intensiv 2020; 28(02): 106
DOI: 10.1055/a-1088-5025
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Publication Date:
05 March 2020 (online)

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Hirntod und Organspende aus interkultureller Sicht

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Stephan M. Probst (Hrsg.). Hirntod und Organspende aus interkultureller Sicht. Leipzig, Hentrich & Hentrich; 2019. ISBN 978-3-95565-292-0, 268 S., 15 Abb., 19,90 €

Am 01.09.2019 brachte Stephan M. Probst das Buch „Hirntod und Organspende aus interkultureller Sicht“ heraus. Inhaltlich ist der Sammelband mit den einzelnen Themen konkurrenzlos. Die Auswahl der Autoren weist echte Kenner ihrer Materie aus. Die Sprache ist allgemein verständlich, der Inhalt liegt ganz auf wissenschaftlichem Niveau.

Der Neurochirurg Prof. Dr. Dag Moskopp beschreibt darin auf 52 Seiten die Entwicklung des Hirntodes von 1952 bis 1960 und beantwortet die gängigsten Fragen zum Hirntod. Er vermittelt den pathophysiologischen Zustand Hirntod und zeigt deutlich auf, dass die Entwicklung zum Hirntod der Organspende um Jahre vorausging und damit getrennt verlaufen ist.

Der ärztliche Koordinator der DSO Region NRW Sören Melsa beschreibt auf 20 Seiten den Ablauf der Organtransplantation von der schweren Hirnschädigung mit allen Stationen bis zur Transplantation und nennt die Rolle der Beteiligten: Bundesärztekammer, Entnahmekrankenhäuser, Deutsche Stiftung Organtransplantation, Eurotransplant und die Transplantationszentren.

Der Philosoph Prof. Dr. Ralf Stoecker legt auf 17 Seiten seine Überlegungen zu Hirntod und Organspende dar. Da für ihn Hirntote keine Leichen sind, sieht er hier noch Diskussionsbedarf.

Der Soziologe Prof. Dr. Frank Adloff und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Iris Hilbrich zeigen auf 15 Seiten die Hintergründe der Vorbehalte und Ablehnungen der Deutschen gegenüber Organspende auf. Die in Umfragen genannten Gründe sind Mangel an Informationen, Misstrauen, Ablehnung des Hirntodkonzepts und die körperliche Unversehrtheit.

Die Religionswissenschaftlerin Sarah Werren beschreibt auf 39 Seiten die jüdisch-orthodoxe Sicht zu Hirntod und Organspende. Aus unverständlichen Gründen ist dieser Beitrag in englischer Sprache.

Der katholische Theologe Prof. Dr. Antonio Autiero stellt auf 13 Seiten die katholische Sicht zu Hirntod und Organspende dar. Sie wird in dem afrikanischen Sprichwort deutlich: „Der Mensch ist die Medizin des Menschen.“

Die evangelische Theologin Ruth Denkhaus zeigt auf 27 Seiten die evangelische Sicht und ihre Entwicklung. Gut recherchiert legt sie die Entwicklung vom eindeutigen Ja in der gemeinsamen Erklärung 1990 zur gegenwärtigen Zurückhaltung dar.

Der Kultur- und Sozialanthropologe Dr. Martin Kellner zeigt auf 19 Seiten ethisch-rechtliche Fragen im islamischen Recht zur Organtransplantation auf. Dabei nennt er die Argumente der Kritiker und der Befürworter.

Der syrische Mediziner Dr. M. Zouhair Safar Al-Halabi legt auf acht Seiten die islamische Sicht zur Organspende dar. Dabei geht er gut verständlich auf zwölf islamische bioethische Regeln zur Organtransplantation ein.

Der Journalist Peter Krause betrachtet auf elf Seiten die anthroposophische Sicht zum Sterben und zum Tod des Menschen. Gleichsam einen Bogen zum Artikel von Dag Moskopp schlagend zitiert er eine Aussage von Rudolf Steiner aus dem Jahre 1912, wonach Hirntote als Tote zu betrachten sind.

Stephan M. Probst ist mit der Auswahl der Autoren ein hervorragendes Buch gelungen, das selbst Kennern der Materie in allen Beiträgen noch bisher unbekanntes Wissen vermittelt. Dass der Beitrag der jüdisch-orthodoxen Sicht in englischer Sprache ist, ist ein Wermutstropfen, der den Wert des Buches aber um keinen Deut schmälert.

Für 19,90 Euro bekommt man ein fundiertes Fachbuch mit zahlreichen Quellenangaben, das jedem zu empfehlen ist, der mit Hirntod und/oder Organspende zu tun hat oder sich einfach dafür interessiert.

P. Klaus Schäfer SAC


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