Rofo 2020; 192(05): 405-407
DOI: 10.1055/a-1091-9030
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Muskuloskelettale Radiologie in Deutschland – Eine Standortbestimmung der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und des Berufsverbands der Deutschen Radiologen (BDR)[]

Musculoskeletal Radiology in Germany – A Status Quo from the German Roentgen Society (DRG) and the Association of German Radiologists (BDR)
Gerald Antoch
1   Heinrich-Heine-Universität, Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Deutsche Röntgengesellschaft e. V. – Präsident Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Düsseldorf, Germany
,
Marc Regier
2   Radiologie München, Deutsche Röntgengesellschaft e. V. – Vorsitzender der AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates, München, Germany
,
Detlef Wujciak
3   Radiologische Praxis (BAG Radiologie-Onkologie), Berufsverband der Deutschen Radiologen e. V. – Präsident, Halle (Saale), Germany
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Korrespondenzadresse

Prof. Marc Regier
Radiologie München
Burgstraße 7
80331 München
Germany   
Phone: ++ 49/89/2 12 19 64 26   

Publication History

Publication Date:
21 April 2020 (online)

 

Die muskuloskelettale Radiologie (MSK-Radiologie) bzw. präziser die Skelettradiologie nimmt bereits mit der Röntgenaufnahme der Hand von Bertha Röntgen im Jahr 1895 ihren Anfang und ist damit das älteste radiologische Fachgebiet. Mittlerweile bildet sie einen Querschnitt der medizinischen Bildgebung ab: Sie umfasst alle Körperregionen, ist mit multiplen Krankheitsentitäten befasst und nutzt sämtliche verfügbaren modernen bildgebenden Verfahren einschließlich CT, MRT und Ultraschall sowie zunehmend auch neue Verfahren wie beispielsweise die Hybridbildgebung, die metabolische und kompositionelle MRT-Bildgebung oder die Hochfeld-MRT. Zeitlich hochauflösende Schnittbildverfahren zur Funktionsbeurteilung und der Einsatz in Hybrid-OP-Sälen ergänzen das umfangreiche Arsenal diagnostischer Möglichkeiten. Derzeit in der Evaluation befindliche Techniken, wie z. B. die Spektral-CT, versprechen zudem auch für die MSK-Radiologie spannende klinische Einsatzmöglichkeiten.

Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates haben in Diagnostik und minimalinvasiver Therapie muskuloskelettaler Erkrankungen einen hohen Stellenwert und machen dementsprechend einen großen Anteil in der täglichen Routine in Klinik und Praxis aus. Dabei ist die wachsende Bedeutung der MSK-Radiologie nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass Muskel- und Skeletterkrankungen in Deutschland mittlerweile zu den häufigsten (und kostenträchtigsten) chronischen Erkrankungen gehören. Ob Arthrose, Osteoporose oder rheumatoide Arthritis – ein Großteil der älteren und alten Bevölkerung leidet unter einer oder mehreren muskuloskelettalen Erkrankungen. Chronische Rückenschmerzen wiederum betreffen auch jüngere Menschen im Erwerbsalter [1]. Diesen Zuwachs bestätigt auch ein Blick auf die häufigsten ICD-Schlüsselnummern bei Radiologen: Unter den ersten 10 Nummern sind 7 dem Bereich „Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes“ zugeordnet [2].

Im Rahmen der ambulanten und stationären Patientenversorgung umfasst die MSK-Bildgebung sowohl die Erst- und Akutdiagnostik als auch das perioperative bzw. prätherapeutische Management sowie die Nachsorge. Die Vielfalt der Krankheitsentitäten im Bereich der Orthopädie/Unfallchirurgie, Traumatologie, Onkologie, Rheumatologie und Osteologie erfordert dabei – neben anatomischem Detailwissen – detaillierte Kenntnisse der Erkrankungen, aller additiven bzw. komplementären Methoden und deren Indikation sowie die Befähigung zu einer klinisch-zielführenden, qualifizierten Beurteilung. Dabei erweitern und verändern sich durch immer komplexere Operationsverfahren und zunehmend differenziertere Fragestellungen seitens der Zuweiser, beispielsweise der Sportorthopäden oder Sporttraumatologen, die Anforderungen an MSK-Radiologen.

Auf der anderen Seite steht die immense volkswirtschaftliche Bedeutung von Muskel- und Skeletterkrankungen: Sie verursachen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage, sind die häufigste Diagnose in Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen und der zweithäufigste Grund für gesundheitlich bedingte Frühberentungen [3].

