oder abgesagt werden. Wann immer möglich, sollten die Besprechungen elektronisch, z. B. über Videokonferenzen, oder ggf. als telefonische Befundmitteilungen stattfinden. In Fällen unbedingt notwendiger Boards, z. B. um bei Tumorboards eine adäquate klinische Qualität zu erhalten, sind idealerweise nur wenig Teilnehmer vorhanden. Die Boards sollten in belüfteten Räumen stattfinden, die zudem groß genug sind, um einen Personenabstand von 1,50 – 2,00 Meter zwischen den Teilnehmern zu gewährleisten.

Praxistipp

Interdisziplinäre Konferenzen und Boards

  • Konferenzen und Boards auf das Nötigste reduzieren oder, wenn möglich, vollständig absagen – Wechsel auf zeitnahe direkte telefonische Befundmitteilung

  • wenn Konferenzen unbedingt nötig sind, Teilnehmer auf Entscheidungsträger beschränken (maximal 5, maximal 1 Stunde, große, belüftete Räume)


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Infrastruktur Radiologie

Hier sollte darauf geachtet werden, dass alle zur Verfügung stehenden Workstations genutzt werden. Workstations für die Befundung sollten möglichst großräumig verteilt werden. Die Befundungsräume sollten nur von den Radiologen betreten werden. Die radiologischen Mitarbeiter sollten möglichst die immer gleichen Computer und Eingabegeräte benutzen, um die Infektionsgefahr so gering wie möglich zu halten.

Ferner sollten zugelassene radiologische Workstations mit der Möglichkeit teleradiologischer Homeoffice-Arbeitsplätze genutzt werden.

In den Räumen sollten keine Befundbesprechungen am Monitor mit den patientenführenden Kollegen stattfinden, stattdessen empfiehlt es sich, die Befunde telefonisch zu übermitteln.

Praxistipp

Infrastruktur Radiologie

  • ggf. Umbau und großflächige Verteilung von Workstations zur Befundung (dezentrale Befundung, Umsetzen nahe zusammenstehender Workstations)

  • Vorbereitung von teleradiologisch zugelassenen Arbeitsplätzen/Homeoffice

  • Vorbereitung eines Video-Streaming-Konferenzsystems für Fallbesprechungen


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Patientenplanung und Wartebereich

Elektive Untersuchungen sollten möglichst reduziert werden. Die Radiologen sollten die Befunde nicht mehr mit dem Patienten persönlich besprechen, sondern z. B. telefonisch.

Die Anzahl der Personen in den Wartezimmern ist idealerweise so begrenzt, dass die noch wartenden Patienten mindestens einen Abstand von 1,50 – 2,00 Meter voneinander einhalten können. Ansonsten sollten Patienten bevorzugt auf Abruf und möglichst ohne Wartezeit nach Ankunftsregistrierung direkt in die Untersuchungszimmer geführt werden.

Praxistipp

Patientenplanung

  • lange Wartezeiten vermeiden, nach Ankunftsregistrierung möglichst ohne Warteraumkontakte in den Untersuchungsbereich

  • keine persönlichen Patienten- bzw. Befundgespräche bei ambulanten Patienten, nur telefonische Besprechungen


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Fazit

Insgesamt wird also empfohlen, die Interaktionen zwischen Patienten, aber auch zwischen Patienten und medizinischem Personal einer klinischen Radiologie zu verringern. Erreichen lässt sich dies innerhalb der radiologischen Abteilung, indem man Geräte so wenig Benutzern wie möglich zuordnet (möglichst die gleichen Ärzte und MTRA auf den gleichen Modalitäten) und das ärztliche und medizinische Personal eine möglichst hohe Distanz während der Arbeitszeit, aber auch während der Pausen einhält. Aber nicht nur der direkte Kontakt zwischen MTRA und Ärzten, sondern auch der zu den Patienten sollte auf das Notwendigste beschränkt werden. Und schließlich sollte innerhalb der Abteilung und interdisziplinär mit anderen Kliniken möglichst nicht direkt persönlich, sondern über elektronische Medien kommuniziert werden.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. Andreas G. Schreyer, MHBA
Medizinische Hochschule Brandenburg (MHB)
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie
Hochstraße 29
14770 Brandenburg an der Havel

Publication History

Article published online:
05 June 2020

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York