Der Einsatz der bildgebenden Methoden im MSK-Bereich folgt deshalb nicht nur wissenschaftlich-evidenzbasierten Kriterien, sondern hat auch stets ökonomischen Anforderungen zu genügen. Ziel muss daher auch zukünftig sein, eine qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung in der Breite zu gewährleisten, die sich an den Patienten, aber auch an den wirtschaftlichen Anforderungen ausrichtet. Das bedeutet, dass Qualifizierungen und Spezialisierungen im Bereich der MSK-Bildgebung kein „l’art pour l’art“ sind, sondern sich stets am tatsächlichen Bedarf und den technischen Entwicklungen orientieren sollten.

MSK-Radiologie – Teil eines größeren Ganzen

Die muskuloskelettale Radiologie nimmt eine zentrale interdisziplinäre Aufgabe in der klinischen Zusammenarbeit wahr und als ein fester Bestandteil der klinischen Radiologie aller Organsysteme fügt sie sich damit nahtlos ein in die inhaltliche und organisationale Gesamtheit der Radiologie, repräsentiert und vertreten durch DRG und BDR. Sie ist damit Akteur und zugleich auch Nutznießer einer übergreifenden Methodenentwicklung, der wissenschaftlichen Arbeit, bedarfsorientierter Fort- und Weiterbildungsangebote sowie einer starken Interessenvertretung in den relevanten gesundheitspolitischen Arenen und gegenüber anderen Fachdisziplinen.

In dem Wissen um die spezifischen Anforderungen und Bedarfe der MSK-Radiologie richten dabei DRG und BDR ihre Arbeit insbesondere an den folgenden Herausforderungen und Handlungsfeldern aus:

  • Arbeitsrelevante Modifikationen, die sich aus technologischen (Weiter-) Entwicklungen ergeben (z. B. neue Sequenztechniken, Artifical Intelligence und Scoring-Systeme)

  • Fortlaufende Begleitung, Beratung und Initiierung von Novellierungsprozessen im Bereich der medizinischen Ausbildung und fachärztlichen Weiterbildung

  • Entwicklung und Fortführung bedarfsbezogener Fortbildungsangebote und Zertifizierungsprogramme

  • Nachwuchsförderung durch personelle und inhaltliche Einbindung in diesbezügliche Initiativen, Programme und Angebote

  • Beförderung von wissenschaftlichen Impulsen durch Initiierung und Begleitung von relevanten Forschungsprojekten


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Integrativ, kompetent und zielorientiert: Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates in der DRG

Die DRG setzt sich entscheidend für die Sicherung der Multi- und Interdisziplinarität der Radiologie sowie für die Verbindung von Forschung, klinischer Praxis und Weiterbildung ein. Sie versteht sich als Enabler und Plattform zugleich. Die Möglichkeit einer Spezialisierung unter Erhalt der Einheit des Faches ist dabei ein entscheidendes Kriterium. Sichtbarer und gelebter Ausdruck dieses Selbstverständnisses sind die Arbeitsgemeinschaften in der DRG.

Mit rund 600 Mitgliedern gehört die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates (AG BVB) zu den größten Arbeitsgemeinschaften in der DRG. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Versorgungsqualität der MSK-Radiologie in Deutschland in Breite und Tiefe sicherzustellen und weiter auszubauen.

Hierfür setzt sie die notwendigen Standards, steht für eine kompetente Vertretung des Fachgebiets – u. a. in der Leitlinienarbeit – und übt die Funktion eines primären Ansprechpartners aus – sowohl innerhalb der radiologischen Gemeinschaft als auch für Vertreter benachbarter bzw. zuweisender Fachdisziplinen wie Orthopäden, Unfallchirurgen, Rheumatologen, Onkologen, Internisten und Pädiater.

Schwerpunkte der AG-Arbeit: Fortbildungen & Zertifizierungen

Die Facharztausbildung ist die Grundlage für die diagnostische und therapeutische Tätigkeit als Radiologe. Sie bildet die vielfältigen Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik und bildgeführten Intervention ab, für die dieses Fach steht. Als eines der letzten Ganzkörperfächer der Medizin muss die Radiologie sich aber mehr als andere Fächer darum bemühen, neues Wissen kontinuierlich zum Gegenstand der Fortbildung zu machen und schnellstmöglich in die Versorgungspraxis zu integrieren. Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates bietet daher nicht nur ein strukturiertes Fortbildungsprogramm in der MSK- Radiologie an, sondern hat unter dem Dach der DRG ein Zertifizierungssystem etabliert, mit dessen Hilfe der strukturierte Erwerb von ergänzendem Experten-/Spezialwissen dokumentiert werden kann. Die zusätzliche, qualifizierte und abgestufte Zertifizierung während und nach der Facharztweiterbildung orientiert sich an den spezifischen Anforderungen der MSK-Radiologie und spiegelt so vollumfänglich die klinische Wirklichkeit wider.


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Schwerpunkte der AG-Arbeit: Leitlinien

Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates beteiligt sich aktiv an der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Leitlinien. AG-Mitglieder bringen sich in den relevanten Leitlinienteams ein, um gemeinsam mit Vertretern anderer Fachgesellschaften und Patientenorganisationen die Normen, Standards und Empfehlungen zum Einsatz radiologischer Verfahren im Bereich MSK und deren technischen Ablauf darzustellen und so eine qualitätsgesicherte Versorgung der Patienten zu gewährleisten.


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Schwerpunkte der AG-Arbeit: Protokollempfehlungen

Zu den selbstgestellten Zielen der AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates gehört auch, Protokollempfehlungen zu allen wesentlichen Untersuchungen der muskuloskelettalen Radiologie zu entwickeln. Diese sollen ein qualitativ hochwertiges Untersuchungsergebnis und einen aussagekräftigen Befund gewährleisten und dabei die Erfordernisse der Routine in der Klinik und in der niedergelassenen Radiologie berücksichtigen. Bereits erarbeitete Protokollempfehlungen werden auf der AG-Homepage zum Download zur Verfügung gestellt.


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Schwerpunkte der AG-Arbeit: Curriculum MSK-Radiologie

Universitäre und nichtuniversitäre Ausbildungszentren bieten bereits im Rahmen der fachärztlichen Weiterbildung Radiologie eine vollumfängliche MSK-Ausbildung auf höchstem Niveau. Darüber hinaus können spezielle Untersuchungstechniken während und nach der Weiterbildung in spezialisierten Kliniken und in dezidierten Fortbildungsveranstaltungen erlernt und vertieft werden. Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates hat nun – auf Grundlage der neuen Musterweiterbildungsordnung – ein umfassendes, klinisch orientiertes MSK-Curriculum für die Facharztausbildung und die spezialisierte Weiterführung in abgestuften Zertifizierungen ausgearbeitet [4]. Es soll die Grundlage sein für eine auch zukünftig qualifizierte, effiziente und stets am Patienten ausgerichtete MSK-Radiologie in Deutschland.


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Dieser Beitrag wird parallel in der Zeitschrift Der Radiologe, 5/2020 (https://doi.org/10.1007/s00117-020-00678-2) publiziert.


  • Literatur

  • 1 Robert-Koch-Institut. Gesundheit in Deutschland – die wichtigsten Entwicklungen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Berlin: 2016
  • 2 Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Die 50 häufigsten ICD-10-Schlüsselnummern nach Fachgruppen aus dem ADT-Panel des Zentralinstituts 2015. Berlin: 2016 Ein ähnliches Bild zeigt sich z. B. auch bei den 20 häufigsten Abrechnungspositionen im Jahr 2017. Vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Das Leistungsgeschehen in der Vertragsärztlichen Versorgung im Jahre 2017, Auswertung der GKV-Frequenzstatistik, Berlin 2019
  • 3 Robert-Koch-Institut. Gesundheit in Deutschland – die wichtigsten Entwicklungen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Berlin: 2016
  • 4 Braunschweig R, Janka R. Curriculum für die Facharztausbildung und die Weiterbildung in der Muskuloskelettalen Radiologie. Fortschr Röntgenstr 2020; 192 DOI: 10.1055/a-1091-4072.

Korrespondenzadresse

Prof. Marc Regier
Radiologie München
Burgstraße 7
80331 München
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Phone: ++ 49/89/2 12 19 64 26   

  • Literatur

  • 1 Robert-Koch-Institut. Gesundheit in Deutschland – die wichtigsten Entwicklungen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Berlin: 2016
  • 2 Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Die 50 häufigsten ICD-10-Schlüsselnummern nach Fachgruppen aus dem ADT-Panel des Zentralinstituts 2015. Berlin: 2016 Ein ähnliches Bild zeigt sich z. B. auch bei den 20 häufigsten Abrechnungspositionen im Jahr 2017. Vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Das Leistungsgeschehen in der Vertragsärztlichen Versorgung im Jahre 2017, Auswertung der GKV-Frequenzstatistik, Berlin 2019
  • 3 Robert-Koch-Institut. Gesundheit in Deutschland – die wichtigsten Entwicklungen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Berlin: 2016
  • 4 Braunschweig R, Janka R. Curriculum für die Facharztausbildung und die Weiterbildung in der Muskuloskelettalen Radiologie. Fortschr Röntgenstr 2020; 192 DOI: 10.1055/a-1091-4072.